OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.09.2017 - VII-Verg 9/17
Fundstelle
openJur 2019, 25917
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 10. Februar 2017 (VK 1-3/17) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB werden der Antragstellerin auferlegt.

Gründe

I. Die Antragsgegnerinnen, vertreten durch t. GmbH als Vergabestelle, haben mit EU-Bekanntmachung vom 08.11.2016 ein europaweites offenes Verfahren zum Abschluss von Rabattvereinbarungen nach § 130a Abs. 8 SGB V für insgesamt 40 nach Wirkstoffen gegliederte Fachlose eingeleitet. Streitbefangen ist Fachlos 37 (Tiotropiumbromid); bei diesem soll der Zuschlag an ein einziges Unternehmen erfolgen.

In den Vergabeunterlagen finden sich unter anderem folgende Regelungen:

Zuschlagskriterium ist der höchste angegebene Rabattsatz. Für den Fall, dass nach Prüfung und Wertung der Angebote mehrere Bieter einen identischen höchsten Rabattsatz angeboten haben, entscheidet das Los (Ziffer 2.9.2 der Vergabeunterlagen).

Angebote, die nicht mindestens einen Rabattsatz von 5 % bieten, werden von der Prüfung ausgeschlossen. Ziffer 2.8.2 der Vergabeunterlagen bestimmt hierzu:

"2.8.2 Gebot: Rabattsatz auf die vorgegeben Preisanker nach ApU

Basis für die abzugebenden Gebote sind die vorgegebenen Preisanker nach ApU sowie die hinter den einzelnen Artikeln stehenden Verordnungsmengen für den Zeitraum 01.07.2015 bis 30.06.2016.

Der Bewerber hat auf die Preisanker für die verschiedenen Artikel des Fachloses einen prozentualen Anteil anzubieten, der für alle vorgegebenen Preisanker der einzelnen Artikel des Fachloses gleich ist. Das Angebot umfasst somit alle im Fachlos aufgeführten Artikel bzw. Handelsformen.

Das Mindestgebot beträgt hierbei 5 %. Der Rabattsatz kann auf bis zu zwei Nachkommastellen angegeben werden. Angebote, die die genannte Voraussetzung nicht beinhalten, werden zwingend von der Prüfung ausgeschlossen.

Durch das Gebot in Form des prozentualen Rabattsatzes auf den Preisanker können fiktive Herstellerabgabepreise errechnet werden. Diese dienen als Grundlage für die spätere Berechnung des nach dem Rabattvertag zu errechnenden Rabattes."

Zudem behalten sich die Antragsgegnerinnen unter bestimmten Voraussetzungen die Aufhebung des Vergabeverfahrens vor, unter anderem, wenn sich "das Marktumfeld nicht so wie erwartet entwickelt und damit Verträge zu erwarten sind, welche (...) unwirtschaftlich werden" (Ziffer 2.11 der Vergabeunterlagen).

Die ausgeschriebene Rabattvereinbarung (RV) regelt zur Lieferfähigkeit, die der Auftragnehmer für die Dauer des Vertrags gewährleisten muss, dass "in Fällen höherer Gewalt" keine Lieferpflicht besteht (§ 3 Abs. 1 Satz 3 RV). Darüber hinaus enthält die Rabattvereinbarung unter anderem folgende Regelungen zu Vertragsstrafen (§ 10 RV) und einem Sonderkündigungsrecht der Antragsgegnerinnen (§ 12 RV):

"§ 10

Vertragsstrafe

(1) Bei schwerwiegenden oder wiederholten schuldhaften Vertragsverstößen können die Krankenkassen bzw. t. eine angemessene Vertragsstrafe festsetzen.

(2) Die Vertragsstrafe kann insbesondere bei folgenden Vertragsverstößen festgelegt werden:

(a) Lieferverzögerung oder -unfähigkeit,

(b) Verstoß gegen Verpflichtungen des pharmazeutischen Unternehmens zur Einhaltung des Datenschutzes,

(c) Verstoß gegen die Vertraulichkeitsverpflichtung.

(3) Im Fall einer Lieferverzögerung oder -unfähigkeit beträgt die Vertragsstrafe für jede vollendete Woche ab Beginn der Lieferverzögerung bzw. -unfähigkeit 0,5 % des Wertes des Teils der Leistung, welcher nicht genutzt werden kann, maximaximal jedoch 8 %. Der Wert des Teils der Leistung, welcher nicht genutzt werden kann, wird anhand der Menge, welche der pharmazeutische Unternehmer in einem dem Zeitraum der Lieferverzögerung bzw. -unfähigkeit entsprechenden Referenzzeitraum, in welchem volle Lieferfähigkeit bestand, abgegeben hat, berechnet. Grundlage der Berechnung ist der aktuell geltende ApU gemäß Lauertaxe.

(4) Die Vertragsstrafe beträgt mit Ausnahme der in Absatz 3 geschilderten Fälle der Lieferverzögerung und -unfähigkeit max. 50.000 EURO p.a..

(5) Die Krankenkassen bzw. t. können Ansprüche aus verwirkter Vertragsstrafe bis zur Jahresendabrechnung geltend machen.

(6) Der pharmazeutische Unternehmer hat den beteiligten Krankenkassen und t., unabhängig von einer Vertragsstrafe, den Schaden zu ersetzen, der durch die schuldhafte Vertragsverletzung entstanden ist. Jedoch wird eine Vertragsstrafe auf solche Schadensersatzansprüche angerechnet."

"§ 12

Sonderkündigungsrecht nach Wirtschaftlichkeitsprüfung

(1) Die Rabattvereinbarung kann von den Krankenkassen bzw. t. fachlosbezogen zum Ende des ersten Vertragsjahres gekündigt werden, wenn in Folge der in Absatz 2 geregelten Wirtschaftlichkeitsprüfung festgestellt wird, dass die durch die Ausschreibung erzielten Umsätze unwirtschaftlich sind.

(2) Die Wirtschaftlichkeitsprüfung wird von t. fachlosbezogen in den Vertragsmonaten 6, 7, 8 nach Vertragsbeginn erfolgen. Während dieses Zeitraums werden die aktuellen Apothekenverkaufspreise abzüglich der Herstellerabschläge gemäß § 130a Absatz 1-3b SGB V der drei preisgünstigsten Anbieter der den in Anlage 2 entsprechenden Artikel aus dem ABDA-Artikelstamm je Mengeneinheit ermittelt und dokumentiert. Falls bei einem Artikel nur drei oder weniger Arzneimittel den Kriterien gerecht werden, so wird der Apothekenverkaufspreis des preisgünstigsten Anbieters herangezogen. Diese aktuellen Apothekenverkaufspreise der preisgünstigsten Anbieter werden multipliziert mit den Verordnungen und Packungsgrößen der ersten drei Monate nach Vertragsbeginn, die von den Vertragspartnern des Fachloses bedient wurden. Der so berechnete fiktive Umsatz wird mit dem Ist-Umsatz (zu AVP) aller Vertragspartner dieses Fachloses verglichen. Wird nach der Beobachtungszeit festgestellt, dass der fiktive Umsatz mit den aktuellen Marktpreisen der Vertragsmonate 6, 7, 8 nach Vertragsbeginn unter dem Umsatz mit den Vertragspartnern abzüglich der Rabatte liegt, kann die Rabattvereinbarung von den Krankenkassen bzw. t. fachlosbezogen zum Ende des ersten Vertragsjahres gekündigt werden.

(3) Sollte die Verordnung der Vertragsarzneimittel während der Vertragslaufzeit aus einem anderen Grund unwirtschaftlich werden oder ist dies für einen Zeitraum innerhalb der Restlaufzeit absehbar, z.B. durch eine Aufnahme der betroffenen Wirkstoffe in die Anlage III der Arzneimittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses und einen dadurch bedingten Ausschluss aus der Erstattungsfähigkeit durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV), so kann die Rabattvereinbarung von den Krankenkassen bzw. t. fachlosbezogen zum Ende des ersten Vertragsjahres gekündigt werden.

(4) Die Kündigung nach den Absätzen 1 und 3 hat durch die Krankenkassen bzw. t. spätestens einen Monat vor Ablauf des ersten Vertragsjahres schriftlich zu erfolgen."

Mit Schreiben vom 14.12.2016 innerhalb der bis zum 15.12.2016 laufenden Angebotsfrist rügte die Antragstellerin die vorgenannten Regelungen. Sie ist der Auffassung, der Aufhebungsvorbehalt verstoße gegen § 63 Abs. 1 Satz 1 VgV sowie das Gebot eines fairen und diskriminierungsfreien Verfahrens im Sinne des § 97 GWB. Ein Aufhebungsvorbehalt sei im Grundsatz schon vergaberechtswidrig, jedenfalls halte sich die Regelung nicht im Rahmen des § 63 Abs. 1 Satz 1 VgV. Das Losverfahren sei nur zulässig, wenn eine objektive Auswahl nach qualitativen Kriterien unter gleich qualifizierten Angeboten nicht mehr möglich sei. Das Sonderkündigungsrecht der Antragsgegnerinnen beinhalte eine unangemessene Benachteiligung der Bieter in ihrer Kalkulationsfreiheit. Es verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Es gebe ein milderes Mittel in Form von Preisanpassungsklauseln. Die Vertragsstrafenregelung führe ebenfalls zu einer unangemessenen Benachteiligung der Bieter und beeinträchtige sie in ihrer Kalkulationsfreiheit. Ihr Wortlaut sei unklar im Hinblick auf die Frage, ob sie auch für nicht schuldhafte Verstöße gelte; insoweit sei die Regelung gemäß § 307 BGB unwirksam.

Nach Zurückweisung ihrer Rügen durch die Antragsgegnerinnen mit Schreiben vom 22.12.2016 hat die Antragstellerin am 06.01.2017 einen Nachprüfungsantrag angebracht.

Mit Schreiben vom 09.01.2017 informierte die t. GmbH die Antragstellerin, dass nicht ihr am 14.12.2016 fristgerecht eingereichtes Angebot, sondern dasjenige der "CH. GbR" den Zuschlag erhalten soll, weil der von der Antragstellerin angebotene Rabatt geringer ist als der Rabatt des mitgeteilten Bieters. Die Antragstellerin rügt insoweit mit Schriftsatz vor der Vergabekammer vom 19.01.2017, die Information sei entgegen § 134 GWB nicht unverzüglich, nämlich wie bei den übrigen Fachlosen am 23.12.2017, erfolgt. Zudem sei die Bieterinformation inhaltlich unzureichend, so hinsichtlich der Angabe, dass es sich um eine Bietergemeinschaft handelt und wie diese sich zusammensetzt; diese Informationen haben die Antragsgegnerinnen erst mit Schriftsatz vor der Vergabekammer vom 24.01.2017 erteilt.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen, hinsichtlich der Beanstandungen gegen den Aufhebungsvorbehalt und das Losverfahren sowie wegen des geltend gemachten Verstoßes gegen § 134 GWB mangels Antragsbefugnis als unzulässig, betreffend die Vertragsstrafenregelung und das Sonderkündigungsrecht der Antragsgegnerinnen als unbegründet. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, verbunden mit einem Antrag nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB.

Im Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin zudem den geforderten Mindestrabatt von ... % als einen unzulässigen Eingriff in die Preissetzungsfreiheit des Bieters beanstandet. Der öffentliche Auftraggeber dürfe nicht festlegen, welchen Preis der Bieter für seine Leistung zu fordern hat. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen vor der Vergabekammer. Sie beantragt,

1. Der Beschluss der Vergabekammer des Bundes vom 10.02.2017 - VK 1-3/17 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Beschwerdegegner bei der Ausschreibung des europaweiten Vergabeverfahrens 2016/S 215-391266 gegen Vergabevorschriften verstoßen haben und die Beschwerdeführerin hierdurch in ihren Rechten verletzt ist.

3. Den Beschwerdegegnern wird aufgegeben, die Vergaberechtsverstöße unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu beseitigen und das Vergabeverfahren unter Setzung einer neuen angemessenen Frist zur Angebotsabgabe in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen.

Hilfsweise: Den Beschwerdegegnern wird aufgegeben, das Vergabeverfahren zu beenden und bei fortbestehender Beschaffungsabsicht die nach der Rechtsauffassung des Gerichts geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Vergaberechtsverstöße zu treffen.

Höchst hilfsweise: Die Vergabekammer wird verpflichtet, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden."

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

die sofortige Beschwerde samt der Hilfsanträge zurückzuweisen.

Sie verteidigen unter Wiederholung und Vertiefung ihres Sachvortrags vor der Vergabekammer die angefochtene Entscheidung. Allerdings halten sie den Nachprüfungsantrag insgesamt für unzulässig. Es fehle hinsichtlich aller Rügen an der Antragsbefugnis. Die Rügen seien verspätet. Zudem fehle der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis. Sie strebe eine zeitliche Verschiebung des Zuschlags an, um dem C. J. Konzern, dem sie angehört und der derzeit neben weiteren Unternehmen aufgrund eines Open-House-Vertrags interimsweise den Wirkstoff Tiotropiumbromid liefert, noch für einen längeren Zeitraum eine höhere Vergütung zu sichern.

Die Beigeladene hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze und die Anlagen sowie auf die Verfahrensakten der Vergabekammer und die beigezogenen Vergabeakten Bezug genommen.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

1. Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig.

a) Allerdings ist er statthaft. Bei der ausgeschriebenen Rabattvereinbarung handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag, § 103 Abs. 1 u. 2 GWB. Der Schwellenwert, § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB, ist überschritten.

b) Jedoch ist die Antragstellerin nur bezüglich eines Teils der geltend gemachten Vergaberechtsverstöße antragsbefugt im Sinne des § 160 Abs. 2 GWB. Durch die Rüge vom 14.12.2016, die Abgabe eines Angebots und die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens hat die Antragstellerin ihr Interesse an dem Auftrag bekundet. Die weitere Voraussetzung, nämlich die Darlegung, dass ihr durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, ist hingegen nur teilweise erfüllt.

aa) Im Hinblick auf die Rügen betreffend den Aufhebungsvorbehalt und den Losentscheid fehlt die Antragsbefugnis. Auch wenn man die von der Antragstellerin auf der Grundlage ihres Sachvortrags gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen als richtig unterstellt, ist ausgeschlossen, dass ihr durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Für einen Schaden im Sinne des § 160 Abs. 2 GWB reicht schon die Möglichkeit aus, dass sich die Aussichten des den Nachprüfungsantrag stellenden Bieters infolge der Nichtbeachtung von Vergabevorschriften verschlechtern (BGH, Beschluss v. 10.11.2009, X ZB 8/09, juris Rn. 32; Beschluss v. 26.09.2006, X ZB 14/06, juris Rn. 32). So können vergaberechtswidrige Bestimmungen in den Vergabeunterlagen eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens gebieten, die an sich unterlegenen Bietern - wie hier der Antragstellerin, die nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat - eine "zweite Chance" zur Abgabe eines zuschlagsfähigen Angebots eröffnet. Jedoch müssen die Voraussetzungen der Zulässigkeit und Begründetheit eines Nachprüfungsantrags bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erfüllt sein. Dies ist hier nicht der Fall, vielmehr ist für beide Beanstandungen die Antragsbefugnis entfallen. Nach abgeschlossener Angebotswertung steht fest, dass bezüglich des Fachloses 37 weder das Vergabeverfahren wegen Unwirtschaftlichkeit aufgehoben werden soll noch ein Losentscheid in Betracht kommt, da nicht mehrere Bieter einen identischen höchsten Rabattsatz angeboten haben. Selbst wenn, wie die Antragstellerin geltend macht, die Regelungen zum Aufhebungsvorbehalt und zur Losvergabe vergaberechtswidrig wären, scheidet damit eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens aus.

Es kann auch ausgeschlossen werden, dass die beanstandeten Regelungen Einfluss auf die Angebotskalkulation der Antragstellerin hatten. Dies gilt zunächst für den Aufhebungsvorbehalt. Wie jeder Bieter musste die Antragstellerin bei der Kalkulation ihres Angebots damit rechnen, den Zuschlag nicht zu erhalten, sei es weil ein anderer Bieter ein wirtschaftlicheres Angebot unterbreitet, sei es weil der Auftraggeber die Ausschreibung aufhebt. Dieses Risiko ist - unabhängig davon, ob der Auftraggeber einen Aufhebungsvorbehalt in die Vergabeunterlagen aufnimmt oder nicht - jeder Ausschreibung immanent. Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 GWB ist der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich nicht verpflichtet, den Zuschlag zu erteilen. Ihn treffen allenfalls Schadensersatzansprüche, wenn keiner der Aufhebungsgründe des § 63 Abs. 1 VgV vorliegt oder er die Mitteilungspflicht des § 63 Abs. 2 VgV verletzt.

Ebenso kann ausgeschlossen werden, dass die Regelung über den Losentscheid Einfluss auf die Angebotskalkulation hatte, da die Bieter wiederum nur damit rechnen mussten, den Zuschlag ganz oder gar nicht zu erhalten. Allenfalls hätten die von der Antragstellerin vorgeschlagenen Alternativlösungen wie eine Teilung des Fachloses unter den besten Bietern oder die Vergabe im Mehr-Partner-Modell im Hinblick auf die damit verbundene, bei Angebotsabgabe nicht vorhersehbare Verringerung des Auftragsumfangs die Kalkulation der Bieter beeinflussen und erschweren können.

Für die Vertragsdurchführung selbst haben die Bestimmungen in Ziff. 2.11 und 2.9.2 der Vergabeunterlagen keine Relevanz, da sie sich allein auf das Vergabeverfahren beziehen.

bb) Hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des § 134 GWB fehlt ebenfalls die Antragsbefugnis gemäß § 160 Abs. 2 GWB. Zu Unrecht macht die Antragstellerin geltend, sie habe Anspruch auf Einhaltung sämtlicher bieterschützender Vergaberechtsvorschriften im Sinne des § 97 Abs. 6 GWB. Das Nachprüfungsverfahren dient nicht einer allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle. Die Regelung in § 160 Abs. 2 GWB, vormals § 107 Abs. 2 GWB a.F., kann vielmehr als eine besondere Ausformung des Rechtsschutzinteresses verstanden werden. Sie stellt eine amtswegig zu prüfende Sachentscheidungsvoraussetzung dar und erfordert kumulativ die Darlegung eines Interesses am Auftrag durch den Antragsteller, die Geltendmachung einer Verletzung des Antragstellers in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und die Darlegung eines durch die behauptete Rechtsverletzung beim Antragsteller (kausal) entstandenen oder drohenden Schadens, wobei die Darlegung eines Schadens für jeden einzelnen Vergaberechts Verstoß erforderlich ist. Ist eine Verschlechterung der Zuschlagschancen durch den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß offensichtlich ausgeschlossen, ist der Nachprüfungsantrag mangels Antragsbefugnis unzulässig. So liegt der Fall hier.

Wie die Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat, ist auszuschließen, dass sich die geltend gemachten Vergaberechtsverstöße, nämlich eine verspätete und unvollständige Bieterinformation, auf das Angebot der Antragstellerin und ihre Zuschlagschancen ausgewirkt haben können:

Allein ein Verstoß gegen die Vorabinformation vor Zuschlagserteilung gemäß § 134 GWB berührt nicht die Aussichten des Angebots, den Zuschlag zu erhalten (vgl. OLG München, Beschluss v. 31.01.2013, Verg 31/12, juris Rn. 55; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.10.2010, VII-Verg 47/10). Dies wird vorliegend dadurch bestätigt, dass die Antragstellerin selbst bei Anordnung der Erteilung einer ordnungsgemäßen Vorabinformation nicht ohne Weiteres den Zuschlag erhalten würde, weil ihr Angebot im Bieterwettbewerb nicht an der mangelhaften Vorabinformation, sondern am (einzigen) Zuschlagskriterium "Preis" gescheitert ist (vgl. zu solchen Sachverhaltskonstellationen OLG Düsseldorf, Beschluss v. 18.04.2012, VII-Verg 93/11, juris Rn. 29). Zudem wurden durch etwaige Fehler der Vorabinformationsschreiben auch nicht die Rechtsschutzmöglichkeiten der Antragstellerin beeinträchtigt, weil sie auch ohne Vorabinformation rechtzeitig einen Nachprüfungsantrag eingereicht hat. Die Antragstellerin trägt nichts dazu vor, was sie gegen die Beigeladene oder die Mitglieder dieser Bietergemeinschaft vorgebracht hätte, wenn die Vorabinformation früher erfolgt wäre oder eindeutigere und ausführlichere Angaben zur beigeladenen Bietergemeinschaft und ihren Mitgliedern enthalten hätte. Damit ist die Auffassung der Antragstellerin, dass bereits die fehlende oder fehlerhafte Vorabinformation grundsätzlich dazu führt, dass in dem betreffenden Vergabeverfahren kein Zuschlag ergehen darf (nicht einmal nach Abschluss des Nachprüfungsverfahrens), abzulehnen. Ein so weitgehender Eingriff in das Vergabeverfahren ist zur Wahrung der Rechte eines Bieters nicht erforderlich und daher nicht von den Eingriffsbefugnissen der Vergabenachprüfungsinstanzen nach § 168 Abs. 1 GWB gedeckt.

Die Antragsbefugnis wegen eines etwaigen Verstoßes der Antragsgegnerinnen gegen § 134 GWB ist auch nicht deshalb zu bejahen, weil die Antragstellerin bei Zurückversetzung des Vergabeverfahrens erneut ein Angebot abgeben könnte, mit dem sich ihre Zuschlagschancen verbesserten. Denn auf die Zuschlagschancen eines Antragstellers in einem künftigen Vergabeverfahren kommt es für den Erfolg seines Nachprüfungsantrags nur dann an, wenn der Auftraggeber wegen eines Vergabefehlers, der sich auf das Angebot selbst und dessen Zuschlagschancen ausgewirkt hat, das Vergabeverfahren zurückversetzen und der Antragsteller eine "zweite Chance" erhalten muss, ein neues Angebot abzugeben (vgl. nur BGH, Beschluss v. 26.09.2006, X ZB 14/06, juris Rn. 30 ff.). Wie bereits festgestellt, ist eine solche Zurückversetzung des Vergabeverfahrens jedoch allein wegen eines fehlerhaften Vorabinformationsschreibens nicht erforderlich, da dessen Fehlerhaftigkeit keine Auswirkungen auf die Erstellung des Angebots haben kann. Hinzu kommt Folgendes: Wenn ein öffentlicher Auftraggeber wegen einer fehlenden oder fehlerhaften Vorabinformation zur endgültigen Deckung seines Beschaffungsbedarfs stets eine neue Ausschreibung durchführen müsste, könnte ein Bieter, der auch bei einer ordnungsgemäßen Vorabinformation zu Recht keine Aussicht auf den Zuschlag gehabt hätte (wie hier aufgrund ihres höheren Preises möglicherweise die Antragstellerin) seine Position verbessern, indem er in dem neuen Vergabeverfahren ein geändertes Angebot vorlegt. Der Schutz solcher Interessen ist jedoch nicht vom Nachprüfungsverfahren gedeckt; dies soll nur einem zu Unrecht nicht berücksichtigten Bieter zu einer ordnungsgemäßen Wertung und gegebenenfalls zum Zuschlag verhelfen (so auch OLG München, Beschluss v. 31.01.2013, Verg 31/12, juris Rn. 55).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Antragstellerin angesprochenen Feststellungsinteresse in einem Verfahren nach § 135 GWB. Auch dieses liegt nicht bereits dann vor, wenn sich der Antragsteller auf einen Verstoß im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 134 GWB berufen kann. Vielmehr muss der Antragsteller darüber hinaus geltend machen können, den Auftrag im Fall einer Unwirksamkeit des abgeschlossenen Vertrages noch erlangen zu können (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 18.04.2012, VII-Verg 93/11, juris Rn. 29).

Diesen zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer schließt der Senat sich an.

cc) Hinsichtlich der Regelungen im abzuschließenden Rabattvertrag zur Vertragsstrafe und zum Sonderkündigungsrecht der Antragsgegnerinnen ist die Antragsbefugnis gemäß § 160 Abs. 2 GWB hingegen zu bejahen, da sich die Antragstellerin unter anderem auf die Unzumutbarkeit einer für den Bieter oder Auftragnehmer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation beruft. Wären die Vergabeunterlagen fehlerhaft, erhielte die Antragstellerin damit Gelegenheit, ein neues, ihres Erachtens besser kalkuliertes und damit zuschlagsfähigeres Angebot abzugeben.

dd) Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt, soweit sie die Vorgabe eines Mindestrabatts von 5 % beanstandet; insoweit macht sie einen unzulässigen Eingriff in die Preissetzungsfreiheit der Bieter geltend mit der Folge, dass bei Vergaberechtswidrigkeit der Bestimmung das Vergabeverfahren zurückzuversetzen wäre.

c) Der Nachprüfungsantrag ist insoweit auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Rügeobliegenheit des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder 3 GWB unzulässig.

aa) Dies gilt zunächst für die Beanstandung der Vertragsstrafenregelung und des Sonderkündigungsrechts der Antragsgegnerinnen.

(1) Ein Verstoß gegen § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB - Rüge von Verstößen gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind -, kommt nicht in Betracht, da die Rügen bereits am 14.12.2016 und damit innerhalb der bis zum 15.12.2016 laufenden Angebotsfrist erhoben wurde.

(2) Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Antragstellerin diesbezüglich im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB einen Vergaberechtsverstoß erkannt und nicht innerhalb von zehn Kalendertagen gerügt hätte. Die - darlegungs- und beweisbelasteten - Antragsgegnerinnen haben den Vortrag der Antragstellerin, sie habe erst nach Hinzuziehung eines Rechtsanwalts am 08.12.2016 erkannt, dass die Antragsgegnerinnen durch Verwendung der beanstandeten Vertragsbestimmungen vergaberechtswidrig gehandelt haben, nicht widerlegt. Ihr Sachvortrag, die Mitarbeiter Herr T. und Frau L., die personenidentisch nicht nur für den C. J. Konzern, sondern auch die Antragstellerin tätig sind, hätten sich - für den Konzern - schon am 08.11.2016 auf der Vergabeplattform registriert, lässt keinen Schluss auf eine Kenntnis der Antragstellerin von einem Vergaberechtsverstoß zu. Voraussetzung ist die positive Kenntnis aller tatsächlichen Tatumstände, aus denen die Beanstandung im Nachprüfungsverfahren abgeleitet wird, sowie die zumindest laienhafte rechtliche Wertung, dass sich aus ihnen eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren ergibt (vgl. BGH, Beschluss v. 26.09.2006, X ZB 14/06, juris Rn. 35). Für eine zumindest laienhafte Erkenntnis der Mitarbeiter T.und L., dass derartige Regelungen aus Rechtsgründen nicht vereinbart werden dürfen, liegen keine Anhaltspunkte vor.

Es steht darüber hinaus nicht fest, dass der Syndikusanwalt des C. J. -Konzerns I.Ib. entsprechende Kenntnis gehabt hätte. Die Antragsgegnerinnen berufen sich insoweit allein auf seine Angabe über Kenntnisse im Vergaberecht auf dem Internetportal LinkedIn. Dies ist indes kein hinreichendes Indiz für eine Kenntnis von einem Vergaberechtsverstoß. Die Erwähnung vergaberechtlicher Kenntnisse auf einem - der beruflichen Vernetzung dienenden - Internetportal, noch dazu an untergeordneter Stelle zusammen mit Kenntnissen in "Public (Regulatory) Law / Öffentliches Recht, Environmental Law / Umweltrecht, Data Privacy Law / Datenschutzrecht, Compliance, Vergabe- und Beihilfenrecht, Bergrecht, Pharmarecht, Energierecht, Telekommunikationsrecht, Verfassungsrecht, Baurecht, Fusionen und Übernahmen" lässt keinen Rückschluss auf den Umfang der vergaberechtlichen Expertise des Syndikusanwalts des Konzerns zu. Überdies haben die Antragsgegnerinnen im Beschwerdeverfahren nicht einmal vorgetragen, dass der Syndikusanwalt mit der Prüfung der Vergabeunterlagen befasst gewesen wäre. Für das Gegenteil spricht die Beauftragung anderweitiger Verfahrensbevollmächtigter durch die Antragstellerin.

bb) Hinsichtlich der erst im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 06.07.2017 beanstandeten Vorgabe eines Mindestrabatts von 5 % liegt ebenfalls kein Verstoß gegen die Rügeobliegenheit vor. Dafür, dass die Antragstellerin oder ihre Verfahrensbevollmächtigten einen hierin liegenden Vergaberechtsverstoß im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB bereits zu einem früheren Zeitpunkt als der Vorbereitung des Schriftsatzes vom 06.07.2017 erkannt hätten, bestehen keine Anhaltspunkte. Der Nachprüfungsantrag ist insoweit auch nicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB unzulässig, da eine Erkennbarkeit des geltend gemachten Verstoßes in den Vergabeunterlagen zu verneinen ist. Für die Frage der Erkennbarkeit ist mit Rücksicht auf die Zielsetzung des Gesetzes, effektiven Bieterschutz zu gewähren und diesen nicht einzuschränken, ein objektiver Maßstab anzulegen. Hiernach ist auf einen durchschnittlich fachkundigen, die übliche Sorgfalt anwendenden Bieter abzustellen (EuGH, Urteil v. 12.03.2015, C-538/13, Rn. 55, 58). Für die Erkennbarkeit ist danach erforderlich, dass ein sorgfältig handelndes Unternehmen, das mit den wichtigsten Regeln der öffentlichen Auftragsvergabe vertraut ist, den Vergabeverstoß erkennen kann, ohne besonderen Rechtsrat einzuholen zu müssen (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 21.12.2012 , 15 Verg 10/12, juris Rn. 67). Eine Rügepräklusion kommt daher nur bei auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhenden und ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 04.02.2013, VII-Verg 31/12, juris Rn. 39; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.08.2011, VII-Verg 16/11, juris Rn. 44). Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter auffallen muss. Von einem Bieter ist dabei zwar zu erwarten, dass er einen Vergaberechtsverstoß erkennt, der sich durch bloßes Lesen der einschlägigen Normen und einen Vergleich mit dem Text der Vergabeunterlagen ohne Weiteres feststellen lässt; eine umfassende Kenntnis der dem Verfahren zugrunde liegenden Vergabeordnung ist von den Teilnehmern eines Vergabeverfahrens aber richtigerweise nicht zu erwarten. Insbesondere muss ein Bieter nach zutreffender Auffassung nicht die Literatur oder vergaberechtliche Rechtsprechung zu den Vergabeordnungen und dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen kennen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 15.07.2008, 11 Verg 4/08, juris Rn. 50 ff., und Beschluss v. 10.06.2008, 11 Verg 3/08, juris Rn. 50 ff.), die Vergabeunterlagen gewissermaßen routinemäßig auf etwaige Rechtsverstöße überprüfen oder sie durch Einholung externen Rechtsrats auf das Vorliegen von Vergabefehlern prüfen lassen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 18.10.2006, VII-Verg 35/06, juris Rn. 28). Er muss weder Nachforschungen noch Prüfungen anstellen, um sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Kenntnis von einem Rechtsverstoß zu verschaffen (OLG München, Beschluss v. 23.06.2009, Verg 8/09, juris Rn. 38; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 16.02.2005, Verg 74/04, juris Rn. 46). Erkennbar in rechtlicher Hinsicht sind Vergaberechtsverstöße, wenn die Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen wurde, zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise gehören (OLG München, Beschluss v. 22.10.2015, Verg 5/15, juris Rn. 43; zum Vorstehenden insgesamt OLG Düsseldorf, Beschluss v. 01.06.2016, VII-Verg 6/16, juris Rn. 36 mwN).

Hiervon ausgehend ist von einem durchschnittlich fachkundigen, die übliche Sorgfalt anwendenden Bieter nicht zu erwarten, die geltend gemachte Unzulässigkeit der Vorgabe eines Mindestrabatts zu erkennen.

d) Der Nachprüfungsantrag vom 06.01.2017 ist rechtzeitig, nämlich innerhalb der 15-tägigen Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB ab Nichtabhilfemitteilung der Antragsgegnerinnen mit Schreiben vom 22.12.2016, angebracht worden.

e) Der Antragstellerin ist auch nicht wegen rechtsmissbräuchlichen Vorgehens der Rechtsschutz zu versagen. Das prozessuale Rechtsmissbrauchsverbot besagt vor allem, dass prozessuale Handlungen nicht zu verfahrensfremden Zwecken, insbesondere nicht dazu eingesetzt werden dürfen, ein gerichtliches oder gerichtsähnliches Verfahren zu außerhalb seiner selbst stehenden Zielen zu missbrauchen (vgl. u.a. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, Einleitung Rn. 57). Ist - die Richtigkeit seines Vortrags unterstellt - die Rechtsposition des Klägers oder Antragstellers objektiv betrachtet jedoch schutzwürdig, darf das Recht auf Entscheidung über den geltend gemachten subjektiven Anspruch jedenfalls im Prinzip nicht dadurch entwertet werden, dass unter Hinweis auf einen Rechtsmissbrauch das Rechtsschutzbedürfnis verneint wird (OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschlüsse v. 29.07.2015, VII-Verg 5/15 und 6/15, jeweils juris Rn. 16; Beschluss v. 28.09.2016, VII-Verg 9/16, juris Rn. 9). So liegt der Fall hier. Die Antragstellerin verfolgt mit dem Nachprüfungsantrag eigene Auftragsinteressen. Dass diese zugunsten vergaberechtsfremder Ziele - nämlich der ihr unterstellten, zweckgerichteten Absicht, eine Zuschlagserteilung an die Beigeladene zu verzögern, damit der Konzern, dem sie angehört, länger vom höheren Preisniveau der Interimsvergabe profitiert - in den Hintergrund treten, die Antragstellerin also allein destruktive Ziele verfolgen würde (vgl. hierzu Vergabesenat, Beschlüsse v. 10.04.2013, VII-Verg 45/12 und 46/12, jeweils juris Rn. 17 mwN), ist nicht festzustellen.

2. Soweit er zulässig ist, ist der Nachprüfungsantrag jedoch nicht begründet.

a) Die Festlegung eines anzubietenden Mindestrabatts in Höhe von 5 % in Ziffer 2.8.2 der Vergabeunterlagen ist nicht unzulässig. Unter Bezugnahme auf einen Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 11.05.2017 (VK 2 - 48/17) vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dem öffentlichen Auftraggeber obliege es, die zu beschaffende Leistung zu definieren. Abgesehen vom Ausnahmefall des § 58 Abs. 2 Satz 2 VgV sei es ihm aber verwehrt, die von ihm zu erbringende Gegenleistung, den Preis, vorzugeben. Für den Fall, dass im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VgV kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt wird, sei er auf eine Aufhebung des Vergabeverfahrens zu verweisen.

Der Senat teilt diese Auffassung nicht. Bei der Vorgabe eines Mindestrabatts, hier in Höhe von 5 %, handelt es sich um eine vergaberechtlich im Grundsatz nicht zu beanstandende Kalkulationsvorgabe. Derartige Kalkulationsvorgaben beschränken zwar die Kalkulationsfreiheit der Bieter und "kanalisieren" in gewissem Umfang auch den Preiswettbewerb, beruhen jedoch auf der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers hinsichtlich der Regularien des Vergabeverfahrens. Zudem begrenzen sie die Spekulationsmöglichkeiten der Bieter und fördern insoweit die Chancengleichheit bei der Bewerbung um den Auftrag. Wie sonstige Festlegungen des Auftraggebers in den Vergabeunterlagen auch unterliegen sie nur dem Gebot der Eindeutigkeit und Bestimmtheit (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 14.11.2012, VII-Verg 42/12, juris Rn. 42; vgl. insoweit auch BGH, Urteil v. 01.08.2006, X ZR 115/04, juris; OLG München, Beschluss v. 24.05.2006, Verg 10/06, juris; OLG Rostock, Beschluss v. 08.03.2006, 17 Verg 16/05, juris, mwN). Zudem darf die Forderung nach der Einhaltung bestimmter Kalkulationsvorgaben bei den Preisangaben den Bieter nicht unzumutbar belasten (OLG Frankfurt, Beschluss v. 11.10.2016, 11 Verg 13/16, juris Rn. 41 mwN; vgl. zum Vorstehenden insgesamt OLG Düsseldorf, Beschluss v. 28.06.2017, VII-Verg 24/17).

Diesen Anforderungen genügt die Vorgabe eines Mindestrabatts von 5 % durch die Antragsgegnerinnen. Zweifel an der hinreichenden Transparenz und Bestimmtheit der Regelung in Ziffer 2.8.2 der Vergabeunterlagen liegen nicht vor und werden auch nicht geltend gemacht.

Der von den Antragsgegnerinnen geforderte Mindesterstattungsbetrag von 5 % stellt auch keine unzumutbare Belastung für die Bieter dar. Dies zeigt allein der Umstand, dass nicht nur die Antragstellerin, sondern auch andere Bieter Angebote abgegeben haben und die angebotenen Rabattsätze ein Vielfaches über der Mindestvorgabe von 5 % lagen.

b) Auch die Regelungen über die Vertragsstrafe (§ 10 RV) und das Sonderkündigungsrecht der Antragsgegnerinnen (§ 12 RV) sind vergaberechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Vertragsklauseln wie die vorgenannten Regelungen in den ausgeschriebenen Rabattvereinbarungen werden von den Vergabenachprüfungsinstanzen grundsätzlich nicht auf ihre zivilrechtliche Wirksamkeit geprüft, da sie sind keine Bestimmungen über das Vergabeverfahren im Sinne des § 97 Abs. 6 GWB sind. Außerhalb des Vergabeverfahrens und des Anwendungsbereichs vergaberechtlicher Vorschriften liegende Rechtsverstöße sind im Vergabenachprüfungsverfahren grundsätzlich nicht zu überprüfen. Sie können ausnahmsweise nur dann zum Gegenstand eines solchen Verfahrens gemacht werden, wenn es eine vergaberechtliche Anknüpfungsnorm gibt, die im Nachprüfungsverfahren entscheidungsrelevant ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.08.2008, VII-Verg 42/07, juris Rn. 22; Beschluss v. 19.10.2015, VII-Verg 30/13, juris Rn. 59; jeweils mwN).

Eine solche Anknüpfungsnorm war das in § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A 2006 normierte Verbot, dem Auftragnehmer ein ungewöhnliches Wagnis aufzubürden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Nach dem Wegfall dieses Verbots können Vertragsklauseln nur noch unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit einer für den Bieter oder Auftragnehmer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation beanstandet werden (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.04.2013, VII-Verg 50/12, juris Rn. 37; Beschluss v. 18.04.2012, VII-Verg 93/11, juris Rn. 20), wobei hier dahinstehen kann, ob dies aus dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben oder dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz herzuleiten ist.

Ausgehend von dem vorgenannten Prüfungsmaßstab bestehen keine vergaberechtlichen Bedenken gegen die Vertragsstrafenregelung. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Regelung in § 10 des Musterrabattvertrags nicht unklar. Die Formulierung "bei schwerwiegenden oder wiederholten schuldhaften Vertragsverstößen" ist aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven, branchenkundigen Bieters (§§ 133, 157 BGB; vgl. BGH, Urteil v. 10.06.2008, X ZR 78/07, juris Rn. 10 mwN) dahin auszulegen, dass allein schuldhafte Vertragsverstöße geahndet werden sollen. Dem Wortlaut nach bezieht sich das Adjektiv schuldhaft sowohl auf schwerwiegende als auch auf wiederholte Vertragsverstöße, da es sich anderenfalls beim Begriff der wiederholten schuldhaften Vertragsverstöße um eine Aufzählung handeln würde, die durch ein Komma abzutrennen wäre. Fehlt dieses Komma, bezieht sich die Konjunktion "oder" auf die Alternative schwerwiegend oder wiederholt, jeweils bezogen auf schuldhafte Vertragsverstöße.

Bei diesem Verständnis ist den Bietern eine vernünftige kaufmännische Kalkulation in Anbetracht der Vertragsstrafenregelung nicht unzumutbar. Ihnen ist zuzumuten, gewisse Preis- und Kalkulationsrisiken, namentlich solche, die ihnen typischerweise ohnehin obliegen, zu tragen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.04.2013, VII-Verg 50/12, juris Rn. 37; Beschluss v. 18.04.2012, VII-Verg 93/11, juris Rn. 20). Zu solchen Risiken gehört auch das der Verwirkung einer Vertragsstrafe. Den Bietern ist möglich und zumutbar, abzuschätzen, ob und in welchem Umfang es zur Verwirkung einer Vertragsstrafe kommen kann, und dieses Risiko in ihrer Kalkulation entsprechend zu berücksichtigen.

bb) Die Regelung über das Sonderkündigungsrecht der Antragsgegnerinnen (§ 12 RV) ist ebenfalls nicht vergaberechtswidrig.

Sie verstößt zunächst nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der durch das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz Eingang in § 97 Abs. 1 Satz 2 GWB gefunden hat. Insbesondere scheitert sie nicht daran, dass die Antragsgegnerinnen eine Preisanpassungsklausel als milderes Mittel hätten wählen müssen. Hierbei kann offen bleiben, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einen eigenständigen Regelungsinhalt hat und § 97 Abs. 1 Satz 2 GWB selbst insoweit als bieterschützende Norm anzusehen ist oder ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz weiterhin nur über die jeweils individuellen Regelungen des Vergaberechts Anwendung findet. In keinem Fall findet eine Überprüfung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen dahingehend statt, welche Vertragsklausel zur Erreichung des angestrebten Zwecks das mildere Mittel wäre. Der verwaltungsrechtliche Prüfungsmaßstab, dem zufolge eine Maßnahme, insbesondere ein hoheitlicher Eingriff in die Rechte Privater, nur dann verhältnismäßig ist, wenn die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen ist, ist auf die Beschaffung durch den öffentlichen Auftraggeber nicht uneingeschränkt übertragbar. Dem öffentlichen Auftraggeber kommt ein Bestimmungsrecht bei der Festlegung des Beschaffungsbedarfs zu, aufgrund dessen er eine weitgehende Gestaltungsfreiheit in Bezug auf die Vertrags- und Auftragsbedingungen genießt. Hiermit wären Vorgaben wie diejenige, anstelle eines Sonderkündigungsrechts eine Preisanpassungsklausel zu wählen, nicht zu vereinbaren.

Auch im Übrigen ist die Bestimmung über das Sonderkündigungsrecht nicht als unverhältnismäßig zu tadeln. Für ein Sonderkündigungsrecht spricht zunächst der Wettbewerbsgrundsatz, denn bei einer Sonderkündigung des Rabattvertrags wird die Vergabe des Auftrags wieder dem Wettbewerb zugeführt. Das Sonderkündigungsrecht dient zudem insbesondere dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Im Sinne einer ressourcenschonenden Beschaffung ist zu vermeiden, dass der öffentliche Auftraggeber aufgrund geschlossener Rabattverträge Preise zahlt, die über denen des Marktes liegen, anstatt Einsparungen zu generieren. In der Abwägung sind diese Gründe gewichtiger als der Grundsatz des pacta sunt servanda und der Kalkulationssicherheit für die Bieter oder Auftragnehmer. Der Rechtsordnung ist eine Vertragsbeendigung bei der Veränderung wesentlicher Vertragsgrundlagen nicht fremd. So kann bei einer Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB unter anderem eine Anpassung oder Kündigung des Vertrags in Betracht kommen. Das Sonderkündigungsrecht führt insoweit nicht zu einer unzulässigen Veränderung der Risikoverteilung.

Durch das Sonderkündigungsrecht wird den Bietern oder Auftragnehmern auch eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation nicht unzumutbar erschwert. Angeboten bei Rahmenvereinbarungen wohnen - in der Natur der Sache liegend und abhängig vom in der Regel ungeklärten und nicht abschließend klärbaren Auftragsvolumen - erhebliche Kalkulationsrisiken inne, die typischerweise vom Bieter zu tragen sind (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.04.2013, VII-Verg 50/12, juris Rn. 37). Die streitbefangene Regelung, die den Bietern das Risiko aufbürdet, dass der auf zwei Jahre angelegte Vertrag ausnahmsweise wegen veränderter Umstände, nämlich einer Veränderung der Marktverhältnisse im Beobachtungszeitraum des sechsten bis achten Vertragsmonats, vorzeitig zum Ablauf des ersten Vertragsjahres gekündigt wird, erhöht die üblichen Kalkulationsrisiken. Gemäß § 103 Abs. 5 GWB ist in der Rahmenvereinbarung der Vertragszeitraum festzulegen. Der Zeitraum, über den hinweg ein Leistungsabruf aus dem Rahmenvertrag möglich ist, stellt im Hinblick auf die Vorhaltekosten eine wesentliche Kalkulationsgrundlage für die Bieter dar. Das Risiko einer Laufzeitverkürzung aufgrund veränderter Marktumstände darf den Bietern nur jedoch aufgebürdet werden, wenn sie dieses Risiko in zumutbarer Weise, etwa durch Marktkenntnisse und -erfahrungen abschätzen und bei ihrer Kalkulation berücksichtigen können (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.04.2013, VII-Verg 50/12, juris Rn. 31; Beschlüsse v. 30.01.2012, VII-Verg 102/11 und 103/11).

Im Streitfall war den Bietern eine derartige Risikoabschätzung möglich und zumutbar. Nachdem im Frühjahr 2016 das Patent der Antragstellerin für den ausgeschriebenen Wirkstoff ausgelaufen war, hatten die Bieter zwischen diesem Zeitpunkt und dem Ende der Angebotsfrist über mehrere Monate Gelegenheit, die hieraus resultierenden Marktveränderungen, namentlich den Marktzutritt von Generika-Anbietern und die Preisentwicklung zu beobachten. Letztere ist bereits anhand der jeweils zum 1. und 15. eines Monats aktualisierten Lauer-Taxe unschwer zu verfolgen. Aufgrund ihrer Marktkenntnisse und -erfahrungen war es den Bietern damit möglich und zumutbar, das Risiko einzuschätzen, dass innerhalb von sechs bis acht Monaten nach Vertragsschluss ein rapider Preisverfall eintritt, der die Marktpreise unter das Preisniveau des Rabattvertrags fallen lässt und ein Sonderkündigungsrecht der Antragsgegnerinnen begründet. Diesem Risiko konnten Sie - in Kenntnis ihrer eigenen Margen - dadurch begegnen, dass sie selbst so preisgünstig anbieten, dass es nicht zu einem Sonderkündigungsrecht kommt. Im Übrigen hat sich die Antragstellerin lediglich pauschal auf die Unzumutbarkeit einer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation berufen ohne dies näher zu begründen.

3. Die Schriftsätze der Antragsgegnerinnen vom 07.08.2017 und der Antragstellerin vom 03.08.2017 geben keine Veranlassung, entsprechend § 156 ZPO die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 175 Abs. 2, 78 GWB.

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