OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.12.2015 - VI-Kart 1/15 (V)
Fundstelle
openJur 2019, 26062
  • Rkr:
Tenor

I.

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird festgestellt, dass der Beschluss des Bundeskartellamts vom 3. Dezember 2014 (Az.: B 2 - 96/14-EA) rechtswidrig war, soweit er auf § 32 a GWB gestützt worden ist. Im Übrigen wird ihre Beschwerde als unzulässig verworfen.

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. bis 4. wird festgestellt, dass der Beschluss des Bundeskartellamts vom 3. Dezember 2014 (Az.: B 2 - 96/14-EA) rechtswidrig war, soweit er auf § 32 a GWB und bezüglich der Anordnung in Ziff. I (Warenbeschaffung) auf § 60 Nr. 1 GWB gestützt worden ist. Im Übrigen wird ihre Beschwerde als unzulässig verworfen.

II.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen das Bundeskartellamt zu 4/6 und die Beteiligten zu 1. bis 4. als Gesamtschuldner zu 2/6. Die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Kosten der Beteiligten zu 1. trägt das Bundeskartellamt zu ½ und die der Beteiligten zu 2. bis 4. zu 4/6.

III.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

IV.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 5 Mio. €. Hiervon entfallen 2 Mio. € auf Ziff. I. des Beschlusstenors des Amtes.

Gründe

I.

Im Jahr 2014 beabsichtigte die Beteiligte zu 1. (nachfolgend: F.), die von den Beteiligten zu 2.-4. (nachfolgend: L.) betriebenen Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte zu übernehmen. Das Bundeskartellamt und die Öffentlichkeit informierte F. hierüber im Oktober 2014.

L. betreibt in ... sowie in ... insgesamt 475 LEH-Filialen als Vollsortimenter. Sie verfügt über insgesamt vier Lagerstandorte (...) und mehrere (drei) Fleischwerke (...). Bis zur Bekanntgabe der beabsichtigten Fusion war die Warenbeschaffung von L. so organisiert, dass sie den überwiegenden Teil der Herstellermarken (... %) und nahezu (... %) alle Handelsmarken unmittelbar selbst bei den Herstellern beschaffte. Den restlichen Teil ihres Beschaffungsvolumens (... %) besorgte sie sich über die Einkaufskooperation "A.", in die sie aufgrund eines Kooperationsvertrages mit der Fa. C. seit April 2006 eingebunden war. Die Abrechnung und Regulierung der Warenlieferungen erfolgt über die konzerneigene Zentralregulierung von L. und über die Fa. N.. Letzteres insbesondere für die Waren, die über "A." beschafft worden sind.

Der am 1. Oktober 2014 zwischen F. und L. geschlossene Kaufvertrag sieht die Übertragung der LEH-Geschäfte von L. an F. durch Veräußerung sämtlicher Geschäftsanteile an den Zielgesellschaften vor. In Ziff. (H) der Präambel des Kaufvertrags ist die Absicht von L. formuliert, vor Vollzug der Fusion .. in einer Anlage zum Vertrag aufgelistete Filialen in der Region B. (sog. Carve-Out-Filialen) entweder zu schließen, zu veräußern oder in sonstiger Weise an einen oder mehrere Dritte zu übertragen. In Ziff. 5.1 (b) des Kaufvertrags ist als aufschiebende Bedingung für den Vollzug der Gesamtfusion unter anderem der Vollzug des Carve-Outs vereinbart. Ziff. 3 des Kaufvertrages verhält sich über den vereinbarten Gesamtkaufpreis. Nach Ziff. 3.1 (c) i.V.m. der Anlage 3.1 (c) erhöht sich der Grundkaufpreis um den Betrag, der bis zum Ablauf des Übernahmestichtags von L. für Restrukturierungsmaßahmen (Abbau von Lagerstandorten, Fleischwerken und Verwaltungsfunktionen) aufgewandt worden ist. Neben dem Kaufvertrag haben F. und L. am selben Tag einen Rahmenvertrag geschlossen, der für eine Laufzeit von (...) Jahren beginnend ab dem 1. Januar 2015 geschlossen worden ist. Er regelt unter Ziff. I den Kauf von Waren und unter Ziff. II. die Zentralregulierung. Nach I. § 1 (1) Satz 1 des Rahmenvertrags erhält L. die Möglichkeit, bei der F. AG und der F. Zentralhandelsgesellschaft mH sämtliche Waren zu kaufen, die F. bei Lieferanten beziehen kann. Eine Bezugspflicht besteht nach I. § 1 (1) Satz 1 des Rahmenvertrags nur für ... Hinsichtlich ... Konditionen im Warengeschäft wird L. mit den regionalen F. Großhandelsbetrieben ausdrücklich gleichbehandelt (I. § 3 RahmenV). Als "Gegenleistung für die Aufnahme der Belieferung" zahlt F. an L. einen Betrag in Höhe von (... €), der in mehreren zeitlich gestaffelten Teilzahlungen zu erbringen ist (I. § 1 (4) RahmenV). In Abschnitt "II. Zentralregulierung" ist vereinbart, dass F. für sämtliche Lieferungen und Leistungen ihrer Vertragslieferanten an L. die Zentralregulierung, das Delkredere und den gesamten Zahlungs- und Abrechnungsverkehr übernimmt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Rahmenvertrag vom 1. Oktober 2014 (Bl. 468-483 GA) Bezug genommen.

Nach Bekanntgabe des Fusionsvorhabens bat C. im Oktober 2014 um Aufhebung der Kooperationsvereinbarung mit L., weil ihr die vereinbarte Vertraulichkeit in Bezug auf Einkaufskonditionen und sonstiger Inhalte der Zusammenarbeit nicht mehr gewährleistet schien. Die Einkaufskooperation endete einvernehmlich mit Wirkung zum 31.12.2014. Gleichzeitig schloss L. mit C. einen Belieferungsvertrag, der es ihr ermöglichte, ab dem 1. Januar 2015 Waren zu Großhandelskonditionen bei C. zu beziehen.

Ende Oktober 2014 leitete das Bundeskartellamt nach einer Besprechung mit den Fusionsbeteiligten am 21. Oktober 2014 und Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens ein Verwaltungsverfahren ein. Am 7. November 2014 kündigte das Bundeskartellamt den Zusammenschlussbeteiligten telefonisch an, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung beabsichtigt sei. Etwa drei Wochen später, am Donnerstag, dem 27. November 2014, teilte die zuständige Beschlussabteilung den Verfahrensbevollmächtigten jeweils im Rahmen eines separat geführten Telefongesprächs mit, warum die Bündelung der Warenbeschaffung und die vollständige Übertragung der Zentralregulierung ebenso wie das Carve-Out von .. Filialen und die Durchführung von Restrukturierungsmaßnahmen den beabsichtigten Erlass von einstweiligen Anordnungen rechtfertigten. Die Beschlussabteilung gab den Fusionsbeteiligten die Möglichkeit, bis Montag, dem 1. Dezember 2014, 12.00 Uhr Stellung zu nehmen und übersandte ihnen im Anschluss an das Telefongespräch den Entwurf des Tenors per E-Mail zur Kenntnisnahme. Eine kurze schriftliche Stellungnahme von F. und L. erfolgte jeweils mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2014. Beide rügten, dass ihnen nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden sei.

Mit Beschluss vom 3. Dezember 2014 hat das Bundeskartellamt den Beteiligten zu 1. bis 4. sowie den mit ihnen verbunden Gesellschaften bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache B2-96/14 durch Verfügung nach § 40 Abs. 2 Satz 1, § 61 Abs. 1 GWB, längstens jedoch bis zum Ablauf von neun Monaten ab Zustellung dieser Verfügung, untersagt, den Rahmenvertrag vom 1. Oktober 2014 ganz oder teilweise durchzuführen oder sich auf sonstiger Grundlage entsprechend zu verhalten (Tenor Ziff. I.). Darüber hinaus hat es den Beteiligten und den mit ihnen verbundenen Gesellschaften untersagt, die im Kaufvertrag genannten .. Carve-Out-Filialen zu schließen (Ziff. II. (1)) und wirtschaftlich zu entwerten (Ziff. II. (2)) sowie Lagerstandorte und Fleischwerke zu schließen oder wirtschaftlich zu entwerten (Ziff. III (1) - (3)) und einen Abbau von Verwaltungsfunktionen gemäß Anlage 3.1 (c) des Kaufvertrags durchzuführen, soweit dieser mit den Maßnahmen zum Abbau der Beschaffung/Verrechnung bzw. zur Schließung von Filialen, Lägern oder Fleischwerken verbunden ist (Ziff. III. (4)).

Das Bundeskartellamt hat als Rechtsgrundlage für die einstweiligen Anordnungen sowohl § 60 Nr. 1 Alt. 2 GWB als auch § 32 a GWB herangezogen. Es sieht in der vereinbarten Warenbeschaffung und Zentralregulierung einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 Satz 1 GWB, denn es seien auch solche Maßnahmen vom Vollzugsverbot erfasst, die bereits im Vorfeld einer Fusion nachteilige wettbewerbliche Wirkungen auslösen würden. Dies gelte auch für die Schließung von .. Filialen in B. und die von Ziff. III des Beschlusstenors erfassten Restrukturierungsmaßnahmen. Die Schließung der Carve-Out-Filialen sei keine unternehmerische Entscheidung von L., sondern stelle eine Optimierung des Übernahmepakets von F. dar. Im Falle der Untersagung des Zusammenschlussvorhabens könnten die damit einhergehenden negativen Marktwirkungen mittelfristig nicht wieder beseitigt werden. Gleiches gelte für die Restrukturierungsmaßnahmen. Die hiervon erfassten Maßnahmen führten zu einer Schwächung von L. als Wettbewerber der F.. Die einstweiligen Anordnungen seien überdies auch gestützt auf § 32 a GWB formell und materiell rechtmäßig (Rn. 173 ff. Amtsbeschluss). Die Vorwegnahme einzelner Wirkungen des Zusammenschlusses stelle ein Verstoß gegen § 1 GWB und Art. 101 AEUV dar.

Gegen diesen Beschluss haben sowohl die Beteiligten zu 1. als auch die Beteiligten zu 2.-4 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt. Während die Beteiligte zu 1. allein die Aufhebung von Ziff. I des angefochtenen Beschlusses begehrt hat, war es Ziel der Beteiligten zu 2. bis 4., die Aufhebung der insgesamt angefochtenen einstweiligen Anordnungen zu erreichen.

Nachdem das Bundeskartellamt mit Beschluss vom 31. März 2015 in der Hauptsache entschieden und das Zusammenschlussvorhaben untersagt (Tenor Ziff. 1) sowie in Ziff. 2 bis 5 des Tenors die einstweiligen Anordnungen inhaltsgleich erneut erlassen hat, haben die Beteiligten zu 1. bis 4. das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Beteiligte zu 1. beantragt,

festzustellen, dass die einstweilige Anordnung des Bundeskartellamts in Ziff. I des Beschlusses vom 3. Dezember 2014 rechtswidrig war.

Die Beteiligten zu 2. bis 4. beantragen,

festzustellen, dass der Beschluss (einstweilige Anordnung) des Bundeskartellamt vom 3. Dezember 2014 (Az.: B 2 - 96/14-EA) rechtswidrig war.

Das Bundeskartellamt beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Es verteidigt die angefochtene Verfügung und nimmt ausführlich zum Beschwerdevorbringen der Beteiligten zu 1. - 4. Stellung. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdeerwiderung vom 15. September 2015 Bezug genommen.

II.

Die ausschließlich gegen die einstweilige Anordnung in Ziff. I des Beschlusstenors gerichtete Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde der Beteiligten zu 1. ist zulässig und begründet, soweit das Bundeskartellamt § 32 a GWB als Grundlage herangezogen hat; im Übrigen ist die Beschwerde unzulässig.

Die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde der Beteiligten zu 2. bis 4, die neben Ziff. I des Beschlusstenors auch die einstweiligen Anordnungen in Ziff. II. und III. zum Gegenstand hat, ist zulässig und hat der Sache nach Erfolg, soweit das Bundeskartellamt die einstweiligen Anordnungen auf § 32 a GWB gestützt hat. Soweit die einstweiligen Anordnungen auf § 60 Nr. 1 GWB gestützt worden sind, ist die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde nur bezüglich der Anordnung in Ziff. I und nur bezogen auf die Warenbeschaffung zulässig und begründet; im Übrigen ist die Beschwerde unzulässig.

A. Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsbeschwerden

Die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerden der Beteiligten zu 1. (nachfolgend: F.) und der Beteiligten zu 2. bis 4. (nachfolgend: L.) sind gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB in dem oben genannten Umfang zulässig. Die Verfügung des Bundeskartellamts vom 3. Dezember 2014 hat sich nach Einlegung der Beschwerde erledigt; zudem steht den Beschwerdeführern ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung des Gerichts zur Seite.

1.

Eine Erledigung der einstweiligen Anordnung vom 3. Dezember 2014 ist eingetreten. Die einstweilige Anordnung war befristet bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache durch eine Verfügung nach § 40 Abs. 2 Satz 1, § 61 Abs. 1 GWB. Das Bundeskartellamt hat den angemeldeten Zusammenschluss mit Verfügung vom 31. März 2015 untersagt, so dass die hier streitgegenständliche einstweilige Anordnung vom 3. Dezember 2014 zu diesem Zeitpunkt gegenstandslos geworden ist.

2.

F. und L. steht ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung zur Seite.

Für das nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB erforderliche Feststellungsinteresse genügt grundsätzlich jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (BGH WuW/E DE-R 2905, Rn. 6 - Phonak/GN Resound; BGHZ 151, 260, juris Rn. 24 - Stellenmarkt für Deutschland). Dieses berechtigte Interesse kann sich daraus ergeben, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf sein zukünftiges Verhalten wissen muss, ob sein vergangenes rechtmäßig war oder nicht (Wiederholungsgefahr). Es kann aber auch unter dem Gesichtspunkt der Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen gerechtfertigt sein. In der Rechtsprechung wird hierzu die Ansicht vertreten, dass die bloße Möglichkeit eines Amtshaftungsprozesses das erforderliche Feststellungsinteresse nicht begründet. Verlangt wird vielmehr ein anhängiger, mindestens konkret zu erwartender und nicht evident aussichtsloser Prozess (KG WuW/E OLG 2441, 2443 f. - Schulbuch-Vertrieb; KG WuW/E OLG 3217, 3221; KG WuW/E OLG 3821, 3823; offen gelassen BGH WuW/E DE-R 359, 3592 - Total/OMV). Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist in Übereinstimmung mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ein strenger Maßstab anzulegen. Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs im zivilgerichtlichen Haftungsprozess genügt nicht. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage jedoch, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (BVerwG Urt. v. 20.06.2013, Az. 8 C 39/12, juris Rn. 41 m.w.Nachw.). Infolgedessen besteht kein berechtigtes Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens zur Klärung öffentlichrechtlicher Vorfragen der Staatshaftung, wenn sich ohne eine detaillierte Würdigung aufdrängt, dass keine staatshaftungsrechtlichen Ansprüche bestehen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht ein Feststellungsinteresse von F. und L. aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr, soweit das Bundeskartellamt die einstweiligen Anordnungen auf § 32 a GWB gestützt hat (siehe unter a.). Soweit es als Rechtsgrundlage für die einstweiligen Anordnungen § 60 Nr. 1 GWB herangezogen hat, fehlt ein Feststellunginteresse von F.. L. hat ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen nur in Bezug auf Ziff. I des Beschlusstenors und dort auch nur, soweit es um die Warenbeschaffung und nicht auch um die Zentralregulierung geht (siehe unter b.). In Bezug auf Ziff. II und III des Beschlusstenors ist ein Forstsetzungsfeststellungsinteresse von L. nicht gegeben.

a.

Die von F. bezüglich Ziff. I des Beschlusstenors und von L. bezüglich des gesamten Beschlusstenors begehrte Feststellung hat präjudizielle Wirkung für zukünftige, auf § 32 a GWB gestützte einstweilige Anordnungen.

Es besteht die Gefahr, dass die hier in Rede stehenden einstweiligen Anordnungen vom 3. Dezember 2014 inhaltsgleich erneut erlassen werden, soweit das Bundekartellamt in dem beanstandeten Verhalten der Zusammenschlussbeteiligten einen Verstoß gegen § 1 GWB und Art. 101 AEUV gesehen und die einstweiligen Anordnungen (auch) auf die Rechtsgrundlage des § 32 a GWB gestützt hat (Rn. 173 - 179 Amtsbeschluss). Ohne Relevanz ist in diesem Zusammenhang das Vorbringen des Amtes in seiner Beschwerdeerwiderung vom 15.09.2015 (S. 36 u. 42 f.), wonach losgelöst vom Kontext des Zusammenschlusses eine isolierte Prüfung des Sachverhalts nach § 1 und § 2 GWB bzw. Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV nicht stattgefunden habe. Dieses Vorbringen steht in unlösbarem Widerspruch zu den Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss. Dort werden die Sicherungsanordnungen unter einem gesonderten Gliederungspunkt ausdrücklich auch auf die Rechtsgrundlage des § 32 a Abs. 1 GWB gestützt und Ausführungen zur formellen und materiellen Rechtmäßigkeit der Sicherungsanordnungen gemacht. Dies vorausgeschickt besteht Anlass zu der Annahme, dass das Bundeskartellamt, sollten die in der Untersagungsverfügung vom 31. März 2015 nach § 60 Nr. 1 Alt. 2 GWB erneut erlassenen einstweiligen Anordnungen aufgehoben oder gemäß § 65 Abs. 3 S. 3 GWB die aufschiebende Wirkung der hiergegen eingelegten Beschwerden angeordnet werden, in einem Zwischenverfahren nach § 32 a GWB vergleichbare einstweilige Anordnungen erlassen wird. In den Gründen der Hauptsacheentscheidung vom 31.März.2015 (dort Rn. 949) hat sich das Amt die Einleitung eines Verfahrens nach § 32 GWB sowie eine Prüfung nach § 1 GWB, Art. 101 AEUV ausdrücklich vorbehalten. Hiermit konform gegen die Ausführungen des Amtes in der Beschwerdeerwiderung vom 15.09.2015 (dort S. 36, 42 f.), wonach eine isolierte Prüfung des Sachverhalts nach § 1 u. § 2 GWB bzw. Art. 101 Abs. 1 u. 3 AEUV im Rahmen eines erst zukünftig einzuleitenden separaten Verfahrens erfolgen werde.

Eine Wiederholungsgefahr besteht nicht, soweit das Bundeskartellamt die hier zur Überprüfung stehenden einstweiligen Anordnungen auf § 60 Nr. 1 Alt. 2 GWB gestützt hat.

Das Bundeskartellamt ist nur bis zum Abschluss des Hauptprüfverfahrens nach § 40 Abs. 2 GWB befugt, einstweilige Anordnungen nach § 60 GWB zu erlassen. Nach Abschluss des kartellbehördlichen Verfahrens ist das Beschwerdegericht für den Erlass einstweiliger Anordnungen zuständig, wie aus § 64 Abs. 3 GWB folgt. Das Zusammenschlussvorhaben von F. und L. ist mit Beschluss des Amtes vom 31. März 2015 untersagt worden. Vergleichbare auf § 60 Nr. 1 Alt. 2 GWB gestützte einstweilige Anordnungen des Amtes können daher allenfalls in einem neuen Fusionskontrollverfahren eine Rolle spielen. Wird die Fusion rechtskräftig untersagt, ist nichts dafür ersichtlich, dass F. oder L. einen neuen Zusammenschluss planen, bei dem ein Rahmenvertrag über die Warenbeschaffung und Zentralregulierung sowie die Schließung von Carve-Out-Filialen, Lagerstandorten und Fleischwerken zusammen mit einem etwaigen Rückbau von Verwaltungsfunktionen vereinbart werden soll. Wird die Untersagungsverfügung hingegen rechtskräftig aufgehoben, ist die Fusion freigegeben und kann vollzogen werden. In diesem Fall werden die LEH-Geschäfte von L. nach dem Carve-Out der .. Filialen in B. in die F. integriert. Es besteht dann kein Anlass mehr, beim Wareneinkauf und der Zentralregulierung - so wie im Rahmenvertrag vorgesehen - zu kooperieren.

b.

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse von L. an der beantragten Feststellung ist zur Vorbereitung eines Staatshaftungsprozesses in Bezug auf die einstweilige Anordnung in Ziff. I des Beschlusstenors, und zwar im Hinblick auf die Warenbeschaffung zu bejahen. Hinsichtlich der im Rahmenvertrag vereinbarten Zentralregulierung (Ziff. I) und der einstweiligen Anordnungen in Ziff. II und III liegt ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse von L. nicht vor.

F. steht im Hinblick auf einen etwaigen Amtshaftungsprozess kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Seite.

aa.

Eine Amtshaftungsklage von L. und F. ist mit Sicherheit zu erwarten. In ihrem Vorbringen kommt die ernsthafte Absicht zum Ausdruck, im Falle der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung eine Schadensersatzklage anhängig machen zu wollen.

L. machen geltend, ihr sei durch die Sicherungsanordnung in dem Zeitraum vom 3.12.2014 bis zum 02.04.2015 ein Schaden entstanden, für den Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung nach § 839 BGB sowie verschuldensunabhängige eigentumsrechtliche Ansprüche in Betracht kämen. Die Geltendmachung dieses Schadens im Rahmen eines Schadensersatz- oder Amtshaftungsanspruchs hätte auch hinreichende Aussicht auf Erfolg (Bl. 926 GA).

Auch F. führt mit Schriftsatz 12.06.2015 aus, sie beabsichtige, einen Anspruch auf Schadensersatz aus Amtshaftung gegen das Bundeskartellamt geltend zu machen (dort Rn. 7).

bb.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist für L. hinsichtlich der in Ziff. I des Beschlusstenors einstweilen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens untersagten Durchführung des Rahmenvertrags (Bestandteil: Warenbeschaffung) nicht offensichtlich aussichtslos. Der diesbezügliche Vortrag von F. ist hingegen nicht schlüssig.

(1)

Ein etwaiger Anspruch der Beteiligten zu 1. bis 4. gegen das Bundeskartellamt aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG scheitert nicht bereits auf erste Sicht an einem fehlenden Verschulden. Sollten die hier in Rede stehenden einstweiligen Anordnungen rechtswidrig sein, kann ohne nähere Prüfung nicht davon ausgegangen werden, dass den zuständigen Beamten des Bundeskartellamts kein schuldhafter Verstoß gegen ihr Amtspflichten anzulasten ist. Das Bundeskartellamt ist als oberste Bundesbehörde besonders fachlich qualifiziert. Von seinen Bediensteten ist daher bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung eine besonders gründliche Prüfung zu verlangen (Senat WuW/E DE-R 4230 juris Rn. 16 u. 17 - Phonak III). Ob die Beamten der zuständigen Beschlussabteilung diesen Anforderungen bei Erlass der einstweiligen Anordnungen gerecht geworden sind, bedarf schon allein deshalb einer näheren Prüfung und kann nicht auf erste Sicht bejaht werden, weil die Frage, ob ein Verstoß gegen das Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 GWB auch dann vorliegt, wenn die beanstandete Maßnahme selbst keinen Zusammenschlusstatbestand erfüllt, sondern im Vorfeld eines Zusammenschlusses anzusiedeln ist, von der Rechtsprechung noch nicht geklärt ist und auch in der Literatur höchst kontrovers diskutiert wird.

(2)

Soweit F. und L. die in Ziff. I. des Beschlusstenors untersagte Durchführung des Rahmenvertrags für rechtswidrig halten, hat L. hinsichtlich der dort geregelten Warenbeschaffung zum Eintritt eines hierdurch verursachten Schadens vorgetragen, der im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses geltend gemacht werden könnte. An der schlüssigen Darlegung eines Schadens fehlt es jedoch, soweit die Untersagung in Ziff. I auch die Zentralregulierung erfasst, und L. darüber hinaus die Sicherungsanordnungen in Ziff. II und III des Beschlusstenors als rechtswidrig beanstandet.

F. hat zum Eintritt eines Schadens nicht schlüssig vorgetragen.

Ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf einen beabsichtigten Amtshaftungsprozess erfordert substantielle Ausführungen zu dem behaupteten Schaden und zur Schadenshöhe (Kopp/Schenke, VwGO, 18 Aufl., § 113 Rn. 136; OVG Münster NVwZ-RR 2003, 696 Juris: Rn. 16). Nach § 839 BGB ist das negative Interesse zu ersetzten. Der Betroffene ist daher so zu stellen, als hätte sich der Amtsträger pflichtgemäß verhalten (BGH NJW 2003, 3047). Maßgebend ist, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätte und wie sich die Vermögenslage des Betroffenen entwickelt hätte. Die Behauptung eines eingetretenen Schadens setzt daher eine Gegenüberstellung der tatsächlichen und der hypothetischen Vermögenslage und eine jedenfalls annähernde Angabe der Schadenshöhe voraus.

(2.1)

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der F. nicht. Sie hat trotz Hinweis des Gerichts nicht schlüssig dazu vorgetragen, dass ihr durch die untersagte Durchführung des Rahmenvertrags im ersten Quartal 2015 ein Gewinn entgangen ist, der die aus § 1 (4) des Rahmenvertrags folgende Zahlungsverpflichtung übersteigt.

F. hat zu einem erstattungsfähigen Vermögensschaden, der Gegenstand des beabsichtigten Amtshaftungsprozess sein könnte, in ihrem Schriftsatz vom 12.06.2015 (dort Rn. 25) und, nachdem der Senat in der mündlichen Verhandlung am 28.10.2015 darauf hingewiesen hat (Bl. 1452 f. GA), dass ihr Vortrag zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse aus dem Gesichtspunkt zur Vorbereitung eines Amtshaftungsanspruchs unschlüssig ist, weil nach der anzuwendenden Differenzhypothese unter Berücksichtigung ihrer vertraglichen Zahlungsverpflichtung ein erstattungsfähiger Schaden nicht zu erkennen ist, ergänzend hierzu vorgetragen. F: führt aus, ohne die einstweilige Anordnung in Ziff. I des Beschlusses hätte L. ab dem 01.01.2015 nicht nur die der Bezugsbindung nach § 1 (1) des Rahmenvertrags unterliegenden Produkte (...) bei ihr beschafft, sondern auch Obst und Gemüse. Hierdurch sei ihr nach vorläufigen Schätzungen in der Zeit vom 01.01.2015 bis zum 31.03.2015 ein Gewinn von insgesamt "mehr als" (... €) entgangen, da sie aus der Belieferung von L. mit Obst und Gemüse einen Gewinn von (... €) und aus der Belieferung mit den Produkten aus der Bezugsbindung mehr als die Hälfte des zuvor genannten Betrages (... €) erzielt hätte. Diesen Gewinnen sind - worauf das Bundeskartellamt zutreffend hingewiesen hat und auch F. ausweislich ihrer Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung anerkennt - nach der sog. Differenzhypothese etwaige, von F. zu erbringende Gegenleistungen gegenüberzustellen. Wäre danach die Durchführung des Rahmenvertrags nicht untersagt worden, hätte F. gemäß I. § 1 (4) des Rahmenvertrags für die Aufnahme der Belieferung einen Gesamtbetrag in Höhe von (...) durch drei Teilzahlungen an L. zahlen müssen. Ausgehend von der vereinbarten Vertragslaufzeit von (...) Jahren, ist dem im ersten Quartal 2015 erwirtschafteten Gewinn von mehr als (... €) die vereinbarte Gegenleistung anteilig in Höhe von (... €) gegenüberzustellen (... €: .. Monate Vertragslaufzeit x 3 Monate = ... €). Danach übersteigt die Zahlungsverpflichtung der F. den aufgrund vorläufiger Schätzung ermittelten zusätzlichen Gewinn pro Quartal um ... €. Ob die von F. gewählte Formulierung "mehr als" die Hälfte von (... €) bedeutet, dass jedenfalls mehr als (... €) zusätzlicher Gewinn aus der Lieferung der bezugspflichtigen Waren zu erwarten gewesen wäre, ergibt sich aus ihrem Vorbringen nicht. Vielmehr kann es sich auch um weniger als (... €) handeln, denn "mehr als die Hälfte von" (... €) ist auch ein Betrag zwischen (... €) und (... €). Klarheit verschafft nicht das weitere Vorbringen von F. in der mündlichen Verhandlung am 28.10.2015. F. führt insoweit aus, bei anteiliger Berücksichtigung ihrer Zahlungsverpflichtung ergebe sich ein entgangener Gewinn von (... €) pro Quartal. Dies passt jedoch nicht zu den vorangegangen Ausführungen. Wäre danach tatsächlich ein Gewinn in dieser Größenordnung zu erwarten gewesen, hätte vielmehr eine Formulierung des Inhalts gewählt werden müssen, dass der für die bezugspflichtigen Kategorien entgangene Gewinn "deutlich mehr als 2/3" des für die Bereich Obst und Gemüse vorgetragenen Gewinns" von (... €) pro Quartal beträgt oder annähernd in der gleichen Größenordnung anzusiedeln ist. Da F. zuvor umfassend auf die fehlende Schlüssigkeit ihres Vorbringens und die Anwendbarkeit der Differenzhypothese hingewiesen worden ist, kam ein weiterer Hinweis des Gerichts nicht in Betracht.

Soweit F. durch die einstweilige Anordnung in Ziff. I des Beschlusses gehindert war, für L. die in II. des Rahmenvertrags vereinbarte Zentralregulierung zu übernehmen, macht sie gestützt hierauf einen Schadenseintritt nicht geltend.

(2.2)

L. hat zu dem Eintritt eines Schadens schlüssig vorgetragen, soweit sie durch die Untersagung in Ziff. I des Beschlusstenors gehindert war, ab dem 01.01.2015 Waren bei F. zu beziehen (I. RahmenV). L. macht nachvollziehbar geltend, während der Wirkung der Sicherungsanordnung in der Zeit vom 3. Dezember 2014 bis zur Zustellung der Untersagungsverfügung am 2. April 2015 sei ihr ein wirtschaftlicher Schaden in Höhe eines niedrigen zweistelligen Millionenbetrags entstanden, weil sie bei F. Produkte aus dem Bereich Obst und Gemüse zu deutlich günstigeren Konditionen hätte einkaufen können als bei ihren derzeitigen Lieferanten. Einen etwaigen Schaden, der ihr dadurch entstanden sein könnte, dass die unter II. des Rahmenvertrags geregelte Zentralregulierung ebenfalls einstweilen untersagt war, hat L. nicht behauptet.

Nicht ausreichend ist der Vortrag von L. hingegen zu einem Schadenseintritt bedingt durch die in Ziff. II des Beschlusstenors untersagte Schließung und wirtschaftliche Entwertung der .. Carve-Out-Filialen in B.. Sie trägt hierzu vor, die in Rede stehende einstweilige Anordnung habe sie daran gehindert, kurzfristig sog. Barverlustfilialen zu schließen, bei denen der Betrieb der Filiale höhere Verluste verursacht habe als die Weiterzahlung der Miete bei geschlossener Filiale. In den Monaten Dezember 2014 bis März 2015 sei ihr ein Schaden durch entgangene Einsparungen in Höhe von ... € entstanden. In der mündlichen Verhandlung am 28.10.2015 hat L. auf einen entsprechenden Hinweis des Senats ihren diesbezüglichen Vortrag dahingehend ergänzt, dass es konkrete Überlegungen zur Schließung bestimmter Filialen nach dem Weihnachtsgeschäft gegeben habe. Ohne die einstweilige Anordnung wäre es auch bestimmt zu Schließungen gekommen (Bl. 1449 f. GA). Dieses Vorbringen genügt indes nicht den Anforderungen. Zutreffend führt das Bundeskartellamt hierzu aus, dass das Vorbringen von L. nicht ausreichend substantiiert ist. Dem Vortrag von L. ist nicht zu entnehmen, welche der insgesamt .. Carve-Out-Filialen als sog. Barverlustfialen einzustufen waren und welche hiervon zu welchem Zeitpunkt ohne die Sicherungsanordnung in Ziff. II geschlossen worden wären. Hierzu hätte es der näheren Darlegung bedurft, weil das Bundeskartellamt in seiner Beschwerdeerwiderung vom 15.09.2015 (dort Seite 10) unter Bezugnahme auf die von L. im Verwaltungsverfahren übersandte Liste "Schließungsfilialen B." zutreffend darauf hingewiesen hat, dass das von L. beschlossene Datum für die Schließung einer Filiale immer mit dem Datum des Mietvertragendes übereinstimmte und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder von L. vorgetragen worden sind, die für eine geplante Schließung ausnahmsweise vor Ende des Mietvertrags sprechen. Der Liste ist zu entnehmen, dass für sieben der insgesamt .. B. Filialen seinerzeit weder eine Schließung beschlossen noch eingeleitet worden war. Bei vier der restlichen .. Filialen endete das Mietverhältnis sowieso zum 31.12.2014 oder vorher, so dass die Schließung dieser Filialen von der einstweiligen Anordnung nicht erfasst war. Für die übrigen .. Filialen ist auszuführen, dass L. das Bundeskartellamt Mitte Dezember 2014 über ihr Absicht informiert hat, die Mietverträge für drei Filialen im Laufe des Jahres 2015 durch Nichtausübung der Verlängerungsoption zu beenden. L. wollte insoweit bestätigt wissen, dass eine derartige Kündigung kein Verstoß gegen die einstweilige Anordnung darstellt. Für eine weitere Filiale beantragte L. die Erlaubnis des Amtes, das bestehende Sonderkündigungsrecht zum 30.04.2015 ausüben zu dürfen, weil die Filiale seit mehreren Jahren negative Deckungsbeiträge erwirtschaften würde und bei Nichtausübung des Sonderkündigungsrechts die Filiale noch zwei weitere Jahre weiterbetrieben werden müsste. Darüber hinausgehend hat L. eine Ausnahmegenehmigung für eine vorzeitige Schließung sog. Barverlustfilialen weder beantragt oder sonst angestrebt. Bei dieser Sachlage hätte es daher - worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen hat (Bl. 1447 GA) - der näheren Darlegung bedurft, welche namentlich zu benennenden Filialen ohne die Untersagung in Ziff. II der angefochtenen Verfügung bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses im ersten Quartal 2015 geschlossen worden wären, um die Verluste zu verringern. Da L. ihren Vortrag auch in der mündlichen Verhandlung nicht diesen Anforderungen entsprechend weiter konkretisiert hat, geht dies zu ihren Lasten.

Den Eintritt eines etwaigen Schadens durch die Sicherungsanordnung in Ziff. III des Beschlusstenors (Schließung oder Entwertung von Lagerstandorten und Fleischwerken sowie den Abbau von Verwaltungsfunktionen) macht L. nicht geltend.

(3)

Etwaigen Amtshaftungsansprüchen von F. und L. stände weder der Einwand der Rechtmittelversäumung (§ 839 Abs. 3 BGB) noch ein aus dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 BGB) folgender vollständiger Haftungsausschluss entgegen.

Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt eine Ersatzpflicht dann nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtmittels abzuwenden. Der Begriff des Rechtsmittels ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weit zu fassen. Es sind darunter alle Rechtsbehelfe zu begreifen, die sich unmittelbar gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung selbst richten und nach gesetzlicher Ordnung ihre Beseitigung oder Berichtigung bezwecken und ermöglichen. Auch Gegenvorstellungen, Erinnerungen an die Erledigung eines Antrags, Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden zählen hierzu (vgl. nur BGHZ 123, 1, 7 f; BGHZ 137, 11, 23). L. und F. haben es nicht schuldhaft unterlassen, Rechtmittel gegen die einstweiligen Anordnungen vom 03. Dezember 2014 einzulegen. L. hat am 19.12.2014 und F. unter dem 02.01.2015 Beschwerde gegen die verfahrensgegenständliche Verfügung des Bundeskartellamts vom 3. Dezember 2014 eingelegt. Zudem haben sie unter dem 30.01.2015 bzw. 03.02.2015 jeweils beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde anzuordnen.

Die Beschwerdeführer sind nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht so zu behandeln, als hätten sie tatsächlich kein Rechtmittel eingelegt. Das Bundeskartellamt trägt hierzu vor, die Beschwerdeführerinnen hätten zwar Rechtsmittel eingelegt, jedoch die Abwehr des Schadens im Wege des Primärrechtsschutzes durch ihr Prozessverhalten vereitelt, weshalb nach den Grundsätzen von Treu und Glauben von einem vollständigen Haftungsausschluss auszugehen sei. Dem ist nicht zu folgen. Zwar kann ein Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bei widersprüchlichem Verhalten vorliegen. Widersprüchliches Verhalten ist aber nur dann missbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entstanden ist oder das Verhalten zu einem unlösbarem Selbstwiderspruch führt (Grüneberg in Palandt, BGB 73. Aufl., § 242 Rn. 55, 57). Eine solche Situation liegt hier schon im Ansatz nicht vor. Zwar ist eine Entscheidung in diesem Verfahren verzögert worden, weil zwischen dem Bundeskartellamt und den Beschwerdeführerinnen unterschiedliche Ansichten über den Umfang der vorzunehmenden Schwärzungen von Geschäftsgeheimnissen vor der Zustellung des Beschlusses vom 3. Dezember 2014 an die Beigeladenen bestanden, und der Senat zunächst in einem Verfahren nach § 72 Abs. 2 S. 4 GWB hierüber zu entscheiden hatte. Das Berufen auf Geschäftsgeheimnisse und das Verlangen von (weiteren) Anonymisierungen vor Zustellung der Verfügung an die Beigeladenen kann aber ebenso wenig als Rechtsmissbrauch eingestuft werden wie die unterbliebene Anregung, eine im Gesetz nicht vorgesehene und vom Senat mit Blick auf § 65 Abs. 4 Satz 3 GWB auch nicht praktizierte "Stoppverfügung" bzw. "Eil-Eilentscheidung" bis zur Entscheidung über die Eilanträge zu erlassen. Hinzu kommt, dass auch ohne den dargestellten Verfahrensverlauf keinesfalls mit einer verfahrensabschließenden Entscheidung des Senats vor Erlass der Hauptsacheentscheidung am 31. März 2015 zu rechnen gewesen wäre. Ein Termin zur Verhandlung über die Beschwerden der Beteiligten gegen die einstweiligen Anordnungen hätte aufgrund der Terminslage des Senats und der erforderlichen Vorbereitungszeit mit Sicherheit nicht vor Ende März 2015 anberaumt werden können.

Ein Haftungsausschluss infolge überwiegenden Mitverschuldens (§ 254 BGB) ist ebenfalls nicht offensichtlich. Von einem Mitverschulden ist auszugehen, wenn der Anspruchsteller nicht das ihm zumutbare Maß an Aufmerksamkeit und Sorgfalt bei der Besorgung seiner eigenen Angelegenheiten aufgewendet hat. Darüber hinaus ist er gehalten, im Rahmen des Zumutbaren alles zur Vermeidung von Schwierigkeiten zu tun (Sprau in Palandt, aaO., § 839 Rn. 81).

Ob F. und L. möglicherweise ein Mitverschulden an dem geltend gemachten Schadenseintritt trifft, weil sie Anträge zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerden erst am 30.01. bzw. 3.2.2015 gestellt haben und die Zustellung der angefochtenen Verfügung an die Beigeladenen aufgrund ihrer Geheimhaltungsinteresses nicht vor Erlass der Untersagungsverfügung erfolgen konnte, kann hier dahin stehen. Jedenfalls ist ohne nähere Prüfung nicht von einem zum völligen Haftungsausschluss führenden Mitverschulden auszugehen.

B. Begründetheit der Fortsetzungsfeststellungsbeschwerden

Die im dargestellten Umfang zulässigen Fortsetzungsfeststellungsbeschwerden sind begründet. Die in Ziff. I des Beschlusses vom 3. Dezember 2014 getroffenen Anordnung war bezüglich der untersagten Warenbeschaffung rechtswidrig, soweit sie auf § 60 Nr. 1 Satz 2 GWB und auch soweit sie auf § 32 a GWB gestützt worden ist. Die einstweiligen Anordnungen in Ziff. II und III des Beschlusses vom 3. Dezember 2014 waren gestützt auf § 32 a GWB rechtswidrig.

I. Formelle Rechtmäßigkeit

Die einstweiligen Anordnungen sind formell rechtmäßig. Zwar hat das Bundeskartellamt den Verfahrensbeteiligten F. und L. vor Erlass der Verfügung vom 3. Dezember 2014 unter Verstoß gegen § 56 Abs. 1 GWB kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt. Dieser Verfahrensmangel ist aber nachträglich geheilt worden.

1.

Das kartellbehördliche Verfahren leidet an einem Verfahrensfehler. Das Bundeskartellamt hat in erheblicher Weise gegen den aus § 56 Abs. 1 GWB folgenden Grundsatz rechtlichen Gehörs verstoßen, weil es die Verfahrensbevollmächtigten von F. und L. am 27. November 2014 lediglich fernmündlich über die kartellrechtliche Beurteilung des Sachverhalts durch die zuständige Beschlussabteilung und den beabsichtigen Erlass der einstweiligen Anordnungen informiert und ihnen zudem nur eine Stellungnahmefrist von zwei Arbeitstagen eingeräumt hat.

Das rechtliche Gehör umfasst nicht nur die Gelegenheit zur Stellungnahme, sondern auch die hierzu erforderliche Information. Das Informationsrecht sorgt dafür, dass jeder Beteiligte den Verfahrensstoff so übersieht, dass er seine Rechte und Interessen nach eigenem Urteil wahrnehmen kann (KG WuW/E OLG 2411, 2414 - Synthetischer Kautschuk I). In der Praxis wird dem Informationsanspruch in der Regel in Form eines sog. Abmahnschreibens der Kartellbehörde Rechnung getragen, in dem das vorläufige Ermittlungsergebnis und die darauf beruhenden rechtlichen Folgen mitgeteilt werden. Verbunden mit den angekündigten Maßnahmen wird dann Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt (Becker in Loewenheim/Messen/Riesenkampff, aaO., § 56 Rn. 5; Schmidt in Immenga/Mestmäcker, aaO., § 56 Rn. 6). Die Frist zur Stellungnahme ist dabei so zu bemessen, dass die Beteiligten umfassend Stellung nehmen und sich verteidigen können, was auch eine Rücksprache der Verfahrensbevollmächtigten mit der Partei beinhaltet. Bei Bestimmung der Frist ist zu berücksichtigen, welchen Umfang der Streitstoff erreicht hat, wie tief die rechtliche Problematik reicht und ob - wie beispielsweise bei der Zusammenschlusskontrolle - Entscheidungsfristen laufen (Becker in Loewenheim/Messen/Riesenkampff, aaO., § 56 Rn. 3). Unter Umständen sind der Gewährung rechtlichen Gehörs wegen des Eilcharakters eines Verfahrens, so insbesondere bei einem Zwischenverfahren zum Erlass einstweiliger Anordnungen nach § 32 a GWB oder § 60 GWB, Grenzen gesetzt (Schmidt in Immenga/Mestmäcker, aaO., § 56 Rn.8; KG WuW/E OLG 5151, 5159 - Ernstliche Untersagungszweifel).

Vorliegend ist kein sachlich gerechtfertigter Grund dafür vorhanden, warum das Bundeskartellamt von seiner gängigen Praxis, die Beteiligten vor Erlass einer Verfügung schriftlich zumeist in Form eines Abmahnschreibens zu informieren, abgewichen ist und die Beteiligten lediglich fernmündlich über den Sachverhalt und das Ergebnis der kartellrechtlichen Prüfung unterrichtet hat. Die Komplexität des vorliegenden Sachverhalts erforderte vielmehr zusätzlich eine schriftliche Information der Verfahrensbevollmächtigten, damit sie auf gesicherter Erkenntnisgrundlage Rücksprache mit ihren Mandanten und anschließend hierzu schriftlich Stellung nehmen können. Die Beschlussabteilung hatte unter dem 27.11.2014 ein 14 Seiten umfassendes, nicht vollständig ausformuliertes Manuskript erstellt, in dem der Tenor der beabsichtigten einstweiligen Anordnungen und die tragenden rechtlichen Erwägungen zusammengefasst waren (Bl. 2401- 2414 Amtsakte). Ein weiteres, undatiertes Schriftstück, das mit "Mdl. rechtliches Gehör F./L." überschrieben ist (Bl. 2415 f. Amtsakte), enthält gegliedert in mehr als 15 Punkten, zum Teil mit weiteren Unterpunkten, Stichworte zum Sachverhalt und zur Rechtlage. Auch der Umfang des angefochtenen Beschlusses von mehr als 50 Seiten verdeutlicht, dass es sich vorliegend um keinen rechtlich und tatsächlich einfach gelagerten Sachverhalt handelt. Soweit das Bundeskartellamt geltend macht, der Sachverhalt sei mit den Zusammenschlussbeteiligten bereits am 21. Oktober 2014 bei einer Besprechung mit dem Bundeskartellamt umfassend erläutert worden (vgl. Gesprächsvermerk vom 21.10.2014, Bl. 998-1005 Amtsakte), ergibt sich aus diesem Vermerk zwar, dass das Bundeskartellamt mit den Beteiligten über den Rahmenliefervertrag, die Carve-Out-Filialen und die Restrukturierungsmaßnahmen gesprochen hat. Auch hat das Amt deutlich gemacht, dass es die genannten Aspekte daraufhin überprüfe, ob sie einen Teilvollzug des Zusammenschlussvorhabens darstellten. Zu welchem Ergebnis das Amt zum Abschluss seiner Prüfung gekommen ist, haben die Beteiligten aber erst in der telefonischen Mitteilung am 27.11.2014 erfahren. Ob am 27.11.2014 bereits ein nahezu vollständiger Entwurf der angefochtenen Verfügung in elektronischer Form vorlag, wie Regierungsdirektorin T. in der mündlichen Verhandlung auf Befragen des Gerichts spontan mitgeteilt hat (Sitzungsniederschrift Bl. 1446 GA), der den Verfahrensbeteiligten problemlos per E-Mail hätte zur Verfügung gestellt werden können, oder - so das Vorbringen des Amtes in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 30.10.2015 - die Entwurfsfassung noch mit einer Vielzahl von Änderungsvorschlägen und Kommentaren versehen war, über die die Beschlussabteilung noch zu beraten hatte, ist nicht entscheidend. In Anbetracht der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität des Sachverhalts hätte das Amt den Verfahrensbeteiligten vor der fernmündlichen Anhörung zumindest die beiden vorbereiteten Gesprächsunterlagen zur Verfügung stellen müssen. Auf diese Weise wäre sichergestellt gewesen, dass die Verfahrensbevollmächtigten die fernmündlichen Ausführungen des Amtes vollständig nachvollziehen und etwaige über das Geschriebene hinausgehende Aspekte hinzufügen können, um anschließend mit ihren Mandanten umfassend Rücksprache nehmen zu können. Ein Zeitverlust wäre hierdurch nicht eingetreten, da die Gesprächsunterlagen am 27.11.2014 bereits vorlagen und per E-Mail zur Vorbereitung der anschließenden Telefongespräche problemlos hätten übermittelt werden können. Dies gilt alles unabhängig davon, dass sich aus der Verfahrensakte selbst nicht ergibt, in welcher Form und Ausführlichkeit die fernmündliche Information der Verfahrensbeteiligten erfolgt ist. Außer den gesprächsvorbereitenden Unterlagen und den im Anschluss an die Telefonat übermittelten E-Mails nebst Beschlusstenor befinden sich keine aussagekräftigen Informationen in den Akten. Es ist weder dokumentiert, wer auf Seiten des Amtes das Telefongespräch geführt hat, noch wie lange es gedauert hat und welchen konkreten Inhalt es hatte. Selbst wenn daher - was hier nicht der Fall ist - eine mündliche Information den Anforderungen des § 56 Abs. 1 GWB genügen sollte, könnte anhand der Akten nicht nachvollzogen und überprüft werden, ob die fernmündliche Information umfassend und ausreichend war.

Darüber hinaus sind keine sachlichen Gründe dafür vorhanden, die Frist zur Stellungnahme für die Beteiligten auf nur 2 Arbeitstage zu begrenzen. Die telefonische Anhörung der Beteiligten fand am Donnerstag, dem 27.11.2014 statt. Die Frist zur Stellungnahme war auf Montag, den 1.12.2014, 12 Uhr bestimmt worden, so dass den Verfahrensbevollmächtigten weniger als 2 Arbeitstage zur Verfügung standen, um mit ihren Mandanten Rücksprache zu nehmen und im Anschluss daran eine schriftliche Stellungnahme zu verfassen. Eine besondere Eilbedürftigkeit, die einer Verlängerung der Stellungnahmefrist um weitere 2 oder 3 Tage entgegengestanden haben könnte, liegt nicht vor. Der am 1. Oktober 2014 geschlossene Rahmenvertrag sieht eine Laufzeit beginnend erst ab dem 1. Januar 2015 vor. Zudem standen weder die Schließung der .. Carve-Out-Filialen noch die in Rede stehenden Restrukturierungsmaßnahmen so unmittelbar bevor, dass eine Verkürzung der Stellungnahmefrist auf 2 Arbeitstage geboten war.

2.

Der Verstoß gegen den verfassungsrechtlich garantierten Verfahrensgrundsatz des rechtlichen Gehörs stellt einen Verfahrensfehler dar. Eine unter Verstoß gegen § 56 Abs. 1 GWB erlassene Verfügung ist rechtswidrig und unterliegt der Aufhebung nach § 71 Abs. 2 GWB. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verfahrensfehler durch nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs durch die Kartellbehörde gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt worden ist. Hiernach ist eine Heilung möglich, wenn die unterlassene Anhörung bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt wird (OLG Düsseldorf WuW/E OLG DE-R 1159, 1160 - BASF/NEPG). Allerdings muss die Gewährung rechtlichen Gehörs (außerhalb des Gerichtsverfahrens) durch die Behörde erfolgen. Es reicht nicht aus, wenn die Kartellbehörde die Ausführungen der Beteiligten lediglich zur Kenntnis nimmt. Sie muss die nachträgliche Anhörung vielmehr zum Anlass nehmen, die Entscheidung kritisch, unvoreingenommen und ergebnisoffen zu prüfen, was nach außen erkennbar sein muss (OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 1239, 1241 f. - TEAG). Erfolgt eine solche Nachholung nicht, führt das zur Aufhebung der Entscheidung (KG WuW/E OLG 2140 - Einbauküchen).

Hier ist der Verfahrensfehler geheilt worden. In der Beschwerdeerwiderung vom 15. September 2015 hat sich das Amt umfassend mit den tatsächlichen und rechtlichen Argumenten der Beschwerdeführer auseinandergesetzt, die sie insbesondere gegen einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot vorgetragen haben.

II. Materielle Rechtmäßigkeit

Die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen einstweiligen Anordnungen sind rechtswidrig. Weder waren in Bezug auf die in I. des Beschlusstenors untersagte Warenbeschaffung die Voraussetzungen des § 60 Nr. 1 Satz 2 GWB erfüllt (siehe unter 1.), noch kam für sämtliche einstweiligen Anordnungen § 32 a GWB als Ermächtigungsgrundlage in Betracht (siehe unter 2.).

1. § 60 Nr. 1 GWB

Soweit das Bundeskartellamt die vollständige oder teilweise Durchführung des Rahmenvertrags gestützt auf § 60 Nr. 1 GWB einstweilen untersagt hat (I. des Beschlusstenors), lag zwar ein Anordnungsanspruch vor, es fehlte aber ein Anordnungsgrund.

Nach § 60 Nr. 1 GWB kann die Kartellbehörde bis zur endgültigen Entscheidung über eine Verfügung nach § 40 Abs. 2 GWB, d.h. bis zur endgültigen Entscheidung im Hauptprüfverfahren, ob das angemeldete Zusammenschlussvorhaben freizugeben oder zu untersagen ist, einstweilige Anordnungen zur Regelung eines einstweiligen Zustandes treffen.

a.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt in formeller Hinsicht voraus, dass ein Verwaltungsverfahren in der Hauptsache bei der Kartellbehörde anhängig und noch nicht abgeschlossen ist.

Diese Voraussetzungen waren bei Erlass der einstweiligen Anordnungen am 3. Dezember 2014 erfüllt. Das Bundeskartellamt leitete am 30. Oktober 2014 ein Verwaltungsverfahren gemäß § 54 Abs. 1 GWB ein (Rn. 1 u. 2 Amtsbeschluss), dessen Gegenstand auf jeden Fall das am 7. Oktober 2014 angekündigte und am 4. November 2014 angemeldete Zusammenschlussvorhaben war. Ob das Bundeskartellamt gestützt auf den am 1. Oktober 2014 geschlossenen Rahmenvertrag und sonstige im Vorfeld des Zusammenschlusses getroffenen Abreden und Verhaltensweisen (auch) ein Verfahren nach § 32 GWB eingeleitet hat, bedarf an dieser Stelle keiner Erörterung (hierzu unter II. 2.).

b.

Die materiellen Voraussetzungen, unter denen eine einstweilige Anordnung erlassen werden darf, sind im Gesetz nicht genannt. Die Lücke kann indes durch Rückgriff auf sinnverwandte Regelungen in anderen Verfahrensordnungen (§§ 80 Abs. 2 u. 3 VwGO, § 123 Abs. 1 VWGO, §§ 935, 940 ZPO, § 23 BVerfGG) und in Anlehnung an § 65 GWB geschlossen werden. Hiernach muss die Sofortmaßnahme im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten geboten sein (Becker in Loewenheim/Meessen/Riesenkampf, Kartellrecht, 2. Aufl., § 60 GWB Rn. 3; Bechtold, GWB, 7. Aufl., § 60 Rn. 8; Bach in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 60 Rn. 11). Erforderlich ist daher das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes (KG WuW/E OLG 4640, 4642 f. - Hamburger Benzinpreise).

Vorliegend ist zwar ein Anordnungsanspruch zu bejahen (siehe unter aa.), jedoch liegt kein Anordnungsgrund vor (siehe unter bb.).

aa.

Ein Anordnungsanspruch folgt daraus, dass die im Rahmenvertrag vorgesehene Warenbeschaffung von L. über F. ein Verstoß gegen das in § 41 Abs. 1 GWB geregelte Vollzugsverbot darstellt.

(1)

Zwar setzt das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs im Regelfall voraus, dass alle Tatbestandsmerkmale der Ermächtigungsgrundlage für die Entscheidung in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfüllt sind. Die dafür erforderlichen Tatsachen hat das Bundeskartellamt gemäß § 73 Nr. 2 i.V.m. § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen (KG WuW/E OLG 1983, 1984 - Rama Mädchen; OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 2894 juris Rn. 18; KG WuW/E OLG 4640, 4643 - Hamburger Benzinpreise). Der Grund hierfür liegt darin, dass § 60 Nr. 1 GWB lediglich eine vorläufige Maßnahme im Vorgriff auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren erlaubt. Hier bedarf es jedoch keiner Feststellungen dazu, ob die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfüllt sind und das von den Beteiligten angemeldete Zusammenschlussvorhaben aller Voraussicht nach zu untersagen ist. Vielmehr ist erforderlich aber auch ausreichend, dass ein Verstoß gegen das Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 GWB entweder bereits vorlag oder ein solcher Verstoß unmittelbar bevorstand.

Ziel der hier getroffenen einstweiligen Anordnungen ist es, die Einhaltung des gesetzlichen Vollzugsverbots des § 41 Abs. 1 GWB einstweilen bis zum Abschluss des kartellbehördlichen Fusionskontrollverfahrens zu sichern. Nach § 41 GWB dürfen Unternehmen einen Zusammenschluss nicht vollziehen oder am Vollzug dieses Zusammenschlusses mitwirken, solange eine Freigabe durch das Bundeskartellamt nicht erfolgt oder eine Freigabefiktion durch Fristablauf (§ 40 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 S. 2) nicht eingetreten ist. Das Vollzugsverbot gilt für alle Zusammenschlussvorhaben, die die Voraussetzungen eines Zusammenschlusstatbestands im Sinne von § 37 Abs. 1 GWB erfüllen und zwar unabhängig davon, ob die Fusion freizugeben oder zu untersagen ist. Das Vollzugsverbot tritt kraft Gesetzes ein und endet erst, wenn die Fusion rechtskräftig freigegeben oder eine Untersagungsverfügung rechtskräftig aufgehoben worden ist (BGH WuW/E DE-R 2507, 2509 - Faber Basalt).

(2)

Die im Rahmenvertrag zwischen F. und L. vereinbarten Regelungen über die Warenbeschaffung stellen einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot dar.

Da weder das deutsche noch das europäische Recht eine Legaldefinition des "Vollzugs" eines Zusammenschlussvorhabens enthalten, werden unterschiedliche Meinungen dazu vertreten, wann von einem Verstoß gegen das Vollzugsverbot auszugehen ist.

(2.1) Einigkeit besteht, dass alle Maßnahmen, die den geplanten Zusammenschluss vollenden, vom Vollzugsverbot erfasst sind. Für einen Vollzug müssen sämtliche zivilrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts erfüllt sein. Generell gilt aber, dass nicht der Abschluss des der Transaktion zugrundeliegenden schuldrechtlichen Vertrags, sondern dessen Umsetzung dem Vollzugsverbot unterliegt. Der Vollzug des Zusammenschlusses erfolgt in der Regel durch das dingliche Rechtsgeschäft, wie der Übertragung der Vermögensgegenstände im Rahmen des sog. asset deals oder von Geschäftsanteilen bei einem sog. share deal. Das dingliche Rechtsgeschäft ist vollendet, wenn sämtliche zivilrechtlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Rechtsfolge vorliegen.

Erfasst vom Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 GWB wird auch der sog. faktische Vollzug des Zusammenschlusses, bei dem durch tatsächliche Handlungen die wirtschaftlichen Wirkungen des geplanten Zusammenschlusses vorweggenommen werden (Mäger in MünchKomm, GWB, § 41 Rn. 6; Riesenkampff/Lehr in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl., § 41 Rn. 3; Bechtold, GWB, 7. Aufl. § 41 Rn. 5; Kuhn in Frankfurter Kommentar, § 41 Rn. 16). Betroffen hiervon sind sämtliche Maßnahmen, die der Erwerber an sich nur kraft seiner zukünftigen Position als Inhaber der Geschäftsanteile und Gesellschafterrechte ausüben darf - so die Einwirkung auf die Unternehmensführung der Zielgesellschaft, die Einflussnahme auf die Ernennung oder Absetzung des Führungspersonals oder der vorzeitige Transfer der Managementverantwortung auf den Erwerber - oder die zu einer faktischen Vorwegnahme der Integration der sich zusammenschließenden Unternehmen führen - so die Aufnahme gemeinsamer Marketingmaßnahmen (gemeinsame Kundenbesuche, gemeinsamer Messeauftritt pp.), die Zusammenlegung oder Abstimmung der Produktion, z.B. der Rückzug aus bestimmten Geschäftsbereichen, die Integration der EDV-Systeme, der Austausch oder die Zusammenlegung personeller Ressourcen.

(2.2) Unterschiedliche Auffassungen werden aber dazu vertreten, ob auch der teilweise, noch nicht vollendete Vollzug eines geplanten Zusammenschlussvorhabens gegen das Vollzugverbot verstößt. Von einem sog. Teilvollzug oder einer teilweisen Umsetzung eines Vorhabens ist auszugehen, wenn die Vollendung des Gesamtvorhabens mehrere voneinander unabhängige Handlungen (Teilakte) voraussetzt, bisher aber nur (ein oder mehrere) Teilakte des Vorhabens umgesetzt worden sind. Hiervon ist beispielsweise bei einem Zusammenschluss durch Vermögensübernahme auszugehen, wenn nur Teile des insgesamt zu übernehmenden Vermögens auf das Erwerbsunternehmen übertragen werden. Nach einer Ansicht verstößt ein teilweiser Vollzug des Zusammenschlussvorhabens nur dann gegen das Vollzugsverbot, wenn die Beteiligten zwar noch nicht das Vorhaben in seiner Gesamtheit (also entsprechend dem gefassten Plan) realisiert haben, die vorgenommenen Rechtsakte aber bereits für sich betrachtet einen Zusammenschlusstatbestand erfüllen (OLG Düsseldorf Urteil v. 11.10.2007, Az. VI-2 Kart 10/05 OWi; OLG Frankfurt WuW/E DE-R 4864, juris: Rn. 79; Thomas in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 41 Rn. 24; Riesenkampff/Lehr in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, aaO.,§ 41 Rn. 3; Mäger in MünchKomm, aaO., § 41 Rn. 10; Kuhn in FK, aaO., § 41 Rn. 11; Bechtold, aaO., § 41 Rn. 5). Zur Begründung wird neben dem Wortlaut und dem Wortsinn des Begriffs Vollzug angeführt, dass dem Begriff keine von § 39 Abs. 6 GWB abweichende Bedeutung beigemessen werden könne und unstreitig im Rahmen der in § 39 Abs. 6 GWB geregelten Anzeigeverpflichtung unter Vollzug die abgeschlossene Verwirklichung eines Zusammenschlusstatbestands gemeint sei. Darüber hinaus wird aus Gründen der Rechtssicherheit undklarheit eine Kongruenz zwischen dem Zusammenschlussbegriff des § 37 Abs. 1 GWB und dem Vollzugsverbot befürwortet und darauf abgestellt, dass eine weite Auslegung des Vollzugsverbots aus Gründen des Wettbewerbsschutzes nicht erforderlich sei, da koordinierende Maßnahmen im Vorfeld des Zusammenschlusses einen Verstoß gegen das Kartellverbot des § 1 GWB und Art. 101 AEUV darstellen könnten.

Nach anderer Ansicht liegt ein Verstoß gegen das Vollzugsverbot hingegen auch dann vor, wenn der vollzogene Teilakt selbst keinen Zusammenschlusstatbestand erfüllt (Kalfaß in Langen/Bunte, Kartellrecht, Bd. 1, 12. Aufl., § 41 Rn. 4; Raum in Langen/Bunte, aaO., § 81 Rn. 120; offengelassen BGH WuW/E DE-R 2579, 2580 - G+J/RBA). Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang jedoch, ob und unter welchen Voraussetzungen Maßnahmen gegen das Vollzugsverbot verstoßen können, die selbst weder die Voraussetzungen eines Zusammenschlusstatbestands erfüllen, noch Teil einer aus mehreren Teilakten bestehenden dinglichen Umsetzung des Zusammenschlusses sind. Solche Maßnahmen sind nicht Teil des den Zusammenschluss herbeiführenden Erwerbsvorgangs, sondern finden im Vorfeld des eigentlichen Vollzugs statt. Sie werden daher als "Vorfeld-Maßnahmen" oder Vorbereitungshandlungen bezeichnet. Hierzu zählen etwa Planungen und Vorbereitungen der künftigen Integration des Zielunternehmens oder rein schuldrechtliche Vertragsbeziehungen, soweit diese nicht faktisch dazu führen, dass der Erwerber Einfluss auf die strategischen Entscheidungen des Zielunternehmens nehmen kann (Kuhn in FK, § 41 Rn. 13 ff., 22; vgl. zu Art. 7 FKVO: Maass in Langen/Bunte, Art. 7 FKVO Rn. 13; Hellmann/Birmanns in FK, Art. 7 FKVO 139/2004 Rn. 12; Wessely in MünchKomm FKVO Art. 7 Rn. 70; Linsmeier/Balssen BB 2008, 741). Während sich die europäische und deutsche Rechtsprechung bisher noch nicht mit der in Rede stehenden Rechtsfrage beschäftigt hat, wird in der Kommentierung zu § 41 Abs. 1 GWB zumeist ohne nähere Ausführungen die Ansicht vertreten, bloße Vorbereitungshandlungen verstießen nicht gegen das Vollzugsverbot (Bechtold, aaO. § 41 Rn. 4; Riesenkampff/Lehr in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, aaO., § 41 Rn. 3).

Das Bundeskartellamt vertritt in der hier angefochtenen Entscheidung die Auffassung, das Vollzugsverbot erfasse auch Vorbereitungshandlungen, wenn sie als Teil eines Gesamtplans auf die Verwirklichung eines formellen Zusammenschlusstatbestandes "zusteuern" und bereits im Vorfeld des Zusammenschlusses nachteilige wettbewerbliche Wirkungen auslösen würden, die sich nachträglich nicht wieder vollständig aus der Welt schaffen lassen. Der Zweck der Zusammenschlusskontrolle und ihre präventive Ausgestaltung erforderten, dass die Parteien mit dem Herbeiführen der Marktwirkungen des Gesamtplans insgesamt abwarten, bis das kartellbehördliche Verfahren zum Abschluss gekommen ist (Rn. 92 Amtsbeschluss). Diese Voraussetzungen sind nach Ansicht des Bundeskartellamts durch den Abschluss des Rahmenvertrages vom 1. Oktober 2014, der unter I. die Warenbeschaffung von L. bei der F. AG und der F. Zentralgesellschaft mbH regelt, erfüllt.

(2.3) Die vom Bundeskartellamt vertretene weite Auslegung des Vollzugverbots ist abzulehnen. Nach Ansicht des Senates ist in Übereinstimmung mit der teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung erforderlich aber auch ausreichend für einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot, dass der Zusammenschluss rechtlich oder tatsächlich zumindest zu einem Teil vollzogen ist, ohne dass der Teilakt selbst einen Zusammenschlusstatbestand erfüllen muss.

Gegen die vom Amt befürwortete weite Auslegung des Vollzugsverbots spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift. Nach dem Wortlaut der in § 41 Abs. 1 S. 1 GWB getroffenen Regelung dürfen die Unternehmen einen Zusammenschluss vor seiner Freigabe nicht vollziehen. Der Begriff des Vollzugs ist in § 41 Abs. 1 GWB demzufolge auf den Zusammenschluss und damit auf die Zusammenschlusstatbestände des § 37 Abs. 1 GWB bezogen. Je nachdem, welcher Zusammenschlusstatbestand erfüllt ist, darf das Erwerbsunternehmen weder das Vermögen des Zielunternehmens (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB) noch die Kontrolle über das Zielunternehmen erwerben (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB). Gleiches gilt für den in § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB geregelten Anteilserwerb oder die Erlangung wettbewerblich erheblichen Einfluss (§ 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB). Auf den schuldrechtlichen Vertrag, der dem jeweiligen Erwerbsvorgang zugrunde liegt, bezieht sich das Vollzugsverbot nicht. Maßnahmen zur Umsetzung des betreffenden Vertrags können daher, wenn sie selbst nicht Teil des Erwerbsvorganges nach § 37 Abs. 1 GWB sind, nicht ohne weiteres/automatisch als Vollzugsmaßnahme im Sinne von § 41 Abs. 1 GWB angesehen werden.

Auch der Sinn und Zweck des Vollzugsverbots erfordert es nicht, Maßnahmen der Zusammenschlussbeteiligten im Vorfeld des eigentlichen Erwerbsvorgangs unter das Vollzugsverbot zu stellen, wenn hierdurch nachteilige wettbewerbliche Wirkungen ausgelöst werden. Das Ziel der präventiven Fusionskontrolle und ihrer Absicherung durch das Vollzugverbot ist die Vermeidung des auch nur zeitweiligen Entstehens der mit § 36 GWB unvereinbaren Marktstrukturen sowie der mit ihrer Auflösung verbundenen Schwierigkeiten. Maßnahmen, die die spätere Durchführung des Zusammenschlusses lediglich vorbereiten und nicht selbst bewirken, dass (ein Teil der) Vermögensgegenstände oder Gesellschaftsanteile auf das Erwerbsunternehmen übertragen wird oder Möglichkeiten für den Erwerber geschaffen werden, auf strategische Entscheidungen des Zielunternehmens Einfluss zu nehmen, erzeugen aber nicht die marktstrukturellen Wirkungen, deren Entstehen § 36 GWB endgültig und § 41 Abs. 1 GWB für die Dauer des Fusionskontrollverfahrens verhindern will. Es entsteht nicht der von § 36 GWB als kritisch angesehene Zuwachs von Marktmacht durch einen Zusammenschluss, er bereitet einen solchen nur vor. Auch zum Schutz vor nachteiligen, im Falle einer endgültigen Untersagung des Zusammenschlussvorhabens nicht wieder vollständig aus der Welt zu schaffenden Marktwirkungen bedarf es einer Ausdehnung des Vollzugsverbots auf die in Rede stehenden Vorbereitungshandlungen nicht. Soweit Maßnahmen im Vorfeld eines Zusammenschlusses zu negativen Marktwirkungen führen, sind sie am Kartellverbot des § 1 GWB und Art. 101 AEUV zu messen. Solange der Zusammenschluss noch nicht vollzogen ist, sind die Zusammenschlussbeteiligten selbständige und voneinander unabhängige Unternehmen. Bis zur Freigabe des Zusammenschlusses sind ihnen daher sämtliche Abstimmungen und Koordinierungen untersagt, die gegen das Kartellverbot verstoßen. Auch in diesem Fall stehen dem Bundeskartellamt vor einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufige Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung. Gemäß § 32 a Abs.1 GWB kann die Kartellbehörde in dringenden Fällen, wenn die Gefahr eines ernsten, nicht wiedergutzumachenden Schadens für den Wettbewerb besteht, von Amts wegen einstweilige Maßnahmen anordnen.

Gegen die vom Bundeskartellamt befürwortete extensive Auslegung des Vollzugsverbots sprechen überdies die aus dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden Grundsätze der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Der Gesetzgeber ist hiernach gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Dabei ist auch die Intensität der Einwirkungen auf die Regelungsadressaten zu berücksichtigen. Die Rechtsunterworfenen müssen in zumutbarer Weise erkennen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm angesprochenen Rechtsfolgen vorliegen. Dabei reicht es aus, wenn sich dies im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt (BVerfGE 102, 254, 337; BVerfG NVwZ 2007, 1172ff. juris : Rn. 30). Der aus der Sicht des Bürgers zu bestimmende mögliche Wortsinn markiert insoweit die äußere Grenze der zulässigen richterlichen Interpretation (BVerfG ZIP 2015, 1821, juris Rn. 11 zu Art. 103 Abs. 2 GG).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es problematisch, Vorbereitungshandlungen, die als Teil eines Gesamtplans auf die Verwirklichung eines formellen Zusammenschlusstatbestandes "zusteuern" und bereits im Vorfeld des Zusammenschlusses nachteilige wettbewerbliche Wirkungen auslösen, die sich nachträglich nicht wieder vollständig aus der Welt schaffen lassen, unter das Vollzugsverbot zu fassen. Ob das an die Zusammenschlussbeteiligten adressierte Verbot, den Zusammenschluss nicht zu vollziehen, solange er nicht vom Bundeskartellamt freigegeben ist oder als freigegeben gilt, aus der Sicht eines unvoreingenommenen Bürgers auch die oben beschriebenen Vorbereitungshandlungen erfasst, kann nicht ohne weiteres beantwortet werden. Jedenfalls ist die vom Bundeskartellamt befürwortete Auslegung aber im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit und Erkennbarkeit eines etwaigen Verstoßes gegen das Vollzugsverbot problematisch. Das Bundeskartellamt selbst räumt ein, dass es für die Zusammenschlussbeteiligten im Einzelfall schwer zu beurteilen ist, welche Vorbereitungshandlung einer Fusion bereits ausreichend sind, um nachteilige wettbewerbliche Wirkungen auszulösen (Rn. 94 Amtsbeschluss). Nach den Ausführungen des Amtes ist zudem unklar, ob dabei jegliche nachteiligen Wirkungen für den Wettbewerb gemeint sind oder nur solche, die in Anlehnung an das Kartellverbot des § 1 GWB eine gewisse Erheblichkeit aufweisen. Soweit das Bundeskartellamt geltend macht, etwaigen Unsicherheiten könne bei einem Verstoß gegen das bußgeldbewährte Vollzugsverbot im Ordnungswidrigkeitenverfahren auf andere Weise Rechnung getragen werden, etwa im Rahmen der Feststellung des Vorsatzes (Beschluss Rn. 94), ist diese Überlegung unbehilflich. Das Bestimmtheitsgebot gilt gerade und vor allem auch für Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände. Art. 103 Abs. 2 GG enthält die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Art. 103 Abs. 2 GG dient dabei einem doppelten Zweck. Es geht einerseits um den rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten: Jeder soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe oder mit Geldbuße bedroht ist. Andererseits soll sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst über die Sanktionierung entscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengeren Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und rechtsprechenden Gewalt verwehrt, die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung oder einer Verhängung einer Geldbuße festzulegen (BVerG NVwZ 2007, 1172 ff., juris: Rn. 60 f.). Dabei muss § 41 Abs. 1 S. 1 GWB selbstverständlich im Verwaltungs- und Bußgeldverfahren einheitlich ausgelegt werden.

Soweit das Bundeskartellamt im Rahmen von Hilfserwägungen eine weite Auslegung von § 60 Nr. 1 Alt. 2 GWB in dem Sinne für erforderlich hält, dass Verhaltensweisen mit Nexus zum Zusammenschlussvorhaben, durch die ungünstige wettbewerbliche Wirkungen des Zusammenschlusses vorweggenommen werden, zum Schutz des Systems der exante Kontrolle stets (per se) als materielle Verstöße gegen § 1 GWB anzusehen sind und zum Erlass einstweiliger Anordnungen berechtigen (Beschwerdeerwiderung S. 42 f., 35; Beschluss Rn. 95), ist dem nicht zu folgen. Hierfür sprechen im Wesentlichen zwei Gründe: Selbst wenn sog. Vorfeldmaßnahmen "ungünstige wettbewerbliche" Wirkungen bewirken, steht damit noch nicht ein Verstoß gegen § 1 GWB oder Art. 101 AEUV fest. Weder ist damit gesagt, dass die Rede stehenden Maßnahmen auf eine Vereinbarung zwischen Unternehmen oder abgestimmte Verhaltensweisen zurückzuführen sind, noch dass sie eine spürbare Wettbewerbsbeeinträchtigung bewirken oder bezwecken. Darüber hinaus ist bei einem möglicherweise in Betracht zu ziehenden Verstoß gegen § 1 GWB oder Art. 101 AEUV der Erlass einstweiliger Anordnungen - wie bereits ausgeführt - in der insoweit spezielleren Vorschrift des § 32 a GWB geregelt. Sie dient der effektiven Durchsetzung der kartell- und missbrauchrechtlichen Verbote. Aufgrund der unterschiedlichen Anwendungsbereiche und Eingriffsvoraussetzungen von § 60 GWB und § 32 a GWB ist eine Anwendung von § 60 Nr. 1 Alt. 2 GWB auf den vom Bundeskartellamt in Feld geführten "Verstoß eigener Art" gegen § 1 GWB im Zusammenhang mit einem Fusionskontrollverfahren systemwidrig und daher abzulehnen.

(2.4) Nach der vom Senat vertretenen Auffassung ist vorliegend von einem faktischen (Teil-)Vollzug des Zusammenschlussvorhabens auszugehen. Der am 1. Oktober 2014 geschlossene Rahmenvertrag führt im Bereich der Warenbeschaffung in weiten Teilen zu einer faktischen Integration von L. in die F.. Für den Beschaffungsmarkt, auf dem sich der LEH als Nachfrager und die Hersteller als Anbieter gegenüberstehen, würde L. als Nachfrager weitestgehend wegfallen. Damit würde faktisch eine Situation geschaffen wie sie eintreten würde, wenn L. und F. den Zusammenschluss schon vollzogen und die LEH-Geschäfte von L. in das Erwerbsunternehmen integriert worden wären.

Durch die Regelungen in I. des Rahmenvertrags "Kauf von Waren" wird - worauf die Beschwerde zur Recht abstellt - keine Einkaufskooperation gebildet. Es kommt zu keiner Vergemeinschaftung der Beschaffung in der Form, dass ein Unternehmen seine gesamte Einkaufstätigkeit auf ein anderes Unternehmen überträgt oder mehrere Unternehmen einem Dritten die Beschaffung von Ware überlassen. Der Päambel ist zu entnehmen, dass entweder die F. (AG) die Ware im eigenen Namen und auf eigene Rechnung einkauft und anschließend an die F. Großhandelsbetriebe weiterverkauft oder der F.-Großhandel im Namen und für Rechnung der F. Zentrale Handelsgesellschaft mbH selbst bei den Lieferanten einkauft (Großhandelsbeziehungen). L. erhält über die in § 1 (1) Satz 2 RahmenV vorgesehene Bezugsbindung hinaus die Möglichkeit, alle anderen Waren bei Lieferanten der F. zu beziehen (§ 1 (1) Satz 1 RahmenV). Dabei wird L. mit den regionalen F. Großhandelsbetrieben bei allen in der Präambel beschriebenen Geschäftstypen hinsichtlich ... Konditionen im Warengeschäft gleichbehandelt (§ 3 (1) RahmenV). Überdies erhält L. im Rahmen der Gleichbehandlung für alle Standorte, die nach Beginn des Rahmenvertrages neu eröffnet werden, Expansionszuschüsse nach dem ... (§ 3 (6) RahmenV).

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass L. ohne die einstweilige Anordnung ab dem 1. Januar 2015 ihren Bedarf an Waren zum weit überwiegenden Teil bei F. gedeckt hätte und als eigenständiger Nachfrager weggefallen wäre. F. hätte einen Wettbewerber und die anbietenden Hersteller eine Ausweichmöglichkeit weniger. L. hätte nach ihrem eigenen Vorbringen über die bezugspflichtige Ware hinaus jedenfalls in den Sortimentsbereichen Obst und Gemüse, Blumen und Pflanzen sowie Tiefkühlkost die Möglichkeit zum Wareneinkauf über F. genutzt (Bl. 924 GA). Im Bereich Trockensortiment wäre ein Warenbezug über F. zwar nur dann in Betracht gekommen, wenn N. hiermit durch Änderung oder Aufhebung des bis Ende 2015 bestehenden Verrechnungsvertrags einverstanden gewesen wäre. Allerdings wären Verhandlungen hierüber nach Ansicht von L. durchaus erfolgsversprechend gewesen (Bl. 925 GA). Es besteht kein Zweifel, dass L. die Waren aus den genannten Sortimentsbereichen ab Januar 2015 ebenso wie der F.-Großhandel bei F. eingekauft hätte. Hierfür sprechen wirtschaftlich zweckmäßige und kaufmännisch vernünftige Erwägungen. L. selbst trägt vor, dass sie die Waren bei F. zu deutlich günstigeren Konditionen als bislang hätte einkaufen können. Dies gilt nicht nur anstelle einer Direktbeschaffung bei den Herstellern, sondern auch im Hinblick auf eine Warenbeschaffung über C.. Der für die Interimszeit mit C. geschlossene Rahmenvertrag gewährte L. nach eigener Einschätzung wegen der festgeschriebenen Preiskalkulation und Leistungsvergütung keine wettbewerbsfähigen Beschaffungskonditionen (Beschwerdebegründung vom 30.01.2015, Rn. 102). In Anbetracht ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage hätte L. daher in jedem Fall von den günstigeren Beschaffungsmöglichkeiten soweit als möglich Gebrauch gemacht.

c.

Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund liegt nicht vor.

Die einstweilige Anordnung muss erforderlich sein, um bereits bis zur Hauptsacheentscheidung drohende irreparable Nachteile oder schwere Schäden im Interesse des Gemeinwohls abzuwenden (KG WuW/E OLG 2145, 2146 - Sonntag Aktuell II; KG WuW/E OLG 4640, 4642 - Hamburger Benzinpreise; Senat WuW/E DE-R 2894 juris: Rn. 20). Sie setzt eine Abwägung zwischen diesem öffentlichen Interesse an einem freien und wirksamen Wettbewerb und den Belangen der betroffenen Unternehmen voraus. Dabei muss das an einer Eilmaßnahme bestehende öffentliche Interesse über das Interesse hinausgehen, das die Hauptsachentscheidung selbst rechtfertigt (KG WuW/E OLG 2145, 2146 - Sonntag Aktuell II). Im Fusionskontrollverfahren reicht daher das in allen Fällen vorliegende öffentliche Interesse an der Sicherung oder Vermeidung eines späteren Entflechtungsverfahrens allein nicht aus. Voraussetzung ist vielmehr, dass im konkreten Fall etwaige Entflechtungsmaßnahmen Schwierigkeiten bereiten, die über das normale Maß hinausgehen, und deshalb eine einstweilige Regelung durch öffentliche Interessen geboten ist, die die damit verbundenen Nachteile zu Lasten der beteiligten Unternehmen überwiegen (KG WuW/E OLG 5151, 5160 - Ernstliche Untersagungszweifel). Die einzelnen Abwägungselemente und das Abwägungsergebnis sind in der Begründung im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen (KG WuW/E OLG 5151, 5160 - Ernstliche Untersagungszweifel; KG WuW/E OLG 4640, 4642 - Hamburger Benzinpreise).

Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des Amtes in mehrfacher Hinsicht nicht.

Das Bundeskartellamt hat im Rahmen des Anordnungsgrundes von seiner Abwägungsermächtigung erklärtermaßen keinen Gebrauch gemacht. Das Amt geht rechtsfehlerhaft davon aus, dass eine separate Prüfung eines Anordnungsgrundes im Rahmen von § 60 Nr. 1 Alt. 2 GWB nicht erforderlich ist (Rn. 143, 146 Amtsbeschluss). Soweit das Amt hilfsweise ausführt, der Anordnungsgrund liege in den negativen wettbewerblichen Wirkungen, die kurzfristig mit der Umsetzung der Warenbeschaffung eintreten würden (Rn. 143 Amtsbeschluss), können diese pauschalen Ausführungen eine sorgfältige Analyse der maßgeblichen Umstände und eine umfassende Interessenabwägung nicht ersetzen. Dass durch die Warenbeschaffung Tatsachen geschaffen würden, die der Effektivität einer möglichen Untersagungsverfügung zuwiderliefen (Rn. 144 Amtsbeschluss), rechtfertigt den Erlass der einstweiligen Anordnung nicht. Wie bereits oben ausgeführt, reicht das öffentliche Interesse an der Sicherung oder Vermeidung eines späteren Entflechtungsverfahrens allein nicht aus. Vielmehr muss ein darüber hinausgehendes öffentliches Interesse vorliegen.

Soweit das Bundeskartellamt im Rahmen des Anordnungsanspruchs die wettbewerblichen Wirkungen einer Warenbeschaffung über F. dargestellt und eine Interessenabwägung vorgenommen hat (Rn. 75-85, 97-103 Amtsbeschluss), vermögen diese Ausführungen die erforderliche Abwägung zwischen dem aufgezeigten besonderen öffentlichen Interesse und den Belangen der betroffenen Unternehmen nicht zu ersetzen. Zwar befasst sich das Amt dort nur mit den wettbewerblich nachteiligen Wirkungen, die eine Übertragung der Beschaffung auf F. nach sich ziehen würde. Es fehlen aber auch an dieser Stelle Ausführungen dazu, ob irreparable Nachteile oder schwere Schäden drohen, die im Interesse des Gemeinwohls abzuwenden sind, mithin ein über das öffentliche Interesse an der Sicherung oder Vermeidung eines späteren Entflechtungsverfahren hinausgehendes besonderes öffentliche Interesse vorliegt. Hinzu kommt, dass die vom Amt aufgezeigten negativen Marktwirkungen bei näherer Betrachtung nicht aufrecht erhalten werden können.

Das Bundeskartellamt befürchtete eine deutliche Verschlechterung der Wettbewerbsstrukturen und -prozesse auf den Beschaffungsmärkten des LEH, weil L. durch den Wareneinkauf über F. ihre Handlungsfähigkeit als eigenständiges LEH und damit ihr wettbewerbliches Potential auch im Falle einer Untersagung des Zusammenschlussvorhabens vermindert hätte (Rn. 83 (ii) Amtsbeschluss, Beschwerdeerwiderung S. 80) . Es habe der Verlust des L.- eigenen Know-Hows und wichtiger Lieferantenkontakte ebenso gedroht wie der strukturelle und personelle Abbau bestimmter Abteilungen. Hierdurch wären vor Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache Tatsachen geschaffen worden, die der Effektivität einer möglichen Untersagungsverfügung zuwidergelaufen wären. Der Senat teilt diese Einschätzung nicht. Wenn L. einen Großteil ihrer Waren vorübergehend, d.h. bis zur Entscheidung in der Hauptsache, über F. beschaffen würde, hätte dies nicht zur Folge, dass ihre Wettbewerbsposition auf dem Nachfragermarkt nachhaltig negativ beeinträchtigt wird. Nach dem eigenen Vorbringen von L. war der Abbau eigener Logistikstrukturen auf der Beschaffungsseite nicht geplant. Ein solcher Abbau wäre vor der Entscheidung des Amtes in der Hauptsache außerdem kaufmännisch unvernünftig gewesen, da der Ausgang des Fusionskontrollverfahrens zu diesem Zeitpunkt ungewiss war und bei einer Untersagung des Zusammenschlussvorhabens die abgebauten Warenbeschaffungsstrukturen gar nicht so schnell wieder hätten aufgebaut werden können. Dass wichtige Kontakte zu den Lieferanten und unternehmenseigenes Know-How verloren gegangen wäre, wenn L. für wenige Monate einen Teil seiner Waren bei F. einkauft, vermag in Anbetracht des nur kurzen Interimszeitraums nicht zu überzeugen und widerspricht der Lebenserfahrung. L. ist seit Jahrzehnten im LEH tätig und hat dementsprechend solide Kontakte zu den Herstellern und umfangreiches Branchenwissen aufbauen können. Beides kommt durch eine auf wenige Wochen oder Monate beschränkte Lieferunterbrechung nicht zum Fortfall.

Anders als das Bundeskartellamt meint, führt die Warenbeschaffung über F. auch nicht zu einer Schwächung der Einkaufsgemeinschaft A. auf dem Nachfragermarkt des LEH (Rn. 83 (iii) Amtsbeschluss). Zwar wird durch den Wegfall des Kooperationspartners L. die Beschaffungsmenge der Einkaufsgemeinschaft deutlich (... %) reduziert, so dass ihre Position als Nachfrager und die Ausweichmöglichkeit der Lieferanten geschwächt wird. Ursächlich für den angesprochenen Rückgang des Nachfragevolumens ist indessen allein die Tatsache, dass C. nach Bekanntwerden des Zusammenschlussvorhabens im Oktober 2014 selbst um eine Beendigung der Einkaufskooperation gebeten hat und der mit Wirkung zum 1. Januar 2015 geschlossene Belieferungsvertrag mit C. aus Sicht von L. keine wettbewerbsfähigen Bezugskonditionen enthielt und für einen Warenbezug nicht in Frage kam. Anders als das Bundeskartellamt meint, wird auch die Rechtsdurchsetzung nicht gefährdet, wenn L. bis zur Entscheidung in der Hauptsache Waren über F. bezieht. Die - ohnehin nach § 134 BGB i.V.m. § 41 Abs. 1 GWB rechtlich unwirksame - Lieferbeziehung zwischen F. und L. kann jederzeit wieder beendet werden. Es ist L. ohne weiteres möglich, ihren Wareneinkauf umzuorganisieren, indem sie Waren der in Rede stehenden Sortimentsbereiche - wie zuvor auch - entweder selbst einkauft oder über C. bezieht. Wettbewerbsschädliche Kenntnis von den Einkaufkonditionen der F. erhält L. bei einer vorübergehenden Warenbeschaffung über F. nicht. In dem Rahmenvertrag ist ausdrücklich ein sog. Intransparenzaufschlag vorgesehen (§ 3 (2) RahmenV), der verhindern soll, dass L. Kenntnis von den Einkaufskonditionen erhält. Soweit das Bundeskartellamt auf eine nicht mehr rückgängig zu machende Kenntniserlangung von F. bezüglich der Beschaffungskonditionen von L. abstellt (Rn. 102 Amtsbeschluss), beziehen sich diese Ausführungen auf die vereinbarte Zentralregulierung (II des RahmenV). Vorliegend geht es indes ausschließlich um die Warenbeschaffung.

Soweit das Bundeskartellamt pauschal auf eine Beschränkung des Nachfragerwettbewerbs auf den LEH-Beschaffungsmärkten abstellt (Rn. 83 (i) Amtsbeschluss), weil L. bei einer Warenbeschaffung über F. als Nachfrager und Ausweichmöglichkeit der Hersteller wegfällt, ist festzuhalten, dass es sich hierbei allein um die negativen wettbewerblichen Wirkungen handelt, deren Eintritt durch das Vollzugsverbot verhindert werden soll. Ob und in welchem Umfang durch eine Warenbeschaffung über F. bis zur Entscheidung in der Hauptsache irreparable Nachteile oder schwere Schäden eintreten, hat das Amt weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.

Hierzu hätten aber nähere Feststellungen getroffen werden müssen, da L. - wie sie vom Bundeskartellamt unwidersprochen vorgetragen hat - nur einen Teil der Waren über F. beschafft hätte, nämlich die der Bezugsbindung unterliegenden Produkte sowie die Produkte aus den Sortimentsbereichen Obst und Gemüse und Tiefkühlkost, und die Beschaffung über F. jederzeit wieder hätte beendet werden können. Keine Feststellungen getroffen hat das Amt dazu, ob und in welchem Umfang eine Warenbeschaffung von L. über F. die Konditionenverhandlungen mit den Herstellern in den Jahresgespräche für 2015 wettbewerblich negativ beeinflusst hätte, weil F. zumindest einen Teil des Nachfragevolumens von L. mitverhandelt hätte und die auf dieser Grundlage ausgehandelten Konditionen für ein Jahr festgeschrieben worden wären. Fehlen aber Feststellungen dazu, welches Gewicht die Wettbewerbsbeeinträchtigung auf den Beschaffungsmärkten gehabt hätten, die durch eine vorübergehende Warenbeschaffung von L. über F. in den genannten Sortimentsbereichen herbeigeführt worden wären, konnte das Bundeskartellamt auch nicht feststellen, ob ein über das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des Vollzugsverbots liegende besondere öffentliche Interesse am Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung von irreparablen Nachteile oder schweren Schäden vorlag.

Der Senat ist gehindert, die gebotene Abwägung anstelle des Bundeskartellamts vorzunehmen. Diese Möglichkeit besteht nur dann, wenn der durch die Abwägung eingeräumte Beurteilungsspielraum angesichts der besonderen Umstände des zu entscheidenden Falles auf "Null" reduziert ist, also nur eine einzige Entscheidung beurteilungsfehlerfrei ist. Hiervon kann vorliegend indes nicht ausgegangen werden. Dies gilt zum einen deshalb, weil das Amt keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und welchen Einfluss eine Warenbeschaffung von L. über F. auf die Konditionenverhandlungen mit den Herstellern in den Jahresgespräche für 2015 gehabt hätte, und Nachermittlungen des Gerichts bei einem solchen Sachverhalt nicht in Betracht kommen (vgl. Kopp, VwGO, 18. Aufl., § 114 Rn. 6). Zum anderen hat das Amt zwischenzeitlich seine Einschätzung zu der befürchteten deutlichen Verschlechterung der Wettbewerbsstrukturen undprozesse zumindest teilweise korrigiert. Es hat eine Vereinbarung zwischen F. und L. genehmigt, die es L. seit August 2015 gestattet, Obst und Gemüse über F. für die Dauer von einem Jahr zu beziehen, also für einen Zeitraum, in den die Jahresgespräche mit den Herstellern für das 2016 fallen. Es hat insoweit also dem Interesse von L. an einer Warenbeschaffung über F. zur Senkung ihrer Kosten und Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf den Absatzmärkten und dem Interesse von F., den Wert und die Wettbewerbsposition des Zielunternehmens bis zum Abschluss des Fusionskontrollverfahrens durch wettbewerbsfähige Einkaufskonditionen zu erhalten, Vorrang vor den damit verbundenen Wettbewerbsnachteilen eingeräumt.

2. § 32 a GWB

Der Erlass der in Rede stehenden einstweiligen Anordnungen war nicht aus § 32 a GWB gerechtfertigt.

Wie bereits ausgeführt, kann die Kartellbehörde nach § 32 a GWB in dringenden Fällen, wenn die Gefahr eines ernsten, nicht wieder gutzumachenden Schadens für den Wettbewerb besteht, von Amts wegen einstweiligen Maßnahmen anordnen. Ebenso wie bei § 60 GWB setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung auch hier in formeller Hinsicht voraus, dass ein Verwaltungsverfahren in der Hauptsache bei der Kartellbehörde anhängig und noch nicht abgeschlossen ist.

An einem solchen Hauptsacheverfahren, das auf den Erlass einer Abstellverfügung nach § 32 GWB abzielte, fehlte es jedoch bei Erlass der in Rede stehenden einstweiligen Anordnungen.

Das Bundeskartellamt hat unter dem Aktenzeichen B 2- 96/14 ein Fusionskontrollverfahren eingeleitet, nachdem es zunächst am 17. Oktober 2014 den Entwurf einer Anmeldung nach § 39 GWB und im Anschluss an die Besprechung mit F. und L. Anfang November 2014 die tatsächliche Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens erhalten hat. Dies folgt nicht nur aus dem "Aktenvorblatt-Fusionskontrolle" (Bl. 1 Amtsakte), sondern ergibt sich auch aus den jeweils "zur Prüfung des Zusammenschlussvorhabens" erlassenen Auskunftsbeschlüssen (Bl. 1147 Amtsakte) und der Einleitung des Hauptprüfverfahrens am 26.11.2014 (Bl. 2279 Amtsakte). Dass das Bundeskartellamt den ihm zur Kenntnis gelangten Sachverhalt, insbesondere den Rahmenvertrag vom 1. Oktober 2014 sowie sonstige im Vorfeld des Zusammenschlusses getroffenen Abreden und Verhaltensweisen, darüber hinaus auch einer Prüfung nach § 1 GWB und Art. 101 AEUV unterziehen wollte und deshalb parallel zum Fusionskontrollverfahren ein zweites, auf eine Verfügung nach § 32 GWB abzielendes Verfahren eingeleitet hat, ergibt sich aus der Akte nicht. Zwar ist eine Verbindung mehrerer Verfahren nach dem pflichtgemäßen Ermessen der Kartellbehörde zulässig. Allerdings liegt eine objektive Verfahrenshäufung nur vor, wenn die Kartellbehörde mehrere unabhängige Verfahrensziele zum Gegenstand eines Verfahrens macht, mithin das Verfahren auf den Erlass mehrerer Verfügungen gerichtet ist (Bracher in FK, aaO., § 54 Rn. 28). Daran fehlt es hier. Es liegen keine Anhaltspunkte für eine solche Verfahrenshäufung vor. Zwar heißt es in der angefochtenen Verfügung (dort Rn. 2), dass Verfahrensgegenstand wegen des einheitlichen Lebenssachverhalts nicht nur das Zusammenschlussvorhaben, sondern auch der Rahmenvertrag und sonstige Abreden und Verhaltensweisen der Beteiligten im Vorfeld des Zusammenschlusses Gegenstand des Verfahrens seien. Dies bedeutet aber nicht, dass das Fusionskontrollverfahren mit einem Verfahren auf Erlass einer Abstellverfügung nach § 32 GWB verbunden worden ist. In der Amtsakte selbst finden sich ebenfalls keine Hinweise auf eine Verfahrenshäufung. Ausweislich des Vermerks über die Besprechung vom 21.10.2014 ist den Verfahrensbeteiligten lediglich mitgeteilt worden, dass der Rahmenvertrag und sonstige Abreden und Verhaltensweisen der Beteiligten im Vorfeld des Zusammenschlusses unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das Vollzugsverbot geprüft werde (Bl. 1003 - 1005 Amtsakte). Von einer Prüfung nach § 1 GWB und Art. 101 AEUV war nicht die Rede. Nichts anderes ergibt sich aus den Manuskripten der Beschlussabteilung zur Gewährung rechtlichen Gehörs am 27.11.2014. Zwar wird darin ergänzend § 32a GWB als weitere Rechtsgrundlage für den Erlass der beabsichtigten einstweiligen Anordnungen genannt (Bl. 2401, 2413 AA). Ob den Verfassern des Manuskriptes hierbei aber bewusst war, dass § 32 a GWB nur nach Einleitung eines Verfahrens zum Erlass einer Verfügung nach § 32 GWB als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommt und nicht - auch nicht hilfsweise - in einem Fusionskontrollverfahren, kann nicht festgestellt werden. Die Ausführungen zu einem möglichen Verstoß gegen § 1 GWB und Art. 101 AEUV erfolgen jedenfalls ausschließlich im Rahmen der hauptsächlich herangezogenen Ermächtigungsgrundlage des § 60 Nr. 1 Alt. 2 GWB (Bl. 2406 Amtsakte). Dies alles gilt im Übrigen unabhängig davon, dass mangels Dokumentation in der Amtsakte auch keine Feststellungen dazu getroffen werden können, ob und inwieweit die Verfahrensbeteiligten über eine etwaige Prüfung des Sachverhalts unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das Kartellverbot in Kenntnis gesetzt worden sind.

Hinzu kommt, dass der Vortrag des Amtes zu einer Verfahrenshäufung widersprüchlich ist. Während in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt worden ist, beide Verfahren, also das Fusionskontrollverfahren und ein Verfahren nach § 32 GWB, seien parallel geführt worden, heißt es in der Beschwerdeerwiderung vom 15.09.2015 (dort S. 36, 42 f.), dass eine Prüfung des Sachverhalts nach § 1 u. § 2 GWB bzw. Art. 101 Abs. 1 u. 3 AEUV im Rahmen eines erst zukünftig einzuleitenden separaten Verfahrens erfolgen werde. Auch in den Gründen der Hauptsacheentscheidung vom 31.03.2015 (dort Rn. 949) hat sich das Amt die Einleitung eines Verfahrens nach § 32 GWB sowie eine Prüfung nach § 1 GWB, Art. 101 AEUV ausdrücklich vorbehalten. Wenn das aber so ist, dann war bei Erlass der einstweiligen Anordnung am 3. Dezember 2015 ein Hauptsacheverfahren nach § 32 GWB noch nicht eingeleitet, mithin der Erlass einer auf § 32 a GWB gestützten einstweiligen Anordnung nicht zulässig.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Satz 1 GWB. Hiernach war das Bundeskartellamt mit dem weit überwiegenden Teil der Kosten als insoweit unterlegene Partei zu belasten. Die auf § 32 a GWB gestützten einstweiligen Anordnungen und die nach § 60 Nr. 1 GWB getroffenen Untersagungen bilden zwei verschiedene Streitgegenstände (vgl. BGHZ 147, 325, juris Rn. 17 - Ost-Fleisch), so dass das Amt allein schon deshalb mit der Hälfte der Kosten zu belasten war.

IV.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 74 Abs. 2 GWB besteht kein Anlass.

Weder war eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (§ 74 Abs. 2 Nr. 1 GWB), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 74 Abs. 2 Nr. 2 GWB). Die in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortete Frage, wann von einem Verstoß gegen das Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 GWB auszugehen ist, begründet keinen Zulassungsgrund. Entscheidungserheblich war vorliegend die nach allgemeinen Grundsätzen zu beantwortende Frage, ob zum Zeitpunkt der Erledigung der auf § 60 Nr. 1 GWB gestützten einstweiligen Anordnung ein Anordnungsgrund vorlag. Hierbei handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.

Prof. Dr. Kühnen Dr. Maimann Prof. Dr. Lohse

Rechtsmittelbelehrung:

Die Hauptsacheentscheidung kann nur aus den in § 74 Abs. 4 GWB genannten absoluten Rechtsbeschwerdegründen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf Antrag des Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Bundesgerichtshof einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die Nichtzulassungsschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.