LAG Köln, Urteil vom 16.12.1997 - 9 (12/11) Sa 853/97
Fundstelle
openJur 2019, 26500
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 10 Ca 10953/96
  • nachfolgend: Az. 3 AZR 100/98

Kürzung einer Betriebsrente wegen planwidriger Überversorgung

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des

Arbeitsgerichts Köln vom 19.03.1997 - 10 Ca

10953/96 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der von der Beklagten zu zahlenden betrieblichen Altersversorgung bzw. der entsprechenden Anwartschaft.

Die am 1950 geborene Klägerin war in der Zeit vom 01.10.1972 bis zum 30.06.1993 bei der Beklagten als Angestellte tätig.

Die Beklagte führte 1951 eine betriebliche Altersversorgung ein. Nach den damals gesetzten Richtlinien sollte die Firmenrente bei Invalidität bzw. Alter nach Ablauf einer 10-jährigen Wartezeit 15 % des letzten Grundgehaltes betragen und sich für jedes weitere anrechnungsfähige Dienstjahr um 1 % des letzten Grundgehaltes erhöhen. Die Höchstgrenze von 50 % des letzten Grundgehaltes konnte nach einer Dienstzeit von 45 Jahren erreicht werden.

Aus Anlaß der gesetzlichen Rentenreform 1957 nahm die Beklagte 1958 eine Obergrenzenregelung für die Gesamtversorgung in die Versorgungsordnung auf. Die Altersversorgung sollte durch Kürzung der Betriebsrente auf 65 % bis 80 % des letzten Grundgehaltes limitiert werden. Bei einer Dienstzeit bis zu 25 Jahren betrug die Obergrenze 65 % des letzten Grundgehaltes, für jedes weitere Dienstjahr erhöhte sich dieser Prozentsatz um 0,75 % bis zu höchstens 80 % bei 40 Dienstjahren. Unabhängig hiervon wurde eine Mindestrente in Höhe von 40 % der erreichten Betriebsrente zugesagt. Diese Versorgungsformel aus dem Jahre 1958 wurde unverändert Inhalt der letzten Fassung der Richtlinie vom 06.05.1968.

Zum 31.12.1973 schloß die Beklagte das Versorgungswerk für neu eintretende Beschäftigte. Diesem Personenkreis erteilte die Beklagte eine andere, für die Beschäftigten ungünstigere Zusage. Seit 1980 versuchte sie mehrfach, mit dem Betriebsrat eine Anpassung der alten Versorgungsordnung zu vereinbaren unter Berufung auf eine Überversorgung.

Im April 1993 setzte das Arbeitsgericht Köln auf Antrag der Beklagten eine Einigungsstelle ein. Diese entschied am 04.12.1993 über die Änderung des Versorgungswerkes betreffend Abschnitt VIII B Ziff. 2 a der "Richtlinien bei der betrieblichen Altersversorgung (Fassung vom 05.06.1968) für Arbeiter und Angestellte (TH)" wie folgt:

2.a) Die Bezüge der Angestellten aus der gesetzlichen

Rentenversicherung und der betrieblichen Versor-

gung werden durch Kürzung der Betriebsrente wie

Bei einer Dienstzeit bis zu 25 Jahren auf 59 des

letzten Grundgehaltes. Für jedes weitere Dienst-

jahr erhöht sich dieser Prozentsatz um 0,6 % bis

zu höchstens 71 % bei 45 Dienstjahren. Bezüge

der Angestellten aus der gesetzlichen Rentenver-

sicherung, die auf freiwilliger Weiterversicherung

beruhen, bleiben unberücksichtigt.

b) Unabhängig von der Bestimmung in 2.a) wird die

betriebliche Rente in jedem Falle mit einem Mindest-

rentenbetrag in Höhe von 40 % der gemäß 1. er-

mittelten Erwerbsunfähigkeits- oder Altersrente

gewährt; sie darf jedoch zusammen mit der Sozial-

versicherungsrente 100 % des pensionsfähigen

Nettoentgelts nicht überschreiten."

Das hiergegen gerichtete Anfechtungsverfahren des Betriebsrates wurde vom Arbeitsgericht bis auf die Begrenzung der Mindestrente bestätigt, in dem Beschwerdeverfahren wurde der gesamte Spruch der Einigungsstelle bestätigt. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde des Betriebsrates wurde als unzulässig verworfen, ob damit die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig geworden ist, ließ das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich offen. Wegen der Einzelheiten dieses Verfahrens und der Begründung der Entscheidungen wird auf die beigezogenen Akten 7 TaBV 66/94 Landesarbeitsgericht Köln verwiesen.

Mit Schreiben vom 22.06.1994 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihr Anwartschaftsrecht betrage auf der Grundlage des Einigungsstellenspruchs 451,-- DM und auf der Grundlage der Richtlinie 1968 669,-- DM. Die Klägerin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, ihr stehe eine Anwartschaft in Höhe von 1.203,51 DM zu. Der Spruch der Einigungsstelle entfalte für sie keine Wirkung, da sie zu diesem Zeitpunkt bei der Beklagten schon ausgeschieden war. Darüber hinaus könne sich die Beklagte auch nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen, da keine planwidrige Überversorgung vorliege. Eine Nettobegrenzung als Geschäftsgrundlage habe in der Versorgungsordnung 58/68 keinen Niederschlag gefunden. Es sei im Hinblick auf die Rentenreform 1957 nur Begrenzungen bezogen auf das letzte Bruttogehalt eingeführt worden. Bezüglich der Berechnung der Rentenanwartschaft hat die Klägerin die Ansicht vertreten, bei der Regelung VIII B 2 a handele es sich um eine Begrenzungsregelung, die vorliegend nicht zum Zuge komme. Bei Begrenzungsregelungen habe die Berechnung der Anwartschaft nach den Vorschriften der Versorgungsordnung zu erfolgen. Alsdann sei eine ratierliche Kürzung vorzunehmen, ohne im Hinblick auf das dann gefundene Ergebnis erst festzustellen, ob die Begrenzungsregelung anzuwenden sei oder nicht. Die Berechnungsweise der Beklagten entspreche der Berücksichtigung der Begrenzung im Sinne einer Berechnungsvorschrift.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, daß die Klägerin bei Erreichen ihres 65. Lebens-

jahres ein betriebliches Altersruhegeld in Höhe von monatlich

1.203,51 DM von der Beklagten beanspruchen kann.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie könne sich auch gegenüber der ausgeschiedenen Klägerin auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Der Spruch der Einigungsstelle habe nur insoweit Bedeutung, als entsprechend dem bereits erfolgten Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Anpassung habe vorgenommen werden müssen. Die ursprüngliche Versorgungszusage 58/68 habe zu einer planwidrigen Überversorgung geführt. Mit der Einführung der Begrenzungsklausel im Jahre 1958 habe eine Überversorgung verhindert werden sollen. Zu dieser Zeit hätten sich die Lohnabzüge für Steuern und Sozialversicherungsabgaben auf zusammen rund 20 % belaufen. Geschäftsgrundlage der Gesamtversorgungszusage sei es gewesen, daß die Rentner ein Gesamtrenteneinkommen von höchstens 100 % des letzten monatlichen Nettogehaltes erzielen sollten. Seit 1958 seien die Lohnabzüge aber um mehr als 50 % gestiegen, so daß es wegen der unterschiedlichen Abgabenbelastung bei Löhnen und Renten zu unvorhersehbaren und nicht gewollten Überversorgungen gekommen sei. Auch die langjährige Kenntnis dieses Umstands stehe einem Berufen auf Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht entgegen, da sie immer wieder versucht habe, mit dem Betriebsrat zu einer einvernehmlichen Regelung zu kommen.

Die von der Einigungsstelle vorgenommene Anpassung entspreche billigem Ermessen.

Bezüglich der Berechnung der Betriebsrentenanwartschaft war die Beklagte der Ansicht, die Klägerin habe mit ihrem Ausscheiden am 30.06.1993 eine ratierliche Anwartschaft erworben. Damit ergebe sich, daß zunächst die mögliche Vollrente auf das Endalter unter Berücksichtigung der Obergrenzen zu ermitteln sei. Sodann sei eine ratierliche Kürzung vorzunehmen.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Antrag der Beklagten erkannt. Diese könne sich gegenüber dem ursprünglichen Versorgungsversprechen auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen und die Art der Anpassung entsprechend dem Spruch der Einigungsstelle vornehmen. Hierfür sprächen schon Gründe der Gleichbehandlung. Bei der Berechnung von aufrechterhaltenen Anwartschaftsrechten sei nicht zwischen Gesamtversorgungszusagen und Zusagen mit Limitierungsklauseln zu unterscheiden, in beiden Fällen sei die Begrenzung bereits bei der Bestimmung der Alsob-Leistung zu berücksichtigen.

Gegen dieses der Klägerin am 12.06.1997 zugestellte Urteil hat sie am 14.07.1997 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 15.09.1997 begründet.

Sie meint weiterhin, der Beklagten stehe ein Anpassungsrecht nicht zu, im Ergebnis sei eine Prüfung wie bei einem Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage vorzunehmen. Es seien die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Die von der Beklagten behauptete Geschäftsgrundlage folge nicht aus der Versorgungsordnung 1958: Aufgrund der Rentenreform sei die betriebliche Versorgungszusage nur dahingehend abgeändert worden, daß grundsätzlich überhaupt die Möglichkeit einer Kürzung von Werksrente vorgesehen worden sei, allerdings nur "wenn das Gesamtrenteneinkommen ein gewisses Höchstmaß überschreitet".

Tatsächlich sei es auch früher zu Überversorgungen gekommen, z.B. bei den Mitarbeitern B , M , F und Bl . Auf der Basis der Regelung 1958/1968 mit der Obergrenze 80 % seien Gesamtversorgungen über 100 % regelmäßig aufgetreten (Beweis: Zeugnis E J und Sachverständigengutachten).

Zu den Richtlinien 1968 habe die Beklagte Ende 1974 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der bisherige Besitzstand der Tarifangestellten gewahrt bleiben solle. Dies sei auch gegenüber dem Betriebsrat mehrfach bestätigt worden, obgleich die behauptete Überversorgung schon damals bekannt gewesen sei. Dies sei nicht planwidrig gewesen, dies ergebe sich auch aus dem Umstand, daß die Beklagte schon am 31.12.1973 die Versorgungsordnung für neu eintretende Mitarbeiter geändert habe.

Zu berücksichtigen sei auch, daß sich seit 1990 die meisten Beschäftigten damit einverstanden erklärt hätten, daß eine von da ab gezahlte übertarifliche Zulage in Höhe von 300,00 DM pro Monat bei der Berechnung der betrieblichen Altersversorgung keine Berücksichtigung finden solle. Die übertarifliche Zulage sei nur unter der Bedingung gezahlt worden, daß sich die Betroffenen mit einer derartigen Regelung einverstanden erklärte.

Zudem ergebe sich aus den Gewinn- und Verlustrechnungen der Jahre 1991 bis 1994, daß wirtschaftliche Gründe für die Reduzierung der betrieblichen Altersversorgung nicht vorlägen. Allein die Zinsen aus den Rückstellungen deckten nahezu die gesamten Pensionsansprüche in der ursprünglichen Höhe. Der Beklagten sei also zum damaligen Zeitpunkt wie auch heute die Leistung der betrieblichen Altersversorgung in der ursprünglichen Höhe durchaus zumutbar.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts

Köln vom 19.03.1997 - 10 Ca 10953/96 - festzu-

stellen, daß die Klägerin bei Erreichen ihres

65. Lebensjahres ein betriebliches Altersruhegeld

in Höhe von monatlich 1.203,51 DM von der Be-

klagten beanspruchen kann.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.

Sie bezieht sich weiterhin auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Anpassung von Betriebsrenten bei festzustellender planwidriger Überversorgung. Sie behauptet, auf der Grundlage der Versorgungsordnung 1951 sei durch die Rentenreform 1957 eine Überversorgung von durchschnittlich 104 % gegeben. 1958 sei eine Versorgung angestrebt worden, die nach 45 Dienstjahren im Einzelfall auf eine 100 % Nettoversorgung ausgerichtet gewesen sei: Das angestrebte Versorgungsniveau ergebe sich unmittelbar aus der Festlegung der Obergrenzenprozentsätze, zur damaligen Zeit sei allen bekannt gewesen, daß Gesamtabzüge an Steuern und Sozialbeiträgen in Höhe von 20 % anfielen. 1968 sei nur die Präambel entfallen und eine Verrechnungsmöglichkeit von Firmenrenten und sonstigen Firmenbezügen eingeführt worden. Durch die Schließung des Versorgungswerkes für Neuzugänge 1974 habe die Beklagte auf die einzig ihr einseitig mögliche Weise kenntlich gemacht, daß sie die Überversorgung nicht auch noch auf neu eintretende Arbeitnehmer erstrecken wolle; soweit in der Folgezeit für die insoweit betroffenen Altfälle die weitere Anwendbarkeit der Regelung aus 1958/1968 bestätigt worden sei, liege darin kein Verzicht auf eine Anpassung der Rentenhöhe wegen Überversorgung, sondern nur eine Bestätigung, daß zur Rentenberechnung grundsätzlich von dieser Versorgungsordung auszugehen ist.

Soweit die Klägerin Beispiele für eine Überversorgung aus 1958 benannt habe, seien die entsprechenen Personen entweder schon vor 1958 ausgeschieden oder erst 1994 oder sie seien von der Mindestrentenregelung betroffen gewesen. Unterschiede seien auch durch atypische Steuerklassen zu erklären.

Da sich im Jahre 1990 abgezeichnet habe, daß eine Einigung mit dem Betriebsrat zur Beseitigung der Überversorgung nicht zustande kommen werde und sich gleichzeitig die Schere zwischen den Rentenansprüchen der Tarifangestellten immer mehr vergrößert habe - die Ansprüche nach der Altersversorgung 1974 hätten maximal ca. 230,00 DM erreicht, während nach den Richtlinien von 1958/1968 Ansprüche zwischen 1.500,00 DM und 2.500,00 DM hätten erreicht werden können -, habe die Beklagte es nicht mehr für vertretbar gehalten, die Firmenrenten über die Gewährung von neuen übertariflichen Zulagen weiter zu steigern. In Absprache mit dem Betriebsrat sei dann die Lösung gefunden worden, künftige übertarifliche Zulagen nur noch als nicht pensionsfähig zu leisten. Der Betriebsrat habe zwar keine Betriebsvereinbarung abschließen wollen, er habe aber die Regelung mit getragen.

1994 habe für die Beklagte ein Verlustvortrag von fast 37 Mio. DM ergeben, die bilanzierten Rückstellungen der Versorgungsleistungen könnten nicht als selbständiger Fond zur Bezahlung von Renten angesehen werden.

Die Berechnung der Höhe der Rentenanwartschaft der Klägerin sei auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.11.1991 - 3 AZR 520/90 - erfolgt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Urkunden und Schriftsätze die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren sowie auf die Akten LAG Köln 7 TaBV 66/94 verwiesen.

Gründe

Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet, sie ist mithin zulässig.

In der Sache hatte sie keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Beklagte berechtigt ist, die der Klägerin nach der Versorgungsordnung vom 08.05.1958/1968 zustehende Altersversorgung entsprechend den Rechtsgrundsätzen vom Wegfall der Geschäftsgrundlage zu kürzen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgericht wird nach § 543 ZPO verwiesen.

Die Einwände der Klägerin in der Berufungsinstanz rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das Berufungsgericht anschließt, daß auch bei Vorliegen einer einheitsvertraglichen Versorgungsordnung eine Anpassung der Versorgungsleistungen an geänderte Gegebenheiten möglich ist, wenn die unveränderte Aufrechterhaltung der bisherigen Versorgungsversprechen zu einer planwidrigen Überversorgung des Betroffenen führen würde (vgl. BAG, Urteil vom 09.07.1985 - 3 AZR 546/82 - = DB 1986, 1231 ff. und die vom Arbeitsgericht zitierten Entscheidungen). Dies gilt entgegen der Auffassung der Klägerin unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des Arbeitgebers, eine Notlage braucht nicht vorzuliegen, ebenso ist es unerheblich, ob und in welchem Umfang in der Vergangenheit aus steuerlichen Gründen Rückstellungen vorgenommen worden sind: Die Verpflichtung hierzu ergibt sich aus steuerrechtlichen bzw. bilanztechnischen Erwägungen und steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den im übrigen maßgebenden Fragen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit.

Das Bundesarbeitsgericht hat in den zitierten Entscheidungen ausgeführt, auch eine Störung des Vertragszweckes könne eine nachträgliche Korrektur notwendig machen, sie könne darin bestehen, daß der angestrebte Erfolg bereits unabhängig von der vertraglich geschuldeten Leistung auf planwidrige Weise eintrete; auch in diesen Fällen könne sich die Notwendigkeit ergeben, Verträge an die geänderten Verhältnisse anzupassen, um die Vertragsgerechtigkeit wieder herzustellen. Das Anpassungsinteresse des Arbeitgebers habe ein großes Gewicht, wenn die Versorgungszusage von vornherein klar zum Ausdruck gebracht habe, daß sie die Überschreitung einer bestimmten Gesamtversorgungsobergrenze vermeiden wolle und daß Rentner nicht besser gestellt werden sollten als vergleichbare aktive Arbeitnehmer. Wenn die Steuer- und Sozialgesetzgebung in solchen Fällen bewirke, daß die ursprünglich sachgerechte Obergrenze ihr Ziel verfehle, weil erhebliche Erhöhungen der Abzüge zu einer unerwarteten Besserstellung der Rentner führten, so habe das Anpassungsinteresse des Arbeitgebers großes Gewicht, während das Interesse der Versorgungsberechtigten an einem unveränderten Fortbestand der eingetretenen "Überversorgung" weniger schutzwürdig erscheine (BAG a. a. O. m. w. N.).

In der späteren Entscheidung vom 23.10.1990 (3 AZR 620/89 = EzA § 1 BetrAVG Ablösung Nr. 4) hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich hervorgehoben, das Vertrauen der Arbeitnehmer auf eine Gesamtversorgung von mehr als 100 % des letzten Nettoeinkommens sei in einem solchen Fall nicht schutzwürdig.

Das Berufungsgericht folgt der Beklagten, daß sich allein aus dem Umstand, daß die Versorgungsregelung 1951 keine Versorgungsobergrenze enthielt und daß 1958 durch die Einführung der Regelung in VIII B 2 Lit. a - Limitierung der Altersversorgung - bei einer Dienstzeit bis zu 25 Jahren auf maximal 65 % des letzten Grundgehaltes, für jedes weitere Dienstjahr weitere 0,75 % bis zu höchstens 80 % bei 45 Dienstjahren - ergibt, daß eine Versorgungsobergrenze von 100 % des letzten Nettogrundgehaltes gewollt war: Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die durchschnittliche Belastung der Arbeitnehmer mit Abgaben im Jahre 1958 bei 20 % lag (vgl. insoweit die Berechnung Bl. 62 d. A.), rechnerisch ergab sich damit die von der Beklagten behauptete Versorgungsobergrenze von 100 % des letzten Nettogrundgehaltes.

Dem steht nach Ansicht des Gerichts nicht entgegen, daß auch 1958 nicht jeder Arbeitnehmer - unabhängig von seiner familiären Einzelsituation - genau 20 % Abgaben zu zahlen hatte, sondern ausweislich der von der Beklagten eingereichten Berechnung die Abgabenlast im Einzelfall je nach Steuerklasse und Anzahl der Kinder zwischen 16,25 % und 21,18 % schwankte. Die Obergrenzenregelung wurde in eine Gesamtzusage eingefügt, sie war nicht einzelfallbezogen, es konnte deshalb auch ein durchschnittlicher generalisierender Maßstab zugrundegelegt werden, der in Anwendung auf den Einzelfall zu einem 100 % übersteigenden oder unterschreitenden Rentenanspruch führte. Da es sich vorliegend um eine Gesamtzusage handelt, spricht die Zugrundelegung eines rechnerischen Durchschnittswertes nicht gegen die Annahme der Absicht einer Versorgungsobergrenze von 100 % des letzten Nettoeinkommens. Zur Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen J oder der Einholung eines Sachverständigengutachtens bestand kein Anlaß.

Die Beklagte ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß vorliegend die Geschäftsgrundlage für die Obergrenzenregelung 1958/1968 entfallen war: Dies folgt schon aus dem Umstand, daß sich die Belastung der Arbeitnehmereinkommen durch Steuer- und Sozialversicherungsabgaben seit 1958 erheblich erhöht - zum Teil auf erheblich über 30 % - haben, dies wird auch von der Klägerin nicht bestritten. Insbesondere dieser Gesichtspunkt rechtfertigt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Anpassungsentscheidung.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, allein aus dem Umstand, daß die Beklagte in der Folgezeit bis zur Anrufung der Einigungsstelle keine Abänderung der Gesamtversorgungsobergrenze vorgenommen hat sei zu schließen, die zunehmende Überversorgung sei nunmehr nicht mehr planwidrig: Spätestens seit Schließung des ursprünglichen Versorgungswerkes für neu eintretende Mitarbeiter war erkennbar, daß aus Sicht der Beklagten eine Überversorgung unerwünscht war. Die Klägerin selbst hat nicht bestritten, daß eine Neuregelung der Gesamtversorgungsobergrenze nicht erfolgt ist, weil der Betriebsrat ohne Gegenleistung der Beklagten bezüglich der ab 1974 geltenden Regelung dazu nicht bereit war.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Anpassungsentscheidung der Beklagten bezogen auf den Anspruch der Klägerin auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

Die Beklagte konnte grundsätzlich von der neuen Obergrenzenregelung ausgehen, wie sie von der Einigungsstelle durch Beschluß vom 04.11.1993 zur Änderung der Berechnungsvorschrift in Abschnitt VIII Nr. 2 b der "Richtlinien für die betriebliche Altersversorgung in der Fassung vom 06.05.1968" festgelegt wurde.

Auch wenn dieser Spruch nicht rechtskräftig sein sollte und bezüglich der Klägerin als vor dem 04.11.1993 aus dem Betrieb der Beklagten ausgeschiedener Arbeitnehmerin keine unmittelbare Wirkung entfaltet, war die Beklagte doch berechtigt, sich hinsichtlich der ihr obliegenden Anpassungsentscheidung danach zu richten.

Bezüglich der Anwartschaftsrechte der zu dieser Zeit noch im Betrieb beschäftigten Mitarbeiter war die neue Regelung mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, dieses Verfahren wurde von der Beklagten eingehalten. Der Spruch der Einigungsstelle wurde in zwei Instanzen bestätigt; die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG sind damit gewahrt. Auch ein etwaiger Nachfolgebetriebsrat, der unstreitig nicht gewählt wurde, wäre nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07.05.1985 schon wegen Fristablaufs nicht mehr befugt, die Entscheidung erneut anzufechten. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 07.05.1985 (3 AZR 546/82) genügt als Mitwirkungshandlung des Betriebsrats eine formlose Regelungsabrede.

Die Anpassungsentscheidung der Einigungsstelle, die die Beklagte zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht hat, ist auch grundsätzlich angemessen: Sie ist geeignet, das ursprüngliche Versorgungsziel von 100 % des Nettoeinkommens wiederherzustellen: Die Einigungsstelle ist dem ursprünglich von der Beklagten gemachten Vorschlag zur Anpassung der Bruttorentenbezüge an die Nettoeinkünfte nicht gefolgt, sondern hat im Hinblick auf die derzeitige Abgabenbelastung der Rentner eine 5 % Anhebung der ursprünglichen Steigerungssätze zugrundegelegt; um den in der Versorgungsordnung 1958/1968 zugrundeliegenden Netto-Nettovergleich herzustellen (vgl. Ziff. 3 c der Begründung des Einigungsstellenspruches).

Das Berufungsgericht schließt sich im übrigen hinsichtlich der generellen Angemessenheit des der Entscheidung der Beklagten zugrundeliegenden Einigungsstellenspruches den Ausführungen des Arbeitsgerichts Köln und des Landesarbeitsgerichts Köln - 1 BV 189/93 - und 7 TaBV 66/94 - an, auf die dortigen Ausführungen wird ergänzend verwiesen.

Die Anpassungsentscheidung der Beklagten unter Rückgriff auf die Maßstäbe des Spruches der Einigungsstelle ist aber fehlerhaft, soweit zur Ermittlung des maßgebenden letzten Grundgehaltes nach 1990 gewährte übertarifliche Zulagen nicht berücksichtigt wurden. Unstreitig handelt es sich hierbei um regelmäßige Zahlungen die während der aktiven Arbeitnehmerzeit des Klägers mit das verfügbare Einkommen bestimmt haben. Das Ziel der Versorgungsordnung 1958/1968 ist die Erhaltung eines vergleichbaren verfügbaren Nettobetrages, die Nichtberücksichtigung der Zulage führt zu einem verminderten Gesamteinkommen des Rentners und verstößt deshalb gegen das Übermaßverbot. Die Klägerin hat aber nicht vorgetragen, daß sie selbst eine entsprechende Zulage erhalten hat.

Der Beklagten ist die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage und das Vorliegen einer Überversorgung nicht nach § 242 BGB versagt. Daß die Anpassungsentscheidung nicht zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt ist, schließt ihre heutige Durchsetzung auch nicht nach den Grundsätzen des venire contra factum proprium aus.

Unstreitig ist, daß die Beklagte mehrfach versucht hat, mit dem Betriebsrat zusammen eine Abänderung der von ihr erteilten Gesamtzusage aus den Jahre 1958/1968 zu erreichen und daß der Betriebsrat zu dahingehenden Gesprächen nur bereit war unter der Bedingung, daß Verbesserungen für die nicht mehr in diese Versorgungsordnung einbezogenen Mitarbeiter, die erst nach 1973 in den Betrieb eingetreten sind, vereinbart würden. Die Beklagte war berechtigt, dieses Ansinn abzulehnen. Andererseits setzt eine Anpassungsentscheidung die Mitwirkung des Betriebsrates zumindest als Regelungsabsprache voraus (vgl. BAG a. a. O.), ohne Anrufung der Einigungsstelle bestand für die Beklagte also keine rechtlich zulässige Möglichkeit, von der Regelung der Versorgungsordnung 1958/1968 abzuweichen. Bereits die Schließung des Versorgungswerkes 1973 ist nach Ansicht des Gerichtes als ein gegen einen Vertrauenstatbestand bezüglich der Aufrechterhaltung einer Überversorgung begründender Umstand zu werten: Sowohl für die Arbeitnehmer als auch für den Betriebsrat wurde dadurch deutlich, daß die Beklagte nicht gewillt war, weiterhin Aufwendungen für Ruhegeldversprechen in der bisherigen Höhe hinzunehmen. Darin kann aber - ebenso wie in späteren Schreiben an den Betriebsrat oder Aushängen am Schwarzen Brett oder ähnliches - kein Umstand gesehen werden, der eine spätere Nutzung von einseitigen Gestaltungsmöglichkeiten wie der vorliegenden Anpassungsentscheidung entgegenstünde: Individuelle, einzelfallbezogene Besitzstandszusagen, die zu einem erhöhten Vertrauensschutz führen könnten, sind damit nicht erteilt worden; auf zukünftig mögliche, konkret nicht absehbare Veränderungsalternativen brauchte die Beklagte nicht hinzuweisen. Sie verweist insoweit vielmehr zutreffend darauf, daß die nunmehr maßgebenden Rechtsgrundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage bei planwidriger Überversorgung vom Bundesarbeitsgericht erst in den letzten Jahren entwickelt worden sind, so daß es für sie insbesondere auch im Jahre 1973 nicht absehbar war, daß bei Fortbestehen des Widerstands des Betriebsrates die Möglichkeit der Anrufung der Einigungsstelle zur Erreichung eines neuen Versorgungssystems bestanden hat, durch das ohne Veränderung des Dotierungsrahmens gleichermaßen den Interessen der bereits beschäftigten und der neu eintretenden Mitarbeiter hätte Rechnung getragen werden können. Auf der Grundlage dieser Ausgangssituation erscheint es dem Gericht nicht gerechtfertigt, aus dem Vorgehen der Beklagten auf einen erweiterten Vertrauensschutz der bereits vor 1973 Beschäftigten auch hinsichtlich der bereits eingetretenen und noch entstehenden Überversorgung zu schließen.

Soweit die Klägerin auf spätere Stellungnahmen der Beklagten bezüglich der Versorgungsregelung 1958/1968 gegenüber dem Betriebsrat verweist, gehen diese zwar von der Gültigkeit der Regelung zum jeweiligen Zeitpunkt aus; sie enthalten aber nicht die rechtsgeschäftlich verbindliche Zusage, daß sich daran auch in Zukunft, insbesondere hinsichtlich der in der Versorgungsordnung enthaltenen Prozentzahlen der Versorgungsobergrenze nichts ändern wird. Ein Verzicht auf von der Rechtsordnung auch ohne ausdrückliche Vorbehaltserklärung gebilligte zukünftige Anpassungsentscheidungen kann darin nicht gesehen werden.

Die Berechnung der Höhe des Rentenanspruches folgt § 2 BetrAVG, die ratierliche Kürzung ist zulässig (BAG 12.03.1991 - 3 AZR 102/90 - AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Besitzstand; 12.11.1991 - 3 AZR 520/90 - AP Nr. 26 zu § 2 BetrAVG). Die Klägerin hat dagegen Einwände in der Berufungsinstanz nicht mehr erhoben.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Urteil kann von der Klägerin Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden. Die Revision ist innerhalb einer Notfrist (eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden) von einem Monat seit der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim Bundesarbeitsgericht, Graf-Bernadotte-Platz 3, 34119 Kassel, einzulegen. Die Revision ist gleichzeitig oder innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung schriftlich zu begründen. Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

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