Thüringer OVG, Beschluss vom 09.10.2017 - 2 EO 113/17
Fundstelle
openJur 2019, 41886
  • Rkr:

1. Der nach Art 33 Abs 2 GG gebotene Leistungsvergleich scheitert nicht daran, dass sich der Bewerberkreis aus Beamten und Tarifbeschäftigten zusammensetzt und der zur Auswahl berufene Dienstherr nicht auch der öffentliche Arbeitgeber der tarifbeschäftigten Bewerber ist.

2. Sog. qualifizierte Arbeitszeugnisse können taugliche Grundlage für den anzustellenden Leistungsvergleich sein.

3. Dem Leistungsvergleich steht es nicht entgegen, wenn ein Beamter als externer Bewerber aus Rechtsgründen nicht über eine aktuelle dienstliche Beurteilung verfügt, etwa weil eine periodische Beurteilung nach Erreichen der dafür vorgesehenen Altersgrenze nicht mehr erstellt wurde und das Beurteilungssystem eine Bedarfsbeurteilung für Bewerbungen bei einem anderen Dienstherrn nicht vorsieht. In diesen Fällen ist aus Gründen der Fürsorgepflicht vom (abgebenden) Dienstherrn ein sog. qualifiziertes Dienstzeugnis zu erstellen, das taugliche Grundlage für den Leistungsvergleich des zur Auswahl berufenen Dienstherrn sein kann.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 11. Januar 2017 geändert und dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den Beigeladenen auf der Stelle des Leiters der Abteilung ...im Thüringer Ministerium für ... zum Ministerialdirigenten (BesGr B 5 ThürBesG) zu ernennen, zu befördern oder in eine entsprechende Planstelle einzuweisen, solange nicht über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens im ersten und zweiten Rechtszug zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst zu tragen hat.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 25.006,56 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, Ministerialrätin (BesGr A 16 ThürBesG) bei der T..., begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die vom Antragsgegner zugunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung über die Besetzung der Stelle des Abteilungsleiters ... im Thüringer Ministerium für ... (TM...).

Der Antragsgegner schrieb den nach BesGr B 5 bewerteten Dienstposten des Leiters der Abteilung ... im TM... im März 2015 bundesweit aus. Auf die Ausschreibung bewarben sich u. a. die Antragstellerin und der Beigeladene. Der Beigeladene, bis zum 14. Oktober 2012 Beamter des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMUNR) und dort zuletzt im Amt eines Wissenschaftlichen Direktors (BesGr A 15 BBesO), wurde mit Wirkung vom 15. Oktober 2012 an den L... Nordrhein-Westfalen (NRW) versetzt und zum Regierungsdirektor (BesGr A 15 BBesO) ernannt. Er wurde mit Wirkung vom 23. Oktober 2012 unter Fortdauer des Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit für die Dauer von zwei Jahren in ein Beamtenverhältnis auf Probe berufen und zum Leitenden Regierungsdirektor ernannt. Nach festgestellter Bewährung erfolgte durch Urkunde vom 26. September 2014 die Ernennung zum Leitenden Regierungsdirektor und durch weitere Urkunde vom selben Tag die Ernennung zum Leitenden Abteilungsdirektor (BesGr B 2 ÜBesG NRW) mit Wirkung vom 23. Oktober 2014. Die letzte dienstliche Beurteilung des Beigeladenen bezogen auf das Amt als Wissenschaftlicher Direktor (BesGr A 15 BBesG) im BMUNR ist eine Regelbeurteilung zum Stichtag 1. Juli 2010 (Beurteilungszeitraum 1. Oktober 2006 bis zum 30. Juni 2010) und endet auf das Prädikat "übertrifft die Anforderungen deutlich". Die beim L... ... NRW zum Stichtag 1. Oktober 2015 vorgesehene Regelbeurteilung wurde nicht erstellt, weil der Beigeladene die für periodische Beurteilungen vorgesehene Altersgrenze erreicht hatte und keinen Antrag auf Erteilung der Beurteilung gestellt hat. Für das streitgegenständliche Auswahlverfahren erhielt der Beigeladene unter dem 11. Juni 2015 ein Dienstzeugnis vom Stellvertretenden Leiter W... NRW. Die letzte Bedarfsbeurteilung der Antragstellerin wurde zum Stichtag 31. Dezember 2014 (Beurteilungszeitraum 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2014) erstellt und schließt mit dem Prädikat "übertrifft die Anforderungen" (4 Punkte).

Am 28. August 2015 entschied die Hausleitung des TM..., dass ein Leistungsvergleich zwischen den internen und externen Bewerbern wegen der unterschiedlichen Qualität der ihnen erteilten Leistungseinschätzungen (dienstliche Beurteilungen, Arbeitszeugnisse, Dienstzeugnis) nicht möglich und deshalb für die Auswahl strukturierte Auswahlgespräche durchzuführen seien.

Nach der Durchführung dieser Auswahlgespräche wurde durch den Besetzungsbericht vom 5. Oktober 2015, gebilligt vom Staatssekretär des TM... am 7. Oktober 2015, entschieden, die ausgeschriebene Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen, weil er sich nach Durchführung der Auswahlgespräche als Geeignetster erwiesen habe. Die Antragstellerin erhob gegen die Auswahlentscheidung am 21. Oktober 2015 Widerspruch und hat am 22. Oktober 2015 beim Verwaltungsgericht um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hat dem Eilantrag durch Beschluss vom 3. März 2016 (1 E 1010/15 Ge) stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der zulässige Eilantrag habe Erfolg. Neben dem Anordnungsgrund sei auch ein Anordnungsanspruch gegeben. Die Auswahlentscheidung verletze den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin. Der Antragsgegner habe seine Auswahlentscheidung in unzulässiger Weise auf die Ergebnisse der durchgeführten strukturierten Auswahlgespräche gestützt. Die Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG sei aber in erster Linie auf der Grundlage aktueller dienstlicher Beurteilungen zu treffen. Sei die Auswahlbehörde - so wie hier - mit nicht unmittelbar vergleichbaren Beurteilungen, Arbeitszeugnissen oder Dienstzeugnissen mehrerer Dienstherrn konfrontiert, sei sie gehalten, die Bewertungen miteinander "kompatibel" zu machen und nach Maßgabe der für die Beamtenbeurteilungen geltenden eigenen Beurteilungsrichtlinie "zu übersetzen". Jedenfalls obliege es dem Dienstherrn, einen ernsthaften Versuch zu unternehmen, die unterschiedlichen Leistungseinschätzungen vergleichbar zu machen. Daran fehle es nach Aktenlage.

Daraufhin hob der Antragsgegner die Auswahlentscheidung vom 5. Oktober 2015 auf und führte eine neue Auswahl auf der Grundlage der für die Bewerber vorliegenden dienstlichen Beurteilungen, Arbeits- und Dienstzeugnisse durch. Durch Besetzungsbericht vom 20. Juni 2016, gebilligt vom Staatssekretär des TM... am 22. Juni 2016, wurde erneut entschieden, die ausgeschriebene Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen. Der Vergleich der dienstlichen Beurteilungen, Arbeits- und Dienstzeugnisse der Bewerber habe ergeben, dass der Beigeladene der am besten geeignete Bewerber sei. Bei der vorgenommenen Auswahl seien die in den Arbeits- und Dienstzeugnissen enthaltenen Einzelmerkmale oder verbalen Einschätzungen "herausgegliedert" und nach dem Bewertungsmaßstab der geltenden Thüringer Beurteilungsrichtlinie in Punkte und Einzelnoten "übersetzt" worden. Die Bewertungen der Einzelmerkmale seien für jeden Bewerber in einer Auflistung gegenübergestellt worden. Die Vergleichsaufstellung habe ergeben, dass der Beigeladene der am besten geeignete Bewerber sei.

Die Antragstellerin erhob gegen die Auswahlentscheidung unter dem 14. Juli 2016 Widerspruch und hat am selben Tag beim Verwaltungsgericht um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag durch Beschluss vom 11. Januar 2017 mangels Anordnungsgrund als unzulässig abgelehnt. Streitgegenständlich sei die bloße Übertragung eines Dienstpostens. Es bestehe kein Grund, dessen vorläufige Besetzung zu verhindern. Der Erfahrungs- oder Bewährungsvorsprung, den der ausgewählte Bewerber auf dem Dienstposten erlangen könne, könne im Fall einer nochmaligen Auswahlentscheidung ausgeblendet werden. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Die zulässige Beschwerde (§§ 146 Abs. 4, 147 VwGO) ist weitgehend begründet. Die von der Antragstellerin mit der Beschwerde dargelegten Gründe rechtfertigen die Änderung des angefochtenen Beschlusses im tenorierten Umfang. Der Senat ist anders als das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass es um die Vergabe eines Statusamtes geht und die Antragstellerin insofern einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch nach § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht hat. Im Übrigen, soweit die weitere tatsächliche Verwendung des Beigeladenen auf dem höherwertigen Dienstposten in Streit steht, fehlt es am Anordnungsgrund.

Gegenstand der streitigen Personalentscheidung ist die Vergabe eines status-rechtlichen Amtes. Ausweislich des Auswahlvermerks des Antragsgegners vom 20. Juni 2016 handelt es sich bei der Besetzung des Dienstpostens Leiter/in der Abteilung ... im TM... "um eine Auswahlentscheidung um ein höherwertiges Statusamt" und damit um einen Beförderungsdienstposten, d. h. mit der Auswahlentscheidung über die Vergabe des Dienstpostens soll die Auswahlentscheidung über die Beförderung in ein höheres Statusamt vorweggenommen werden, eine weitere Auswahl findet nicht statt. In dieser Fallkonstellation besteht für den einstweiligen Rechtsschutzantrag des unterliegenden Bewerbers, dem Dienstherrn die Beförderung des ausgewählten Bewerbers und seine Einweisung in eine entsprechende Planstelle vorläufig zu untersagen, regelmäßig ein Anordnungsgrund. Daran hat sich durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 10. Mai 2016 - 2 VR 2.15 - und Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 2 VR 1.16 - jeweils juris) nichts geändert. Nach dieser Rechtsprechung kann lediglich ein Anordnungsgrund für den darüber hinausgehenden Antrag, dem Dienstherrn für die Dauer des Rechtsschutzverfahrens auch die vorläufige Verwendung des Ausgewählten auf dem Beförderungsdienstposten zu untersagen, entfallen, wenn der Dienstherr zusagt, den Erfahrungs- oder Bewährungsvorsprung, den sich der Ausgewählte dadurch verschaffen kann, im Verhältnis zu seinen Konkurrenten auszublenden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 2 VR 1.16 - juris Rn. 14). Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Antragsgegner hat eine entsprechende Zusage abgegeben.

Weiter ist im tenorierten Umfang ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin gegeben. Die vom Antragsgegner zugunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung ist aller Voraussicht nach rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihrem aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch. Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners verstößt gegen den in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Grundsatz der Bestenauslese.

Nach Art. 33 Abs. 2 GG dürfen öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinne nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderte Leistungsvergleich der Bewerber um ein Beförderungsamt muss anhand aussagekräftiger, d. h. aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorgenommen werden (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 22. November 2012 - BVerwG 2 VR 5.12 - juris Rn. 25). Ist eine Auswahlbehörde mit unmittelbar nicht vergleichbaren Beurteilungen konfrontiert, verlangt der Grundsatz der Bestenauslese des Art. 33 Abs. 2 GG, im Vorfeld der Auswahlentscheidung Verhältnisse herzustellen, die einen rechtlich einwandfreien Vergleich der Bewerber ermöglichen. Denn nur auf einer solchen Grundlage, die allein die Auswahlbehörde schaffen kann, lässt sich das grundrechtsgleiche Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl erfüllen (vgl. etwa Beschluss des Senats vom 20. Juli 2012 - 2 EO 361/12 - DÖV 2013, 119; NdsOVG, Beschluss vom 21. Dezember 2015 - 5 ME 196/15 - juris m. w. N.). Die Auswahlbehörde ist gehalten, die Aussagen von Beurteilungen mit unterschiedlichen Beurteilungsinhalten miteinander "kompatibel" zu machen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2007 - 1 WB 31.06 - juris Rn. 65). Beruhen die Beurteilungen der Bewerber auf unterschiedlichen Beurteilungsrichtlinien und -systemen, hat der für die Auswahl zuständige Dienstherr für die unterschiedlichen Beurteilungen einen objektiven Vergleichsmaßstab zu bilden, auf dessen Grundlage er die Leistungseinschätzungen der Bewerber miteinander zu vergleichen hat (vgl. Beschluss des Senats vom 20. Juli 2012 - 2 EO 361/12 -, a. a. O.; s. a. NdsOVG, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - 5 ME 177/14 -; HessVGH, Beschluss vom 30. März 2003 - 1 TG 363/03 -; jeweils juris).

Vorliegend sind keine Umstände ersichtlich, die einen solchen Leistungsvergleich der Bewerber um den streitgegenständlichen Beförderungsdienstposten ausschließen. Eine Vergleichbarkeit der Leistungseinschätzungen scheitert nicht daran, dass die Bewerber nicht denselben Status (Beamte, Tarifbeschäftigte) oder nicht dieselben Statusämter innehaben. Solche Unterschiede schließen den Qualifikationsvergleich nicht aus. Es obliegt der Auswahlbehörde, die Leistungsbewertungen (dienstliche Beurteilungen, Arbeitszeugnisse) unter Berücksichtigung der Unterschiede im Status oder im Statusamt zu würdigen und zu gewichten. Ebenso wenig wird der Qualifikationsvergleich durch externe Bewerber - seien es Tarifbeschäftigte oder Beamte aus anderen Ländern - gehindert.

Qualifizierte Arbeitszeugnisse von Tarifbeschäftigten können mit dienstlichen Beurteilungen von Beamten verglichen werden. Der Dienstherr ist gehalten, bei der zu treffenden Auswahlentscheidung die in einem Arbeitszeugnis getroffenen Feststellungen zu den Leistungen und Fähigkeiten des Tarifbeschäftigten nach Maßgabe der für die Beamtenbeurteilungen in seinem Zuständigkeitsbereich geltenden Beurteilungsrichtlinie "zu übersetzen". Wegen der sich dabei ergebenden Schwierigkeiten, etwa im Hinblick auf die Aussagekraft der Arbeitszeugnisse von Außenbewerbern, ist es im Interesse der Vergleichbarkeit der Leistungsbewertungen auch sachgerecht, wenn er für den externen Tarifbeschäftigten eine Beurteilung wie für einen Beamten erstellen lässt. Der zur Auswahl berufene Dienstherr kann bei der Anstellungsbehörde des Tarifbeschäftigten nach Maßgabe seiner einschlägigen Beurteilungsrichtlinie und seines Beurteilungsmaßstabs eine Beurteilung anfordern oder aber zur ergänzenden Stellungnahme auffordern, um aus dem Arbeitszeugnis vergleichbare aussagekräftige Angaben zu gewinnen (vgl. Beschluss des Senats vom 20. Juli 2012 - 2 EO 361/12 - juris Rn. 14). Die Einholung einer solchen Stellungnahme kann auch im Fall von verbeamteten Außenbewerbern veranlasst sein, in dem ein Vergleich der verschiedenen Beurteilungssysteme notwendig ist, um die Beurteilungsmerkmale sowie die Punkte- und Notenskala in Übereinstimmung zu bringen.

Weiter steht es einem Qualifikationsvergleich grundsätzlich nicht entgegen, wenn ein Beamter als externer Bewerber - wie hier der Beigeladene - aus Rechtsgründen nicht über eine aktuelle dienstliche Beurteilung verfügt, etwa weil eine periodische Beurteilung nach Erreichen der dafür vorgesehenen Altersgrenze nicht mehr erstellt wird und das Beurteilungssystem eine Bedarfsbeurteilung für Bewerbungen bei einem anderen Dienstherrn nicht vorsieht. In diesen Fällen ist aus Gründen der Fürsorgepflicht vom (abgebenden) Dienstherrn ein sog. qualifiziertes Dienstzeugnis - nach einfachgesetzlicher Vorgabe (vgl. etwa § 85 BBG, § 44 ThürBG, § 92 Abs. 3 LBG NRW) oder im Übrigen unter Rückgriff auf den allgemeinen Fürsorgeanspruch - zu erstellen, das Auskunft über die ausgeübte Tätigkeit und die erbrachten Leistungen gibt. Auch vor dem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis kann ein berechtigtes Interesse an der Zeugniserteilung bestehen, und zwar nicht nur bei einer Bewerbung auf eine Stelle außerhalb des öffentlichen Dienstes, sondern auch im Fall eines beabsichtigten Dienstherrnwechsels (vgl. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Loseblattsammlung Stand August 2017, Band 1, BBG 2009, § 85 Rn. 3, 5; Battis, BBG, 4. Aufl., § 85 Rn. 4). Ein qualifiziertes Dienstzeugnis kann taugliche Grundlage für den anzustellenden Leistungsvergleich sein (vgl. zum qualifizierten Arbeitszeugnis: NdsOVG, Beschluss vom 5. März 2014 - 5 LA 291/13 -; OVG NRW, Beschluss vom 13. Mai 2004 - 1 B 300/04 -; jeweils juris). Zwar können im Grundsatz die Maßstäbe der dienstlichen Beurteilung nicht auf das Dienstzeugnis übertragen werden und umgekehrt die für das Dienstzeugnis geltenden Maßgaben einschließlich der dort mit zu berücksichtigenden Rechtsprechung über arbeitsrechtliche Zeugnisse nicht auf die dienstliche Beurteilung (vgl. BayVGH, Beschluss vom 18. November 2015 - 6 CE 15.2260 -, juris Rn. 13; Lemhöfer, a. a. O., Rn. 8). Dienstliche Beurteilungen und Dienstzeugnisse haben eine unterschiedliche Zweckrichtung. Während die dienstliche Beurteilung dem innerdienstlichen Zweck des Vergleichs mit anderen Beamten bei künftigen Auswahlentscheidungen im Rahmen des bestehenden Beamtenverhältnisses dient, ist ein Dienstzeugnis dazu bestimmt, dem künftigen Arbeitgeber in der Privatwirtschaft oder dem zukünftigen neuen Dienstherrn ein zutreffendes Bild über den aus dem öffentlichen Dienst ausscheidenden bzw. zu einem anderen Dienstherrn wechselnden Beamten zu vermitteln. Im Hinblick darauf können im Dienstzeugnis insbesondere auch Angaben zu Kriterien gemacht werden, denen der aufnehmende Arbeitgeber oder der aufnehmende Dienstherr besondere Bedeutung beimisst, um den Vergleich mit den dortigen Bewerbern zu ermöglichen (vgl. Lemhöfer, a. a. O., Rn. 8 f.). Um eine solche Zeugniserteilung im Zusammenhang mit einem beabsichtigten Dienstherrnwechsel handelt es sich hier aber gerade. Es geht um den Wechsel des verbeamteten Beigeladenen zum Antragsgegner als anderen Dienstherrn. In diesem Fall hat der Antragsgegner als der zur Auswahl berufene Dienstherr aufgrund der Unterschiede zwischen den Beurteilungs- und Bewertungssystemen einen objektiven Vergleichsmaßstab zu bilden, auf dessen Grundlage er die Leistungseinschätzungen der internen und externen Bewerber miteinander zu vergleichen hat. Für die Bildung des objektiven Vergleichsmaßstabs erscheint es hier ebenso möglich und sachgerecht, dass der zur Auswahl berufene Dienstherr ein Dienstzeugnis nach Maßgabe seiner Beurteilungsrichtlinie und den dazu ergangenen Anwendungsregeln und Hinweisen, auch zur anteiligen Verwendung der Beurteilungsstufen, beim Dienstherrn des externen Bewerbers anfordert. Denkbar und genauso sachgerecht ist es aber auch, dass der Dienstherr des externen Bewerbers das Dienstzeugnis nach seinem Bewertungsmaßstab erstellt und der zur Auswahl berufene Dienstherr für den Vergleich der Bewertungsmaßstäbe eine erläuternde Stellungnahme zum angelegten Maßstab und zur Frage der Übereinstimmung und Einordnung in das eigene Beurteilungssystem einholt (zu letzterem: VG Gera, Beschluss vom 3. März 2016 - 1 E 1010/15 Ge). Es kommt darauf an, dass das Dienstzeugnis für die zur Auswahl zuständige Stelle nachvollziehbar "übersetzbar" und damit für den Leistungsvergleich verwertbar ist (s. a. BVerwG, Beschluss vom 27. April 2010 - 1 WB 39.09 - juris Rn. 39). Dafür ist es unerlässlich, die verschiedenen Beurteilungs- und Bewertungssysteme, auf denen die verschiedenen Leistungseinschätzungen (dienstliche Beurteilung, Dienstzeugnis) beruhen, gegenüberzustellen und einen objektiven Vergleichsmaßstab zu finden.

Gemessen daran wird die Auswahlentscheidung des Antragsgegners vom 20. Juni 2016 dem Grundsatz der Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 GG nicht gerecht. Er hat sich darauf beschränkt, in einem ersten Schritt die nach seinem Beurteilungssystem zu erstellenden dienstlichen Beurteilungen und Arbeits-/Dienstzeugnisse in ihren Einzelmerkmalen und in der Notenskala zu vergleichen und auf einen Maßstab zu harmonisieren. In einem zweiten Schritt hat er die verbale Leistungseinschätzung im Dienstzeugnis des Beigeladenen nach eigener Einschätzung in seine Punkte- und Notenskala "übersetzt" und in der Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbewertung als auch in der Gesamtnote die Spitzennote "sehr gut" sowie die Spitzenpunktzahl "6 Punkte" vergeben. Diese Vorgehensweise des Antragsgegners kann nicht nachvollzogen werden. Nach Aktenlage beruht die "Übersetzung" des Dienstzeugnisses des Beigeladenen in den Bewertungsmaßstab des Antragsgegners auf reinen Mutmaßungen des Antragsgegners. Das Dienstzeugnis des Beigeladenen kommt seiner inhaltlichen Substanz nach weder den im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners vorgesehenen dienstlichen Beurteilungen oder Arbeitszeugnissen nahe noch kann die verbale Leistungseinschätzung im Fließtext, die lediglich elf Sätze umfasst, ohne weiteres und eindeutig in die Bewertungskategorien des Antragsgegners (Einzelmerkmale, Punkte- und Notenskala) "übersetzt" werden. Der Antragsgegner hätte den Bewertungsmaßstab, auf dem das Dienstzeugnis des Beigeladenen beruht, ermitteln und dem eigenen, harmonisierten Bewertungsmaßstab gegenüberstellen und darin einordnen müssen. Er hätte beim Dienstherrn des Beigeladenen eine ergänzende Stellungnahme zum angelegten Maßstab und zur Frage der Übereinstimmung und Einordnung in das Thüringer Beurteilungssystem erbitten müssen (vgl. so bereits VG Gera, Beschluss vom 3. März 2016 im vorangegangenen Konkurrentenstreitverfahren 1 E 1010/15 Ge, BU S. 7). Das setzt voraus, dass der Antragsgegner seinen Bewertungsmaßstab sowie die dazu ergangenen Anwendungsregeln und Hinweise als auch die anteilige Verwendung der Notenstufen dem Dienstherrn des Beigeladenen zur Kenntnis gibt. Der Senat übersieht nicht, dass das Vergleichbarmachen der Beurteilungen, Arbeits- und Dienstzeugnisse von Bewerbern unterschiedlicher Dienstherrn einigen Aufwand verursacht. Es ist aber nicht erkennbar, dass im vorliegenden Fall damit besondere Schwierigkeiten oder Unsicherheiten verbunden wären, die es für den Antragsgegner bzw. den unterstützenden externen Dienstherrn unmöglich oder unzumutbar machten, eine aussagekräftige und zuverlässige Auswahlgrundlage zu schaffen, die dem Grundsatz der Bestenauslese genügt.

Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin ist auch sicherungsfähig. Im Hauptsacheverfahren wie im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann ein abgelehnter Bewerber, dessen subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung dann beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl offen sind, seine Auswahl also möglich erscheint. An der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs fehlt es ausnahmsweise nur dann, wenn der Rechtsschutzsuchende auch bei Vermeidung der Rechtsverstöße bei einer neuen Auswahl von vornherein zweifelsfrei chancenlos wäre (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 2004 - 2 VR 3/03 -; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. September 2002 - 2 Bvr. 857/02 - jeweils juris; Beschluss des Senats vom 15. April 2014 - 2 EO 641/12 - ThürVBl. 2015, 58). Vorliegend kann nicht mit einem derart hohen Grad an Sicherheit bzw. Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Auswahl der Antragstellerin objektiv ausgeschlossen ist. Die Erfolgsaussichten sind vielmehr als offen zu beurteilen. Im Hinblick auf den dem Auswahlverfahren anhaftenden Fehler sind dem Senat vorgreifliche Festlegungen für eine erneute Auswahl nicht möglich. Eine hinreichend sichere Prognose für ihren Ausgang kann nicht getroffen werden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, dem Antragsgegner auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen. Dieser hat im Verfahren weder einen Antrag gestellt noch in der Sache Stellung genommen und sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 und Satz 1 Nr. 1, Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und entspricht dem von den Beteiligten nicht in Frage gestellten Streitwert für die erste Instanz.