LAG Köln, Urteil vom 02.10.1996 - 7 Sa 491/96
Fundstelle
openJur 2019, 26485
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 9 Ca 7847/93

Haben die Parteien vereinbart, daß Überstunden durch Freistellung abgegolten werden sollten, kann der Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne weiteres Bezahlung verlangen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil

des Arbeitsgerichts Köln vom 20.11.1995

- 9 Ca 7847/93 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Streitwert: 47.196,-- DM.

Gründe

Die Berufung ist unbegründet.

Der verbliebene Klageanspruch (auf Zahlung von 47.196,80 netto) besteht aus einer Summe von Einzelansprüchen, nämlich aus dem Anspruch auf Vergütung für 102,45 Überstunden im Monat Januar 1991 á 32,00 DM netto und aus gleichen Ansprüchen auf Vergütung für Überstunden in den Monaten Februar 1991 bis Juni 1992 gemäß Aufstellung in der Klageschrift.

1. Der Anspruch des Klägers auf Vergütung für 102,45 Überstunden im Monat Januar 1991 besteht rechtlich nicht.

a) Er ergibt sich nicht aus dem (schriftlichen) Arbeitsvertrag der Parteien (vom 24.07.1990). Dort hatten die Parteien vereinbart, daß Über- und Mehrarbeit grundsätzlich durch "Urlaub" abgegolten wird (unter Nr. 7 Abs. 2). Der Kläger beansprucht demgegenüber Zahlung, nicht "Urlaub", was etwas anderes ist.

Ob von dem vertraglichen Grundsatz, daß Über- und Mehrarbeit grundsätzlich durch "Urlaub" abgegolten wird, Ausnahmen gelten sollten, das heißt in gewissen Fällen ein Zahlungsanspruch bestehen sollte, ist dem Vertrag nicht zu entnehmen und mangels irgendwelcher Anhaltspunkte auch nicht durch Auslegung (§ 157 BGB) zu ermitteln.

b) Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz. Danach ist Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Diese Vorschrift betrifft nur den jährlichen Erholungsanspruch des Arbeitnehmers (§ 1 Bundesurlaubsgesetz). Bei dem Urlaubsanspruch des Klägers nach Nr. 7 Abs. 2 des Arbeitsvertrages der Parteien handelt es sich dagegen nicht um Erholungsurlaub, sondern um Freistellung von der Arbeit als Ausgleich für Überstunden. Ein solcher "Urlaub" wird üblicherweise als "Freizeitausgleich" bezeichnet.

c) Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 612 Abs. 1 BGB. Danach gilt bei einer Dienstleistung eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umtänden nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Diese Vorschrift setzt demgemäß voraus, daß die Parteien in Bezug auf eine Dienstleistung keine (gültige) Vereinbarung über die Gegenleistung getroffen haben. Vorliegend aber haben die Parteien in Bezug auf Überstunden des Klägers eine solche Vereinbarung getroffen, nämlich dahin, daß Über- und Mehrarbeit grundsätzlich durch "Urlaub" abgegolten werden sollte.

d) Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB. Danach kann, wenn die Erfüllung eines Anspruchs unmöglich wird, der Gläubiger vom Schuldner Schadenersatz verlangen, wenn die Unmöglichkeit auf einen Umstand beruht, den der Schuldner zu vertreten hat. Dabei hat der Schuldner Vorsatz auf Fahrlässigkeit zu vertreten, § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Gewährung von "Urlaub" an den Kläger ist der Beklagten zwar wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.06.1992 unmöglich geworden. Die Beklagte hat diesen Umstand aber nicht zu vertreten. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien am 30.06.1992 beruhte auf einer eigenen Kündigung des Klägers.

e) Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 286 Abs. 1 BGB. Danach kann Schadenersatz verlangen, wem ein Schaden dadurch entsteht, daß der Schuldner mit Erfüllung seiner Verpflichtung in Verzug gekommen ist. Verzug in diesem Sinne tritt ein, wenn der Schuldner trotz Mahnung nicht leistet, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB.

aa) Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich demgegenüber bereits nicht, daß er für 102,45 Überstunden im Januar 1991 einen Anspruch auf "Urlaub" gemäß dem Arbeitsvertrag der Parteien erworben hatte. Danach sollte ein Anspruch auf Urlaub für Überstunden bestehen, soweit die Überstunden einen "angemessenen Rahmen" überstiegen (§ 7 Abs. 1 des Arbeitsvertrages). Außerdem war erforderlich, daß die Überstunden zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeiten notwendig waren oder vom Arbeitgeber gebilligt oder geduldet worden waren, vgl. BAG, Urteil vom 25.11.1993 - 2 AZR 517/93 -. Der Kläger hat demgegenüber bei der Aufstellung seiner Arbeitszeiten im Januar 1991 keine "angemessenen" Überstunden abgezogen (im übrigen auch keinerlei Arbeitspausen) und auch nicht dargelegt, daß diese Überstunden zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeiten notwendig waren oder von der Beklagten gebilligt oder geduldet worden waren. Daß die Beklagte die Reisekostenabrechnung des Klägers für Januar 1991 nicht beanstandet hat, reicht nicht aus, um eine Billigung oder Duldung der Überstunden anzunehmen. Gegen einen solchen Willen der Beklagten spricht auch, daß die Beklagte dem Begehren des Klägers nach Urlaub für Überstunden vom 25.01.1991 nicht nachgekommen ist.

bb) Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich darüber hinaus auch nicht, daß er seinen Anspruch auf "Urlaub" für die Überstunden im Januar 1991 bei der Beklagten geltend gemacht und die Erfüllung angemahnt hatte. Bei seinem schriftlichen Verlangen vom 25.01.1991 nach Urlaub für Überstunden ist nicht erkennbar, für welche Überstunden er "Urlaub" verlangte. Bezüglich der weiteren gleichen schriftlichen Urlaubsverlangen des Klägers vom 31.05.1991, 01.09.1991 und 02.01.1992 gilt das gleiche. Die Beklagte hat keine dieser Verlangen erfüllt. Eine Mahnung des Klägers ist nicht ersichtlich.

f) Der Anspruch ergibt sich schließlich auch nicht aus den §§ 323 Abs. 3, 812, 818 Abs. 2 BGB. Danach kann für eine erbrachte Leistung Wertersatz verlangt werden, wenn sie nicht mehr zurückgefordert werden kann und der andere Teil keine Gegenleistung zu erbringen braucht. Der Kläger kann zwar seine Arbeitsleistung in den geltend gemachten Überstunden nicht zurückverlangen und die Beklagte ist von der Verpflichtung zur Gewährung von "Urlaub" wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses freigeworden (§ 275 BGB); es ist jedoch nicht ersichtlich, daß die vom Kläger geleistete Mehrarbeit noch einen Wert für die Beklagte darstellt (zu einer Bereicherung der Beklagten geführt hat).

2. Für die Ansprüche des Klägers auf Vergütung von Überstunden in den Monaten Februar 1991 bis Juni 1992 gilt das gleiche.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Urteil findet kein Rechtsmittel statt.

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