LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.09.2018 - L 5 P 97/17
Fundstelle
openJur 2019, 24604
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. S 27 KN 153/16 P
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.08.2017 abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.8.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.11.2016 verurteilt, dem Kläger Leistungen nach § 38 a SGB XI nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab Antragstellung zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von zusätzlichen Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen (sog. "Wohngruppenzuschlag") nach § 38 a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) ab April 2016.

Der 1966 geborene und bei der Beklagten kranken- und pflegeversicherte Kläger erlitt einen frühkindlichen Hirnschaden. Er ist u.a. an Morbus Parkinson mit Hirnschrittmacher, einem Inlay-Aufbrauch bei Hüft-TEP rechts nach Hüftluxation, Hohlfüßen und einer Polyneuropathie erkrankt. Der Kläger bezieht seit 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung sowie ergänzende Sozialhilfe. Ihm wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 zuerkannt. Seit dem 2.7.2014 hat der Kläger für die Bereiche Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten und Vertretung bei Behörden, Gerichten und Leistungsträgern einen Betreuer (Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 2.7.2014).

Die Wohnkonzepte T. gGmbH (fortan: gGmbH) aus L. hat von der H AG die Erdgeschossetage eines Mehrfamilienhauses in der P.-straße 00 in L. angemietet. Sie betreibt dort in Zusammenarbeit mit der Vermieterin und dem Arbeiter-Samariter-Bund die Wohngemeinschaft "W. W1. IV" (fortan: Gemeinschaft). Das Bauvorhaben wurde als Gruppenwohnung im Sinne der Anlage 1 der Wohnraumförderungsbestimmungen (WFB) Punkt 1.3.2 öffentlich gefördert (Änderungsbescheid des Amtes für Wohnungswesen der Stadt Köln vom 7.12.2007). Eine Entscheidung zu der beantragten Statusfeststellung nach dem Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) NRW liegt nicht vor.

In der angemieteten Erdgeschossetage gibt es 8 Zimmer (zwischen 13,82 und 20,11 qm groß), die jeweils mit einer Pantryküche (Spüle, zwei Herdplatten, Kühlschrank, ggf. auch Mikrowelle) und einem barrierefreien Duschbad ausgestattet sind. Auf dem gemeinschaftlich genutzten Flur befinden sich vier gemeinsam genutzte Schränke (z.B. für Wintermäntel der Mieter oder Putzutensilien). Von dort aus gibt es einen Zugang zu einem Gäste-WC (1,55 qm), einer gemeinschaftlich genutzten Waschküche (3,11 qm mit Trockner und Waschmaschine) und einem Gemeinschaftszimmer (35,47 qm). In Letzerem befindet sich eine große Küchenzeile mit Herd, Mikrowelle, Backofen, Gefrierschrank, Kühlschrank und Spülmaschine. Der Raum ist mit einem ausziehbaren Tisch mit 8 Stühlen, einem mit Büchern und Gesellschaftsspielen bestückten Schrank sowie einem Fernseher ausgestattet. Jedes der 8 Zimmer und das Gemeinschaftszimmer verfügen über eine kleine Terrasse (1,20 qm). Alle Zimmer haben einen eigenen Hausklingel-, Telefon- und Fernseheranschluss. Die Etagentür sowie die Klinkentüren zu den einzelnen Zimmern und den Gemeinschaftsräumen sind abschließbar. Jeder Mieter hat einen Schlüssel für die Haustür, die Etagentür, die Gemeinschaftsräume sowie seine eigene Zimmertür. Vor der Haustür befindet sich eine Briefkasten- und Klingelanlage. Es gibt jeweils eine Klingel für die Gemeinschaft und eine Klingel für jeden Mieter. Eine Gegensprechanlage befindet sich jedenfalls im Gemeinschaftsraum. Jeweils drei Mieter teilen sich einen Kellerraum mit Abstellflächen. Da die einzelnen Zimmer der Etage weder über baulich abgeschirmte Trennwände und Decken (Schallschutz) noch über einen direkten Ausgang in das Treppenhaus oder ins Freie (Fluchtweg) verfügen, sind sie nach § 49 Bauordnung für das Land NRW (LBO NRW) nicht als abgeschlossene Wohnungen anerkennungsfähig (Schreiben des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW vom 31.8.2018).

Der Kläger schloss am 1.9.2014 (vertreten durch seinen Betreuer) einen Untermietvertrag mit der gGmbH. Darin wurde vereinbart, dass die gGmbH dem Kläger ab dem 1.10.2014 das Zimmer 1 (Wohnfläche inklusive des Anteils der Gemeinschaftsfläche: 33,84 qm) in der Gemeinschaft vermietet. Der Kläger zog zum 1.10.2014 ein. Er zahlt monatlich an die gGmbH seine Miete sowie ein Essensgeld (i.H.v. derzeit noch 70 EUR für das Mittagessen) auf ein Konto der Gemeinschaft.

Mit Bescheid vom 19.11.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger Pflegehilfe gem. § 36 SGB XI nach Pflegestufe I ab dem 26.6.2014. Von den sieben weiteren Mietern haben sechs ebenfalls eine Pflegestufe und beziehen Leistungen nach dem SGB XI. Die Pflege des Klägers erfolgte zunächst durch das Zentrum für ambulante Pflege HKAP S. G., seit dem 1.11.2016 durch den Ambulanten Pflegedienst B. N. Dieser Pflegedienst übernimmt auch für die anderen pflegebedürftigen Mieter die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. Die Mitarbeiter waschen und trocknen die Wäsche der Mieter in der Waschküche. Sie haben eine Vollmacht für das Essensgeld-Konto der Gemeinschaft und finanzieren auf diese Weise die Lebensmittel für das von ihnen gekochte Mittagessen. Jedenfalls seit 2016 essen sechs der Bewohner - darunter der Kläger - das vom Pflegedienst gekochte Mittagessen. Einer der Bewohner lässt sich das Essen manchmal auf sein Zimmer bringen, die anderen essen im Gemeinschaftsraum. Eine Mieterin kocht selbst, eine andere nimmt die Mittagsmahlzeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen ein. Das Frühstück und Abendbrot wird - je nach den individuellen Kompetenzen der Mieter - entweder von diesen selbst auf den eigenen Zimmern zubereitet und eingenommen oder vom Pflegedienst im Gemeinschaftsraum angeboten. Der Kläger nimmt Frühstück und Abendbrot in der Regel auf seinem Zimmer ein. Eine Betreuerin des Betreuten Wohnens kauft mit ihm zusammen dafür Lebensmittel ein.

Der Kläger und jedenfalls sechs weitere Mieter schlossen am 2.2.2016 (vertreten durch ihre Betreuer) eine "Vereinbarung der Mitglieder der Wohngemeinschaft W. W1. IV" (fortan: Vereinbarung). Zweck der Vereinbarung ist es, die Gemeinschaft zu organisieren, gemeinsame Interessen gegenüber Dritten zu vertreten, die Gemeinschaft zu repräsentieren, ein gemeinschaftliches Hausrecht auszuüben sowie die Verbraucherrechte zu schützen. Sie beinhaltet ein Verfahren zur Entscheidung über den Einzug neuer Mitglieder, Vereinbarungen in Bezug auf die Nutzung gemeinschaftlicher Mieträume, die gemeinschaftlichen Anschaffungen und Einkäufe, die Hausordnung und die Beauftragung von Pflegediensten zur Durchführung von Pflege- und Betreuungsleistungen im Sinne des SGB XI, V, XII sowie hauswirtschaftlicher Dienstleistungen und gegebenenfalls weiterer Hilfen. Jeder Vermieter ist bei Einzug in die Wohngemeinschaft zum Abschluss der Vereinbarung verpflichtet. Ein Austritt kann nur zusammen mit dem Auszug erfolgen. Die Vereinbarung sieht regelmäßige Sitzungen der Gemeinschaft vor.

Am 16.3.2016 schloss der Kläger (vertreten durch seinen Betreuer) mit der gGmbH einen "Vertrag über Moderations- und Verwaltungsleistungen für die ambulant betreute Wohngemeinschaft W. W1. IV, P.- Str. 00, L." (fortan: Vertrag). Dieser nennt als Vertragspartner die gGmbH und die Gemeinschaft, "hier der Mieter L1.-I. L2.". Die gGmbH verpflichtet sich darin, der Gemeinschaft Moderations-, Verwaltungs-, und Beratungstätigkeiten anzubieten (§ 1 des Vertrags - z.B. moderierte Mieterversammlungen, Konfliktlösungen, Beratung bei Neuaufnahme von Mietern, Abschließen von Verträgen mit z.B. Telefonanabietern). Diese Tätigkeiten werden nach § 2 von einer Mitarbeiterin der gGmbH erbracht und mit einer monatlichen Pauschale von 205 EUR pro Mieter vergütet. Die Leistungen werden von der gGmbH gem. § 3 durch fachlich qualifiziertes und geeignetes Personal - derzeit durch die namentlich im Vertrag genannte Zeugin U. - erbracht. § 6 bestimmt, dass der Vertrag nur durch Kündigung der Gemeinschaft enden kann und der einzelne Mieter auf sein individuelles Kündigungsrecht verzichtet.

Der Kläger hat die von ihm vertraglich geschuldete Pauschale bisher nicht an die gGmbH gezahlt. Diese stellt ihm monatlich Rechnungen aus und wartet den Ausgang des hiesigen Rechtsstreits ab. Zwei weitere Mieterinnen zahlen die Pauschale ebenfalls nicht, eine von ihnen erfüllt die persönlichen Voraussetzungen des § 38 a SGB XI nicht. Bei ihr hat die Gemeinschaft beschlossen, den Ausfall mitzufinanzieren.

In der Zeit von März bis April 2016 schlossen alle Mieter (vertreten durch ihre Betreuer) mit der gGmbH solche Verträge, da der Abschluss eines einzigen Vertrags durch alle Mieter z.T. von den Betreuern nicht gewünscht war und es praktische Schwierigkeiten gab, für alle am Vertragsschluss Beteiligten einen Termin zu finden.

Auf Grundlage der Verträge terminiert und moderiert die Zeugin U. regelmäßige Zusammenkünfte der Mieter, organisiert die Haushaltskasse und den gemeinsamen Aufnahmeprozess bei neuen Mietern, veranlasst Reparaturen und steht telefonisch für die Belange der Gemeinschaft auf Standby. Sie ist je nach Bedarf zwischen 2-3-mal wöchentlich und einmal monatlich in der Gemeinschaft vor Ort und telefoniert täglich mindestens eine halbe Stunde mit Mitgliedern der Gemeinschaft. Die Geschäftsführerin der gGmbh, die Zeugin T. besucht die Gemeinschaft einmal im Quartal.

Der Kläger beantragte am 28.4.2016 die Gewährung des Wohngruppenzuschlags. Er fügte seinem Antrag einen Grundriss der Wohnung, den Mietvertrag, die Vereinbarung und den Vertrag bei. Mit Bescheid vom 15.8.2010 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, es liege keine gemeinsame Wohnung im Sinne des §§ 38 a SGB XI vor.

Gegen den seinen Widerspruch zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 14.11.2016 hat der Kläger am 14.12.2016 Klage erhoben und bekräftigt, dass er die Anspruchsvoraussetzungen des § 38 a SGB XI ab Antragstellung erfülle. Bei der Auslegung des Begriffs der "gemeinsamen Wohnung" sei auch die Gesetzesbegründung zu berücksichtigen, nach der neue Wohn- und Betreuungsformen zu stärken seien. Die Neugründung ambulanter Wohngemeinschaften als sinnvolle Zwischenform zwischen der Pflege in der häuslichen Umgebung und der vollstationären Pflege sei seitens des Gesetzgebers gewollt (Bt-Drs. 17/9369, S. 20 und 42). Dieser Zweck werde konterkariert, wenn eine Förderung nur bei einem Wohnen in einer herkömmlich geschnittenen Wohnung möglich sei. Auch wenn er über eine Küchenzeile und eigene sanitäre Räumlichkeiten verfüge, ändere dies nichts daran, dass er nach dem Konzept der Gemeinschaft mit anderen Pflegebedürftigen in einer Wohngemeinschaft lebe. Eine gemeinsame Wohnung setzte zusammenhängende Räume voraus, die einen nach außen hin begrenzten Wohnraum bildeten. Dies sei vorliegend durch die gemeinsame Eingangstür gewährleistet. Die häufig frequentierte Gemeinschaftsküche sei der Mittelpunkt für alle Bewohner und biete allen genügend Platz.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.8.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.11.2016 zu verurteilen, ihm Leistungen nach § 38 a SGB XI in Höhe von 205,00 EUR monatlich ab Antragstellung zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug genommen. Der Kläger sei auf Grund der Ausstattung seiner angemieteten Räumlichkeiten dazu in der Lage, selbständig in seinem abgeschlossenen Bereich zu wohnen. Der Gemeinschaftsbereich liege dezentral und beschränke sich auf einen Aufenthaltsraum mit Küche.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 4.8.2017 abgewiesen. Eine gemeinsame Wohnung bestehe nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18.2.2016 - B 3 P 5/14 R) nur dann, wenn der Sanitärbereich, die Küche und ggf. der Gemeinschaftsraum einer abgeschlossenen Wohneinheit von allen Bewohnern jederzeit allein oder gemeinsam genutzt werden könne. Nicht erfasst seien Gemeinschaften von Pflegebedürftigen in Nachbarschaft und lose Zusammenschlüsse ohne gemeinsame Wohnung. Im vorliegenden Fall sei das gemietete Zimmer mit einer Küche und einem Badezimmer ausgestattet. Es fehle an gemeinschaftlichen sanitären Einrichtungen. Daher sei von einzelnen Apartments und nicht von Zimmern einer gemeinsamen Wohnung auszugehen. Nichts anderes ergebe sich aus der Entscheidung des Sozialgerichts Münster (Urteil vom 14.3.2014 - S 6 P 135/13). Denn im vorliegenden Fall nehme das gemeinsame Wohnen im täglichen Leben der Bewohner keinen großen Raum ein. Der Gemeinschaftsraum liege nicht zentral und habe keine größere Terrasse als die einzelnen Zimmer. Der Kläger habe sich auch in den 1 ½ Jahren vor Gründung der Gemeinschaft in seinem Zimmer selbst versorgen können und dies auch zeitweise getan. Die Förderung des Vorhabens als Gruppenwohnung nach den WFB könne keinen Anspruch nach § 38 a SGB XI begründen.

Gegen das ihm am 5.9.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4.10.2017 Berufung eingelegt und kritisiert, das Sozialgericht habe verkannt, dass es bei der Entscheidung des BSG vom 18.2.2016 um einen völlig anderen Sachverhalt gegangen sei. Aus dem Umstand, dass nicht alle Bewohner einen gemeinsamen Sanitärbereich nutzten, könne nicht geschlossen werden, dass keine gemeinsame Wohnung vorliege. Dies sei bei einer größeren Personenzahl ohnehin gar nicht möglich. Er selbst könne gar nicht kochen und sei auf das Essen in der Gemeinschaft angewiesen. Der Kläger hat ein Schreiben des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW vom 31.8.2018 vorgelegt und dazu vorgetragen, der Status der Etagenwohnung als Gruppenwohnung nach den WFB führe zum Vorliegen der Voraussetzungen nach § 38 a SGB XI. Denn eine Gruppenwohnung enthalte individuell vermietete Wohneinheiten sowie gemeinsam genutzte und bezahlte Gemeinschaftsräume. Die Bewohner beauftragten unabhängig vom Mietverhältnis Betreuungs- und Pflegekräfte. Diese Wohnform vereine die Vorteile von so viel Individualität wie möglich und so viel Gemeinschaft wie nötig, um den Betreuungsbedarf effizient abzudecken. Eine qualitative Aufwertung der Wohnschlafräume innerhalb einer Gruppenwohnung als vollständige Apartments mit eigenem Bad und eigener Kochzeile ändere daher den Charakter der Gruppenwohnung nicht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 4.8.2017 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.8.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.11.2016 zu verurteilen, ihm Leistungen nach § 38 a SGB XI nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen und das erstinstanzliche Urteil Bezug.

Der Senat hat einen Grundriss der Etage und Fotos des Zimmers des Klägers sowie der Gemeinschaftsräume angefordert. Das Amt für Wohnungswesen der Stadt L. hat die WFB vom 26.1.2006 und das "Handbuch für Investoren für Gruppenwohnungen für Seniorinnen und Senioren - mehr als eine Wohnung" übersandt. Die Zeuginnen T. und U. sind vernommen worden. Wegen der Einzelheiten ihrer Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.6.2018 verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakte, die Akten des Amts für Soziales und Senioren der Stadt L. sowie die vom Amt für Wohnungswesen der Stadt L. übersandten Unterlagen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 4.8.2017 ist abzuändern. Der Bescheid vom 15.8.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.11.0216 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten nach § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Er hat ab dem 1.4.2016 einen Anspruch auf Leistungen nach § 38 a SGB XI. Der Anspruch besteht ab dem Monat, in den die Antragstellung fällt (Wiegand in juris-PK § 38a Rn. 12), in Höhe von 205 EUR monatlich für den Zeitraum vom 1.4.2016 bis 31.12.2016 und in Höhe von 214 EUR ab dem 1.1.2017.

Nach § 38a Abs. 1 Satz 1 SGB XI (in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung) waren die Voraussetzungen für die Gewährung eines Wohngruppenzuschlags wie folgt geregelt:

Pflegebedürftige haben Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 205 Euro monatlich, wenn

1. sie mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen in einer ambulant betreuten Wohngruppe in einer gemeinsamen Wohnung zum Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung leben und davon mindestens zwei weitere Personen pflegebedürftig im Sinne der §§ 14, 15 sind oder eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz nach § 45a bei ihnen festgestellt wurde,

2. sie Leistungen nach den §§ 36, 37, 38, 45b oder § 123 beziehen,

3. eine Person von den Mitgliedern der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt ist, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder hauswirtschaftliche Unterstützung zu leisten, und

4. keine Versorgungsform vorliegt, in der der Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen Leistungen anbietet oder gewährleistet, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Absatz 1 für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen; der Anbieter einer ambulant betreuten Wohngruppe hat die Pflegebedürftigen vor deren Einzug in die Wohngruppe in geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass dieser Leistungsumfang von ihm oder einem Dritten in der Wohngruppe nicht erbracht wird, sondern die Versorgung auch durch die aktive Einbindung ihrer eigenen Ressourcen und ihres sozialen Umfeldes sichergestellt werden kann.

§ 38 a Abs. 1 Satz 1 SGB XI ist zum 1.1.2017 ohne Übergangsregelung neu gefasst worden und lautet:

Pflegebedürftige haben Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 214 Euro monatlich, wenn

1. sie mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen in einer ambulant betreuten Wohngruppe in einer gemeinsamen Wohnung zum Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung leben und davon mindestens zwei weitere Personen pflegebedürftig im Sinne der §§ 14, 15 sind ,

2. sie Leistungen nach den §§ 36, 37, 38, 45a oder § 45b beziehen,

3. eine Person durch die Mitglieder der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt ist, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder hauswirtschaftliche Unterstützung zu leisten, und

4. keine Versorgungsform einschließlich teilstationärer Pflege vorliegt, in der ein Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen Leistungen anbietet oder gewährleistet, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Absatz 1 für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen; der Anbieter einer ambulant betreuten Wohngruppe hat die Pflegebedürftigen vor deren Einzug in die Wohngruppe in geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass dieser Leistungsumfang von ihm oder einem Dritten nicht erbracht wird, sondern die Versorgung in der Wohngruppe auch durch die aktive Einbindung ihrer eigenen Ressourcen und ihres sozialen Umfelds sichergestellt werden kann.

Die Voraussetzungen des § 38 a SGB XI liegen nach beiden Gesetzesfassungen vor:

1. § 38 a Abs. 1 Nr. 1 SGB XI

Der Kläger lebt mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen, von denen mindestens zwei weitere Personen pflegebedürftig sind, in einer ambulant betreuten Wohngruppe in einer gemeinsamen Wohnung zum Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung. Der durch die Gesetzesänderung zum 1.1.2017 bedingte Wegfall des letzten Halbsatzes mit Wirkung zum 1.1.2017 wirkt sich im vorliegenden Fall nicht aus.

a) Mindestzahl pflegebedürftiger Personen

Der Kläger lebt mit 7 weiteren Personen in der Gemeinschaft. Sechs davon sind ebenfalls pflegebedürftig. An diesen Umständen hat sich seit der Antragstellung nichts geändert.

b) ambulant betreute Wohngruppe

Die Gemeinschaft lebt in einer ambulant betreuten Wohngruppe. Der Begriff der ambulant betreuten Wohngruppe ist nicht legal definiert. Das BSG (Urteil vom 18.02.2016 - B 3 P 5/14 R Rn. 18) führt hierzu unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/9369 S. 41; BT-Drs. 17/1070 S. 16) aus, dass ambulant betreute Wohngruppen als selbst organisierte (selbstverantwortete Wohngruppe, Wohngruppe in Eigeninitiative) und fremd organisierte Wohngruppe (betreiberverantwortete/ anbieterorientierte Wohngruppe, trägerinitiiertes Modell) existieren können. Bei der selbst organisierten Wohngruppe geht die Initiative zur Gründung von den Bewohnern oder ihren Angehörigen aus. Bei den fremd organisierten Wohngruppen kann als Initiator z.B. ein Verein, ein Pflegedienst (vgl. Klie, Die Ersatzkasse 2006, 140, 141) oder ein Vermieter (vgl. Schmäing, Die Ersatzkasse 2006, 144, 145) hinter der Wohngruppe stehen. Da die Gemeinschaft die wesentlichen organisatorischen Aspekte ihres Zusammenlebens in ihrer Vereinbarung selbst geregelt hat, ist von einer selbstverantworteten Wohngruppe auszugehen. Zentrales Merkmal der ambulanten Versorgung ist, dass für die Versorgung regelhaft Beiträge der Bewohner oder ihres sozialen Umfelds nötig sind (BT-Drs. 18/2909, S. 42). Dies ist hier der Fall. Denn die Bewohner kochen entweder selbst oder helfen bei der Vorbereitung des Essens, organisieren mit Unterstützung ihr Zusammenleben und sorgen teilweise für die Reinigung ihrer Zimmer. Der handwerklich geschickte Kläger übernimmt kleine anfallende Reparaturen. Auch dem äußeren Anschein und der vorhandenen Infrastruktur nach handelt es sich bei der Etagenwohnung nicht um ein Pflegeheim.

c) gemeinsame Wohnung

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lebt die Gemeinschaft in einer gemeinsamen Wohnung.

Wie das SG zutreffend festgestellt hat, kann nicht bereits deshalb von einer gemeinsamen Wohnung ausgegangen werden, weil das hiesige Projekt von der Stadt L. nach der WFB als Gruppenwohnung gefördert wurde. Nach Anl. 1 der WFB (1.3.2) sind Gruppenwohnungen in der Regel auf einer Ebene angeordnet und verfügen über angemessen große individuelle Wohnbereiche für jede Person und über Flächen für die gemeinschaftliche Nutzung, die den Wohnbereichen unmittelbar zugeordnet sind. Die individuellen Wohnbereiche können sowohl als Apartments (Wohnschlafraum, Küchenbereich und Bad mit WC - Buchstabe a) oder als Wohnschlafräume (Buchstabe b) gestaltet werden. Da das SGB XI und das WTG NRW unterschiedliche Begriffe verwenden, weder das Bundesgesetz noch der Gesetzgeber in seiner Begründung auf die dem WTG NRW zu Grunde liegenden Begrifflichkeiten oder Definitionen verweisen und beide Gesetze unterschiedliche Zwecke verfolgen, ist ein Rückschluss in dem Sinne eine Gruppenwohnung sei automatisch eine gemeinsame Wohnung nicht möglich.

aa) Wohnung

Bei der Erdgeschossetage der Gemeinschaft handelt es sich um eine Wohnung.

Das SGB XI definiert den Begriff der Wohnung nicht. Eine gesetzliche Definition findet sich im Bewertungsgesetz (BewG) und der LBO NRW. Nach § 181 Abs. 9 des BewG ist eine Wohnung eine Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass die Führung eines selbstständigen Haushalts möglich ist. Die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen muss eine von anderen Wohnungen oder Räumen baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bilden und einen selbstständigen Zugang haben. Außerdem ist erforderlich, dass die für die Führung eines selbstständigen Haushalts notwendigen Nebenräume (Küche, Bad oder Dusche, Toilette) vorhanden sind, die Wohnfläche muss mindestens 23 m² betragen. Nach § 49 Abs. 1 LBO NRW (in der bis zum 31.12.2018 geltenden Fassung) muss eine Wohnung in einem Wohngebäude mit mehr als 2 Wohnungen von anderen Wohnungen und fremden Räumen baulich abgeschlossen sein und einen eigenen, abschließbaren Zugang unmittelbar vom Freien, von einem Treppenraum, einem Flur oder einem anderen Vorraum haben. Nach Abs. 2 müssen die Wohnungen eines Geschosses in Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen barrierefrei erreichbar sein. In diesen Wohnungen müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad und die Küche oder Kochnische mit dem Rollstuhl zugänglich sein. Abweichungen von den Sätzen 1 und 2 sind zuzulassen, soweit die Anforderungen nur mit unverhältnismäßigem Mehraufwand erfüllt werden können, insbesondere wegen schwieriger Geländeverhältnisse, ungünstiger vorhandener Bebauung oder weil sie den Einbau eines sonst nicht notwendigen Aufzugs erfordern. Abs. 4 der Norm sieht vor, dass jede Wohnung eine Küche oder Kochnische haben sowie über einen Abstellraum verfügen muss. Der Abstellraum soll mindestens 6 qm groß sein; davon soll außer in Wohngebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen eine Abstellfläche von mindestens 0,5 m² innerhalb der Wohnung liegen. Für Gebäude mit mehr als zwei Wohnungen sollen nach Abs. 6 ausreichend große Trockenräume zur gemeinschaftlichen Benutzung eingerichtet werden. Nach Abs. 7 Satz 1 müssen in Wohnungen Schlafräume und Kinderzimmer sowie Flure, über die Rettungswege von Aufenthaltsräumen führen, jeweils mindestens einen Rauchwarnmelder haben.

Nach den Vorgaben des § 181 Abs. 9 BewG handelt es sich bei der von der Gemeinschaft bewohnten Etage um eine Wohnung. Sie ist ausreichend groß, verfügt über mehrere Räume, ist nach außen hin (d.h. zum Hausflur und anderen Wohnungen) abgeschlossen und hat einen selbständigen Zugang. Da sowohl Küche als auch Waschküche und Sanitäranlagen vorhanden sind, kann auch ein selbständiger Haushalt geführt werden. Unabhängig von der Frage, ob man bei der Auslegung eines in einem Bundesgesetzes (SGB XI) verwendeten Begriffs auf eine landesrechtliche Legaldefinition zurück greifen könnte, erfüllte die Etage auch die Anforderungen des § 49 Abs. 1 LBO NRW. Denn sie ist u.a. baulich zu anderen Wohnungen abgeschlossen, hat einen abschließbaren Zugang zum Treppenhaus, ist barrierefrei und verfügt über Küche(n) und Abstellraumflächen.

Hingegen erfüllen die einzeln vermieteten Zimmer der Etage weder die Anforderungen des § 181 Abs. 9 BewO noch des § 49 Abs. 1 LBO NRW. Denn es fehlt ihnen an dem nach beiden Normen vorausgesetzten selbständigen bzw. eigenen Zugang nach außen. Zwar sind die Klinkentüren zu den Zimmern abschließbar. Sie gewähren jedoch keinen eigenständigen Zugang nach draußen, da sie nur zum Gemeinschaftsflur, nicht aber auf den Hausflur führen. Dieser ist nur über die Etagentür zu erreichen (auf die Abgrenzbarkeit nach außen abstellend auch das SG Potsdam, Urteil vom 28.9.2016 - S 11 P 76/16). Die einzelnen Zimmer sind auch nicht baulich voneinander oder zur Etage getrennt. Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW hat in seinem Schreiben vom 31.8.2018 ausgeführt, dass die einzelnen Zimmer der Etage weder über baulich abgeschirmte Trennwände und Decken (Schallschutz) noch über einen direkten Ausgang in das Treppenhaus oder ins Freie (Fluchtweg) verfügen. Da die Zimmer selbst keine Wohnungen im Sinne des Gesetzes sind, kann der Anerkennung der Etage als Wohnung nicht entgegengehalten werden, dass sich in ihr mehrere "Wohnungen in der Wohnung" befinden.

bb) gemeinsame Wohnung

Die Etagenwohnung ist auch eine "gemeinsame" Wohnung.

Was unter dem Begriff "gemeinsam" zu verstehen ist, ist nicht legal definiert. Der Gesetzgeber hat dazu ausgeführt, dass Gemeinschaften von Pflegebedürftigen in der Nachbarschaft, also nur Zusammenschlüsse ohne gemeinsames Wohnen zu einem nicht gewollten Ausrufern des Leistungsanspruchs führe und daher eine Erstreckung auf benachbarte Gebäude nicht mit dem Ansatz für Wohngruppen vereinbar sei (BT-Drs. 17/9669, S. 22). Er hat ausdrücklich an dem Merkmal der "gemeinschaftlichen Wohnung" festgehalten und dargelegt, dass sich die vom Spitzenverband Bund der Pflegekassen und der Verbände der Pflegekassen auf Bundesebene in ihren gemeinsamen Rundschreiben zu den leistungsrechtlichen Vorschriften herausgearbeitete Auslegung in der Praxis bewährt habe. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 18.2.2016 (B 3 P 5/15 R, Rn 20) bei der Definition der gemeinsamen Wohnung auf die Gesetzesbegründung verwiesen. Da sich der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung auf das "Gemeinsame Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI vom 18.12.2015" (fortan: gemeinsames Rundschreiben) bezogen hat, ist es bei der Auslegung des Begriffs der gemeinsamen Wohnung als eines von mehreren Kriterien heranzuziehen, ohne allerdings die Rechtsprechung zu binden (so auch Urteil des SG Saarland vom 12.3.2015 - S 19 P 65/14).

Das Merkmal der gemeinsamen Wohnung ist nach dem gemeinsamen Rundschreiben erfüllt, wenn der Sanitärbereich, die Küche und - wenn vorhanden - der Aufenthaltsraum einer abgeschlossenen Wohneinheit von allen Bewohnern jederzeit allein oder gemeinsam genutzt werden kann und die Wohnung von einem eigenen, abschließbaren Zugang vom Freien, von einem Treppenhaus oder von einem Vorraum zugänglich ist. Es handelt sich nicht um eine gemeinsame Wohnung, wenn die Bewohner jeweils in einem Apartment einer Wohnanlage oder eines Wohnhauses leben. Ferner kann ein Indiz gegen eine gemeinsame Wohnung sein, wenn die Privaträume der Bewohner über voll ausgestattete Sanitärbereiche verfügen (die Fassung des Gemeinsamen Rundschreibens vom 13.2.2018 enthält den Zusatz: "Deren Vorhandensein führt jedoch nicht zum Ausschluss des Anspruchs auf den Wohngruppenzuschlag, wenn die weiteren Voraussetzungen des §§ 38 a SGB XI vorliegen und eine Gesamtbetrachtung zu dem Vorliegen eine ambulant betreuten Wohngruppe i. S. d. § 38a SGB XI führt.").

Nach diesen Maßgaben handelt es sich bei der Etage um eine gemeinsame Wohnung, da der Gemeinschaftsraum, der gemeinschaftliche Flur, die Gästetoilette, der Hauswirtschaftsraum sowie der Balkon vor dem Gemeinschaftsraum jederzeit von allen Bewohnern genutzt werden können. Jeder Bewohner besitzt - soweit erforderlich - einen Schlüssel für die gemeinschaftlich genutzten Räume und kann sich jederzeit Zugang zu ihnen verschaffen. Die Etage ist über einen abschließbaren Zugang einerseits vom Treppenhaus und andererseits vom Freien getrennt. Über den Klingelknopf für die Wohngemeinschaft kann sich ein Besucher gezielt bei der Wohngemeinschaft anmelden.

Wie bereits ausgeführt, stellen die einzelnen Zimmer keine eigenständigen Wohnungen dar, sodass die Eigenschaft der gemeinsamen Wohnung nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass die Bewohner etwa in eigenständigen Wohnungen oder Appartements leben.

Dass das Vorhandensein eines eigenen Sanitärbereichs für jeden Pflegebedürftigen automatisch zum Ausschluss einer gemeinsamen Wohnung führt, wird vom GKV-Spitzenverband in der Zwischenzeit selbst nicht mehr so gesehen. Eine solche Voraussetzung ginge auch an den praktischen Bedürfnissen pflegebedürftiger Menschen vorbei. Es ist für den Senat kaum vorstellbar, wie beispielsweise 12 Pflegebedürftige (d.h. die in Abs. 1 Nr. 1 vorgesehene Maximalzahl) in einem einzigen Bad mit einer einzigen Toilette eine ihren Bedürfnissen entsprechende, angemessene Körperpflege sicherstellen könnten.

Darüber hinaus wird der Charakter einer gemeinsame Wohnung auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Bewohner durch die Ausstattung der Zimmer in die Lage versetzt werden, weitgehend selbständig in ihren Zimmern zu leben (anders: SG Aurich, Urteil vom 15.08.2017 - S 12 P 16/16, Udsching/Schütze/Wahl, 5. Aufl. 2018, SGB XI, § 38a Rn. 6; Wiegand in Schlegel/Voelzke, Juris-PK Stand 4/2017, § 38 a. RZ 24, Leitherer in Kassler Kommentar Stand März 2018 § 38 a SGB XI, Rn 6, z.T. wird hier auch ein voll ausgestatteter eigener Sanitärbereich für anspruchsausschließend gehalten). Zwar ermöglicht die Ausstattung der hiesigen Zimmer (Küchenzeile mit Herdplatten, Spüle und Kühlschrank) es den Bewohnern, sich einfache Mahlzeiten selbst zuzubereiten. Dies wird auch von einigen genutzt. So bereiten sich einige Bewohner Abendbrot und Frühstück selbstständig zu, die nicht pflegebedürftige Dame kocht die Mittagsmahlzeit in ihrem Zimmer. Für das Backen und Einfrieren von Lebensmitteln sowie das Zubereiten einer Mahlzeit für mehrere Personen (wie z.B. für die gemeinsam verbrachten Weihnachts- oder Osterfeste und Geburtstage) oder gemeinsame Aktivitäten (z.B. gemeinsam ein Fußballspiel ansehen) sind die Bewohner jedoch auf den Gemeinschaftraum und seine Ausstattung angewiesen und nutzen diese Möglichkeiten de facto auch. Der Gemeinschaftsraum bietet Platz für alle Bewohner, bei Besuch können noch zusätzliche Sitzplätze geschaffen werden. Hinsichtlich des Waschens, Trocknens und Bügelns von Wäsche, welches den Bewohnern in ihren Zimmern nicht möglich ist, sind diese auf die Ausstattung der Etagenwohnung angewiesen. Gleiches gilt für die Unterbringung von den einzelnen Bewohnern (z.B. Wintermäntel) oder der Gemeinschaft (Staubsauger) gehörenden Gegenständen in den im Gemeinschaftsflur befindlichen Schränken. Dass jeder über eine eigene Klingel, Briefkasten, Telefon- und Fernsehanschluss verfügt, ermöglicht den Bewohnern zwar eine eigenständigere Freizeitgestaltung und Kommunikation, führt aber nicht dazu, dass sie in der Etagenwohnung in einem eigenen Apartment wohnen. Denn zum einen verfügt auch die Gemeinschaft über eine solche Ausstattung, so dass jeder Bewohner auch als Mitglied der Gemeinschaft kommunizieren und Freizeit gestalten kann. Zum anderen gewährt die Ausstattung einem jeden dadurch nur das notwenige Mindestmaß an Privatheit (so auch SG Münster, Urteil vom 14.3.2014 - S 6 P 135/13).

Dieses Ergebnis steht auch mit der Absicht des Gesetzgebers, ambulante Wohngemeinschaften als sinnvolle Zwischenform zwischen einer Pflege in der häuslichen Umgebung und in der vollstationären Pflege zu schaffen, in Einklang. Eine etwa wortlautgetreue Anwendung des gemeinsamen Rundscheibens engt diesen Gesetzeszweck hier zu sehr ein, da er sich zu sehr an herkömmlichen Wohnformen orientiert und daher eine kreative Neuausrichtung gemeinsamen Wohnens Pflegebedürftiger entsprechend der gesetzgeberischen Intension hemmt (so auch Dalichau - GuP 2015, 61 und Griep - Sozialrecht aktuell 2013, 186, 187).

d) Zusammenleben zum Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung

Welcher Wohnzweck im Vordergrund steht, ist anhand einer Gesamtwürdigung im Einzelfall anhand der (behaupteten) inneren und der äußeren Umstände festzustellen. Erforderlich ist, dass der innere Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung nach außen hin objektiviert wird. Dies kann regelmäßig durch die gemeinschaftliche Beauftragung einer Präsenzkraft und Festlegung ihres konkreten Aufgabenkreises zur Erfüllung dieses Zwecks erfolgen (BSG, Urteil vom 18.2.2016, a.a.O.) Hiervon sind Gemeinschaften abzugrenzen, die eigentlich aus anderen Gründen zusammenleben (z.B. Familienverbund). Für den Senat steht außer Zweifel, dass die einzelnen Bewohner hier zum Zwecke der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung zusammenleben. Sie waren zuvor weder familiär noch freundschaftlich (auch heute noch gibt es immer wieder Streit zwischen den Bewohnern) verbunden. Da die eigenen familiären Bindungen der Einzelnen nach den Aussagen der Zeuginnen nicht sehr eng sind (der Kläger lebt getrennt von seiner Ehefrau und deren Tochter) und die Bewohner aus finanziellen und persönlichen Gründen in einer Einzelwohnung, einem betreuten Wohnen oder einem Pflegeheim nicht leben können, bietet die Gemeinschaft ihnen die Möglichkeit, sich dennoch ausreichend pflegerisch versorgen zu lassen. Da sie den Zweck ihres Zusammenlebens in ihrer Vereinbarung unter 2.2) festgehalten haben, ist ihr innerer Wille auch nach außen dokumentiert.

2. § 38 a Abs. 1 Nr. 2 SGB XI

Da der Kläger seit dem 19.11.2014 Leistungen nach Pflegestufe I und seit dem 1.1.2017 nach Pflegegrad 2 erhält, erfüllt er die persönlichen Voraussetzungen der Nr. 2 nach beiden Gesetzesfassungen.

3. § 38 a Abs. 1 Nr. 3 SGB XI

Die bis zum 31.12.2016 geltende Fassung sieht vor, dass eine Person von den Mitgliedern der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt ist, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder hauswirtschaftliche Unterstützung zu leisten. Durch die ab dem 1.1.2017 geltende Fassung wurde nur die Formulierung "von den Mitgliedern" in "durch die Mitglieder" geändert. Zur Überzeugung des Senats liegt hier eine solche Beauftragung vor.

a) eine Person von den Mitgliedern der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt

Nach dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drs., 18/2909) sollten die (in der im Jahr 2014 geltenden Gesetzesfassung nicht näher definierten) Anforderungen an diese Person jedenfalls zum 1.1.2015 nicht verschärft werden. Der Gesetzgeber bezeichnet die "Pflegekraft, die organisatorische, verwaltende oder pflegerische Tätigkeiten verrichtet" in der Ursprungs- aber auch den späteren Fassungen immer wieder als "Präsenz"kraft (BT-Drs. 17/9369, S 41, BT-Drs. 18/2909, S. 41), wobei es seiner Vorstellung nach genügt, wenn dieser eine der im Gesetz genannten Aufgaben übertragen wird, solange eine gemeinschaftlich zu bewältigende Aufgabenteilung vorliegt.

Im vorliegenden Fall regelt § 3 der Verträge, dass die vertraglich vereinbarten Leistungen von der gGmbH durch fachlich qualifiziertes und geeignetes Personal erbracht werden und diese eine Person für die Erbringung der Leistungen zur Verfügung stellt, dies sei aktuell die Zeugin U ... § 1 des Vertrags bestimmt als Leistungsumfang Moderations-, Verwaltungs- und Beratungstätigkeiten. Wie lange und wann die Person den Bewohnern zur Verfügung steht (Anwesenheits- oder Sprechzeiten) ist nicht bestimmt.

Nach Auffassung des Senats steht dem Anspruch nicht entgegen, dass die Bewohner die Verträge mit der gGmbh, mithin einer juristischen Person abgeschlossen haben. Der Wortlaut des Gesetzes ("Person") ist auf natürliche und juristische Personen zugeschnitten. Zwar erweckt der vom Gesetzgeber verwendete Begriff der "Präsenz"kraft, der im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden hat, den Eindruck, dass eher eine natürliche Person gemeint sein könnte, da diese nach der Wortbedeutung "präsent" eher "gegenwärtig" oder "vor Ort" (www.duden.de) als eine juristische Person mit einem festen Sitz sein kann. Eine juristische Person kann jedoch durch natürliche Personen vertreten werden, die eine Präsenz sicherstellen können. Dies muss nach dem Gesetzeszweck ausreichend sein. Denn es wäre schon allein aus rein faktischen Gründen nicht möglich, dass eine natürliche Person (gleichsam rund um die Uhr, ohne Urlaubs- und Krankheitstage) in einer Wohngruppe "präsent" ist. Im vorliegenden Fall bestimmt der Vertrag aber sogar eine natürliche Person (die Zeugin U.) für die Aufgaben.

Der Begriff der "Präsenz" hat im Gesetzeswortlaut keinen (verbindlichen) Niederschlag gefunden. Auch aus den Gesetzesmaterialien ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber damit Anforderungen an einen bestimmten zeitlichen oder örtlichen Umfang stellen wollte (etwa überhalb- oder vollschichtige Anwesenheit in der Wohngruppe). Eine bloße Rufbereitschaft wird z.T. für ausreichend gehalten (gemeinsames Rundschreiben aus 2015, Seite 4; Leitherer in Kassler Komm. 2018 § 38 a, Rz. 9; Wiegend in juris PK-SGB XI, 2. Auflage 2018, § 38a Rn. 31; Griep, Sozialrecht aktuell 2013 Seite 186 ff. (187); Linke in Krauskopf a.a.O. 16 f.). Der Senat schließt aus dem Umstand, dass das Gesetz erfordert, dass der Person wenigstens eine der im Gesetz genannten Aufgabenkreise übertragen wird, dass es ausreichend ist, wenn die Person für die vereinbarte Aufgabe entsprechend deren Anforderungen zur Verfügung steht. Die hier vereinbarten Moderations-, Verwaltungs- und Beratungstätigkeiten sind z.T. zwingend in der Gemeinschaft (Moderation von Konfliktgesprächen, Absprache bei Einzug neuer Mitglieder) auszuführen, Verwaltungsaufgaben (z.B. Vereinbarung von Telefontarifen, Beauftragung von Handwerkern) können aber genauso gut (wegen der Persönlichkeitsstruktur der Bewohner z.T. vielleicht sogar besser) vom Sitz der gGmbH erledigt werden, solange eine ausreichende mediale Verbindung zur Gemeinschaft sichergestellt ist. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die heute zur Verfügung stehenden Kommunikationswege (Telefon, Fax, E-Mail, Skype, Whats App) nahezu eine ständige Erreichbarkeit sicherstellen können. Vor diesem Hintergrund hält der Senat die "Präsenz" der Zeugin U., die täglich telefonisch Kontakt zur Gemeinschaft hat und sich im Schnitt etwa einmal in der Woche in der Gemeinschaft aufhält in Zusammenhang mit den monatlich stattfindenden Besuchen der Zeugin T. für ausreichend.

Eine Beauftragung der gGmbH liegt in Form von acht Verträgen, die gleichlautend den Leistungsumfang, die Vergütung und sonstige Abreden regeln, vor. Der Umstand, dass es sich nicht um einen durch alle Mieter unterzeichneten Vertrag handelt, steht der gemeinschaftlichen Beauftragung nicht entgegen (anders wohl SG Stralsund, Urteil vom 21.9.2016 - S 12 P 22/15). Denn die Verträge wurden zwischen der gGmbH und der "Gemeinschaft der Mieter [ ...] hier der Mieter [ ...], vertreten durch [ ...]" ausdrücklich in Bezug auf die Gemeinschaft in nahem zeitlichen Zusammenhang geschlossen. Zudem ist in § 6 des Vertrags vorgesehen, dass der Vertrag nicht durch den einzelnen Mieter gekündigt werden kann. Der Gesetzeswortlaut sieht auch lediglich eine Beauftragung "von den" bzw. "durch die" Mitglieder, nicht jedoch durch die Wohngruppe als Einheit vor. Eine Beauftragung in einer Urkunde wird durch den Sinn und Zweck des Gesetzes auch nicht gefordert. Die gemeinschaftliche Beauftragung soll die geteilte Verantwortung für die in der Wohngemeinschaft zu erledigenden Aufgaben deutlich machen und sicherstellen, dass der Wohngruppenzuschlag auch tatsächlich für die im Gesetz beschriebenen Aufgaben verwendet wird (BTDrs. 18/2909, S. 42). Die geteilte Verantwortung wird dem einzelnen Mieter dadurch deutlich, dass er den Vertrag als Mitglied der Gemeinschaft unterzeichnet. Ob die zweckentsprechende Verwendung der Mittel vertraglich gesichert wird, hängt tatsächlich eher von den vertraglich geregelten Aufgaben, als von der Frage, ob Mieter mehrere Urkunden einzeln oder alle eine Urkunde unterzeichnen, ab. Die zweckentsprechende Verwendung wird im vorliegenden Fall durch § 2 der Verträge geregelt, der vorsieht, dass die beschriebenen Aufgaben in Höhe des Wohngruppenzuschlags vergütet werden. Für eine Beauftragung in mehreren Urkunden sprechen auch praktische Erwägungen. Im vorliegenden Fall war es offensichtlich organisatorisch nicht möglich, alle Bewohner, deren Betreuer sowie die Vertreter der gGmbH zu einem festen Termin zusammen zu bekommen. Auch müsste bei Einzug eines neuen Mieters nicht nur von diesem ein (weiterer) Vertrag geschlossen, sondern wieder von allen ein neuer Vertrag unterschrieben werden. Zudem wäre das Entstehen einer Gesamtschuldnerschaft hinsichtlich der Vergütung für die im Gesetz beschriebenen Aufgaben nicht im Interesse der einzelnen Mitglieder. Der Gesetzgeber hat den Wohngruppenzuschlag schließlich auch als individuellen Anspruch mit individuellen Voraussetzungen (Abs. 1 Nr. 2) ausgestaltet.

b) unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung werden allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten verrichtet oder hauswirtschaftliche Unterstützung geleistet

Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die Verträge sehen vor, dass die gGmbH Zusammenkünfte der Gemeinschaft organisiert, moderiert und die Beschlüsse protokolliert, Beschlüsse im Auftrag der Gemeinschaft auszuführt, einzelne Mieter bei Konflikten und Leistungsinanspruchnahmen berät, die Entscheidungsfindung bei der Aufnahme neuer Mieter begleitet, verwaltende Tätigkeiten (Telefonanbieter, Stromanbieter, Haushaltskonto der Bewohner) auszuführt und Hausmeistertätigkeiten in Auftrag gibt. Die Zeuginnen haben ausgesagt, dass sie bei Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Mietern und dem Pflegedienst vermittelnd "als Übersetzer" fungieren, die Zusammenkünfte der Bewohner organisieren und begleiten, die Haushaltskasse führen und kleine Reparaturen entweder selbst durchführen oder Handwerker organisieren und bezahlen.

4. § 38 a Abs. 1 Nr. 4 SGB XI

Eine stationäre oder teilstationäre (ab dem 1.1.2017) Versorgungsform liegt nicht vor. Denn den Bewohnern der Gemeinschaft werden keine Leistungen angeboten, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Absatz 1 SGB XI für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen.

Demnach sind alle Voraussetzungen des § 38a Abs. 1 Satz 1 SGB XI ab Antragstellung erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).