OLG Köln, Urteil vom 18.02.1981 - 13 U 149/80
Fundstelle
openJur 2019, 26232
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 0 577/79
Tenor

Das Urteil des Landgerichts Aachen vom 26. März 1980 - 4 0 577/79 wird teilweise abgeändert.

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen. Die Anschlußberufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist auch insoweit nicht begründet, als das Landgericht ihr stattgegeben hat. Der mit der Anschlußberufung weiterverfolgte übrige Teil der Klage bleibt abgewiesen.

1. Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, daß der Wortlaut des § 4 der Bedingungen, die Inhalt des Gestattungsvertrages vom 9./12.0ktober 1956 geworden sind, auch solche Kostenaufwendungen erfaßt, die dadurch entstehen, daß bei Baumaßnahmen des Landschaftsverbandes auf die Rohrleitung des Vertragspartners mit zusätzlichem Aufwand Rücksicht genommen werden muß. Die Kosten, die durch diese Erschwernis der Bauarbeiten anfallen, lassen sich zwangslos und unmißverständlich als "Kosten" bezeichnen, "die infolge ... der Unterhaltung und des Betriebes der Gasleitung ... entstehen" (§ 4 Abs. 1 a.a.O.). Der Begriff der "Unterhaltung" umfaßt nicht lediglich Erhaltungsmaßnahmen, sondern auch das Bestehenlassen der Leitung zum Zwecke der Benutzung. Wer eine Leitung in fremden Boden bestehen läßt und benutzt, "unterhält" sie dort. Der Bauunternehmer muß auf die Leitung der Beklagten entsprechend deren Lage gerade deswegen Rücksicht nehmen, weil sie zum Transport von Gas benutzt wird. Die Erschwernis entsteht dann "infolge des Betriebs" der Leitung. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, spricht auch die mehrfache, zum Teil sich überdeckende Wortwahl ("Schäden, Nachteile, Kosten" und "Herstellung, Unterhaltung, Betrieb") dafür, daß der Kläger wegen ihm entstehender Kosten umfassend abgesichert werden sollte. Aus den übrigen Bestimmungen des Vertrages und insbesondere der einzelnen "Bedingungen" läßt sich für eine einschränkende Auslegung des § 4 nichts herleiten. Die Ansicht der Berufung, der Vertrag enthalte hinsichtlich der Erschwerniskosten eine Lücke und das Landgericht habe die Anspruchsgrundlage durch ergänzende Vertragsauslegung gefunden, ist mit dem vertraglichen Wortlaut nicht zu vereinbaren.

Hiernach kann nur noch fraglich sein, ob die Parteien beim Abschluß des Vertrages übereinstimmend etwas anderes gemeint hatten und eine derart weite Erstattungspflicht der Beklagten nicht begründen wollten. Ob hierfür die Fassung späterer Musterverträge genügende Anhaltspunkte bietet, erscheint zumindest zweifelhaft. Der Senat braucht dieses nicht abschließend zu erörtern. Der Kläger begehrt nämlich die Erstattung von Erschwerniskosten in der Form eines Pauschalbetrages. Er hat nicht dargelegt und berechnet, welche Kosten durch Rücksichtnahme auf die Gasleitung bei den Bauarbeiten tatsächlich angefallen sind, sondern hat seiner Forderung denjenigen Betrag zugrunde gelegt, den der Bauunternehmer bei der Ausschreibung in der dafür vorgesehenen Position pauschal angeboten hatte. Einen Anspruch auf Ersatz derart bestimmter Pauschalkosten gewährt der Vertrag aber nicht.

Nach § 4 haftet der Unternehmer (die Beklagte) für alle Kosten, die "entstehen". Dieser Wortlaut bezeichnet Kosten, die tatsächlich anfallen und sich errechnen lassen. Der Unternehmer mag im Einzelfall nach Treu und Glauben eine gewisse Pauschalierung hinzunehmen, haben insoweit die genaue Erfassung der entstandenen Kosten mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre und deswegen im Geschäftsleben vernünftigerweise nicht verlangt wird, weil der Pauschalbetrag im Verhältnis zu den gesamten Kosten keine Rolle spielt. Diese Voraussetzungen liegen jedoch im Verhältnis der Parteien nicht vor. Hier handelt es sich nicht um die Pauschalierung einzelner unbedeutender Kostenansätze, vielmehr ist der gesamte Nettobetrag der Erschwerniskosten pauschaliert worden. Dieser Betrag kam dadurch zustande, daß der Kläger die Position 1007- Sichern der Gasleitung - pauschal ausschrieb, die Fa. L als Preis den Betrag von 2.545,-- DM anbot und den Zuschlag erhielt. Nach dem Vortrag des Klägers ließ sich vor Beginn der Bauarbeiten nicht ermitteln, wie hohe Erschwerniskosten entstehen würden. Zwar war wegen der Lage der Gaslabung mit Erschwernissen zu rechnen, aber deren Ausmaß ließ sich vorab nicht sicher einschätzen. Zu der Angabe der Beklagten über die Lage ihrer Leitung - ca. 1,20 m unter der Fahrbahnoberkante - war nach dem Vorbringen des Klägers eine Toleranz von 10% in Rechnung zu stellen. Es hing dann weiter von dem Bauunternehmer ab, wie er das Risiko von Erschwernissen beurteilte und kalkulierte, ob er zum Beispiel den Einsatz schwerer Geärte wagte oder vorsichtshalber von Hand arbeiten ließ. Nach dem Vortrag des Klägers ist davon auszugehen, daß das Angebot zur Position 1007 einmal einen Anteil von Kosten enthielt, mit denen bei der angegebenen Lage der Gasleitung erfahrungsgemäß zu rechnen war, zum anderen einen Risikozuschlag für Erschwernisse, die sich möglicherweise währendder Bauarbeiten an Ort und Stelle ergeben würden. Wie unsicher die Gesamtkalkulation für den Bieter war, zeigt die von dem Kläger vorgelegte Zusammenstellung der Angebote (Bl. 197 d. A.). Danach reichten die zur Position 1007 angebotenen Einheitspreise von 2.545,-- DM (Fa. L) bis 12.000,-- DM.

Die Tatsache, daß die Fa. L auch in dieser Position den niedrigsten Preis angeboten hatte und dieser Preis beträchtlich unter dem nächst günstigen von 5.000,-- DM lag, bedeutet noch nicht, daß entsprechende Aufwendungen dann auch tatsächlich notwendig geworden sind. Es kann sein, daß Kosten in Höhe von 2.545,-- DM nicht angefallen sind. Ebenso ist möglich, daß die Fa. L in dieser Position mit Verlust gearbeitet hat. Ihr Angebot zeigt lediglich, daß sie ihr Risiko geringer einschätzte als die übrigen Bieter das jeweils eigene. Der Kläger könnte vom Standpunkt seiner Vertragsauslegung gemäß dem genannten § 4 auf den Vertragspartner diejenigen Kosten abwälzen, zu denen der erfolgreiche Bieter die Position "Sichern der Gasleitung" angeboten hatte, selbst wenn dieses Angebot nicht das günstigste unter allen Bietern gewesen war. Zu dieser Konsequenz hat sich offenbar auch der Kläger nicht verstehen wollen. Er hat in der Verhandlung vor dem Senat vorgetragen, daß er in diesem Falle mit dem Bieter, der den Zuschlag erhalten solle, in Verhandlungen über eine Herabsetzung des betreffenden Preises eingetreten wäre. Aber abgesehen von der Frage, was geschähe, wenn jener Bieter auf seiner Kalkulation beharrte, gewährleistete diese Verfahrensweise nicht grundsätzlich den Ansatz der wirklich angemessenen Kosten. Lägen zum Beispiel die Angebote aller Bieter in einer übereinstimmenden Größenordnung, die sich erst bei der Ausführung der Arbeiten als überhöht herausstellen könnte,

so fehlte dem Kläger ein Vergleichsmaßstab, um vor dem Zuschlag einen niedrigeren Preis aushandeln zu können.

Die auf die geschilderte Weise zustandegekommenen Erschwerniskosten kann der Kläger nicht nach § 4 erstattet verlangen.

Zwar sind die Kosten dem Kläger bzw. dem Straßeneigentümer entstanden, da er sie an die Fa. L bezahlt hat. Sie stehen auch in dem vorausgesetzten ursächlichen Zusammenhang mit der Unterhaltung der Gasleitung. Indessen bestimmt der § 4 die Haftung des Unternehmers, und zwar ohne irgendeine Anknüpfung an die Leistungen, die der Straßeneigentümer dem Bauunternehmer erbringt. Diese Haftung beschränkt sich mangels weitergehender Regelung auf alle Schäden, Nachteile und Kosten, die infolge der Herstellung, der Unterhaltung und des Betriebes der Gasleitung tatsächlich und unvermeidbar entstehen. Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen; ist Ersatz in Geld zu leisten, so kann der Gläubiger den dazu e r f o r d e r l i c h e n Betrag verlangen (§ 249 BGB). Entsprechendes gilt für den Ausgleich sonstiger Nachteile oder die Erstattung von Kosten. Soll das Recht vorbehalten werden, Schadensersatz oder Kosten pauschal zu berechnen, insbesondere ohne Nachweis der wirklichen Einbußen, so muß das vertraglich ausbedungen werden. Der § 4 ergibt in dieser Richtung nichts, enthält insoweit zumindest eine Unklarheit, die zu Lasten des Klägers als des Verwenders der Bedingungen geht. Das Problem, Erschwerniskosten vorausschauend zu erfassen, bestand 1956 ebenso wie heute. Wie der Kläger bei Baumaßnahmen eine entsprechende Position ausschrieb, fiel in seine Sphäre. Ohne eine Klarstellung brauchte die Beklagte bei Abschluß des Vertrages angesichts der Fassung des § 4 nach Treu und Glauben nicht zu erwarten, daß sie auch mit pauschalierten Kosten und nicht nachvollziehbar kalkulierten Risikozuschlägen belastet werden solle.

Der Kläger hat sich außerstande erklärt, die Erschwerniskosten im einzelnen darzulegen und konkret zu berechnen. Er hat lediglich unter Beweis gestellt, daß Erschwernisse entstanden und Kosten hierfür in dem Betrag 2.545,-- DM netto jedenfalls enthalten seien. Mit seinem Vorbringen hat der Kläger seiner Darlegungspflicht nicht genügt. Es enthält insbesondere keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine gerichtliche Schätzung im Sinne des § 287 ZPO.

2. Mangels begründeter Forderung auf Erstattung von Erschwerniskosten kann der Kläger auch einen prozentualen Zuschlag für Verwaltungskosten nicht verlangen. Im übrigen gilt - insoweit in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil - auch hier, daß sich ein Anspruch auf Erstattung pauschal bestimmter Kosten aus dem Vertrag und insbesondere § 4 der Bedingungen nicht herleiten läßt.

3. Das Urteil des Landgerichts war daher teilweise abzuändern, der Berufung war stattzugeben und die Anschlußberufung zurückzuweisen. Die Nebenentscheidungen folgen aus den Vorschriften der §§ 91 und 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die in § 546 Satz 2 ZPO bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne der Nr. 1 a.a.O. Das wäre der Fall, wenn das Interesse der Allgemeinheit an der Einheut und Fortbildung des Rechts einen Spruch des Bundesgerichtshofes forderte. Hier handelt es sich lediglich um die Auslegung bestimmter Bedingungen eines Vertrages, die zudem mit der hier maßgeblichen Fassung nicht mehr vereinbart werden. Der Umstand, daß der Kläger die Bedingungen auf Grund älterer Verträge weiterhin praktiziert und möglicherweise die Entscheidung dieses Rechtsstreits zum Maßstab der Behandlung dieser Verträge machen will, verleiht der Sache keine grundsätzliche Bedeutung.

Von der Darstellung des Tatbestandes hat der Senat gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Streitwert und Beschwer des Klägers: 3.106,45 DM

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