SG Aachen, Urteil vom 15.07.2016 - S 6 R 800/15
Fundstelle
openJur 2019, 25655
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid vom 08.06.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2015 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme eines Rentenbescheides und die Rückforderung von Rentenleistungen.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger war als Gemeindeamtsrat tätig. Seit dem 01.08.1983 befand er sich im Ruhestand und erhielt Versorgungsbezüge der Rheinischen Versorgungskassen L. in Form eines Ruhegehaltes. Nachdem seine Ehefrau L. Q. (geb. 00.00.0000) am 00.00.0000 verstorben war, beantragte der Kläger unter dem 28.10.1993 Witwerrente. Im Antragsformular hatte der Kläger die Frage unter Punkt 5.8. ("Haben sie Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen aus einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis oder Arbeitsverhältnis?") mit "Ja" angekreuzt und das Aktenzeichen der Rheinischen Versorgungskassen L. angegeben. Im unter dem 02.11.1993 ausgefüllten Antragsvordruck für die Krankenversicherung der Rentner hatte er ferner unter Angabe des Aktenzeichens der Rheinischen Versorgungskassen L. auf seine Versorgungsbezüge hingewiesen. Mit Bescheid vom 10.01.1994 bewilligte die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger große Witwenrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau in Höhe von monatlich 318,84 Deutsche Mark (DM). Die Versorgungsbezüge des Klä-gers gelangten hierbei nicht zur Anrechnung. Der Bescheid enthielt auf Seite 3 unter der Rubrik "Mitteilungspflichten" folgenden Hinweis:

"Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen können Einfluß auf die Rentenhöhe haben. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen, das sind

- Arbeitsentgelt - Einkommen aus selbständiger Tätigkeit - Vergleichbares Einkommen

oder von Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen.

Erwerbsersatzeinkommen sind, auch als Kapitalleistung oder Abfindung, folgende Leistungen:

- Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Mutterschaftsgeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld, Arbeitslosengeld, Konkursausfallgeld und vergleichbare Leistungen, - Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, - Altersgeld und vorzeitiges Altersgeld der Altershilfe für Landwirte, - Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, - Leistungen nach § 10 Abs. 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes, - Ruhegehalt sowie Unfallruhegehalt und vergleichbare Bezüge aus einem öffentlichrechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, - Rente von öffentlichrechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen, - Berufsschadensausgleich, - Vorstehende Leistungen, wenn sie von einem Träger im Ausland erbracht werden.

( )"

Nachdem die Beklagte Kenntnis von den Versorgungsbezügen des Klägers erlangt hatte, forderte sie bei den Rheinischen Versorgungskassen eine Aufstellung der Bruttobezüge des Klägers an. Unter dem 22.01.2015 teilte sie dem Kläger mit, sie beabsichtige, den Bescheid vom 10.01.1994 mit Wirkung ab dem 01.06.1993 zurück zu nehmen, die laufende Rentenzahlung einzustellen und für die Zeit vom 01.09.1993 bis 31.01.2015 eine Überzahlung in Höhe von 49.048,85 Euro zurück zu fordern. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe erkennen müssen, dass sein Ruhegehalt nicht auf die Witwerrente angerechnet worden war. Unter Anrechnung jenes Einkommens ergebe sich kein Rentenanspruch. Mit Bescheid vom 08.06.2015 nahm die Beklagte den Bescheid vom 10.01.1994 zurück und forderte vom Kläger für die Zeit vom 01.06.1993 bis 31.07.2015 überzahlte Rentenleistungen in Höhe von 31.039,35 Euro zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe in grob fahrlässiger Weise nicht erkannt, dass sein Ruhegehalt keine Berücksichtigung gefunden habe. Im Rahmen des Ermessens habe die Beklagte ein Mitverschulden des Rentenversicherungsträgers zu berücksichtigen. Deshalb werde die ermittelte Gesamtrückforderung von 49.048,85 Euro auf den Betrag von 31.039,35 Euro reduziert. Der Kläger legte am 07.07.2015 Widerspruch ein und führte aus, der Vorwurf grober Fahrlässigkeit sei unzutreffend. Die Fehlerhaftigkeit des seinerzeitigen Rentenbescheides falle allein in den Verantwortungsbereich der Beklagten. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2015 unter Vertiefung ihrer bisherigen Ausführungen zurück.

Hiergegen richtet sich die am 14.10.2015 erhobene Klage.

Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 08.06.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide beschweren den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil sie rechtswidrig sind.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2015 ist § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ? Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X).

Die formellrechtlichen Voraussetzungen für die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes sind erfüllt. Insbesondere ist der nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderlichen Anhörung dadurch genüge getan worden, dass die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 22.01.2015 darüber informiert hat, dass sie beabsichtigt, den Bescheid vom 10.01.1994 zurück zu nehmen und eine Überzahlung in Höhe von 49.048, 85 Euro zurückzufordern und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat.

Der Bescheid vom 08.06.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2015 erweist sich jedoch als materiell rechtswidrig, soweit die Beklagte den Bescheid vom 10.01.1994 mit Wirkung für die Vergangenheit zurück genommen hat (dazu sogleich). Überdies ist der Bescheid vom 08.06.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2015 auch wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig, soweit die Beklagte darüber hinaus eine Rücknahme des Bescheides vom 10.01.1994 mit Wirkung für die Zukunft ausgesprochen hat (dazu sodann).

Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB X sind in Bezug auf den zurück genommenen Bescheid vom 10.01.1994 erfüllt. Bei diesem Bescheid handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt, der bereits bei seinem Erlass rechtswidrig war. Denn dieser Bescheid gewährte dem Kläger eine große Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau ohne Berücksichtigung des bereits seit 1983 bezogenen Ruhegehalts. Das Ruhegehalt des Klägers war als Erwerbsersatzeinkommen aufgrund materiellrechtlichen Vorschriften (§ 18a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 18b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch ? Allgemeine Vorschriften für die Sozialversicherung [SGB IV]) auf die ihm zuerkennte Witwerrente anzurechnen. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 10.01.1994 ergibt sich damit aus der Nichtberücksichtigung des erzielten Erwerbsersatzeinkommens, das zu einem niedrigeren Anspruch des Klägers auf Witwerrente geführt bzw. diesen gänzlich entfallen lassen hätte und zwar in dem von der Beklagten unter zutreffender Anwendung von §§ 18a ff. SGB IV i.V.m. § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr.1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch ? Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) errechneten Umfang. Wegen des zu Grunde gelegten Einkommens des Klägers und der hieraus resultierende Minderung seines Rentenanspruchs verweist die Kammer auf die zutreffende Berechnung der Beklagten im Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 08.06.2015 (Anlage 1, Seiten 1 bis 22 und Anlage 8, Seiten 1 bis 25), der sie sich nach eigener Prüfung anschließt.

Jedoch war die Beklagte nicht berechtigt, den Bescheid vom 10.01.1994 mit Wirkung für die Vergangenheit zurück zu nehmen, weil die Voraussetzungen des § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X nicht vorliegen. Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 SGB X zurück genommen werden.

Ein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X ist in der vorliegenden Konstellation nicht gegeben. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X liegen offensichtlich nicht vor. Denn der Kläger hat den Bescheid vom 10.01.1994 nicht durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt. Auch beruht der Bescheid vom 10.01.1994 nicht auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Denn er hat auf das von ihm bezogene Ruhegehalt unter Mitteilung des Aktenzeichens der Rheinischen Versorgungskassen im Rentenantrag und im Antrag für die Krankenversicherung der Rentner hingewiesen. Dass er das von ihm bezogene Ruhegehalt im Rentenantrag unzutreffenderweise unter den Begriff "Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften" subsumiert hat, kann ihm nicht zu Nachteil gereichen. Entscheidend ist, dass er auf von ihm bezogenes Erwerbsersatzeinkommen unter Angabe des Aktenzeichens der Rheinischen Versorgungskassen hingewiesen hat.

Entgegen der Auffassung der Beklagten indessen liegt auch kein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor. Eine positive Kenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 10.01.1994 vermag die Kammer auszuschließen. Eine solche wird auch von der Beklagten nicht geltend gemacht. Der Kläger hat jedoch auch nicht die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 10.01.1994 infolge grober Fahrlässigkeit verkannt.

Grob fahrlässig handelt nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, 2. Halbsatz SGB X, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. nur BSG, Urteil vom 11.06.1987, BSGE 62, 32, 35 m.w.N.). Hierbei ist ein subjektiver Fahrlässigkeitsmaßstab zu Grunde zu legen, d.h. die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen sind zu berücksichtigen (vgl. nur BSG, Urteil vom 08.02.2001, B 11 AL 21/00 R, SozR 3-1300 § 45 Nr.45 m.w.N.).Bezugspunkt der groben Fahrlässigkeit ist in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes. Erforderlich ist daher eine Art "Parallelwertung in der Laiensphäre" des Begünstigten (siehe statt vieler Hessisches LSG, Urteil vom 26.08.2011 ? L 7 AL 156/09 ZVW = juris, Rdnr. 24 m.w.N.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben hat der Kläger nicht die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 10.01.1994 infolge grober Fahrlässigkeit verkannt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass er auf sein Ruhegehalt sowohl im Rentenantrag, als auch im Formular betreffend die Krankenversicherung der Rentner hingewiesen hat. Dass er das Erwerbsersatzeinkommen im Rentenantrag unter dem Begriff "Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften" angegeben hat, schadet auch hier nicht. Die Beklagte hätte sich aufgrund dieser Angaben und der Mitteilung des Aktenzeichens gedrängt fühlen müssen, eine Überprüfung der Einkommensverhältnisse des Klägers vorzunehmen, was sie indessen ? aus welchen Gründen auch immer ? unterlassen hat. Soweit die Beklagte auf die Rubrik "Mitteilungspflichten" im Bescheid vom 10.01.1994 verweist, kann sie hiermit nicht gehört werden. Sie verkennt, dass selbst in jenem Hinweistext lediglich davon die Rede ist, dass Einkommen bzw. Erwerbsersatzeinkommen Einfluss auf die Rentenhöhe haben können (Hervorhebung hinzugefügt). Da der Kläger indessen sein Ruhegehalt angegeben hat, durfte er nach dem Wortlaut der "Mitteilungspflichten" davon ausgehen, seinen Obliegenheiten nachgekommen zu sein. Es kann selbst angesichts seiner Eigenschaft als ehemaliger Gemeindeamtsrat nicht davon ausgegangen werden, dass ihm, wenn er entsprechendes Erwerbsersatzeinkommen ordnungsgemäß angegeben hat und dieses gleichwohl keine Anrechnung findet, dieser Fehler hätte ins Auge springen müssen. Dies muss erst Recht vor dem Hintergrund gelten, als im begünstigenden Ausgangsbescheid vom 10.01.1994 davon die Rede ist, dass sich "das Einkommen auf die Rentenhöhe nicht auswirkt" (Anlage 1, Seiten 1 f. und Anlage 2 jenes Bescheides). Diese Ausführungen ergeben im Zusammenhang mit der Angabe des Ruhegehalts durch den Kläger durchaus Sinn. Ihnen kann nach dem Empfängerhorizont des Klägers die Aussage beigemessen werden, dass die Witwerrente trotz des erzielten Erwerbsersatzeinkommens in voller Höhe auszuzahlen ist. Der Kläger durfte daher im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre davon ausgehen, dass der Bescheid vom 10.01.1994 inhaltlich zutreffend ist.

Weiter liegt hier auch kein Fall des § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X vor. Denn Wiederaufnahmegründe nach § 580 Zivilprozessordnung (ZPO) sind nicht ersichtlich und werden auch von der Beklagten nicht geltend gemacht.

Fehlt es damit an den Voraussetzungen des § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X erweist sich die Rücknahme des Bescheides vom 10.01.1994 mit Wirkung für die Vergangenheit als rechtswidrig. Damit liegen auch die Voraussetzungen für eine Erstattung der überzahlten Rentenleistungen nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht vor, weil der angefochtene Bescheid vom 08.06.2015 seinerseits durch das Gericht aufgehoben worden ist und deshalb der Ausgangsbescheid vom 10.01.1994 wieder auflebt.

Auch soweit die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 10.01.1994 mit Wirkung für die Zukunft ausgesprochen hat, ist diese rechtswidrig. Zwar liegen insoweit die tatbestandlichen Voraussetzungen vor und die Beklagte hat auch Ermessen ausgeübt. Jedoch liegt in der Ausübung des Ermessens ein Ermessensfehler in Form eines Ermessensfehlgebrauchs im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. Sozialgesetzbuch Erstes Buch ? Allgemeines Vorschriften (SGB I) vor, der vom Gericht nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG überprüft und beanstandet werden kann. Die Behörde macht von einem ihr zustehenden Ermessen u.a. dann fehlerhaft Gebrauch, wenn sie die in die Abwägung einzustellenden Belange falsch gewichtet (Ermessensfehlgebrauch, siehe etwa BSG, Urteil vom 09.11.2010 ? B 2 U 10/10 R = juris, Rdnr. 15; ferner Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rdnr. 27). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Zwar hat die Beklagte erkannt, dass auch ihre Rechtsvorgängerin ein Mitverschulden trifft. Sie hat das behördliche Mitverschulden indessen, wie ihre Ausführungen im Bescheid vom 08.06.2015 zeigen, deutlich geringer eingestuft, als das Verschulden des Klägers und sie ist ? wie dargelegt ? unzutreffend von einem qualifizierten Verschulden des Klägers in Form grober Fahrlässigkeit ausgegangen. Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass die Gewichtung von Verschuldensbeiträgen im Detail der Ausübung des Ermessens unterfällt und damit der gerichtlichen Kontrolle entzogen sein dürfte. Etwas anderes gilt indessen dann, wenn Verschuldensbeiträge in derart grober Weise verkannt werden, dass die in die Abwägung einzustellenden Belange eine völlig falsche Gewichtung erfahren. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte ein deutlich überwiegendes Verschulden des Klägers in Form grober Fahrlässigkeit angenommen. Tatsächlich jedoch war das Verschulden des Klägers angesichts der zweifachen schriftlichen Angabe seines Einkommens eher gering, das der Rechtsvorgängerin der Beklagten indessen deutlich überwiegend. Eine derart falsche, gleichsam umgekehrte Gewichtung jedoch ist im Rahmen der Abwägung beachtlich und auch von den Gerichten bei der Ausübung des Ermessens zu überprüfen. Die falsche Gewichtung führt daher zu einem Ermessensfehler im Rahmen eines Ermessensfehlgebrauchs der Beklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

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