LAG Köln, Urteil vom 18.08.1993 - 7 Sa 522/93
Fundstelle
openJur 2019, 26487
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 8 Ca 5277/92

Kein Leitsatz

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.1.1993 - 8 Ca 5277/92 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Gründe

Entscheidungsgrund

Die Berufung ist unbegründet.

I. Die Klage ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO statthaft, soweit sie auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist, d.h. auf die Feststellung des Bestehens eines Anspruchs der Klägerin gegen den Beklagten auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV a (IV b) BAT. Für diese Feststellung hat die Klägerin auch das von dar Vorschrift weiter geforderte rechtliche Interesse.

II. Die Klage ist nicht begründet.

1. Voraussetzung für den Anspruch der Klägerin ist, daß in ihrer Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen der Vergütungsgruppe IV a BAT erfüllen, § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 1 BAT. Kann die Erfüllung einer

Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (Z.B. vielseitige Fachkenntnisse), sind die Arbeitsvorgänge für die, Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen,.§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 2 BAT. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein anderszeitliches Maß bestimmt, gilt dieses, § 22 Abs. 2 Unterabs. 4 BAT.

a) Unter Arbeitsvorgängen sind zu verstehen Arbeitsleistungen, die, bezogen auf den Aufgabenkreis des Angestellten zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorganges, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Eintragung in das Grundbuch, Konstruktion einer Brücke oder eines Brückenteils, Bearbeitung eines Antrags auf Wohngeld, Festsetzung einer Leistung nach dem Bundessozialhilfegesetz); jeder einzelner Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten; unter einer "Anforderung” ist auch das in einem Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus einer niedrigeren Vergütungsgruppe zu verstehen, BAT § 22 Protokollnotiz Nr 1 zu Abs, 2.

b) Als Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe IV a BAT kommen nur die Tätigkeitsmerkmale der Fallgruppen 1 a und 1 b in Betracht, Diese verlangen eine Tätigkeit, die sich (mindestens zu 1/3) durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 1 a heraushebt, die Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a baut wiederum auf der-Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a auf. In solchen Fällen aufeinander aufbauender Vergütungsgruppen müssen sämtliche tarifliche Voraussetzungen der jeweils in bezuggenommenen niedrigeren Tarifmerkmale erfüllt sein und muß dies nachvollziehbar dargelegt werden, auch wenn die Parteien übereinstimmend von ihrer Erfüllung ausgehen und die entsprechenden Tatsachen unstreitig sind, -BAG, Urteil vom 6.6.1984 - 4 AZR 218/82 -.

c) Die Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a verlangt eine Tätigkeit, die gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert, die Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a eine Tätigkeit, die sich dadurch aus der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 heraushebt, daß sie besonders verantwortungsvoll ist, die Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 a/1 b BAT eine Tätigkeit, die sich (mindestens zu 1/3) durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a heraushebt.

2. In der Tätigkeit der Klägerin sind als einzelne Arbeitsvorgänge ihre Arbeitsleistungen anzusehen, die sie in bezug auf ein einzelnes Förderungsprojekt entfaltet. Ihre Arbeitsleistung in bezug auf ein einzelnes Förderungsprojekt führt zu einem abgrenzbaren Arbeitsergebnis. Diese Betrachtung entspricht auch den in der Protokollnotiz zu § 22 BAT enthaltenen Beispielen ‚ (unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Bearbeitung eines Antrags auf Wohngeld.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ihre Arbeitsleistung in bezug auf ein einzelnes Projekt dargelegt, beginnend mit der Beratung des Wissenschaftlers bei der Formulierung des Förderungsantrages bis zur Sorge um die rechtzeitige Vorlage des abschließen- den Sachberichts.

3. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Arbeitsleistungen der Klägerin in bezug auf ein einzelnes Forschungsprojekt "gründlichen, umfassenden" Fachkenntnisse im Sinne der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a erfordert. Dabei sind alle Arbeitsvorgänge dieser Art insoweit zusammen zu beurteilen, § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 .S. 2 BAT.

a) . Die Anforderungen "gründliche, umfassende" Fachkenntnisse sollen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach bedeuten gegenüber den in den Fallgruppen 1 a der Vergütungsgruppe VII, VI b und V c geforderten "gründlichen und vielseitigen" Fachkenntnisse, Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a Klammersatz. Unter den damit angesprochenen "gründlichen" Fachkenntnissen sollen zu verstehen sein "nähere" Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen usw. des Aufgabenkreises, Vergütungsgruppe VIII Fallgruppe 1 b Klammersatz. Der Begriff der "vielseitigen" Fachkenntnisse ist nicht näher erläutert, also nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu verstehen. Es ist lediglich einschränkend bestimmt, daß die "gründlichen und vielseitigen" Fachkenntnisse sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung, bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen brauchen, Vergütungsgruppe VI Fallgruppe 1 a Klammersatz S. 1. Erst wenn diese "gründlichen und vielseitigen" Fachkenntnisse noch in der Tiefe und der Breite gesteigert sind, liegen demgemäß "gründliche, umfassende" Fachkenntnisse vor.

Die Klägerin hat in einer Anlage zur Klage dargelegt, welche Vorschriften sie kennen muß, um ihre Arbeitsleistung bei der Verwaltung der Forschungsprojekte zu erbringen.

aa) Diese Aufstellung ist hinsichtlich der Nrn. 1 und 2 offensichtlich unzutreffend. Die Klägerin braucht nicht das BGB und die AO zu kennen, sondern allenfalls einzelne Bestimmungen hieraus. Es ist nicht ersichtlich, welche.

bb) Der Sache nach liegt .auf der Hand, daß die Klägerin im wesentlichen Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und Vertragsbedingungen in bezug auf Forschungsprojekte kennen muß, die von Dritten finanziert werden.

cc) Diese Vorschriften betreffen ein enges, spezielles Gebiet. Das spricht dafür, die erforderlichen Fachkenntnisse eher als einseitig denn als vielseitig anzusehen. Jedenfalls ist das Erfordernis einer gesteigerten Vielseitigkeit und gesteigerten Tiefe nicht ersichtlich.

b) Jedenfalls ist nicht ersichtlich, daß sich diese Arbeitsvorgänge dadurch aus der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a herausheben, daß sie besonders verantwortungsvoll sind im Sinne der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a (1 b).

aa) Richtig ist, daß das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung zum Begriff der "Verantwortung" im BAT geändert hat. Danach ist unter der in Vergütungsgruppe II a Fallgruppe 8 genannten herausgehobenen "Verantwortung" die Verpflichtung des Angestellten zu verstehen, dafür einstehen zu .müssen, daß in dem ihm übertragenen Dienst oder Arbeitsbereich die dort - auch von anderen Bediensteten - zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsgemäß ausgeführt werden; dabei kann sich je nach der Lage des Einzelfalles die tariflich geforderte Verantwortung des Angestellten auf andere Mitarbeiter oder dritte Personen, Sachen, Arbeitsabläufe, zu gewinnende wissenschaftliche Resultate oder - wie etwa beim Einsatz von Computern - auf technische Zusammenhänge beziehen; für das Vorliegen der tariflich geforderten herausgehobenen Verantwortung kann auch der Umstand sprechen, daß die Tätigkeit des betreffenden Angestellten keiner weiteren oder nur einer lockeren Kontrolle oder Überprüfung unterliegt; dabei kommt es jedoch nicht .darauf an, daß jeder Angestellte des öffentlichen Dienstes für seine Arbeit in einem allgemeinen Sinne verantwortlich ist; die. besondere Verantwortung kann auch nicht mit den bloßen Auswirkungen der Tätigkeit eines Angestellten begründet werden; BAG, Urteil vom 29.1.1986 - 4 AZR 465/84 - und 10 e der Gründe. Diese Ausführungen sind so allgemein gehalten, daß die Klägerin zu Recht annimmt, daß sie auch für das Tätigkeitsmerkmal "besonders verantwortungsvoll" in der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a (1 b) gelten.

bb) Eine "besondere Verantwortung" der Klägerin bei den Arbeitsvorgängen "Verwaltung der Forschungsprojekte ist jedoch nicht ersichtlich.

Die Klägerin mag zwar Verantwortung für die Tätigkeit der ihr unterstellten Mitarbeiter/-in tragen. Das betrifft jedoch einen anderen Arbeitsvorgang, nämlich den Arbeitsvorgang "Überwachung der unterstellten Mitarbeiterin".

Die Verantwortung der Klägerin gegenüber der Universität und den Projektförderern, daß die Mittel zutreffend eingesetzt und vorschriftsgemäß verwendet werden, geht nicht über die normale Verantwortung eines Angestellten für die Ordnungsmäßigkeit seiner Arbeitsleistung hinaus. Daß die Klägerin in Problemfallen Lösungen vorzuschlagen hat, bedeutet nur, daß sie im Sinne des BAT "selbständige Leistungen" zu erbringen hat, vgl. Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 1 a Klammersatz 3. Selbständige Leistungen werden aber bereits (u.a.) in der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a gefordert. Sie allein können demgemäß nicht die zusätzliche tarifliche Anforderung der "besonderen Verantwortung" in der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a begründen.

Die besondere Verantwortung der Klägerin ergibt sich auch nicht daraus, daß zur Zeit ca. 380 Einzelvorhaben mit einem Finanzvolumen von ca.14,5 Mio. DM bestehen, wie die Klägerin geltend gemacht hat. Über die Verwendung dieser Mittel entscheiden andere. Die Klägerin hat lediglich darüber zu wachen, daß sich die Verwendung im vorgegebenen Rahmen halt. Diese Überwachung ist eine normale Sachbearbeitertätigkeit mit selbständigen Leistungen.

Die "Vorgaben" der Klägerin an die Personalabteilung, die Apotheke, die zentralen Rechnungsstellen, den Einkauf, die Abteilung für allgemeine Verwaltungsaufgaben und andere Abteilungen sind ihrerseits vorgegeben, nämlich durch die Vorgabe der Projektförderer.

Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Klägerin keiner weiteren oder nur einer lockeren Kontrolle oder Überprüfung unterlegen hätte. Die Tätigkeit der Klägerin ist durch Richtlinien und Zuwendungsbedingungen vorbestimmt, und aus ihren Schilderungen ergibt sich, daß die Zuwendungsgeber die Verwendung beobachteten und ggf. beanstanden.

c) Damit scheiden die Arbeitsvorgänge "Verwaltung von drittmittelnfinanzierten Forschungsprojekten" für eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 a und 1 b BAT aus.

4. Die anderen Arbeitsvorgänge in der Tätigkeit der Klägerin kommen schon wegen des zeitlich geringfügigen Umfanges nicht für eine Eingruppierung in Betracht.

5. Die Darlegungs- und Beweislast trägt die Klägerin. Bei Eingruppierungsfeststellungsklagen gelten für deren Schlüssigkeit sowie für die Darlegungs- und Beweislast der Kläger die allgemeinen Grundsätze des Zivilprozeßrechts;.im Hinblick auf § 22 BAT muß daher der Kläger .einer solchen Klage die Einzelheiten seiner Tätigkeit und darüber hinaus diejenigen Tatsachen vortragen, die das Gericht kennen muß, um die "Arbeitsvorgänge" des Klägers bestimmen zu können; außerdem hat der Kläger diejenigen Tatsachen vorzutragen und ggf. zu beweisen, aus denen der rechtliche Schluß möglich ist, daß er die im Einzelfalle in Betracht kommenden tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluß der darin vorgesehenen Qualifizierungen erfüllt, BAG, Urteil vom 4.10.1984 - 4 AZR 518/82

III. Der "Hilfsantrag" der Klägerin ist demgemäß ebenfalls unbegründet.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil findet kein Rechtsmittel statt.

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