SG Düsseldorf, Urteil vom 17.08.2016 - S 2 KA 195/12
Fundstelle
openJur 2019, 25373
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. B 6 KA 36/16 R
Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen in den Jahren 2007 und 2008.

Der Kläger ist als Psychologischer Psychotherapeut in L niedergelassen und zur vertragsärztlichen (vertragspsychotherapeutischen) Versorgung zugelassen.

Für die Quartale 1/2007 bis 4/2007 legte die Beklagte der Vergütung der antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen des Kapitels 35.2 EBM einen Punktwert von 5,0531 ct. und der nicht genehmigungspflichtigen Leistungen einschließlich der probatorischen Sitzungen einen Punktwert von 3,33321 ct. zugrunde. Gegen die Abrechnungsbescheide eingelegte Widersprüche wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2012 zurück.

Für das Quartal 1/2008 legte die Beklagte der Vergütung der antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen des Kapitels 35.2 EBM einen Punktwert von 4,27 ct. und für die Quartale 2/2008 bis 4/2008 einen Punktwert von 4,2914 ct. zugrunde. Die nicht genehmigungspflichtigen Leistungen einschließlich der probatorischen Sitzungen vergütete sie für alle Quartale 2008 auf der Grundlage eines Punktwertes von 2,9334 ct ... Den Widersprüchen gegen die Abrechnungsbescheide gab sie mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 29.03.2012 unter Zurückweisung im Übrigen insoweit statt, als sie die Leistungen des Kapitels 35.2 EBM mit einem Punktwert von 4,3497 ct. bewertete, nachdem der Bewertungsausschuss in seiner 27. Sitzung am 31.08.2011 den Beschluss gefasst hatte, die Betriebsausgaben für den Zeitraum vom 01.01.-31.12.2008 auf 42.974,- EUR festzusetzen.

Gegen diese Bescheide richtet sich die am 27.04.2012 erhobene Klage.

Der Kläger kritisiert vor allem, dass der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 31.08.2011 hinsichtlich des Betriebskostenansatzes für eine voll ausgelastete Psychotherapiepraxis nicht den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entspreche. Das BSG habe in seinem Urteil vom 28.05.2008 - B 6 KA 9/07 R - deutliche Anhaltspunkte für eine Anhebung des Kostenansatzes gesehen (Erhöhung der Umsatzsteuer um 3 Prozentpunkte; Steigerung des Gesamtkostenindex um mehr als 10 Prozentpunkte gegenüber der Basis 2000; Erhöhung des Tarifgehalts der Arzthelferinnen). Allein die vom BSG genannten Kriterien ließen das Erfordernis einer Anpassung auf mindestens 46.577 EUR erwarten. Der Bewertungsausschuss habe die Sonderauswertung für Psychotherapeuten zur Strukturanalyse 1999 des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Vereinigung (ZI) herangezogen. Richtigerweise wären für die genaue Ermittlung des Anhebungsbetrages aber die Daten der Kostenerhebung 2007 der Prime Networks AG heranzuziehen gewesen. Nur die hinreichend große Stichprobe dieser Erhebung erlaube auch hinreichend repräsentative Aussagen zur Kostenstruktur von Psychotherapiepraxen allgemein und im Besonderen zu den oberen Umsatzklassen. Daraus errechneten sich für das Jahr 2007 Betriebskosten von sogar 47.775 EUR.

Der Kläger stellt zusammengefasst die Beweisanträge:

- Offenlegung der tabellarischen Übersicht entsprechend der Anlage 1 des Schriftsatzes der KBV vom 05.12.2013 für die obere Honorarklasse, die der Beschlussfassung für das Jahr 2007 zugrunde gelegt wurde - Offenlegung des Datensatzes der Gesamtstichprobe (alle Honorarklassen) und der Verteilung der Teilnehmer auf die drei Honorarklassen - Offenlegung der entsprechenden Tabellen für die zwei anderen Honorarklassen wie in der Anlage 1 des Schriftsatzes der KBV vom 05.12.2013.

Ferner stellt er den Klageantrag,

die Honorarbescheide für 1-4/2007 und 1-4/2008 sowie die Widerspruchsbescheide vom 29.03.2012 der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über die Honorierung seiner psychotherapeutischen Leistungen in den Quartalen 1/2007 bis 4/2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,

die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt ihre Entscheidung.

Der beigeladene Erweiterte Bewertungsausschuss stellt keinen Prozessantrag.

Er sieht die Grenzen seines Gestaltungsspielraumes eingehalten. Die Basisgröße des Betriebskostenbetrages sei in derselben Weise ermittelt worden wie zuvor bei der Festsetzung auf 40.634 EUR. Wie in diesem Vorgängerbeschluss in der 93./96. Sitzung seien die anteiligen Personalkosten aus dem durch das ZI ermittelten Betriebskostenbetrag eliminiert und durch einen normativen Kostenbetrag ersetzt worden. Dieser sei rechnerisch aus den Mittelwerten der Arbeitgeberbrutto des Gehaltstarifvertrages für medizinische Fachangestellte und des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst ermittelt worden. Der Betriebskostenbetrag sei erst ab 2008 erhöht worden, da für eine Anpassung des Beschlusses ab 2007 bereits im Jahre 2006 Anhaltspunkte für eine andere Bewertung der Kostensituation hätten vorliegen müssen, was nicht der Fall gewesen sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da alle Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt hatten (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger ist durch die angefochtenen Honorarbescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, da diese nicht rechtswidrig sind. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung zeitgebundener genehmigungspflichtiger psychotherapeutischer Leistungen des Kapitels 35.2 EBM für die Quartale 1/2007 bis 4/2008.

Nach § 85 Abs. 4 Sätze 1-3 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte. Dabei sind im Verteilungsmaßstab Regelungen zur Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten (§ 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V). Hierzu bestimmt der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütung im Interesse einheitlicher Vergütungsgrundsätze für psychotherapeutische Leistungen im ganzen Bundesgebiet (§ 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V).

Hierbei haben die Gerichte die Gestaltungsfreiheit des Bewertungsausschusses zu respektieren. Die richterliche Kontrolle untergesetzlicher Normen beschränkt sich darauf, ob die äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis durch den Normgeber überschritten wurden. Dies ist erst dann der Fall, wenn die getroffene Regelung in einem "groben Missverhältnis" zu den mit ihr verfolgten legitimen Zwecken steht, d.h. in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen des Bewertungsausschusses ist somit im Wesentlichen auf die Prüfung beschränkt, ob sich die untergesetzliche Norm auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann und ob die Grenzen des Gestaltungsspielraums eingehalten sind. Der Bewertungsausschuss überschreitet den ihm eröffneten Gestaltungsspielraum, wenn sich zweifelsfrei feststellen lässt, dass seine Entscheidungen von sachfremden Erwägungen getragen sind - etwa weil eine Gruppe von Leistungserbringern bei der Honorierung bewusst benachteiligt wird - oder dass es im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG keinerlei vernünftige Gründe für die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem bzw. für die ungleiche Behandlung von im Wesentlichen gleich gelagerten Sachverhalten gibt.

Diese Anforderungen an die Intensität einer gerichtlichen Kontrolle untergesetzlicher Normen bedürfen der Modifizierung, sofern das Normprogramm auf tatsächliche Verhältnisse Bezug nimmt und/oder eine Regelung als sog. "zahlenförmige Norm" getroffen wird. Macht eine Norm tatsächliche Umstände - beispielsweise die bundesdurchschnittlichen Kostenquoten der Arztgruppen in einem bestimmten Jahr - zur Grundlage ihrer Regelung, erstreckt sich die gerichtliche Überprüfung insbesondere darauf, ob die Festlegung frei von Willkür ist. Dies ist der Fall, wenn bei allen Arztgruppen nach denselben Maßstäben verfahren wurde, aber auch dann, wenn weitere Gesichtspunkte - etwa eine unterschiedliche Einkommensentwicklung der Arztgruppen - eine differenzierte Regelung sachlich rechtfertigen. Enthält eine Honorierungsregelung, die als solche keine Grundrechtsbeeinträchtigung von gewisser Intensität betrifft, als Tatbestandsmerkmale Zahlen oder Formeln, haben die Gerichte zu prüfen, ob sachliche Gründe erkennbar sind, welche die getroffene Festlegung als nicht willkürlich erscheinen lassen. Dabei müssen sie Streitpunkten nachgehen und die Einwände der Prozessbeteiligten würdigen.

Allerdings darf die gerichtliche Kontrolldichte speziell der Entscheidungen des Bewertungsausschusses nicht überspannt werden. Denn der an den Bewertungsausschuss gerichtete gesetzliche Gestaltungsauftrag zur Konkretisierung der Grundlagen der vertragsärztlichen Honorarverteilung umfasst auch den Auftrag zu einer sinnvollen Steuerung des Leistungsgeschehens in der vertragsärztlichen Versorgung. Hierzu bedarf es komplexer Kalkulationen, Bewertungen, Einschätzungen und Prognosen, die nicht jeden Einzelfall abbilden können, sondern notwendigerweise auf generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen angewiesen sind. Die gerichtliche Überprüfung eines komplexen und auch der Steuerung dienenden Regelungsgefüges darf sich deshalb nicht isoliert auf die Bewertung eines seiner Elemente beschränken, sondern muss stets auch das Gesamtergebnis der Regelung mit in den Blick nehmen. Die Richtigkeit jedes einzelnen Elements in einem mathematischen, statistischen oder betriebswirtschaftlichen Sinne ist deshalb nicht Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der gesamten Regelung (BSG, z.B. Urteile vom 28.05.2008 - B 6 KA 49/07 R - und - B 6 KA 9/07 R -).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe sind die Vorgaben im Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 31.08.2011 zur Festlegung der angemessenen Höhe der Vergütung ausschließlich psychotherapeutisch tätiger Vertragsärzte und -therapeuten in den Jahren 2007 und 2008 nicht zu beanstanden.

Das BSG hatte in seinem Urteil vom 28.05.2008 - B 6 KA 9/07 R - darauf hingewiesen, dass nach den ihm zugänglichen Daten wohl ab dem Jahr 2007 deutliche Anhaltspunkte für Kostensteigerungen bestünden, welche die Erheblichkeitsschwelle im Rahmen pauschalierender Regelungen überschritten und deshalb eine Anpassung des Betriebskostenbetrages an die in wesentlichem Umfang veränderten Realitäten nahelegten. Nicht zuletzt aufgrund einer Erhöhung der Umsatzsteuer um drei Prozentpunkte sei im Jahr 2007 der Verbraucherpreisindex für Deutschland erstmals seit Jahren wieder um mehr als zwei Prozent gestiegen und habe die Basis des Jahres 2000 um mehr als 10 Prozentpunkte übertroffen. Zudem seien mit Wirkung ab 01.01.2008 die seit Juli 2004 nicht mehr angehobenen Vergütungen für Arzthelferinnen erhöht worden, wobei insbesondere aufgrund zusätzlicher Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sowie infolge des Wegfalls des Ost-Abschlags in den neuen Bundesländern (zuletzt 14,75 %) deutliche Personalkostensteigerungen entstanden seien. Diese Entwicklung habe dazu geführt, dass bei der zum 01.01.2008 erfolgten Novellierung des EBM-Ä aufgrund neuer Kostenerhebungen erheblich höhere Betriebskosten insbesondere bei Psychotherapeuten berücksichtigt und deshalb die punktzahlmäßigen Bewertungen der psychotherapeutischen Leistungen spürbar angehoben worden seien. Infolgedessen sei auch die Gesamtpunktmenge einer voll ausgelasteten psychotherapeutischen Praxis ab 01.01.2008 von bislang 2.244.600 Punkten um 21 % auf nunmehr 2.716.740 Punkte erhöht worden, während die Betriebskosten der Psychotherapeuten bislang unverändert geblieben seien. Es liege nahe, dass aufgrund der genannten Veränderungen die Vorgabe eines Betriebskostenbetrags von weiterhin 40.634 EUR möglicherweise bereits im Jahr 2007, jedenfalls aber ab 2008 eine dem Regelungskonzept widersprechende strukturelle Fehlfestlegung enthalte und somit zu nicht mehr rechtmäßigen Ergebnissen führe. Der Bewertungsausschuss sei deshalb aufgerufen, für die Zeiträume ab Quartal 1/2007 anhand der damals zugänglichen bzw. der später zugänglich gewordenen Daten zu prüfen, ob, ab wann und in welchem Umfang der feste Betriebskostenbetrag angepasst werden müsse, damit er weiterhin einer realitätsgerechten Festlegung entspreche.

Diesen Vorgaben ist der Erweiterte Bewertungsausschuss beanstandungsfrei nachgekommen.

In Beantwortung ihm gerichtlich gestellter Fragen hat er mitgeteilt, die Basisgröße des Betriebskostenanteils in derselben Weise wie zuvor in seiner 93./96. Sitzung vorgenommen zu haben. Wie in diesem Beschluss habe er die Personalkosten nicht der verwendeten Kostenstrukturuntersuchung des ZI entnommen, sondern die Personalkosten hieraus eliminiert und durch einen normativen Kostenbetrag ersetzt. Dieses methodische Vorgehen hat das BSG nicht beanstandet (Urteil vom 28.05.2008 - B 6 KA 9/07 R ? (Rn. 34 ff.). Der Unterschied zu der Vorgängerregelung besteht allerdings darin, dass die Personalkosten als Mittelwert des Arbeitgeberbrutto aus zwei verschiedenen Tarifverträgen (Gehaltstarifvertrag für medizinische Fachangestellte und Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst) rechnerisch ermittelt wurden. Das ist nicht zu rügen. Der Bewertungsausschuss ist nicht zwingend an eine einmal gewählte Datengrundlage gebunden, die er für die Zukunft fortzuschreiben hätte. Das gilt gerade auch für den Bereich der Personalkosten. Das BSG hatte in seinen Modellberechnungen früher stets den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) für den öffentlichen Dienst zugrunde gelegt und die Heranziehung des Gehaltstarifvertrages für Arzthelferinnen wegen der Sachnähe lediglich für nachvollziehbar und nicht ausgeschlossen erachtet (Urteil vom 28.05.2008 - B 6 KA 9/07 R ? (Rn. 37). Wenn im Erweiterten Bewertungsausschuss, in dem die unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen zum Ausgleich kommen sollen (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2015 - B 6 KA 39/15 R -), mangels Einigung auf den Gehaltstarifvertrag für medizinische Fachangestellte der rechnerische Mittelwert aus beiden in Betracht kommenden Tarifverträgen errechnet wurde, liegt dies jedenfalls noch im Rahmen seines Gestaltungsspielraumes.

Der Erweiterte Bewertungsausschuss war auch nicht gefordert, auf die Daten in der Prime-Networks-Studie zurückzugreifen. Es handelt sich hierbei um Daten aus dem Jahr 2005, veröffentlicht im Jahr 2007, die im Zusammenhang mit der EBM-Anpassung (Punktzahl psychotherapeutischer Leistungen) erhoben wurden. Zwar erscheinen die Daten aus der Prime-Networks-Studie gegenüber den Daten der ZI aktueller, zumindest repräsentativer (ZI: Teilnahme 70 psychotherapeutischer Praxen; Prime Networks: Teilnahme 1000 psychotherapeutischer Praxen). Jedoch lagen den Studien unterschiedliche Konzepte zugrunde. Während die Prime-Networks-Studie im Zusammenhang mit der EBM-Anpassung (Punktzahl für psychotherapeutische Leistungen) in Auftrag gegeben wurde, war Hintergrund für die ZI-Daten die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen. Bedingt dadurch wurden bei der Prime-Networks-Studie durchschnittliche Praxen untersucht, während bei der ZI-Erhebung vollausgelastete psychotherapeutische Praxen mit einem Umsatz von über 70.000 EUR, also in der obersten Umsatzklasse, betrachtet werden konnten. Auf solche Praxen ist aber nach höchstrichterlicher Rechtsprechung abzustellen (z.B. BSG, Urteil vom 28.05.2008 - B 6 KA 9/07 R ? (Rn. 36)).

Die Kammer hatte keine Veranlassung, dem Beweisantrag des Klägers, an den sie nicht gebunden ist (§ 103 Satz 2 SGG), zu folgen. Die Festsetzung der bundesdurchschnittlichen Betriebskosten ist keine Tatsachenfeststellung, sondern eine wertende Ermittlung in Umsetzung des Normsetzungsauftrages (vgl. BSG, Urteile vom 09.05.2012 - B 6 KA 24/11 R ? (Rn. 36 f.) und vom 10.12.2014 - B 6 KA 12/14 R ? (Rn. 31)), die auch steuernd wirken soll. Ob alle einzelnen Berechnungselemente, die der Erweiterte Bewertungsausschuss zugrunde gelegt hat, mathematisch, statistisch oder betriebswirtschaftlich im Detail korrekt sind, bedarf keiner gerichtlichen Nachprüfung nach Offenlegung aller Daten. Denn das Gesamtergebnis lässt jedenfalls Willkür nicht erkennen. Die Anhebung des Betriebskostenansatzes von 40.634 EUR auf 42.942 EUR ab dem Jahr 2008 entspricht einer Steigerung um + 5,68 %. Das ist unter Berücksichtigung der vom BSG benannten Parameter für eine mögliche Anpassung und in Ansehung der Steuerungsaufgabe des Bewertungsausschusses jedenfalls kein realitätsfernes Ergebnis. Dies gilt auch deswegen, weil die Betriebskosten nicht allein aus der Vergütung für vertragsärztliche (vertragspsychotherapeutische) Leistungen zu bestreiten sind, sondern anteilig auch aus der Honorierung für die Behandlung von Privatpatienten.

Schließlich sind Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Gebot der Angemessenheit der Vergütung (dazu z.B. BSG, Urteil vom 08.12.2010 - B 6 KA 42/09 R -) nicht ersichtlich. Der Kläger hat den Gegenstandswert, berechnet aus dem mit der Klage möglicherweise geltend gemachten Mehrbetrag, mit 1.000 EUR angegeben. Bezogen auf die acht streitbefangenen Quartale entspricht dies einem Mehrbetrag von 125 EUR pro Quartal. Das ist deutlich weniger als 1 % seiner Honorareinnahmen aus vertragsärztlicher (vertragspsychotherapeutischer) Tätigkeit und begründet kaum ernsthaft die Sorge, dass ohne diesen Mehrbetrag in einem fachlichen und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr bestünde, vertragsärztlich (vertragspsychotherapeutisch) tätig zu werden, so dass in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen (vertragspsychotherapeutischen) Versorgung gefährdet würde (vgl. dazu z.B. BSG, Urteil vom 09.12.2004 - B 6 KA 44/03 -).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Kammer hat die Sprungrevision zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 161 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Rechtsfrage, ob der Bewertungsausschuss rechtsfehlerfrei dem Aufruf des BSG in seinem Urteil vom 28.05.2008 - B 6 KA 9/07 R - gefolgt ist, für die Zeiträume ab dem Quartal 1/2007 den festen Betriebskostenbetrag zu prüfen und ggf. anzupassen, ist aufgrund der bundesweit einheitlichen EBM-Bewertung über den Einzelfall hinaus von Bedeutung und lässt sich anhand der bisher vorliegenden Rechtsprechung des BSG nicht beantworten.

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