VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.10.2017 - 3 S 642/16
Fundstelle
openJur 2019, 39729
  • Rkr:

1. Die Aufhebung des § 47 Abs. 2a VwGO durch das Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29.5.2017 führt nicht dazu, dass ein nach der bisher geltenden Rechtslage unzulässiger Normenkontrollantrag im Nachhinein zulässig wird.

2. Das hat jedenfalls in Fällen zu gelten, in denen die Frist für die Stellung eines neuen Normenkontrollantrags im Zeitpunkt des Außerkrafttretens des § 47 Abs. 2a VwGO bereits abgelaufen war.

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich gegen den am 15.5.2016 in Kraft getretenen Bebauungsplan "Neue Straße 3" der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller ist Eigentümer von Räumen im 2. Untergeschoss des sogenannten Universum-Centers in Stadtgebiet der Antragsgegnerin. Bei dem auf den Grundstücken Flst.Nr. ... und ... in der Nähe des überörtlichen Verkehrsknotens "Ehinger Tor" gelegenen Universum-Center handelt es sich um ein städtebauliches Großprojekt der 1960er Jahre. Der Gebäudekomplex besteht im Wesentlichen aus zwei Bauteilen: einem 20-geschossigen Hochhaus, in dem sich vorwiegend Wohnungen befinden, und einem vorgelagerten, bis zu viergeschossigen Sockelbauwerk mit Einheiten für gewerbliche Nutzungen. Unter den gewerblichen Nutzungen befanden sich bei Erlass des angefochtenen Bebauungsplans fünf Spielhallen, drei Einrichtungen zur Vermittlung von Sportwetten sowie ein Etablissement für erotische Massagen. Ergänzt wurden diese Nutzungen vorwiegend durch Internet-Cafés und Schnellimbiss-Restaurants. Auf allen Ebenen gab es ferner viele ungenutzte Räume. Der Gebäudekomplex liegt außerhalb des in der Rechtsverordnung des Regierungspräsidiums Tübingen vom 22.12.1976 über das Verbot der Ausübung der Prostitution im Stadtkreis Ulm festgelegten Sperrbezirks.

Für die zusammen ca. 6.670 m2 großen Grundstücke Flst.Nr. ... und ... galt bisher der am 6.8.1964 in Kraft getretene Bebauungsplan "Bismarckring - Ehinger Tor", der dort ein Kerngebiet gemäß § 7 BauNVO (1962) festsetzte. Mit dem angefochtenen Bebauungsplan wird der genannte Plan - gestützt auf § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB in Verbindung mit § 1 Abs. 5 BauNVO - durch Festsetzungen bezüglich der Art der baulichen Nutzung ergänzt. Innerhalb der räumlichen Grenzen des Bebauungsplans sind danach unzulässig:

- Spielhallen und ähnliche Unternehmen im Sinne des § 33i GewO,- Lokale mit Gewinnspielen im Sinne des § 33d GewO,- Wettbüros, Spielcasinos und Spielbanken,- Vorführ- und Geschäftsräume, deren Zweck auf Darstellungen oder Handlungen mit sexuellem Charakter ausgerichtet ist,- Bordelle einschließlich bordellartiger oder sonstiger Gewerbebetriebe mit dem Zweck der Anbahnung, Vermittlung oder Erbringung von Dienstleistungen sexuellen Charakters.

Nach der Begründung des Bebauungsplans soll das Universum-Center damit für die Zukunft als ein "belebter Baustein mit zentraler Versorgungsfunktion am Ehinger Tor" gestärkt werden, "indem entwicklungshemmende Nutzungen planungsrechtlich ausgeschlossen werden".Der bestehende Bebauungsplan für das Universum-Center stamme aus einer Zeit, in der die Problematik einer Konzentration von Spielhallen, Wettbüros usw. noch nicht virulent gewesen sei und einschränkende Regelungen für die - im Kerngebiet ansonsten allgemein zulässigen - Vergnügungsstätten somit nicht erforderlich gewesen seien. Infolgedessen habe sich mit Ausnahme einiger Schnellimbiss-Restaurants und Internet-Cafés eine einseitige Struktur aus Vergnügungsstätten und Wettbüros herausgebildet, die dem städtebaulichen Ziel einer kerngebietstypischen Mischnutzung mit zentraler Versorgungsfunktion nicht mehr gerecht werde. Dieser Trend habe sich in jüngerer Zeit noch beschleunigt, da andere Gewerbetreibende infolge der geschilderten Nutzungsverschiebung und dem damit einhergehenden Attraktivitätsverlust den Ort verlassen hätten und nicht durch entsprechende Nachnutzungen hätten ersetzt werden können. Eine beträchtliche Leerstandsquote innerhalb des Sockelbauwerks sei die offensichtliche Folge dieser Entwicklung.

Dem angefochtenen Bebauungsplan liegt folgendes Verfahren zu Grunde: Der Antragsteller möchte in den ihm gehörenden, bisher als Bowlingbahn genutzten Räumen im Untergeschoss des Universum-Centers einen bordellartigen Betrieb ("Kontakt-Sauna") einrichten. Aus Anlass einer für dieses Vorhaben am 30.7.2014 gestellten Bauvoranfrage fasste der Gemeinderat der Antragsgegnerin am 11.11.2014 den Beschluss zur Aufstellung des angefochtenen Bebauungsplans. Der Entwurf des Plans wurde in der Zeit vom 1.12.2014 bis 9.1.2015 öffentlich ausgelegt, ohne dass der Antragsteller in dieser Zeit Einwendungen gegen den Plan erhob. Der Bebauungsplan wurde am 6.5.2015 vom Gemeinderat der Antragsgegnerin als Satzung beschlossen. Der Beschluss wurde am 15.5.2015 öffentlich bekannt gemacht.

Der Antragsteller hat am 31.3.2016 einen Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung macht er geltend, der Bebauungsplan sei formell fehlerhaft, da der Beschluss über die Aufstellung des Plans, der Beschluss zur öffentlichen Auslegung und der Beschluss über die Zurückstellung seiner Bauvoranfrage "en bloc" gefasst worden seien. Dies führe zur Unwirksamkeit des Aufstellungsbeschlusses. Der Bebauungsplan leide ferner an materiellen Mängeln. Als Rechtsgrundlage für den Ausschluss von Bordellen oder bordellähnlichen Einrichtungen und Einrichtungen mit dem Zweck der Anbahnung, Vermittlung oder Erbringung von Dienstleistungen sexuellen Charakters komme nur § 1 Abs. 9 BauNVO in Frage. Dabei handele es sich nicht um eine Ausnahmevorschrift, von der nur bei Vorliegen einer atypischen Situation Gebrauch gemacht werden dürfe. Mit der erforderlichen Rechtfertigung durch "besondere städtebauliche Gründe" mache § 1 Abs. 9 BauNVO die in der Vorschrift genannten Regelungen nicht notwendig von erschwerten Voraussetzungen abhängig. Vielmehr sei hiernach erforderlich, aber auch ausreichend, dass es spezielle städtebauliche Gründe gerade für eine gegenüber § 1 Abs. 5 BauNVO noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzungen gebe. Solche Gründe seien hier nicht zu erkennen. Bei den von der Antragsgegnerin in der Begründung des Bebauungsplans angeführten Gründen handele es sich nicht um besondere städtebauliche Gründe, die den Ausschluss einer in einem Kerngebiet grundsätzlich allgemein zulässigen Nutzungsunterart rechtfertigten. Einem Kerngebiet komme eine kommunale Mittelpunkts- und Auffangfunktion zu. Es weise zudem mit den höchsten Störungsgrad der Baugebiete nach den §§ 2 bis 9 BauNVO auf. Kerngebiete seien deshalb - wie keine andere Gebietsart der Baunutzungsverordnung - für die Aufnahme von Vergnügungsstätten prädestiniert. Aufgrund dieses allgemeinen Mittelpunkts- und Auffangcharakters eines Kerngebiets seien an das Vorliegen besonderer städtebaulicher Gründe im Sinne von § 1 Abs. 9 BauNVO zur Feinsteuerung eines derartigen Gebiets strenge Anforderungen zu stellen. Dies gelte insbesondere für den Ausschluss von Vergnügungsstätten.Zu berücksichtigen sei in dem Zusammenhang auch, dass mit einem Ausschluss einzelner Unterarten von Nutzungen aus einem Kerngebiet letztlich kaum mehr Baugebietstypen übrigblieben, in welchen derartige Nutzungen dann noch allgemein zulässig seien. Auch dies führe logischerweise zu einer Steigerung des Begründungserfordernisses im Sinne von § 1 Abs. 9 BauNVO, dem die Antragsgegnerin nicht entsprochen habe. Insbesondere lasse sich der Begründung des Plans nicht entnehmen, warum gerade das streitgegenständliche Kerngebiet eines derart weitreichenden Ausschlusses von Bordellen bzw. bordellartigen Betrieben und Vergnügungsstätten bedürfe, zumal bislang kein Bordell und keine vergleichbare Vergnügungsstätte im Plangebiet vorhanden seien. Der Hinweis auf die beabsichtigte Standortsicherung für eine kerngebietstypische Mischnutzung mit zentraler Versorgungsfunktion verkenne, dass Bordelle und bordellähnliche Nutzungen nach der obergerichtlichen Rechtsprechung keine Vergnügungsstätten seien, und lasse sich zudem nahezu auf jedes andere im Stadtgebiet der Antragsgegnerin vorhandene Kerngebiet in gleicher Weise anwenden. Darüber hinaus fehle es an einer genauen Analyse des Kerngebiets, in welcher dargelegt sei, welche Wertigkeit die einzelnen vorhandenen Nutzungen aufwiesen und welcher Gefährdung sie durch das hier zur Beurteilung stehende Vorhaben ausgesetzt wären. Der Beschlussvorlage vom 6.5.2015 lasse sich ausschließlich entnehmen, dass sich in der Umgebung des geplanten FKK-Sauna-Clubs vor allem eine Konzentration von Spielhallen und Wettbüros befinde. In diesem Zusammenhang versäume es die Antragsgegnerin darzulegen, inwieweit die vorhandenen gewerblichen Nutzungen störungsempfindlich im Hinblick auf die Ansiedlung seines Vorhabens als Vergnügungsstätte seien. Anhaltspunkte für einen trading-down-Effekt gebe es nicht, da Vergnügungsstätten in einem Kerngebiet allgemein zulässig seien.

Der Antragsteller beantragt,

den Bebauungsplan "Neue Straße 3" der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2015 für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie erwidert: Der angefochtene Bebauungsplan weise keine formellen Mängel auf. In der Beschlussvorlage seien zwar Aufstellungsbeschluss, Auslegungsbeschluss und Zurückstellung der Bauvoranfrage des Antragstellers unter einem Tagesordnungspunkt aufgeführt. Dieser sei jedoch in drei gesonderte, einer numerischen und damit auch logischen zeitlichen Abfolge unterworfene Punkte untergliedert. Der Plan sei auch frei von materiellen Mängeln. Die vorgenommenen Nutzungsausschlüsse beruhten ausschließlich auf städtebaulichen Gründen, die in der Begründung des Plans ausführlich dargelegt worden seien. Die Zweckbestimmung eines Kerngebiets bleibe auch bei einem Ausschluss von Vergnügungsstätten gewahrt, weil Vergnügungsstätten keine ausschließlich dem Kerngebiet zugewiesene Nutzungsart seien. Die vorgenommenen Ausschlüsse dienten zudem gerade dazu, die beabsichtigten kerngebietstypischen Nutzungen für die örtliche Versorgung wieder zu stärken.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Bebauungsplanakten sowie die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag ist unzulässig, da der Antragsteller während der Auslegung des Entwurfs des Bebauungsplans keine Einwendungen erhoben hat (dazu I.). Der Antrag könnte jedoch auch in der Sache keinen Erfolg haben, da der Bebauungsplan weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden ist (dazu II.).

I.

Der Antrag ist unzulässig.

1. Der Antragsteller besitzt die gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis, da er sich gegen Festsetzungen des Bebauungsplans wendet, die unmittelbar die ihm gehörenden Räume im 2. Untergeschoss des Universum-Centers betreffen und daher eine Bestimmung von Inhalt und Schranken seines Eigentums bedeuten. Die Antragsbefugnis ist in einem solchen Fall regelmäßig zu bejahen (BVerwG, Beschl. v. 13.11.2012 - 4 BN 23.12 - juris; Beschl. v. 7.7.1997 - 4 BN 11.97 - ZfBR 1997, 314; Urt. v. 10.3.1998 - 4 CN 6.97 - ZfBR 1998, 205).

2. Der Antrag ist jedoch gemäß § 47 Abs. 2a VwGO in seiner bis zum 2.6.2017 geltenden Fassung (VwGO a.F.) unzulässig, weil der Antragsteller nur Einwendungen geltend macht, die er im Rahmen der öffentlichen Auslegung hätte geltend machen können, aber nicht geltend gemacht hat. Dem steht weder das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15.10.2015 - C-137/14 - (NVwZ 2015, 1665) noch das zwischenzeitliche Außerkrafttreten dieser Vorschrift entgegen.

a) Nach § 47 Abs. 2a VwGO a.F. ist der Antrag einer natürlichen Person, der einen Bebauungsplan zum Gegenstand hat, unzulässig, wenn die den Antrag stellende Person nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung (§ 3 Abs. 2 BauGB) nicht oder verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können, und wenn auf diese Rechtsfolge im Rahmen der Beteiligung hingewiesen worden ist. Der Antrag ist danach unzulässig, da der Antragsteller während der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs in der Zeit vom 1.12.2014 bis 9.1.2015 unstreitig keine Einwendungen gegen den Plan erhoben hat. Geschehen ist dies erst mit Schreiben vom 6.4.2015, mit dem der Antragsteller die von ihm beim Verwaltungsgericht Sigmaringen erhobene Klage gegen die Zurückstellung seiner Bauvoranfrage begründet hat.

Die Antragsgegnerin hat auf die Folgen unterbliebener oder verspätet erhobener Einwendungen in der Bekanntmachung der Auslegung des Planentwurfs ordnungsgemäß hingewiesen. Unschädlich ist, dass die Antragsgegnerin in ihrer Belehrung den in § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB a.F. vorgesehenen Wortlaut verwendet hat, wonach bei der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs darauf hinzuweisen ist, dass ein Antrag nach § 47 VwGO unzulässig ist, soweit mit ihm Einwendungen geltend gemacht werden, die vom Antragsteller im Rahmen der Auslegung nicht oder verspätet geltend gemacht wurden, aber hätten geltend gemacht werden können, da die von der Antragsgegnerin verwendete Belehrung nicht geeignet ist, bei den Betroffenen einen rechtserheblichen Irrtum hervorzurufen und sie davon abzuhalten, während des Planaufstellungsverfahrens Einwendungen zu erheben (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.10.2010 - 4 CN 4.09 - BVerwGE 138, 84).

b) Die Anwendung des § 47 Abs. 2a VwGO a.F. auf den Antrag des Antragstellers wird durch den Vorrang des Unionsrechts nicht gehindert.

Der Europäische Gerichtshof hat zwar mit Urteil vom 15.10.2015 - C-137/14 - (NVwZ 2015, 1665) sowohl § 2 Abs. 3 UmwRG a.F. als auch § 73 Abs. 4 VwVfG a.F. insoweit als mit der Richtlinie 2010/75 vom 24.11.2010 über Industrieemissionen für unvereinbar erklärt, als diese Vorschriften des nationalen Rechts die Gründe, auf die ein Rechtsbehelfsführer seinen Rechtsbehelf gegen eine unter Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 fallende Verwaltungsentscheidung stützen kann, auf die im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Einwendungen beschränken. Denn § 2 Abs. 3 UmwRG a.F. und § 73 Abs. 4 VwVfG a.F. stellten damit besondere Bedingungen auf, die die gerichtliche Kontrolle einschränkten und die weder in Art. 11 der Richtlinie 2011/92 noch in Art. 25 der Richtlinie 2010/75 vorgesehen seien.

Gemessen hieran dürfte § 47 Abs. 2a VwGO a.F. in Verfahren, die Vorhaben betreffen, die in den Anwendungsbereich der UVP-RL fallen, nicht anwendbar sein. Denn auch diese Regelung knüpft an das Verhalten im Verwaltungsverfahren Konsequenzen für den Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht im Sinne von Art. 11 Abs. 1 UVP-RL und kann einer effektiven materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Kontrolle des angegriffenen Vorhabens entgegenstehen, wenn und weil der Antragsteller im Normenkontrollverfahren nicht - auch - Einwendungen, die er im Verwaltungsverfahren erhoben hat, vor Gericht wiederholt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 5.9.2016 - 11 S 1255/14 - UPR 2017, 150; offengelassen im Senatsurt. v. 8.3.2016 - 3 S 1603/15 - VBlBW 2016, 290). Das kann jedoch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens dahin stehen, da der angefochtene Bebauungsplan weder unter Art. 11 der Richtlinie 2011/92 noch unter Art. 25 der Richtlinie 2010/75 fällt.

Art. 11 der Richtlinie 2011/92 gilt nur für Bebauungspläne, die die Zulässigkeit von Vorhaben begründen, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen. Das ist bei dem angefochtenen Bebauungsplan unzweifelhaft nicht der Fall. Art. 25 der Richtlinie 2010/75 findet im vorliegenden Fall ebenfalls keine Anwendung, da die Richtlinie nach ihrem Art. 2 nur für die in den Kapiteln II bis VI genannten industriellen Tätigkeiten gilt, die eine Umweltverschmutzung verursachen und der angefochtene Bebauungsplan nicht die Zulässigkeit von Vorhaben begründet, mit denen solche Tätigkeiten verbunden sind. Etwas anderes wird auch vom Antragsteller nicht behauptet. Zu der vom ihm beantragten Anrufung des Europäischen Gerichtshofs besteht daher keine Veranlassung.

c) § 47 Abs. 2a VwGO wurde allerdings durch das Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29.5.2017 mit Wirkung vom 2.6.2017 aufgehoben. Die Aufhebung der Vorschrift führt jedoch nicht dazu, dass ein nach der bisher geltenden Rechtslage unzulässiger Normenkontrollantrag im Nachhinein zulässig wird. Das hat jedenfalls in Fällen zu gelten, in denen - wie hier - die Frist für die Stellung eines neuen Normenkontrollantrags im Zeitpunkt des Außerkrafttretens des § 47 Abs. 2a VwGO bereits abgelaufen war.

aa) Die Frage, wie sich die Aufhebung des § 47 Abs. 2a VwGO auf bereits anhängige Normenkontrollverfahrenverfahren auswirkt, ist gesetzlich nicht geregelt. Zurückzugreifen ist daher auf die Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts. Danach erfasst eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch bereits anhängige Rechtsmittelverfahren. Der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Schutz des Vertrauens eines Rechtsmittelführers in die nach Maßgabe dieser Grundsätze gewährleistete Rechtsmittelsicherheit gebietet jedoch, dass bei einem gesetzlich festgelegten Rechtsmittelausschluss ein bereits eingelegtes Rechtsmittel zulässig bleibt, sofern das Gesetz nicht mit hinreichender Deutlichkeit etwas Abweichendes bestimmt (BVerfG, Beschl. v. 7.7.1992 - 2 BvR 1631, 1728/90 - BVerfGE 87, 48). Dieser rechtsstaatlich gebotene Vertrauensschutz ist nicht auf Rechtsmittel im engeren Sinn beschränkt, sondern ganz allgemein dann zu beachten, wenn der Gesetzgeber auf eine bislang gegebene verfahrensrechtliche Lage einwirkt. Das Bundesverwaltungsgericht hat dementsprechend entschieden, dass die durch Gesetz vom 1.11.1996 erfolgte Neufassung der Regelung der Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) nicht für Normenkontrollanträge gilt, die vor dem 1.1.1997 gestellt worden sind. Denn entscheidend sei nicht, ob das Normenkontrollverfahren ein Rechtsmittelverfahren im engeren Sinn sei, sondern ob und inwieweit auch die bereits erlangte Verfahrensstellung in einem Normenkontrollverfahren Vertrauensschutz dergestalt genieße, dass die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Einschränkung des allgemeinen Grundsatzes des intertemporalen Prozessrechts - also: Entzug der Verfahrensstellung nur bei hinreichend deutlicher gesetzlicher Regelung - auch hier gelte. In dem genannten Fall hat das Bundesverwaltungsgericht dies mit der Begründung bejaht, dass der Verlust einer Verfahrensposition, mit der ein bereits eingeräumter Anspruch auf eine Sachentscheidung nachträglich beseitigt werde, unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nur eintrete, wenn das die Änderung verfügende Gesetz selbst hinreichend deutlich diesen Verlust ausspreche, da sich der Gesetzgeber selbst Klarheit darüber verschaffen solle, ob und aus welchen Gründen er die mit der Beseitigung einer solchen Verfahrensposition verbundenen Folgen in Kauf nehmen wolle. In diesem Zusammenhang könnten auch Erwägungen zum Gleichheitssatz eine Rolle spielen. Die Antragsteller eines Normenkontrollverfahrens hätten wenig Einfluss darauf, wann das Gericht über ihren Antrag entscheide. Es erscheine deshalb auch unter diesem Aspekt zumindest begründungsbedürftig, ihnen eine Verfahrensposition zu entziehen, die bei anderen Antragstellern wegen einer zügigeren Bearbeitung durch das Gericht möglicherweise zu einem Verfahrenserfolg geführt habe (BVerwG, Urt. v. 12.3.1998 - 4 CN 12.97 - BVerwGE 106, 237).

bb) Im vorliegenden Fall ist von den gleichen Grundsätzen auszugehen.

Dem steht nicht entgegen, dass es im Zusammenhang mit der durch das Gesetz vom 29.5.2017 erfolgten Aufhebung des § 47 Abs. 2a VwGO nicht um die Frage geht, ob ein bereits eingeräumter Anspruch auf eine Sachentscheidung nachträglich beseitigt, sondern umgekehrt um die Frage, ob ein bisher fehlender Anspruch auf eine Sachentscheidung nachträglich begründet werden soll. Denn damit ist nur die Sicht des Antragstellers beschrieben, während die gleiche Frage aus der Sicht der Antragsgegnerin lautet, ob der ihr nach der bisherigen Rechtslage zustehende Anspruch auf eine Abweisung des Normenkontrollantrags ohne Sachprüfung nachträglich entfallen soll. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ist diese Frage nach den gleichen Maßstäben zu beantworten, wie sie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 12.3.1998 entwickelt hat.

Die Aufhebung des § 47 Abs. 2a VwGO könnte deshalb auf bereits anhängige Verfahren nur dann angewandt werden, wenn eine Übergangsregelung das mit der rechtsstaatlich gebotenen Eindeutigkeit bestimmen würde. Das ist jedoch, wie bereits angesprochen, nicht der Fall.

Mit Blick auf die innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegebene Möglichkeit, einen anhängigen Normenkontrollantrag zurückzunehmen und einen neuen Antrag zu stellen, ist allerdings zu erwägen, ob die Aufhebung des § 47 Abs. 2a VwGO zum 2.6.2017 gleichwohl auch auf bereits anhängige Verfahren Anwendung findet, wenn diese Frist am 2.6.2017 noch nicht abgelaufen war. Das bedarf jedoch keiner näheren Erörterung, da ein solcher Fall hier nicht gegeben ist. Der Bebauungsplan wurde am 15.5.2015 bekanntgemacht. Ein Normenkontrollantrag konnte deshalb nur bis zum 15.5.2016 gestellt werden.

II.

Der Normenkontrollantrag kann jedoch unabhängig davon auch in der Sache keinen Erfolg haben, da der angegriffene Bebauungsplan weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden ist.

1. Der Antragsteller meint, der Bebauungsplan sei formell fehlerhaft, da der Beschluss über die Aufstellung des Plans, der Beschluss zur öffentlichen Auslegung und der Beschluss über die Zurückstellung seiner Bauvoranfrage "en bloc" gefasst worden seien. Dies führe zur Unwirksamkeit des Aufstellungsbeschlusses.

Dem kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden. Zwar trifft es zu, dass nach § 14 Abs. 1 BauGB eine Veränderungssperre nur beschlossen werden darf, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst worden ist. Das Gesetz gibt danach eine zeitliche Abfolge dergestalt vor, dass über die Aufstellung des Bebauungsplans bereits beschlossen sein muss, bevor der Beschluss über die Veränderungssperre gefasst wird. Das schließt jedoch nicht aus, dass der Gemeinderat über eine Vorlage, die den Beschlussvorschlag enthält, - 1. - für einen bestimmten Bereich einen Bebauungsplan aufzustellen und - 2. - zur Sicherung der Bauleitplanung für das Plangebiet eine Veränderungssperre zu beschließen "in einem Akt" abstimmt. Denn auch bei dieser Form der Abstimmung wird zunächst der Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplans gefasst und anschließend, d.h. eine logische Sekunde später, beschlossen, dass zur Sicherung der (mit dem gerade gefassten Beschluss eingeleiteten) Bauleitplanung eine Veränderungssperre erlassen wird (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 5.8.2014 - 3 S 1673/12 - NVwZ-RR 2017, 931).

Aus dem vom Antragsteller beanstandeten Vorgehen der Antragsgegnerin ergäben sich zudem allenfalls Konsequenzen für die Rechtmäßigkeit der Zurückstellung der von ihm gestellten Bauvoranfrage. Die Wirksamkeit des vom Gemeinderat der Antragsgegnerin gefassten Aufstellungsbeschlusses bliebe dagegen hiervon unberührt.

Nur der Vollständigkeit halber ist schließlich darauf hinzuweisen, dass Mängel des Beschlusses, einen Bebauungsplan aufzustellen, keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Plans haben. Zwar geht das Baugesetzbuch davon aus, dass das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans durch einen Aufstellungsbeschluss eingeleitet wird. § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB bestimmt nämlich, dass der Aufstellungsbeschluss ortsüblich bekannt zu machen ist. Der Aufstellungsbeschluss ist auch in anderem Zusammenhang rechtlich bedeutsam; so hängt nach der bereits zitierten Regelung in § 14 Abs. 1 BauGB die Wirksamkeit einer Veränderungssperre davon ab, dass der Beschluss, einen Bebauungsplan aufzustellen, gefasst (und bekannt gemacht) worden ist. In den übrigen Vorschriften über das Verfahren zur Aufstellung der Bauleitpläne wird der Aufstellungsbeschluss dagegen nicht erwähnt. Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass eine bundesrechtliche Verpflichtung, im Rahmen des Planaufstellungsverfahrens einen Aufstellungsbeschluss zu fassen, nicht besteht. Mängel des Aufstellungsbeschlusses sind deshalb nicht erst wegen der "Heilungsvorschrift" des § 214 Abs. 1 BauGB unbeachtlich, sondern schon deshalb, weil ein Aufstellungsbeschluss für die Bauleitplanung zwar wünschenswert, aber bundesrechtlich nicht zwingend vorgeschrieben ist (BVerwG, Beschl. v. 15.5.2013 - 4 BN 1.13 - ZfBR 2013, 573; Beschl. v. 23.10.2002 - 4 BN 53.02 - NVwZ-RR 2003, 172; Beschl. v. 15.4.1988 - 4 N 4.87 - BVerwGE 79, 200).

2. Der angefochtene Bebauungsplan ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Das Plangebiet ist im Bebauungsplan "Bismarckring - Ehinger Tor" der Antragsgegnerin aus dem Jahre 1964 als Kerngebiet gemäß § 7 BauNVO (1962) ausgewiesen. Der angefochtene Bebauungsplan lässt diese Gebietsausweisung unberührt. Er schließt jedoch - gestützt auf § 1 Abs. 5 BauNVO - verschiedene in einem Kerngebiet allgemein zulässige Anlagen aus. Das ist rechtlich unbedenklich. Zwar ist die von der Antragsgegnerin genannte Vorschrift tatsächlich nicht einschlägig. Die Ausschlüsse werden jedoch von § 1 Abs. 9 BauNVO gedeckt.

a) Gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO kann in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 und 13 BauNVO allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Wenn besondere städtebauliche Gründe es rechtfertigen, kann nach § 1 Abs. 9 BauNVO in einem Bebauungsplan ferner festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können. Die zuletzt genannte Vorschrift gestattet es, innerhalb einzelner Nutzungsarten oder Ausnahmen noch weiter zu differenzieren und "nur bestimmte Arten" von Anlagen, d.h. Unterarten von Nutzungen, zum Gegenstand besonderer Regelungen zu machen.

Bei den von dem Ausschluss erfassten Anlagen handelt es mit Ausnahme der zum Schluss genannten "Bordelle einschließlich bordellartiger oder sonstiger Gewerbebetriebe mit dem Zweck der Anbahnung, Vermittlung oder Erbringung von Dienstleistungen sexuellen Charakters" jeweils um bestimmte Arten von Vergnügungsstätten. Als Grundlage für ihren Ausschluss kommt daher nicht Abs. 5, sondern nur Abs. 9 des § 1 BauNVO in Betracht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.5.1987 - 4 N 4.86 - BVerwGE 77, 308 = juris Rn. 11; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 10.4.2002 - 10 A 2939/00 - juris Rn. 45). Für den Ausschluss von Bordellen einschließlich bordellartiger oder sonstiger Gewerbebetriebe mit dem Zweck der Anbahnung, Vermittlung oder Erbringung von Dienstleistungen sexuellen Charakters gilt - unabhängig von der umstrittenen Frage, ob Bordelle und bordellartige Betriebe ebenfalls zu den Vergnügungsstätten zu rechnen sind (offen gelassen: BVerwG, Urt. v. 12.9.2013 - 4 C 8.12 - BVerwGE 147, 379 = juris Rn. 14; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.6.2012 - 2 B 18.11 - juris Rn. 48; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 24.6.2015 - 2 A 326/15 - BauR 2015, 1973 = juris Rn. 20) oder ob es sich dabei um eine besondere Art eines sonstigen Gewerbebetriebs handelt (dafür: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 5.3.2012 - 5 S 3239/11 - VBlBW 2012, 345; OVG Hamburg, Beschl. v. 13.8.2009 - 2 Bs 102/09 - juris; BayVGH, Beschl. v. 13.02.2008 - 15 ZB 08.2200 - juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11.5.2005 - 8 C 10053/05 - juris) - das Gleiche.

b) Die Zitierung des § 1 Abs. 5 BauNVO an Stelle der tatsächlich einschlägigen Rechtsgrundlage des § 1 Abs. 9 BauNVO ist jedoch unschädlich, da zwischen beiden Vorschriften kein qualitativer, sondern nur ein gradueller Unterschied besteht. § 1 Abs. 9 BauNVO verlangt zwar anders als § 1 Abs. 5 BauNVO eine Rechtfertigung durch "besondere städtebauliche Gründe". Das "Besondere" an diesen städtebaulichen Gründen besteht jedoch nicht notwendig darin, dass die Gründe von größerem oder im Verhältnis zu Absatz 5 zusätzlichem Gewicht sein müssen. Vielmehr ist mit "besonderen" städtebaulichen Gründen in § 1 Abs. 9 BauNVO nur gemeint, dass es spezielle Gründe gerade für die gegenüber Absatz 5 noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzungen geben muss (BVerwG, Urt. v. 22.5.1987 - 4 C 77.84 - BVerwGE 77, 317). Beiden Vorschriften ist ferner gemeinsam, dass sie einen Ausschluss nur gestatten, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. In § 1 Abs. 5 BauNVO ist diese Voraussetzung ausdrücklich genannt. Sie gilt jedoch auch für § 1 Abs. 9 BauNVO, wie sich schon aus den Worten "bei Anwendung der Absätze 5 bis 8" ergibt (BVerwG, Beschl. v. 22.5.1987 - 4 N 4.86 - BVerwGE 77, 308).

Gegen einen Rückgriff auf § 1 Abs. 9 BauNVO bestehen daher keine Bedenken. Die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen liegen entgegen der Ansicht des Antragstellers vor.

aa) Die mit dem angefochtenen Bebauungsplan erfolgten Ausschlüsse verschiedener in einem Kerngebiet allgemein zulässigen Einrichtungen lassen die allgemeine Zweckbestimmung eines solchen Gebiets unberührt.

Die Zweckbestimmung des Kerngebiets wird in § 7 Abs. 1 BauNVO allgemein umschrieben und in § 7 Abs. 2 BauNVO konkretisiert. Danach haben Kerngebiete zentrale Funktionen. Sie bieten vielfältige Nutzungen und ein urbanes Angebot an Gütern und Dienstleistungen für die Besucher der Stadt und für die Wohnbevölkerung eines größeren Einzugsbereichs. Im Kerngebiet sollen deshalb typischerweise auch Vergnügungsstätten konzentriert sein (BVerwG, Beschl. v. 6.12.2000 - 4 B 4.00 - NVwZ-RR 2001, 217). Der allgemeine Ausschluss von Vergnügungsstätten in einem Kerngebiet mag im Hinblick darauf problematisch sein. Um einen solchen Ausschluss geht es hier jedoch nicht, da mit dem angefochtenen Bebauungsplan in dem von ihm erfassten Gebiet nicht Vergnügungsstätten insgesamt, sondern nur bestimmte Arten von Vergnügungsstätten ausgeschlossen werden. Unter Vergnügungsstätten sind auf kommerzielle Unterhaltung ausgerichtete besondere Gewerbebetriebe zu verstehen, die in unterschiedlicher Ausprägung unter Ansprache oder Ausnutzung des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- oder Sexualtriebs einer bestimmten auf Gewinnerzielung gerichteten Freizeitunterhaltung gewidmet sind (vgl. u.a. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 28.11.2006 - 3 S 2377/06 - ZfBR 2007, 360; HessVGH, Beschl. v. 25.8.2008 - 3 ZU 2566/07 - NVwZ-RR 2009, 143; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 9.3.2007 - 8 A 10066/07.OVG - LKRZ 2007, 202; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 6 BauNVO Rn. 42). Die mit dem angefochtenen Bebauungsplan ausgeschlossenen Vergnügungsstätten erfassen danach nur einen kleinen Teil der unter diesen Begriff fallenden Einrichtungen, der die allgemeine Zweckbestimmung eines Kerngebiets nicht berührt.

bb) Die von der Antragsgegnerin vorgenommenen Ausschlüsse werden auch von "besonderen städtebaulichen Gründen" getragen.

Mit dem angefochtenen Bebauungsplan soll nach seiner Begründung das Universum-Center für die Zukunft als ein "belebter Baustein mit zentraler Versorgungsfunktion am Ehinger Tor" gestärkt werden, "indem entwicklungshemmende Nutzungen planungsrechtlich ausgeschlossen werden". In der Begründung wird dazu näher ausgeführt, der bestehende Bebauungsplan für das Universum-Center stamme aus einer Zeit, in der die Problematik einer Konzentration von Spielhallen, Wettbüros usw. noch nicht virulent gewesen und einschränkende Regelungen für die - im Kerngebiet ansonsten allgemein zulässigen - Vergnügungsstätten somit nicht erforderlich gewesen seien. Infolgedessen habe sich mit Ausnahme einiger Schnellimbiss-Restaurants und Internet-Cafés eine einseitige Struktur aus Vergnügungsstätten und Wettbüros herausgebildet, die dem städtebaulichen Ziel einer kerngebietstypischen Mischnutzung mit zentraler Versorgungsfunktion nicht mehr gerecht werde. Dieser Trend habe sich in jüngerer Zeit noch beschleunigt, da andere Gewer-betreibende infolge der geschilderten Nutzungsverschiebung und dem damit einhergehenden Attraktivitätsverlust den Ort verlassen hätten und nicht durch entsprechende Nachnutzungen hätten ersetzt werden können. Eine beträchtliche Leerstandsquote innerhalb des Sockelbauwerks sei die offensichtliche Folge dieser Entwicklung. Diese leerstehenden Gewerbeflächen fänden zunehmend das Interesse von Gewerbetreibenden, die sich durch die angespannte Nutzungsstruktur nicht gestört sähen bzw. selbst Nutzungsziele verfolgten, die die gegebenen städtebaulich-funktionalen Spannungen weiter verstärkten. Die Abwendung einer Verfestigung und Verschärfung städtebaulich-funktionaler Missstände erfordere und rechtfertige die Änderung des bis-her geltenden Planungsrechts.

Das Vergnügungsstättenkonzept der Antragsgegnerin unterstreicht die in der Begründung des Plans beschriebenen und auch vom Antragsteller nicht bestrittenen Missstände. In Bezug auf das Universum-Center heißt es im Endbericht des Büros Dr. Acocella vom 3.9.2012 (S. 96 ff), das Umfeld weise deutliche städtebauliche Defizite auf, Trading-Down-Effekte (hohe Leerstandsquote, stark eingeschränkte Angebotsvielfalt, überwiegend Vergnügungsstätten, Imbisse und einzelne Dienstleister, Investitionsrückstände) seien insbesondere am Universum-Center, aber auch in dessen Umfeld erkennbar. Die nördlich und südlich angrenzenden Bereiche durchliefen derzeit augenscheinlich eine Aufwertung, diese Entwicklung habe das Universum-Center bisher noch nicht erreicht. Neben einer massiven Konzentration an Vergnügungsstätten im Universum-Center (deren Zahl mit fünf Spielhallen und fünf Wettbüros angegeben wird) seien im Umfeld weitere Vergnügungsstätten und bordellartige Betriebe angesiedelt. Konflikte bestünden insbesondere mit der angrenzenden Wohnnutzung, benachbarten Bildungseinrichtungen (u.a. Hans- und Sophie-Scholl-Gymnasium, Berufsbildungszentrum Augsburg, regionales Ausbildungszentrum Ulm, Berufsbildungswerk Adolf Aich/Max-Gutenknecht-Schule Ulm) und der Verdrängung von Einzelhandel und Dienstleistungen.

Die mit dem Bebauungsplan verfolgten Ziele sind danach zweifellos städtebaulicher Natur und auch ansonsten nicht zu beanstanden. Das Vorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen Beurteilung.

Ziel des Bebauungsplans ist es, den in der Begründung des Plans ausführlich dargestellten städtebaulichen Missstand zu bekämpfen. Die Behauptung des Antragstellers, dass sich die Begründung des Bebauungsplans nahezu auf jedes andere im Stadtgebiet der Antragsgegnerin vorhandene Kerngebiet in gleicher Weise anwenden lasse, ist danach unhaltbar.

Sein Vorwurf, es fehle an einer genauen Analyse des Kerngebiets, in welcher dargelegt sei, welche Wertigkeit die einzelnen vorhandenen Nutzungen aufwiesen und welcher Gefährdung sie durch das hier zur Beurteilung stehende Vorhaben (gemeint: die Errichtung des von ihm geplanten bordellartigen Betriebs) ausgesetzt wären, ist ebenfalls unbegründet. Festzuhalten ist zunächst, dass es der Antragsgegnerin mit dem angefochtenen Plan nicht allein darum geht, das Vorhaben des Antragstellers zu verhindern, auch wenn die für das Vorhaben gestellte Bauvoranfrage unstreitig den Anstoß zu der Aufstellung des angefochtenen Bebauungsplans gegeben hat. Mit dem Plan soll vielmehr, wie dargelegt, dem allgemeinen und vom Antragsteller nicht in Zweifel gezogenen Trend zu einer einseitigen Nutzungsstruktur und dem damit verbundenen Attraktivitätsverlust des Universum-Centers entgegengewirkt werden. Einer weiteren Analyse der im Plangebiet vorhandenen Nutzungen bedarf es dazu nicht.

Eine solche Analyse ist auch mit Blick auf den in den Bebauungsplan aufgenommenen Ausschluss von Bordellen einschließlich bordellartiger oder sonstiger Gewerbebetriebe mit dem Zweck der Anbahnung, Vermittlung oder Erbringung von Dienstleistungen sexuellen Charakters entbehrlich. Daran, dass solche Einrichtungen geeignet sind, die Attraktivität des Universum-Centers für andere Nutzungen als Spielhallen, Wettbüros, Schnellimbisse etc. weiter zu verringern und die im Vergnügungsstättenkonzept der Antragsgegnerin beschriebenen Trading-Down-Effekte weiter zu beschleunigen, kann es auch ohne eine solche Analyse keinen Zweifel geben. Der Hinweis des Antragstellers, dass Vergnügungsstätten in einem Kerngebiet allgemein zulässig seien, ändert daran nichts.

Der der Sache nach erhobene weitere Einwand des Antragstellers, die Antragsgegnerin setze sich mit dem Erlass des Bebauungsplans in Widerspruch zu dem von ihr selbst aufgestellten Vergnügungsstättenkonzept, kann ebenfalls nicht verfangen. An der von ihm zitierten Stelle des Konzepts (Endbericht des Büros Dr. Acocella vom 3.9.2012, S. 115) heißt es zwar, dass der nordwestliche Bereich der Neuen Straße derzeit durch Vergnügungsstättennutzungen (Multiplexkino, Diskothek, Spielhallen) geprägt sei. Insbesondere auf Grund der geringen Einzelhandels- und Wohndichte in diesem Bereich sei "tendenziell von einer möglichen Nutzungsverträglichkeit auszugehen". Diese Aussage bezieht sich jedoch auf den - innerhalb der Innenstadt der Antragsgegnerin gelegenen - nordwestlichen Bereich der Neuen Straße. Was das von der Innenstadt ca. 400 m entfernte Universum-Center betrifft, wird in dem Konzept auf die bereits genannten Missstände hingewiesen. Daran anschließend heißt es (S. 97), auf Grund der beschriebenen Konfliktpotenziale seien Vergnügungsstätten, insbesondere Spielhallen und Wettbüros, "hier grundsätzlich nicht verträglich".

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 30.000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar.