LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.04.2016 - L 14 R 650/11
Fundstelle
openJur 2019, 24077
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.05.2011 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, wobei Gerichtskosten nicht erhoben werden. Der Streitwert wird endgültig auf 17.988,50 Euro festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte zu Recht Säumniszuschläge auf Nachversicherungsbeiträge i.H.v. rund 18.000 Euro von der Klägerin verlangen kann.

Der bei der Beklagten versicherte M (nachfolgend: Versicherter) war vom 05.04.1988 bis zum 04.04.1991 Zeitsoldat (Stabsunteroffizier). Als solcher stand er in diesem Zeitraum in einem versicherungsfreien Dienstverhältnis bei der Klägerin und erhielt seine Bezüge von der damals für Besoldungen zuständigen Stelle der Klägerin, dem Wehrbereichsgebührnisamt (WBGA) II in Hannover (später = Wehrbereichsverwaltung (WBV) Nord in Hannover). Der Versicherte schied - ohne Vorliegen eines Aufschubtatbestandes - formal aus diesem Dienstverhältnis zum 04.04.1991 aus; seine Besoldung wurde zum 04.04.1991 eingestellt; ab dem 15.03.1991 war er versicherungspflichtig tätig. Nach der zum Dienstzeitende des Versicherten bestehenden Zuständigkeitsregelung oblag die Durchführung der Beitragszahlung für die Nachversicherung dem WBGA III, Sachgebiet Nachversicherung in Düsseldorf (später = WBV West in Düsseldorf). Das Verfahren zur Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung für ohne Versorgung ausscheidende Soldaten der Bundeswehr war dabei nach Angaben der Klägerin im damaligen Zeitpunkt im Wesentlichen so organisiert, dass das WBGA, das die Dienstbezüge gezahlt hat (hier: das WBGA II in Hannover) prüfen musste, ob für den ausscheidenden Bundeswehrsoldaten eine lebenslängliche Versorgung bestand. Falls nein - wie hier - war das betreffende WBGA (hier das WBGA II in Hannover) verpflichtet, die Nachversicherung des ohne Versorgung ausscheidenden Soldaten zu veranlassen. Dazu musste dieses WBGA das Dienstzeitende an das für die Nachversicherung zuständige WBGA (hier: das WBGA III in Düsseldorf) melden. Die Meldung erfolgte, indem das die Dienstbezüge zahlende WBGA (hier: WBGA II Hannover) eine "Mitteilung zur Nachversicherung" und eine "Bescheinigung über das Diensteinkommen" an das für die Nachversicherung zuständige WBGA (hier WBGA III Düsseldorf) sendete. Die Aktenführung war nach Angaben der Klägerin im damaligen Zeitpunkt im Wesentlichen so organisiert, dass eine Personal-, eine Besoldungs,- und eine Nachversicherungsakte angelegt werden musste.

Vorliegend hielt das Raketenartilleriebataillon 32 in M in einer formularmäßigen "Mitteilung über das Ausscheiden eines Soldaten auf Zeit" vom 07.01.1991 bei den Angaben zur Person des Versicherten fest, dass das "zuletzt für die Zahlung der Dienstbezüge zuständige WBGA" das WBGA II in Hannover sei; in der Mitteilung ist am Ende formularmäßig vorgedruckt: "1. und 2. Ausfertigung an das WBGA (von dem zuletzt Dienstbezüge gezahlt wurden); ergänzt ist hier mit Schreibmaschine: "II Hannover". Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, dass die Mitteilung der militärischen Einheit vom 07.01.1991 an die besoldende Stelle ging, die dann die Nachversicherungsstelle hätte informieren müssen (Schriftsatz vom 28.03.2011). Nach Eingang der Ausscheidensmitteilung vom 07.01.1991 beim WBGA II in Hannover versäumte dieses jedoch laut Klage- und Berufungsvortrag der Klägerin aus heute nicht mehr zu klärenden Gründen, das damalige WBGA III (Nachversicherung in Düsseldorf) vom Ausscheiden des Versicherten aus dem Dienst zu unterrichten; insofern unterblieb zu diesem Zeitpunkt eine Nachversicherung und es wurde für den Versicherten auch keine Nachversicherungsakte angelegt (Schriftsätze der Klägerin vom 16.03.2010 und 06.02.2014).

Nachdem der Versicherte bei der Beklagten im Rahmen eines im September 2008 eingeleiteten Kontenklärungsverfahrens um Klärung gebeten hatte, ob er für April 1988 bis März 1991 nachzuversichern sei, fiel Ende September 2008 auf, dass für dessen Tätigkeit als Zeitsoldat noch keine Nachversicherung durchgeführt worden war. Auf die Anfrage der Beklagten vom 19.11.2008 hin prüfte die für Nachversicherungen zuständige Stelle der Klägerin, die WBV West in Düsseldorf (ehemals WBGA III in Düsseldorf) die Nachversicherungsangelegenheit des Versicherten und führte laut Nachversicherungsbescheinigung vom 19.01.2009 - aus nachwirkender Fürsorgepflicht und ohne Berufung auf Verjährung - die Nachversicherung für die Dienstzeit des Versicherten vom 05.04.1988 bis 04.04.1991 mit WertsteIlung des Gesamtnachversicherungsbeitrages i.H.v. 13.539,86 Euro bei der Beklagten zum 27.01.2009 durch.

Anschließend leitete die Beklagte ein Verfahren zur Erhebung von Säumniszuschlägen ein und berechnete den Nachversicherungsgesamtbeitrag (Bundesgebiet) für die Zeit vom 05.04.1988 bis 04.04.1991 i.H.v. 13.539,86 Euro und die fiktive Nachversicherungsschuld (Bundesgebiet) für die Zeit vom 05.04.1988 bis 04.04.1991 i.H.v. 10.681,09 Euro. Sie legte den niedrigeren Betrag (gerundet 10.650 Euro) für die Berechnung der Säumniszuschläge zugrunde und bestimmte den Säumniszeitraum auf denjenigen vom 01.01.1995 (§ 184 Absatz 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI)) bis zum 27.01.2009 (= 169 Monate). Daraus ergab sich ein Säumniszuschlag i.H.v. 17.998,50 Euro (10.650,00 Euro x 169 Monate x 1%). Sie hörte die Klägerin (dort WBV West in Düsseldorf) dazu unter Nennung der Rechtsgrundlagen - § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB IV) i.V.m. § 184 Abs. 1 SGB VI - an (Schreiben vom 24.03.2009).

Die Klägerin - durch ihre WBV West - berief sich mit am 02.04.2009 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben auf die vierjährige Verjährung der Säumniszuschläge nach § 25 Absatz 1 Satz 1 SGB IV. Als Nachversicherungsschuldner könne sie sich auf diese Verjährungsfrist berufen, da sie sich die Unkenntnis ihrer Zahlungsverpflichtung - unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.04.2008, B 13 R 123/07 R - im Sinne des § 24 Absatz 2 SGB IV nicht zurechnen lassen müsse, nachdem sie ausreichende organisatorische Vorkehrungen glaubhaft machen könne, aufgrund derer die für die Nachversicherung zuständigen Bediensteten hätten Kenntnis von der durchzuführenden Nachversicherung nehmen können. Im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung habe dieser durch Erlass vom 15.05.1968 - VR 111 3 - Az. 22 - 11 - 06 geregelt, wie die Pflicht zur Nachversicherung den WBGA III und V, später WBV West und Süd, von den besoldenden Dezernaten bekannt zu geben sei. Nur wenn ausnahmsweise die für die Nachversicherung zuständige Stelle keine Kenntnis von der Pflicht zur Nachversicherung gehabt hätte, sei diese unterblieben. Erst durch das Schreiben der Beklagten aus November 2008 sei bei der Klägerin bekannt geworden, dass die versicherungsfreie Dienstzeit des Versicherten bei der Beklagten versicherungsrechtlich nicht belegt sei. Nach Prüfung sei die Nachversicherung unverzüglich erfolgt. Warum von der damals für die Besoldung der Soldaten zuständigen WBV Nord die Nachversicherungsunterlagen (Mitteilung über das Ausscheiden eines Soldaten auf Zeit, Bescheinigung über das Diensteinkommen) der für die Nachversicherung der Soldaten zuständigen WBV West nicht übersandt worden seien, sei nicht zu klären. Es seien keine Anhaltspunkte vorhanden, dass die Einleitung der Nachversicherung bedingt vorsätzlich unterlassen worden sei.

Mit Bescheid vom 18.09.2009 erhob die Beklagte gegenüber der Klägerin (entsprechend der vorherigen Anhörung vom 24.03.2009) Säumniszuschläge i.H.v. 17.998,50 Euro auf die Nachversicherungsbeiträge für den Versicherten für die Zeit vom 01.01.1995 bis zum 27.01.2009. Ermessen sei nicht mehr zu prüfen, da es nach der ab 01.01.1995 geltenden Fassung des § 24 SGB IV allein darauf ankomme, dass der Schuldner am 01.01.1995 noch säumig gewesen sei. Ein Anspruch auf Säumniszuschläge bestehe. Eine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht sei nicht glaubhaft gemacht worden. Die dreißigjährige Verjährung sei maßgeblich; die Nachversicherungsbeiträge seien nach dem Ausscheiden des Versicherten aus der versicherungsfreien Beschäftigung am 05.04.1991 fällig geworden.

Im Widerspruchsverfahren gegen diesen Bescheid (Eingang des Widerspruchs: 15.10.2009) berief sich die Klägerin erneut auf die vierjährige Verjährung nach § 25 Absatz 1 Satz 1 SGB IV. Auf diese könne sie sich berufen, da § 24 Absatz 2 SGB IV nicht entgegenstehe, weil sie unverschuldet keine Kenntnis der Beitragspflicht gehabt habe. Ein Organisationsverschulden ihrerseits liege nicht vor. Wegen der bestehenden Organisations- und Erlasslage bezüglich der Nachversicherung verbleibe sie dabei, dass die vorliegend eingetretene Säumnis allein wegen des ausnahmsweisen versehentlichen Unterlassens der Mitteilung der Nachversicherungspflicht (von der WBV Nord an die WBV West) entstanden sei. Warum von dem damals für die Besoldung der Soldaten zuständigen Dezernat die Nachversicherungsunterlagen nicht übersandt worden seien, sei nicht zu klären. Es lägen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass auch nur ansatzweise an das Unterlassen einer für möglich gehaltenen Nachversicherung gedacht worden sei, was hinsichtlich der für die eigentliche Nachversicherung entscheidenden Sachbearbeiter mangels Kenntnis des Ausscheidens eines bestimmten Soldaten ohnehin ausscheide. Zum Nachversicherungsverfahren werde auf folgendes hingewiesen: Die ministerielle Regelung zur Zahlungsweise habe zunächst den für die Nachversicherung entscheidenden Sachverhalt des Ausscheidens eines Soldaten aus dem Dienstverhältnis und daran anschließend, aber getrennt, u.a. die Problematik der Aufschubgründe betroffen. Entscheidend für die Frage der Kenntnis einer Zahlungspflicht seien zunächst die Kenntnis des Sachverhalts "Ausscheiden" und die Kenntnis des Beitragsschuldners, d.h. des für die Nachversicherung durchführenden Dezernates in Düsseldorf, was im vorliegenden Fall fehle. In diesem entscheidenden Stadium komme es nicht darauf an, ob z.B. Aufschubgründe zu prüfen seien oder vorlägen. Diese Prüfung erfolge immer erst nach Kenntnis vom "Ausscheiden" als solchem. Die hier eingetretene Säumnis sei alleine wegen des leider ausnahmsweisen Unterlassens der Information über das Ausscheiden entstanden. Entscheidend sei somit, dass erst durch das Schreiben vom 19.11.2008 bei der Klägerin bekannt geworden sei, dass die versicherungsfreie Dienstzeit des Versicherten bei der Beklagten versicherungsrechtlich nicht belegt gewesen sei; nach Prüfung sei die Nachversicherung aber unverzüglich erfolgt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Rechtsgrundlage für die zwingende (und seit dem 01.01.1995 nicht mehr im Ermessen stehende) Erhebung von Säumniszuschlägen auf Nachversicherungsbeiträge sei § 184 Absatz 1 Sätze 1 bis 3 SGB VI in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung i.V.m. § 24 SGB IV in der seit dem 01.01.1995 wirksamen Fassung. Der Anspruch auf den Säumniszuschlag sei auch nicht verjährt; nicht die vier- sondern die dreißigjährige Verjährung sei maßgeblich. Der 13. Senat des BSG habe mit Urteil vom 17.04.2008 - B 13 R 123/07 R - entschieden, dass sich ein Nachversicherungsschuldner regelmäßig nicht auf die vierjährige Verjährungsfrist für den Säumniszuschlag berufen könne, wenn ihm die Kenntnis von der Zahlungspflicht zuzurechnen sei (Rz. 22 des Urteils). D. h. zur Frage der Verjährung des Anspruchs auf den Säumniszuschlag genüge es, dass dem Nachversicherungsschuldner die Kenntnis von der Nachversicherungspflicht innerhalb der Vierjahresfrist zuzurechnen gewesen sei (Rz. 33, 35 des Urteils). Für diese Feststellung komme es auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nicht an. Sei die Kenntniszurechnung zu unterstellen, liege auch Vorsatz i. S. d. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV vor (Rz. 31 des Urteils). Der Nachversicherungsschuldner müsse also i. S. des § 24 Abs. 2 SGB IV glaubhaft machen, dass er im Verjährungszeitraum des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV unverschuldet keine Kenntnis von der Pflicht zur Zahlung der Nachversicherungsbeiträge gehabt habe. Könne dieser glaubhaft machen, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt hat, bestehe kein Anspruch auf den Säumniszuschlag; die Frage nach der Verjährung erübrige sich dann. Gelinge die Glaubhaftmachung nicht, sei von der Anwendung der 30-jährigen Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auszugehen. Das gelte auch dann, wenn die Unkenntnis von der Zahlungspflicht auf fahrlässigem Verschulden beruhen würde (Rz. 22 des BSG-Urteils). Allein mit der Behauptung, im vorliegenden Fall nicht mehr nachvollziehen zu können, aus welchen Gründen eine Nachversicherung nicht durchgeführt worden sei, habe die Klägerin eine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht nicht glaubhaft gemacht. Die vom BSG aufgestellten Grundsätze seien auf alle Fälle übertragbar, in denen sich ein Bundesland als Nachversicherungsschuldner für die Betreuung der aktiven Beschäftigten und der Nachversicherung der ausgeschiedenen Beschäftigten unterschiedlicher Behörden bediene und die Ausgangsbehörde die nachgeordnete Behörde tatsächlich über das nachversicherungspflichtige Ausscheiden informiert habe. Fehle es bei einer solchen Arbeitsteilung der Behörden bereits an der Information der Ausgangsbehörde an die nachgeordnete Behörde, sei ohne Feststellung über die Organisation der Behörden eine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht grundsätzlich nicht glaubhaft, weil dem Nachversicherungsschuldner das Wissen zuzurechnen sei.

Zur Begründung der hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf (S 52 R 319/09) erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen: Nach der zum Dienstzeitende des Versicherten bestehenden Zuständigkeitsregelung habe die Durchführung der Beitragszahlung für die Nachversicherung dem WBGA III, Sachgebiet Nachversicherung, Düsseldorf (später WBGA West) oblegen. Voraussetzung für diese Beitragszahlung allerdings sei gewesen, dass die die Bezüge zahlende Stelle, das WBGA in Hannover (später: WBV Nord) die zur Einleitung der Nachversicherung notwendigen Unterlagen der WBV West zustellte. Die Erlasslage zur Nachversicherung bestehe aus dem bereits im Verwaltungsverfahren benannten Erlass aus dem Jahr 1968 und demjenigen vom 12.09.1988, VR 111 3 - Az. 67- 38 - 70. Demnach sei das vor dem 01.01.1997 zuständige WBGA, das zuletzt die Dienstbezüge an den Soldaten gezahlt habe, angewiesen worden festzustellen, ob ein Anspruch auf lebenslange Versorgung bestehe. Verneinendenfalls sei diese Stelle beauftragt worden, dem für die Nachversicherung zuständigen Sachgebiet der WBV eine "Mitteilung zur Nachversicherung" und eine "Bescheinigung über das Diensteinkommen" zu übersenden (Anweisung zu schriftlichen Mitteilungen direkt und ausschließlich an das für die Nachversicherung zuständige Dezernat). Aus nicht mehr nachzuvollziehenden Gründen sei dies vorliegend nicht an das Amt III (WBV West) weitergeleitet worden. Deshalb sei auch zum damaligen Zeitpunkt das Anlegen einer Nachversicherungsakte unterblieben. Die Besoldungsakte des Versicherten sei - wegen Vernichtung zehn Jahre nach Ausscheiden des Soldaten - nicht mehr vorhanden. Es sei eine fiktive Bezügeberechnung als Grundlage für die Nachversicherung durchgeführt worden auf der Basis der teils mikroverfilmten Akten zur Wehrüberwachung beim Kreiswehrersatzamt. In der Person des für die Bearbeitung der Nachversicherung zuständigen Bediensteten habe sie, die Klägerin, im Sinne von § 24 Absatz 2 SGB IV unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungsverpflichtung bzgl. der Nachversicherung gehabt. Sie habe (auch) durch den Erlass vom 12.09.1988 ausreichende Vorkehrungen getroffen, um ein Organisationsverschulden auszuschließen. Die Einrede der vierjährigen Verjährung nach § 25 Absatz 1 Satz 1 SGB IV sei erhoben; insbesondere mangele es der Klägerin jedenfalls an bedingtem Vorsatz bzgl. des Vorenthaltens der Beiträge. Vorliegend gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass an das Unterlassen einer für möglich gehaltenen Nachversicherung gedacht worden sei; die Nachversicherung sei allein deshalb nicht erfolgt, weil die Information über das Ausscheiden des Versicherten dem Amt III (WBV West) nicht zugegangen sei. Aus welchem Grund dies nicht erfolgt sei, lasse sich nicht mehr klären. Im Übrigen sei 1991 der Arbeitsbestand der Nachversicherung bei ca. 44.000 Fällen gewesen; monatlich seien ca. 2.000 Fälle hinzugekommen. Der Klage hat die Klägerin Merkblätter, Dienstanweisungen und Erlasse aus der Zeit zwischen 1968 und 1991 beigefügt, die ausreichende organisatorische Maßnahmen zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung der Nachversicherung belegen sollen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 18.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2009 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das SG hat die Klägerin um Übersendung der Akten betreffend den Versicherten gebeten, hat auf die Entscheidung des BSG vom 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, hingewiesen und hat bei der Klägerin angefragt, ob die Klage zurückgenommen werde.

Die Klägerin hat wiederholt, dass die Besoldungsakte des Versicherten vernichtet worden, eine Nachversicherungsakte zum Zeitpunkt des Ausscheiden des Versicherten aus dem Dienst (mangels Information des Amtes III über dessen Ausscheiden) nicht angelegt und die 2008 neu angelegte Nachversicherungsakte (die im Wesentlichen aus den beim Kreiswehrersatzamt Stade noch vorhanden gewesenen Personalunterlagen des Versicherten bestehe) bereits übersandt worden sei.

Das SG hat hieran anschließend auf die fehlenden Akten der Klägerin über den Versicherten (Besoldungs- und Nachversicherungsakten) aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass die Trennung der Besoldungs- von der NachversicherungssteIle bei der Klägerin nicht zu deren Entlastung gereichen könne.

Die Klägerin hat auf die 2008 angelegte "Nachversicherungsakte", bestehend aus Personalunterlagen, Bezug genommen und auf eine in Düsseldorf über Jahrzehnte geführte Liste über Nachversicherungen mit den Namen der betreffenden Soldaten, die denjenigen des Versicherten nicht enthalten habe. Angesichts der vorgelegten Mitteilung an die Besoldungsstelle vom 07.01.1991 und der fehlenden weiteren Mitteilung an die Nachversicherung liege kein Organisationsverschulden der Klägerin, sondern ein einzelner Fehler vor.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Klägerin als Arbeitgeberin die Pflicht treffe, die Beitragsschuld und deren Fälligkeit selbst zu ermitteln. Die Klägerin habe keine organisatorischen Vorkehrungen - z.B. Erlass einer Dienstanweisung - für Nachversicherungsfälle bei gänzlich fehlender Mitwirkung des Nachzuversichernden getroffen. Die Klägerin könne im vorliegenden Fall nicht mehr nachvollziehen, aus welchen Gründen die Mitteilungen den Nachversicherungsschuldner nicht mehr erreicht hätten und daher die Nachversicherung nicht durchgeführt worden sei. Allein mit dieser Behauptung sei die unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht nicht glaubhaft gemacht. Ferner habe die Beklagte auch nicht ihr Recht, Säumniszuschläge zu erheben, verwirkt.

Im Verhandlungstermin des Sozialgerichts am 31.05.2011 hat die Klägerin Auszüge aus dem Leitfaden der damaligen Ausbildungsbeauftragten für Bezügerechner (Stand 12/89) und ein Schreiben des Bundesministers der Verteidigung vom 03.06.1991 - VR 111 3 - Az. 67 - 38 - 70 zur Durchführung der Nachversicherung in den gesetzlichen Rentenversicherungen zu den Akten gereicht.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 31.05.2011 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es insbesondere ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 SGB IV (unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht) denjenigen des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV (vorsätzliches Vorenthalten von Beiträgen) im wesentlichen gleichen würden; ferner hat es aus der Vernichtung der Personal- und Besoldungsakte der Klägerin über den Versicherten geschlossen, dass diese als Beitragsschuldnerin nicht habe glaubhaft machen können, unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht zu haben.

Nach Zustellung am 15.06.2011 hat die Klägerin gegen dieses Urteil am 12.07.2011 Berufung eingelegt und der Berufung Anlagen (Schriftsatz vom 06.02.2014 mit Anlagen RNSP 5 bis 24: Merkblätter, Erlasse, Arbeits- und Dienstanweisungen zur Nachversicherung aus der Zeit zwischen 1968 und 1991) beigefügt, die ausreichende organisatorische Maßnahmen zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung der Nachversicherung belegen sollen.

Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin vor: Erstens seien die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 SGB IV von denjenigen des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV verschieden. Zweitens könne ihr nicht wegen des Fehlens der Nachversicherungsakte vorgeworfen werden, den Nachversicherungsfall vorsätzlich nicht rechtzeitig bearbeitet zu haben. Drittens führe die auch aktenmäßig getrennte Bearbeitung von Besoldung und Nachversicherung in verschiedenen Teilen der Wehrbereichsverwaltungen auch zu einer getrennten Bewertung der Verantwortlichkeiten einzelner Mitarbeiter in den verschiedenen Bereichen. Wenn es um vorsätzliche Nichtentrichtung von Nachversicherungsleistungen gehe, komme es auf die Kenntnis der "Nachversicherung" in Düsseldorf an. Diese habe aber noch nicht einmal Kenntnis vom Ausscheiden des Versicherten gehabt. Die in Einzelfällen unterbliebene Mitteilung der "Besoldung" an die "Nachversicherung" sei als Fehler gewertet und unverzüglich behoben worden. Viertens existiere keine Originalversicherungsakte mit Bearbeitungshinweisen zur Durchführung der Nachversicherung, die die Klägerin habe vernichten können. Fünftens könne aus der nach 10 Jahren vernichteten Personal- und Besoldungsakte des Versicherten gar keine mangelhafte Nachversicherungsbearbeitung ersehen werden, da die Personal- und Besoldungsakte nicht in der Nachversicherung "geführt" werde. Insbesondere könne aus der Nachversicherungsakte nicht ein Zugang oder Nichtzugang der Mitteilung über das Ausscheiden des Soldaten belegt werden, da es keine Nachversicherungsakte gegeben habe. Sechstens sei angesichts vieler tausend seinerzeit ordnungsgemäß abgewickelter Nachversicherungsfälle davon auszugehen, dass organisatorisch ausreichende Maßnahmen getroffen worden seien. Ein Organisationsverschulden treffe die Klägerin nicht; sie könne sich daher auf die Einrede der unverschuldeten Unkenntnis von der Beitragszahlungspflicht nach § 24 Absatz 2 SGB IV berufen. Hier seien die damals gültigen Regelungen zur Nachversicherung im Erlass BMVg vom 12.09.1988 zu beachten, die in Folge der seit dem 09.04.1968 bestehenden Erlasslage (BMVg-VR III 3) regelten, wie nachzuversichern sei. Hier gehe es um ein Versehen eines nicht bekannten Sachbearbeiters in der Besoldungsstelle (Vollzugsversehen); die NachversicherungssteIle habe ordnungsgemäß gearbeitet. Die im Urteil L 8 R 140/09 vom 28.04.2010 dargestellten Anforderungen an die organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung des notwendigen Informationsaustausches zwischen den beteiligten Behörden seien nicht realistisch und entsprächen in keiner Weise den zwischen Behörden / Gerichten üblichen Verfahren; die rückwirkende Aufstellung besonderer Anforderungen für die Versendung von Schriftstücken im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung begegne daher erheblichen rechtlichen Bedenken; zudem seien diese auch nicht praktikabel, da die Versendung und Überprüfung etwa von Empfangsbekenntnissen in einem Geschäftsbereich mit so hohen Fallzahlen wie in der Nachversicherung der Bundeswehr einen immensen Personal- und Arbeitsaufwand bedeuten würde, der von der Klägerin schlicht nicht zu realisieren gewesen sei. Zudem stehe der Klägerin die Einrede der kurzen, 4-jährigen Verjährung zu; ein vorsätzliches Vorenthalten von Beiträgen liege ihrerseits nicht vor. Sie habe den Gläubiger, die Beklagte, nicht durch ihr Verhalten von der Geltendmachung seiner Ansprüche abgehalten, da sie selbst unverschuldet nichts von diesem Anspruch gewusst habe, so dass sie sich auf Verjährung berufen könne; sie gehe auch nicht davon aus, dass hinsichtlich der Einrede der Verjährung die Säumniszuschläge das Schicksal der Nachversicherungsbeiträge teilen würden. Schließlich habe das Dienstende des Versicherten (April 1991) in einem Zeitraum gelegen, in welchem generell keine Säumniszuschläge bzw. Zinsen erhoben worden seien. Vorsorglich werde der Erlass der Säumniszuschläge beantragt. Hilfsweise werde die Zulassung der Revision für den Fall des Unterliegens beantragt. Bei der Klägerin seien ca. 500 Verfahren auf Nachversicherung in der Bearbeitung, denen ein vergleichbarer Lebenssachverhalt zugrunde läge; zur Diskussion stehe insoweit eine Nachzahlung von ca. 10 Millionen Euro.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.05.2011 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 18.09.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt an, die Klägerin treffe ein Organisationsverschulden, weil sie nicht ausreichend Vorkehrungen getroffen habe, um Nachversicherungsfälle korrekt abzuwickeln. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass geeignete organisatorische Maßnahmen zur Sicherung der Weiterleitung der Information zwischen den Wehrbereichsverwaltungen existierten. Auch habe eine Eingangskontrolle beim WBGA III nicht stattgefunden. Es fehle schon an einer organisatorischen Verknüpfung der beiden WBGA, mit der der ordnungsgemäße Eingang der Information hätte überprüft werden müssen. Die Organisation beim WBGA III spiele hingegen keine Rolle; wenn sich der Dienstherr unterschiedlicher Ämter bediene, müsse sich der für die Nachversicherung zuständige Amtswalter als Vertreter des Dienstherrn die Kenntnis der Bezügestelle in jedem Fall zurechnen lassen, ohne dass es darauf ankäme, ob die Nachversicherungsstelle tatsächlich Kenntnis von dem unversorgten Ausscheiden hatte oder nicht, eben weil ein Informationsaustausch zwischen den beiden Stellen nicht stattfand. Mit den von ihr übersandten Anlagen RNSP 5 bis RNSP 23 weise die Klägerin zwar nach, dass die Mitarbeiter der WBGA´s über die Pflicht der Nachversicherung von unversorgt ausgeschiedenen Soldaten informiert worden seien. Über ein Kontrollsystem würden diese Unterlagen jedoch nichts aussagen. Lediglich die Anlage RNSP 24 enthalte Aussagen über eine Kontrolle durch die Worte "Nachversicherung wurde erledigt"; dies könne aber allenfalls darauf hinweisen, dass die Absendung der die Nachversicherung betreffenden Vorgänge von einem WBGA zum für die Nachversicherung zuständigen WBGA vorgenommen wurde und die Information über das unversorgte Ausscheiden des Nachzuversichernden vom für die Besoldung zuständigen WBGA abgesetzt wurde; eine Kontrolle über den Zugang der Information bei dem für die Nachversicherung zuständigen WBGA und eine Kontrolle, ob die Nachversicherung von dort tatsächlich durchgeführt worden sei, könne damit jedoch nicht glaubhaft gemacht werden. Im Übrigen wäre im vorliegenden Rechtsstreit das Urteil des BSG vom 27.06.2012 (B 5 R 88/11 R, BSGE 111, 107 ff. = SozR 4 2600 § 233 Nr. 2) zu beachten und der Klägerin die Einrede der Verjährung auf den Beitragsanspruch wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben und damit als rechtsmißbräuchlich verwehrt; sei dem Beitragsschuldner die Einrede der Verjährung auf den Beitragsanspruch wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben verwehrt, gelte dies auch für den Säumniszuschlag, weil dieser das Schicksal der Hauptforderung teile (BSG, Urteil vom 08.04.1992, 10 RAr 5/91, SozR 3 2400 § 25 Nr. 4). Selbst wenn das Urteil vom 27.06.2012 für den Säumniszuschlag nicht als einschlägig erachtet werden sollte, würde der am 01.01.1995 fällig gewordene Säumniszuschlag erst in 30 Jahren verjähren (BSG, Urteil vom 17.04.2008, B 13 R 123/07, SozR 4 2400 § 25 Nr. 2). Über den Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge werde sie nach Erledigung des Rechtsstreits entscheiden.

Das Gericht hat vom Nachfolger des Kreiswehrersatzamtes, dem Karrierecenter der Bundeswehr Hannover, alle dort noch vorhandenen Akten zum Versicherten angefordert. Außerdem ist dem Gericht die Verwaltungsakte der Beklagten über den Versicherten und die 2008 angelegte "Nachversicherungsakte" der Klägerin über den Versicherten, die insbesondere aus Teilen der ursprünglichen Personalakte des Kreiswehrersatzamtes Stade besteht, und in der sich die "Mitteilung über das Ausscheiden eines Soldaten auf Zeit", hier des Versicherten, vom 07.01.1991 befindet, übersandt worden. Weiter hat das Gericht von der Klägerin den von ihr schriftsätzlich angeführten Erlass vom 15.05.1968 beigezogen.

Das Gericht hat die Klägerin, nachdem am 26.06.2012 ein Verhandlungstermin durchgeführt und vertagt worden ist, befragt hinsichtlich der Organisation des Informationsflusses bei und zwischen den Wehrbereichsverwaltungen Nord und West in Nachversicherungsangelegenheiten im Zeitraum 1990 bis 1992. Die Klägerin hat die Anfrage wie folgt beantwortet (Schriftsatz vom 03.08.2012):

"Welche Stelle(n) erhielt(en) die Ausscheidensmitteilungen von Zeitsoldaten? Die Mitteilung über das Ausscheiden eines Soldaten auf Zeit (SaZ) erhielt dasjenige WBGA, das zuletzt die Dienstbezüge gezahlt hat; in diesem Fall handelte es sich um das WBGA II in Hannover.

Welche Stelle(n) prüfte(n) das Vorliegen eines Aufschubtatbestandes? Die Prüfung, ob ein Aufschubtatbestand vorlag, oblag der für die Nachversicherung zuständigen Stelle, in diesem Fall dem WBGA III. Die formelle Entscheidung über den Aufschub traf die Wehrbereichsverwaltung III.

Wie wurde sichergestellt, dass die Absendung der die Nachversicherung betreffenden Vorgänge durch die Wehrbereichsverwaltung Nord an die Wehrbereichsverwaltung West auch tatsächlich erfolgte? Aus dem Zahlungs- und Abrechnungsverfahren 1701 (Vorläufer des heutigen EDV-Systems SAP) wurde eine Liste generiert (Liste 31. SaZ / Übergangsgebührnisempfänger mit Zahlungsende MM.JJ), auf der u. a. der Personenkreis der zur Entlassung anstehenden Soldaten auf Zeit zwei Monate vor dem Entlassungstermin angedruckt wurde. Eine Spalte in dieser Liste lautete "Nachversicherung wurde erledigt". Hier war das Datum einzutragen, wann die Nachversicherung durch Erstellen der Diensteinkommensbescheinigung und der Mitteilung zur Nachversicherung von Seiten des Dienstbezüge zahlenden WBGA abgeschlossen worden war und die Unterlagen an das WBGA III abgesandt wurden. Diese Liste war monatlich durch den Sachgebietsleiter dahingehend zu prüfen, ob alle mit der Entlassung zusammenhängenden Arbeiten - insbesondere die Nachversicherung - erledigt waren. Die Aufgabenerfüllung wurde in der Liste durch einen entsprechenden Prüfvermerk des Sachgebietsleiters bestätigt. Ein postalischer Nachweis über den Versand der Nachversicherungsunterlagen, z. B. in Listenform, wurde nicht geführt; das Absendedatum war der jeweiligen Verfügung zu entnehmen. Eine Nachprüfung scheitert an der Vernichtung der Besoldungsakten nach Ablauf von 10 Jahren nach Zahlungsende. Hausverfügungen oder Weisungen des Bundesamtes für Wehrverwaltung aus der fraglichen Zeit über die in der Anlage versandten Schriftstücke hinaus existieren nicht mehr. Die Verfügung aus dem Jahr 1991 (Anlage 3) verdeutlicht aber, welch hoher Wert auf eine zeitgerechte Übermittlung der nachversicherungsrechtlich relevanten Informationen gelegt wurde.

Wie wurde gewährleistet, dass der Zugang der Vorgänge bei der WBV West kontrolliert wurde? Eine Eingangskontrolle beim WBGA III fand nicht statt.

Wie wurde kontrolliert, ob die Nachversicherungsbeiträge tatsächlich an den Rentenversicherungsträger gezahlt worden sind? Die Erst- und Zweitausfertigung des Feststellungsbogens, aus dem das nachversicherungspflichtige Entgelt und der Nachversicherungsbeitrag hervorgehen, ist mit einem gesonderten Anschreiben dem Versicherungsträger zu übersenden. Aus dem Anschreiben müssen der Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsort und der Nachversicherungsbeitrag hervorgehen. Eine Ausfertigung des Anschreibens ist als zahlungsbegründende Unterlage der Auszahlungsanordnung beizufügen. Eine weitere Ausfertigung des Feststellungsbogens ist zur Nachversicherungsakte zu nehmen?.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte sowie der beigezogenen Unterlagen Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig.

Sie betrifft keine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden im Sinne des § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG),- denn die Erhebung von Säumniszuschlägen ist kein Erstattungsstreit,- sondern einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt im Sinne des § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGG; hierbei ist der Beschwerdewert von 750 Euro überschritten, weil es um Säumniszuschläge in Höhe von rund 18.000 Euro geht.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig, so dass die Klägerin nicht beschwert ist, § 54 Absatz 2 Satz 1 SGG.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind formell rechtmäßig.

Insbesondere ist die Klägerin vor Erlass ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X)).

Die angefochtenen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin auf einen Säumniszuschlag nach § 24 Absatz 1 SGB IV sind gegeben (I.); dem steht § 24 Absatz 2 SGB IV nicht entgegen, denn die Klägerin kann nicht nachweisen und auch nicht glaubhaft machen, dass sie im Sinne des § 24 Absatz 2 SGB IV keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (II.); ob dem Anspruch der Beklagten nach § 24 SGB IV die von der Klägerin erhobene Einrede der kurzen 4-jährigen Verjährung nach § 25 Absatz 1 Satz 1 SGB IV entgegensteht und damit Säumniszuschläge von der Beklagten infolge Verjährung für die Zeit bis zum 31.12.2004 nicht erhoben werden dürfen, braucht der Senat nicht zu entscheiden; denn die Klägerin kann sich auf diese Einrede nicht berufen, weil ihr die von der Beklagten erhobene Gegeneinrede der unzulässigen Rechtsausübung entgegensteht (III.), der Festsetzung der Säumniszuschläge durch die Beklagte steht auch Verwirkung nicht entgegen (IV.).

I.

Die Voraussetzungen des § 24 Absatz 1 Satz 1 SGB IV zur Erhebung von Säumniszuschlägen durch die Beklagte gegenüber der Klägerin liegen vor.

Gemäß § 24 Absatz 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen, auf Euro 50,- nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Nachversicherungsschuldner des nach § 233 SGB VI bestehenden Nachversicherungsanspruchs des Versicherten und damit zahlungspflichtig war die Klägerin, vormals vertreten durch das Bundesministerium (BM) der Verteidigung, dieses vertreten durch die Wehrbereichsverwaltung West, als ehemaliger Dienstherr des Versicherten (die Klägerin wird nunmehr vertreten durch das BM des Inneren, dieses vertreten durch das Bundesverwaltungsamt). Die Nachversicherungsbeiträge waren gemäß § 184 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI zu zahlen ("fällig"), wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten waren. Dies ist regelmäßig mit dem unversorgten Ausscheiden aus einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis der Fall, § 8 Absatz 2 Nr. 1 SGB VI. Da der Versicherte bis zum 04.04.1991 in einem versicherungsfreien Dienstverhältnis zur Klägerin stand, war die Nachversicherungsschuld am 05.04.1991 entstanden und fällig. Dieser Entstehungs- und damit Fälligkeitszeitpunkt verschob sich - wie in den angefochtenen Bescheiden festgestellt - hier nach § 23 Absatz 4 SGB IV i.V.m. § 184 Absatz 1 Satz 3 SGB VI auf den 01.01.1995. Bis zum Ablauf dieses Fälligkeitstags hatte die Klägerin Nachversicherungsbeiträge an die Beklagte jedoch nicht entrichtet.

Säumniszuschläge sind auch in Nachversicherungsfällen und (wie dort regelmäßig der Fall) von Körperschaften öffentlichen Rechts zu entrichten (hierzu im Einzelnen: BSG, Urteil vom 12.02.2004, B 13 RJ 28/03 R (BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr. 2, Rdn. 10 bis 21). Hierbei ist der für die Nachversicherung zuständige Rentenversicherungsträger berechtigt, auch gegenüber öffentlichrechtlichen Arbeitgebern die Nachentrichtung der Beiträge durch Verwaltungsakt einzufordern (BSG, Urteil vom 01.09.1988, 4 RA 18/88 (SozR 2400 § 124 Nr. 6 S. 18)). Im Nachversicherungsverfahren anfallende Säumniszuschläge dürfen ebenfalls durch Verwaltungsakt und auch gegenüber öffentlichrechtlichen Trägern geltend gemacht werden (BSG, Urteil vom 29.11.2007, B 13 R 48/06 R (BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr. 1)).

An den damit gegebenen Voraussetzungen des § 24 Absatz 1 Satz 1 SGB IV zur Erhebung von Säumniszuschlägen durch die Beklagte gegenüber der Klägerin in Form der ergangenen und angefochtenen Bescheide (Verwaltungsakte) ändert der Berufungsvortrag der Klägerin, das Dienstende des Versicherten (April 1991) habe in einem Zeitraum gelegen, in welchem generell keine Säumniszuschläge bzw. Zinsen erhoben worden seien, nichts. Seit der mit Wirkung vom 01.01.1995 eingefügten Neufassung von § 24 Absatz 1 SGB IV (durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs vom 13.06.1994, BGBl I, 1229) sind Säumniszuschläge bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zwingend zu zahlen; ihre Erhebung ist nicht mehr - wie noch nach der Vorläufervorschrift - in das Ermessen des Versicherungsträgers gestellt (BSG, Urteile vom 12.02.2004, a.a.O. (Rdn. 25 f.), vom 29.11.2007, a.a.O. (Rdn. 28), vom 17.04.2008, B 13 R 123/04 (BSGE 100, 215 ff. = SozR 4-2400 § 25 Nr. 2), vom 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, SozR 4-2400, § 24 Nr. 5 (Rdn. 32)); nach § 24 Absatz 1 SGB IV entstehen Säumniszuschläge ausnahmslos und hier insbesondere unabhängig von der Person des Schuldners kraft Gesetzes; ein entsprechender Bescheid, mit dem Säumniszuschläge festgesetzt werden, hat insoweit allein deklaratorische Bedeutung (Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht-Seewald, § 24 SGB IV, Rdn. 3).

Hier sind auch die Schutzfunktionen des § 24 Absatz 1 SGB IV weiterhin gültig, auch wenn die Klägerin im Übrigen die Liquidität der Beklagten sicherzustellen hat. Unabhängig von der Liquiditätssicherstellung besteht ein Erfordernis zur Sanktionierung verspäteter Beitragszahlung, indem durch die säumnisbedingte Erhöhung des Zahlbetrages einerseits eine "Druckfunktion" auf den Schuldner ausgeübt, andererseits aber auch ein standardisierter Mindestschadensausgleich vorgenommen wird; hierdurch wird auch der Klägerin gegenüber sichergestellt, dass die Beklagte als Sozialleistungsträger die entstandenen (Nachversicherungs-)Beiträge zum Fälligkeitstermin auch tatsächlich zur Erfüllung ihrer Leistungspflichten zur Verfügung hat (BSG, Urteil vom 01.07.2010, a.a.O.) und zudem soll ausgeschlossen werden, dass sich der Beitragsschuldner durch rechtswidriges Verhalten ein "zinsloses" Darlehen verschafft oder durch eine verspätete Beitragszahlung selbst einen Zinsvorteil erlangt (BSG, Urteil vom 12.02.2004, a.a.O.); in dieser "Doppelfunktion" dienen Säumniszuschläge somit der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung (BSG, Urteil vom 29.8.2012, B 12 KR 3/11 R, BSGE 111, 268 = SozR 4-2400 § 24 Nr 7, Rdn. 25).

II.

Die Klägerin kann sich nicht auf die Vorschrift des § 24 Absatz 2 SGB IV berufen.

Nach § 24 Absatz 2 SGB IV ist bei einer durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellten Beitragsforderung ein Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Diese Vorschrift ist auf Nachversicherungsbeiträge entsprechend anzuwenden, obwohl abweichend von ihrem Wortlaut die Beitragsforderung für die Vergangenheit nicht "durch Bescheid" festgestellt wird, sondern vom Beitragsschuldner selbst ermittelt und durch die Zahlung dokumentiert wird, §§ 184 Absätze 1 und 3, 185 Absatz 1 SGB VI (BSG, Urteile vom 12.02.2004, 29.11.2007, 17.04.2008 und 01.07.2010, a.a.O.).

Die Klägerin kann nicht nachweisen und auch nicht glaubhaft machen im Sinne des § 24 Absatz 2 SGB IV, dass sie keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte; insofern kann eine Prüfung unterbleiben, ob eine - hier nicht gegebene - Unkenntnis unverschuldet im Sinne des § 24 Absatz 2 SGB IV war.

Denn bei Körperschaften des öffentlichen Rechts schließt das Außerachtlassen ausreichender organisatorischer Vorkehrungen zur Verfügbarkeit von Wissen (sogenanntes Organisationsverschulden) eine (unverschuldete) Unkenntnis im Sinne von § 24 Absatz 2 SGB IV aus (1.)). Dies gilt auch bei Außerachtlassen ausreichender organisatorischer Vorkehrungen zur Verfügbarkeit von Wissen im Verhältnis zwischen zwei dem Zahlungspflichtigen nachgeordneten Ämtern einer Behörde (2.)). Die Klägerin hat ausreichende organisatorische Vorkehrungen zur Verfügbarkeit von Wissen für den entscheidungserheblichen Zeitraum nicht ausreichend getroffen; durch dieses Organisationsverschulden muss sie sich als Gesamtorganisation das Wissen einzelner Mitarbeiter, gleichgültig welcher Organisationeinheit oder Organisationsebene, zurechnen lassen und sich daher hier materiellrechtlich so behandeln lassen, als habe sie von der Information über das Ausscheiden des Versicherten aus dem Dienst und damit auch von ihrer Nachversicherungs- und der damit einhergehenden Zahlungsverpflichtung Kenntnis gehabt, ohne dass es hierbei darauf ankäme, ob das für die Nachversicherung zuständige WBGA III in Düsseldorf tatsächlich Kenntnis vom Ausscheiden des Versicherten aus dem Dienst hatte oder nicht (3.)).

1.)

Bei Körperschaften des öffentlichen Rechts schließt das Außerachtlassen ausreichender organisatorischer Vorkehrungen zur Verfügbarkeit von Wissen (sogenanntes Organisationsverschulden) eine Unkenntnis im Sinne von § 24 Absatz 2 SGB IV aus.

Eine Körperschaft öffentlichen Rechts kann genauso wenig selbst "Kenntnis" bestimmter Umstände haben wie eine juristische Person des Privatrechts (BSG, Urteil vom 17.04.2008, a.a.O.); insofern kommt es grundsätzlich auf die Kenntnis der für die Entscheidung zuständigen Bediensteten an, weil sie für die Körperschaft des öffentlichen Rechts handeln. Hatte der zuständige Bedienstete keine Kenntnis, entlastet dies die Körperschaft jedoch noch nicht. Denn jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation hat sicherzustellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können. Sie muss es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterzuleiten. Hieraus folgt die Notwendigkeit eines internen Informationsaustausches. Dazu kann ein Informationsfluss von unten nach oben, aber auch ein horizontaler Austausch erforderlich sein. Die Notwendigkeit eines Informationsaustausches bedingt entsprechende organisatorische Maßnahmen. Jedenfalls dann, wenn es an derartigen organisatorischen Maßnahmen fehlt, muss sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter - auf welcher Ebene auch immer diese angesiedelt sind - zurechnen lassen mit der Folge, das keine Unkenntnis im Sinne des § 24 Absatz 2 SGB IV vorliegt und schon deshalb keine Exkulpation möglich ist (BSG, Urteile vom 17.04.2008, a.a.O., und vom 01.07.2010, a.a.O; Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 15.12.2005, IX ZR 227/04, MDR 2006, 951 f. = NZI 2006, 175, Rdn. 13, und vom 02.02.1996, a.a.O.; jeweils m.w.N.). Denn die Verantwortung für einmal erlangtes Wissen schließt die Verpflichtung ein, seine Verfügbarkeit zu organisieren; kommt eine juristische Person, bei der auf Grund ihrer arbeitsteiligen Organisationsform typischerweise Wissen bei verschiedenen Personen oder Abteilungen "aufgespalten" ist, dieser Rechtspflicht nicht nach, muss sie sich materiellrechtlich so behandeln lassen, als habe sie als Gesamtorganisation von der Information Kenntnis (BGH, Urteil vom 02.02.1969, V ZR 239/94 = BGHZ 132, 30 ff.); denn das Fehlen notwendiger organisatorischer Maßnahmen bedingt, dass sich die Gesamtorganisation das Wissen einzelner Mitarbeiter zurechnen lassen muss (BSG, Urteile vom 17.04.2008, a.a.O. (Rdn. 18), vom 29.11.2007, a.a.O. (Rdn. 29) und vom 12.02.2004, a.a.O. (Rdn. 26); LSG NRW, Urteil vom 16.01.2006, L 3 R 3/05, juris, Rdn. 33).

2.)

Dies gilt auch, wie hier, im Verhältnis zwischen zwei dem Zahlungspflichtigen nachgeordneten Ämtern einer Behörde, nämlich zwei verschiedenen Wehrbereichsgebührnisämtern der Wehrbereichsverwaltung.

Es kann offen bleiben, ob eine Wissenszurechnung zwischen zwei voneinander unabhängigen und verschiedenen Behörden erfolgen kann oder nicht (etwa einer Steuerbehörde eines Landes und einer Stadt dieses Landes, vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29.06.2006, IX ZR 167/04, juris; oder etwa zwischen dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz und der Bezirksfinanzdirektion, vgl. dazu BSG, Urteil vom 17.04.2008, a.a.O., Rdn. 20). Hier geht es nicht um eine Wissenszurechnung zwischen zwei voneinander unabhängigen und verschiedenen Behörden, sondern zwischen zwei derselben Behörde, nämlich demselben Ministerium (Bundesministerium der Verteidigung) nachgeordneten Ämtern, namentlich dem WBGA II in Hannover als Besoldungsstelle und dem WBGA III in Düsseldorf als Nachversicherungsstelle. Innerhalb ein und derselben Behörde aber kann eine Kenntniszurechnung erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2008, a.a.O., Rdn. 20: Kenntniszurechnung zwischen verschiedenen Referaten innerhalb einer Behörde möglich, zwischen verschiedenen Behörden jedoch nicht; siehe im Übrigen auch den die Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) des Bevollmächtigten verwerfenden und von ihm übersandten Beschluss des BSG vom 19.06.2013, B 13 R 71/13 B). Wenn insofern der frühere Dienstherr als Nachversicherungsschuldner die Unkenntnis der für die Durchführung der Nachversicherung zuständigen Dienststelle von der im konkreten Fall eingetretenen Nachversicherungspflicht wegen Organisationsdefiziten innerhalb der Behörden zu verantworten hat, kann ihm nicht gestattet werden, sich unter Hinweis auf Behördengrenzen auf diese Unkenntnis zu berufen und sich so gleichsam der Verantwortung für die Organisations- und Kommunikationsdefizite zu entziehen (Urteile des LSG Hamburg vom 16.03.2011 (L 2 R 140/09, juris) und 20.04.2011 (L 2 R 33/10, juris); die gegen das Urteil vom 16.03.2011 eingelegte Revision B 13 R 92/11 R wurde zurückgenommen; die gegen das Urteil vom 20.04.2011 eingelegte Revision B 5 R 96/11 R hat das BSG mit Beschluss vom 04.04.2013 als unzulässig verworfen).

3.)

Der Rechtspflicht, die Verfügbarkeit einmal erlangten Wissens ausreichend zu organisieren, ist die Klägerin als juristische Person, bei der aufgrund ihrer arbeitsteiligen Organisationsform typischerweise Wissen bei verschiedenen Personen oder Abteilungen bzw. Ämtern aufgespalten ist, im entscheidungserheblichen Zeitraum (bis ca. 1991) nicht ausreichend nachgekommen. Durch dieses Organisationsverschulden muss sie sich als Gesamtorganisation das Wissen einzelner Mitarbeiter, gleichgültig welcher Organisationeinheit oder Organisationsebene, zurechnen lassen und sich daher hier materiellrechtlich so behandeln lassen, als habe sie als Gesamtorganisation von der Information über das Ausscheiden des Versicherten aus dem Dienst und damit auch von ihrer Nachversicherungs- und der damit einhergehenden Zahlungsverpflichtung Kenntnis gehabt, ohne dass es hierbei darauf ankäme, ob das für die Nachversicherung zuständige WBGA III (in Düsseldorf) tatsächlich Kenntnis vom Ausscheiden des Versicherten aus dem Dienst hatte oder nicht.

Denn die Verantwortung für das einmal erlangte Wissen des für die Besoldung zuständigen WBGA II (in Hannover) vom Ausscheiden des Versicherten aus dem Dienst zum 04.04.1991 infolge Erhalts der Mitteilung des Raktenartilleriebatallions vom 07.01.1991 schloss die Verpflichtung ein, dessen Verfügbarkeit ausreichend zu organisieren und im Rahmen dieser Organisation dafür Sorge zu tragen, dass dieses Wissen auch das für die Nachversicherung zuständige WBGA III (in Düsseldorf) erreicht. Die Klägerin konnte jedoch für den entscheidungserheblichen Zeitraum eine ausreichende Organisation des Wissenstransfers vom WBGA II - Bezügestelle - an das WBGA III - Nachversicherung - weder nachweisen noch glaubhaft machen.

Ein Nachweis darüber, dass zum damaligen Zeitpunkt eine Information über das unversorgte Ausscheiden des Versicherten aus dem Dienst vom WBGA II in Hannover an das WBGA III in Düsseldorf durch Absendung einer "Mitteilung zur Nachversicherung" und einer "Bescheinigung über das Diensteinkommen" abgesetzt wurde, ist der Klägerin nicht möglich gewesen, genauso wenig wie der Nachweis, dass diese Information beim WBGA III in Düsseldorf angekommen ist. Denn für den Versicherten besteht zwar eine (Rest-)Personalakte; aus dieser lassen sich aber Rückschlüsse auf eine Absendung der Mitteilung über das Ausscheiden des Versicherten aus dem Dienst durch das WBGA II und auf einen Zugang dieser Mitteilung beim WBGA III nicht ziehen; die Besoldungsakte des Versicherten ist 10 Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst vernichtet worden; eine Nachversicherungsakte ist damals - mangels Kenntnis der Nachversicherung vom Nachversicherungsfall - nicht angelegt worden; insofern kann hier ein Zugang oder Nichtzugang der Mitteilung über das Ausscheiden des - nachzuversichernden - Soldaten auch nicht aus einer Nachversicherungsakte belegt werden, wie die Klägerin selbst vorgetragen hat.

Die Klägerin hat für den entscheidungserheblichen Zeitpunkt eine ausreichende Organisation des Wissenstransfers von dem für die Besoldung zuständigen WBGA II an das für die Nachversicherung zuständige WBGA III aber auch nicht glaubhaft machen können. Denn die von einem öffentlichen Dienstherrn zu treffenden organisatorischen Maßnahmen zur Durchführung einer Nachversicherung müssen bestimmten Anforderungen entsprechen (a.)); diesen Anforderungen genügten die von der Klägerin im entscheidungserheblichen Zeitraum ergriffenen organisatorischen Maßnahmen zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Durchführung der Nachversicherung jedoch nicht (b.)).

a.)

Die von einem öffentlichen Dienstherrn zu treffenden organisatorischen Maßnahmen zur Durchführung einer Nachversicherung müssen bestimmten Anforderungen entsprechen (LSG NRW, rechtskräftiges Urteil vom 28.04.2010, L 8 R 140/09, juris): Erstens muss sichergestellt sein, dass die Absendung der die Nachversicherung betreffenden Vorgänge durch die für die aktiven versicherungsfrei Beschäftigten des Dienstherrn zuständige Organisationseinheit (an die für die Durchführung der Nachversicherung der unversorgt ausgeschiedenen Beschäftigten zuständige Behörde des Dienstherrn) tatsächlich erfolgt; das kann z.B. durch ein Vier-Augen-Prinzip (Zeichnung durch den Abteilungsleiter, Mitzeichnung durch den Sachbearbeiter) und ein anschließendes Kontrollsystem (Wiedervorlage) geschehen (vgl. auch LSG RP, Urteil vom 16.10.2006, L 2 R 129/05, juris, Rdn. 33, und Breithaupt 2007, 389). Zweitens muss gewährleistet sein, dass der Zugang der Vorgänge bei der für die Nachversicherung zuständigen Organisationseinheit kontrolliert wird; diese Überprüfung kann entweder durch die für die Nachversicherung zuständige Organisationseinheit selbst geschehen, wenn und soweit es vorab auf einem zweiten Weg über den Nachversicherungsfall unterrichtet worden ist (z.B. per Mail, per Fax, durch automatische Datenübertragung), oder aber durch die absendende Organisationseinheit (z.B. durch Kontrolle des Zugangs im Wege eines Zugangsnachweises in Gestalt eines Empfangsbekenntnisses, Rückscheins o.ä.). Drittens müssen entsprechende Maßnahmen auch ergriffen werden, um zu kontrollieren, ob die Nachversicherungsbeiträge tatsächlich an den Rentenversicherungsträger gezahlt worden sind.

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des 8. Senats des LSG NRW an. Insbesondere werden hierdurch die Anforderungen an die von der Klägerin zu gewährleistenden Organisationsmaßnahmen nicht überspannt. Sie gehören, wie der 8. Senat in seinem Urteil zu Recht ausführt, zu den üblichen Mechanismen jedes funktionierenden Verwaltungsapparates. Die Rechtsprechung des 8. Senats steht auch in Einklang mit höchstrichterlicher Rechtsprechung. So hat der 8. Senat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen mit der Begründung, die maßgebenden Rechtsfragen seien alle höchstrichterlich geklärt und die Klägerin selbst sei ihrem Vortrag gemäß der Auffassung, es handele sich um einen bedauerlichen Einzelfall. Die gegen das Urteil eingelegte NZB B 5 R 286/10 B hat das BSG durch Beschluss vom 30.11.2010 als unzulässig verworfen, die die dortige Klägerin mit einer Divergenz des Urteils des 8. Senats - wegen seiner Anforderungen an die zu gewährleisten Organisationsmaßnahmen - vom Urteil des BSG vom 17.04.2008, B 13 R 123/07 begründet hatte; aus diesem BSG-Urteil lasse sich nämlich bloß der Rechtssatz ableiten, dass von einem vorsätzlichen Vorenthalten im Sinne des § 25 Absatz 1 Satz 2 SGB IV einer am Rechtsverkehr teilnehmenden Organisation nicht auszugehen sei, wenn ausreichende organisatorische Maßnahmen zur Gewährleistung des notwendigen Informationsaustausches bestünden; weitere Einschränkungen habe das BSG nicht vorgenommen und gerade nicht das Erfordernis eines abgestuften, aufeinander aufbauenden Kontrollsystems statuiert. Hiermit war für das BSG jedoch eine Divergenz im Sinne von § 160 Absatz 2 Nr. 2 SGG nicht dargetan, wie es in seinem die NZB verwerfenden Beschluss vom 30.11.2010 ausgeführt hat, weil die Revisionsführerin bereits nicht dargelegt habe, mit Hilfe welcher anerkannten Methodik sie der höchstrichterlichen Rechtsprechung den von ihr behaupteten Rechtssatz entnehmen wolle.

b.)

Den dargestellten Anforderungen an die von einem öffentlichen Dienstherrn zu treffenden organisatorischen Maßnahmen zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Durchführung der Nachversicherung genügten die von der Klägerin im entscheidungserheblichen Zeitraum ergriffenen organisatorischen Maßnahmen nicht ausreichend. Denn die Klägerin hat im Rahmen ihrer organisatorischen Maßnahmen im damaligen Zeitraum kein ausreichendes Kontrollsystem dafür etabliert,- und damit nicht sichergestellt,- dass die beim WBGA II (in Hannover) eingegangene Mitteilung über das unversorgte Ausscheiden des Versicherten aus dem Dienst auch das für die Nachversicherung zuständige WBGA III (in Düsseldorf) erreicht. Insofern fehlte es an einer organisatorischen Verknüpfung der beiden Wehrbereichsgebührnisämter, mit der der ordnungsgemäße Eingang der Information über das unversorgte Ausscheiden beim WBGA III in Düsseldorf hätte überprüft werden müssen. Dies hat die auf Befragung des Gerichts erfolgte Einlassung der Klägerin durch Schriftsatz vom 03.08.2012 ergeben.

In Auswertung dieser Einlassung kann offen bleiben, ob die Absendung der die Nachversicherung betreffenden Vorgänge durch das WBGA II in Hannover an das WBGA III in Düsseldorf damals ausreichend organisiert war, insbesondere durch ein Vier-Augen-Kontrollsystem von Sachbearbeiter und Sachgebietsleiter (siehe Punkt c) des Schriftsatzes der Klägerin).

Es fehlte jedenfalls bei der Klägerin an einer Eingangskontrolle des Zugangs von Nachversicherungsvorgängen bei dem WBGA III in Düsseldorf, wie die Klägerin selbst zugestanden hat (siehe Punkt d) des Schriftsatzes des Klägerin).

Ob es dann auch an einer weiteren Kontrolle, ob Nachversicherungsbeiträge tatsächlich an den Rentenversicherungsträger gezahlt wurden, fehlte, kann insofern dahinstehen. Vom Fehlen auch einer solchen Kontrolle dürfte aber auszugehen sein, weil damals nur eine Auszahlungsanordnung zu erstellen und dem Versicherungsträger ein Feststellungsbogen mit nachversicherungspflichtigem Entgelt und Nachversicherungsbeitrag zu übersenden, nicht aber etwa eine Zahlungseingangsbestätigung des Rentenversicherungsträgers anzufordern war (siehe Punkt e) des Schriftsatzes der Klägerin).

Es ist damit hier festzustellen,- gleichermaßen wie auch im (von der Klägerin übersandten rechtskräftigen) Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 08.03.2012 (L 10 R 4107/10) ausgeführt, das in einem identisch gelagerten Lebenssachverhalt erging,- dass es zum damaligen Zeitpunkt an jedweder Zugangskontrolle der "Mitteilung zur Nachversicherung", die die Besoldungsstelle an die Nachversicherungsstelle abzusenden hatte, gefehlt hat, obwohl es nahe gelegen hat, für die Besoldungsakte einen Rücklauf seitens der für die Nachversicherung zuständigen Stelle vorzusehen (beispielsweise in Form einer Eingangsbestätigung), auf dessen Eingang im Rahmen einer abschließenden Aktendurchsicht zu achten gewesen wäre, und dass insofern organisatorische Vorkehrungen zur Sicherstellung fehlten, dass das für die Nachversicherung zuständige WBGA die vorgesehenen Informationen über ein Ausscheiden auch tatsächlich erreichten (die gegen das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 08.03.2012 eingelegte NZB B 5 R 148/12 B mit der als grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Frage, "ob im Rahmen der eine Wissenszurechnung nach § 24 Absatz 2 SGB IV gegebenenfalls ausschließenden Organisationsvorkehrungen vom Beitragspflichtigen auch zu verlangen ist, dass er den Zugang versandter Schriftstücke zwischen zwei Behörden überwacht", hat das BSG durch Beschluss vom 10.07.2012 als unzulässig verworfen).

Mit den von ihr im Klage- und Berufungsverfahren für die streitrelevante Zeit (bis etwa 1991) vorgelegten Merkblättern, Dienst- und Arbeitsanweisungen, Erlassen zur Durchführung der Nachversicherung (insbesondere Anlagen RNSP 5 bis 24 zum Schriftsatz vom 06.02.2014) und den im Verhandlungstermin des Sozialgerichts überreichten Unterlagen (Auszüge aus dem Leitfaden der damaligen Ausbildungsbeauftragten für Bezügerechner und Schreiben des Bundesministers der Verteidigung vom 03.06.1991 - VR 111 3 - Az. 67 - 38 - 70 zur Durchführung der Nachversicherung in den gesetzlichen Rentenversicherungen) kann sich die Klägerin von dem ihr zu machenden Vorwurf des Organisationsverschuldens nicht exkulpieren. Diese Unterlagen regeln zwar das grundsätzliche interne Nachversicherungsverfahren und die Zuständigkeiten der daran beteiligten Dienststellen. Dies genügt aber nicht den Anforderungen an eine wirksame Wissenskonservierung-, -verarbeitung und -weitergabe im dargelegten Sinne. Aus den vorgelegten Erlassen und den weiteren vorgelegten Unterlagen geht nicht hervor, dass und gegebenenfalls welche konkreten Vorkehrungen getroffen worden sind, um sicherzustellen, dass die aus dem Dienst ausscheidenden Soldaten tatsächlich an das für die Nachversicherung zuständige WBGA gemeldet werden. Zu etwaigen Melde-, Prüf- und Vorlagepflichten, einer Listen- bzw. Kalenderführung, überhaupt einem Sicherungs-, Kontrollwesen (auch zur Zugangskontrolle) und Mahnwesen - etwa einem sog. Laufzettelverfahren -, einem strukturierten Ablaufplan nach dem "Vier-Augen-Prinzip" oder dergleichen verhalten sich die vorgelegten Unterlagen nicht, auch nicht dazu, welche Maßnahmen der Dienstaufsicht eingesetzt wurden, um eine lückenlose Nachversicherung der ausscheidenden Soldaten zu gewährleisten. Lediglich die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 06.02.2014 übersandte Anlage RNSP 24 ("Arbeitsanweisung Besoldung, Liste 37") enthält Aussagen über eine Kontrolle von anlässlich des Ausscheidens von Soldaten durchzuführenden Arbeiten, indem hinter einem der zahlreichen Spiegelstriche der Satz "Nachversicherung wurde erledigt" steht. Hierdurch aber kann, wie die Beklagte zutreffend vorgetragen hat, allenfalls glaubhaft gemacht werden, dass die Information über das unversorgte Ausscheiden des Nachzuversichernden von dem für die Besoldung zuständigen WBGA abgesetzt wurde; eine Kontrolle über den Zugang der Information bei dem für die Nachversicherung zuständigen WBGA und eine Kontrolle, ob die Nachversicherung von dort tatsächlich durchgeführt wurde, kann hierdurch jedoch nicht nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht werden.

Auch die Angabe der Klägerin, dass bei ihr ca. 500 Verfahren auf Nachversicherung in der Bearbeitung sind, denen ein vergleichbarer Lebenssachverhalt zugrunde liegt und insoweit eine Nachzahlung von ca. 10 Millionen Euro zur Diskussion steht, zeigt, dass die seinerzeitige Erlasslage und die seinerzeitigen Merkblätter, Dienst- und Arbeitsanweisungen als solche für sich gesehen in der täglichen Verwaltungspraxis nicht zu einer wirksamen Verhinderung von verspäteten Nachversicherungen geführt haben und, wie dargelegt, auch nicht führen konnten, weil effektive Kontrollmechanismen, insbesondere Zugangskontrollen, nicht eingeführt waren. Dass keine (wirksamen) Sicherungsvorkehrungen zum Schutz vor Nachversicherungsversäumnissen vorhanden waren, zeigt schließlich auch die Tatsache, dass die Klägerin bis zur regelmäßigen Vernichtung der betreffenden Unterlagen - nach Angabe zehn Jahre - und darüber hinaus bis zum Jahr 2008 nicht bemerkt hat, dass der Versicherte trotz seines Ausscheidens im Jahr 1991 nicht nachversichert worden war. Die Klägerin war auch nicht mehr in der Lage nachzuvollziehen, an welcher Stelle genau dies unbeachtet geblieben ist.

Eine Exkulpation der Klägerin von einem Organisationsverschulden kann schließlich auch nicht dadurch erfolgen,- wie sie es mit der Berufungsbegründung andeutete,- dass der Versicherte für die verspätete Zahlung der Nachversicherungsbeiträge in die Verantwortung zu nehmen wäre. Denn der Nachzuversichernde ist nicht dazu verpflichtet, den Beitragsgläubiger über das unversorgte Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis zu informieren (BSG, Urteil vom 27.06.2012, B 5 R 88/11 R, SozR 4 2600 § 233 Nr. 2, dort Rdn. 20), worauf die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung zu Recht hingewiesen hat.

III.

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob dem Anspruch der Beklagten nach § 24 Absatz 1 SGB IV die von der Klägerin erhobene Einrede der kurzen 4-jährigen Verjährung nach § 25 Absatz 1 Satz 1 SGB IV - anstelle der 30-jährigen Verjährung nach § 25 Absatz 1 Satz 2 SGB IV - entgegensteht und damit Säumniszuschläge von der Beklagten infolge Verjährung für die Zeit bis zum 31.12.2004 nicht erhoben werden dürfen (1.)); denn die Klägerin kann sich auf diese Einrede nicht berufen, weil ihr die von der Beklagten erhobene Gegeneinrede der unzulässigen Rechtsausübung entgegensteht (2.)).

1.)

Die Verjährungsvorschrift des § 25 SGB IV ist auf die auf Nachversicherungsbeiträge entfallenden Nebenforderungen, wie u.A. Säumniszuschläge, anwendbar (BSG, Urteile vom 08.04.1992, 10 RAr 5/91, BSGE 70, 261 (264) = SozR 3 2400 § 25 Nr. 4, und vom 17.04.2008, a.a.0.) und ein Beitragsschuldner kann sich grundsätzlich auch dann auf die Verjährung der Nebenforderung (= der Säumniszuschläge) berufen, wenn er die Hauptforderung, auch wenn diese zum Teil verjährt war, trotz Verjährung, wie hier, gänzlich geleistet hat, etwa - wie hier - aus Gründen der Fürsorgepflicht (vgl. BSG, Urteil vom 17.04.2008, a.a.O.).

Bei Durchgreifen der Einrede der kurzen 4-jährigen Verjährung nach § 25 Absatz 1 Satz 1 SGB IV infolge eines nicht vorsätzlichen, sondern bloß fahrlässigen Vorenthaltens von Beiträgen durch die Klägerin dürfte die Beklagte Säumniszuschläge infolge Verjährung für die Zeit bis zum 31.12.2004 an sich nicht erheben. Denn die Verjährung beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Säumniszuschlag fällig war; da die Nachversicherungsbeiträge nach Festlegung der Beklagten am 01.01.1995 (§ 184 Absatz 1 Satz 3 SGB VI) fällig waren, begann insoweit auch die Fälligkeit der (jeweiligen) Säumniszuschläge, die Monat für Monat fällig werden (§ 24 Absatz 1 Satz 1 SGB IV), mit dem 01.01.1995; bei Anwendung des § 25 Absatz 1 Satz 1 SGB IV wären insofern bei Begleichung der Beitragsschuld im Jahr 2009 die Säumniszuschläge für die Zeit ab dem 01.01.2005 bis zur Wertstellung der Beiträge im Jahr 2009 nicht verjährt gewesen, die Säumniszuschläge für die Zeit vom 01.01.1995 bis zum 31.12.2004 jedoch verjährt gewesen (vgl. insoweit auch BSG, Urteil vom 02.11.2015, B 13 R 35/14 R, juris (Rdn. 17) und NZS 2016, 231).

2.)

Selbst wenn aber zugunsten der Klägerin lediglich die kurze, vierjährige Verjährungsfrist anzunehmen wäre, sie also hinsichtlich der Nachentrichtung der Nachversicherungsbeiträge lediglich fahrlässig gehandelt haben sollte, ist sie hinsichtlich der bis zum 31.12.2004 entstandenen Säumniszuschläge nicht zur Leistungsverweigerung berechtigt. Denn auf die Verjährung dieser Säumniszuschläge kann sich die Klägerin nicht berufen. Eine solche Einrede stellt sich nach dem auch für das öffentliche Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässige Rechtsausübung dar; der Erhebung dieser Verjährungseinrede steht somit die von der Beklagten erhobene Gegeneinrede der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen (BSG, Urteile vom 27.06.2012, B 5 R 88/11 R, a.a.O., Rdn. 17 ff; und vom 02.11.2015, a.a.O., Rdn. 17 ff.).

Das Rechtsinstitut der unzulässigen Rechtsausübung wegen Rechtsmissbrauchs ist eine aus dem Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB abgeleitete, der gesamten Rechtsordnung immanente Schranke, die auch im Bereich des Sozialrechts zu beachten ist. Regelmäßige Voraussetzung für den Einwand unzulässiger Rechtsausübung ist, dass der Schuldner eine Tätigkeit entfaltet und Maßnahmen trifft, die den Gläubiger veranlassen, verjährungsunterbrechende Schritte zu unterlassen, sei es auch nur, weil ihm infolge eines solchen Tuns Ansprüche unbekannt geblieben sind; einer aktiven Pflichtverletzung des Schuldners der Nachversicherungsbeiträge bedarf es dabei nicht; ausreichend ist auch ein pflichtwidriges Unterlassen. Grundsätzlich hat es nämlich allein der Nachversicherungsschuldner in der Hand, ob der Nachversicherungsgläubiger überhaupt von seinem Anspruch erfährt.

Der Senat schließt sich hierzu der ständigen Rechtsprechung des BSG an. Bereits im Urteil des BSG vom 27.06.2012 hat dieses in einem Fall, in dem der Rentenversicherungsträger - wie auch vorliegend - erst nach Jahren im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens des Versicherten vom Nachversicherungsfall erfahren hatte, weil der Nachversicherungsschuldner seiner Mitteilungspflicht pflichtwidrig nicht nachgekommen war, entschieden, dass sich der Nachversicherungsschuldner dann nicht auf die Verjährung der Nachversicherungsbeiträge berufen könne und weiter ausgeführt, dass zwar grundsätzlich die Erhebung der Verjährungseinrede auch öffentlichrechtlichen Trägern gestattet sei, dass dies aber anders sei, wenn erst das pflichtwidrige Unterlassen des Nachversicherungsschuldners den Rentenversicherungsträger von der (rechtzeitigen) Geltendmachung seines Beitragsanspruchs abgehalten habe, weil in einem solchen Fall die Erhebung einer Verjährungseinrede hinsichtlich der Nachversicherungsbeiträge, da rechtsmissbräuchlich, ausgeschlossen sei. Diese Rechtsprechung hat der 13. Senat des BSG in seinem jüngst ergangenen Urteil vom 02.11.2015 bestätigt und ergänzt, dass in einer solchen Fallkonstellation hinsichtlich der Erhebung der Einrede der Verjährung in Bezug auf Säumniszuschläge (Nebenforderung) nichts anderes gelten könne (mit Hinweis auf die Senatsentscheidung vom 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, a.a.O., Rdn. 32, zum Rechtsinstitut der Verwirkung), weil insoweit die Nebenforderung das Schicksal der Hauptforderung teile (mit Hinweis auf das Urteil vom 08.04.1992, 10 RAr 5/91, a.a.O.); weiter hat der 13. Senat ausgeführt, dass dieses Ergebnis auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Senats vom 17.04.2008 (a.a.O.) stehe, wo er ausgeführt hatte, dass der Beitragsschuldner - trotz Verjährung - grundsätzlich berechtigt sei, auf die Hauptleistung zu zahlen, etwa weil er hierzu nach beamtenrechtlichen Grundsätzen verpflichtet sei, sich jedoch nur wegen einer Nebenforderung auf Verjährung berufen könne; denn der Senat habe in der vorgenannten Entscheidung mangels ausreichender Feststellungen der Vorinstanz die Rechtssache zurückverweisen müssen und habe nicht klären können, ob in dieser Sache Säumniszuschläge überhaupt zu erheben und bejahendenfalls, ob diese nicht bereits verjährt waren.

Dieser Rechtsprechung folgend kann sich die Klägerin hier nicht auf die Einrede der Verjährung nach § 25 Absatz 1 Satz 1 SGB IV berufen. Die Klägerin war verpflichtet, durch eine Überwachung des Verfahrens betreffend die Nachversicherung des Versicherten rechtzeitig die Nachversicherungsbeiträge für ihn zu entrichten. Selbst wenn die Klägerin im Rahmen der oben dargestellten unzureichenden Organisation des Wissenstransfers bei der Durchführung von Nachversicherungen lediglich fahrlässig, nicht aber vorsätzlich gehandelt haben sollte, ist sie nicht zur Leistungsverweigerung berechtigt, weil sie durch ihr pflichtwidriges Unterlassen (einer ausreichenden Organisation des Wissenstransfers und damit letztlich auch der Nachentrichtung der Beiträge) die Beklagte von der (rechtzeitigen) Geltendmachung ihres Beitragsanspruchs abgehalten hat, und weil in einem solchen Fall die Erhebung der Verjährungseinrede hinsichtlich der Nachversicherungsbeiträge, aber auch hinsichtlich der Säumniszuschläge, da rechtsmissbräuchlich, ausgeschlossen ist.

Insofern steht der mit ihrem Berufungsvortrag verdeutlichten Auffassung der Klägerin, ihr stehe die Einrede der kurzen 4-jährigen Verjährung zu, weil ihrerseits ein vorsätzliches Vorenthalten von Beiträgen nicht vorliege,- denn sie habe die Beklagte nicht durch ihr Verhalten von der Geltendmachung ihrer Ansprüche abgehalten, da sie selbst unverschuldet nichts von diesem Anspruch gewusst habe,- und weil sie auch nicht davon ausgehe, dass hinsichtlich der Einrede der Verjährung die Säumniszuschläge das Schicksal der Nachversicherungsbeiträge teilen würden, die angeführte ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entgegen, der sich der Senat anschließt.

IV.

Der Festsetzung der Säumniszuschläge durch die Beklagte steht auch Verwirkung nicht entgegen.

Zwar ist das Rechtsinstitut der Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch auf die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anzuwenden (Urteil vom 14.07.2004, B 12 KR 1/04 R, SozR 4 - 2400 § 22 Nr. 2).

Schon weil aber hier die Berufung der Klägerin auf die Einrede der Verjährung rechtsmissbräuchlich ist, können die Voraussetzungen einer Verwirkung hier nicht gegeben sein (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2010, a.a.O., Rdn. 29 ff.; im Anschluss hieran BSG, Urteil vom 27.07.2011, B 12 R 16/09 R, Rdn. 36). Der Verwirkung steht im Übrigen die seit Januar 1995 geltende Rechtspflicht des § 24 SGB IV zur Festsetzung von Säumniszuschlägen entgegen, wonach der Beklagten kein Ermessen mehr eingeräumt ist. Zudem sind die Voraussetzungen der Verwirkung hier nicht erfüllt, weil der Beklagten als Gläubigerin der Nachversicherungsbeiträge nicht bekannt war, dass der Versicherte nachzuversichern war und sie deshalb keinen Vertrauenstatbestand schaffen konnte, auf den die Klägerin als Schuldnerin der Nachversicherungsbeiträge hätte vertrauen können. Besonderen Umständen, aus denen sich eine Unbilligkeit der Festsetzung des Säumniszuschlags im Einzelfall ergeben, können im Übrigen durch Stundung oder Erlass (§ 76 Absatz 2 Nr. 1 bzw. 3 SGB IV) Rechnung getragen werden; einer lückenausfüllenden Anwendung des Rechtsinstituts der Verwirkung bedarf es auch von daher nicht.

Gegen die Berechnung der Höhe der Säumniszuschläge in den angefochtenen Bescheiden hat die Klägerin Einwände nicht erhoben; solche sind auch für den Senat nicht ersichtlich.

Über den von der Klägerin vorsorglich gestellten Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge wird die Beklagte, wie von ihr mitgeteilt, nach vollständigem Abschluss des Verfahrens entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Absatz 1 Satz 1 3. Halbsatz SGG i.V.m. §§ 161 Absatz 1, 154 Absatz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Als erfolglose Rechtsmittelführerin hat die Klägerin, die nach § 2 Absatz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) von der Zahlung von Gerichtskosten befreit ist, dem Grunde nach auch die Kosten des Berufungsverfahrens, d.h. nach § 162 VwGO auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Berufungsverfahren notwendigen Aufwendungen der Beklagten zu tragen, da weder diese noch sie zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört.

Die Streitwertfestsetzung, die ausschließlich für das Berufungsverfahren zu erfolgen brauchte, in Höhe von 17.988,50 Euro beruht auf § 197 a Absatz 1 Satz 1 1. Halbsatz SGG i.V.m. §§ 63 Absatz 2 Satz 1, 52 Absatz 1, 47 Absatz 1 Satz 1, 43 Absatz 1, 40 GKG. Der festgesetzte Streitwert entspricht den geforderten Säumniszuschlägen. Ausgehend von § 40 GKG, wonach der Streitwert für den jeweiligen Rechtszug festgesetzt wird und für die Wertberechnung der Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung entscheidend ist, war für die Höhe des Streitwerts - entsprechend der sich aus der Antragstellung für die Klägerin ergebenden (wirtschaftlichen) Bedeutung der Sache - maßgeblich allein der zwischen den Beteiligten streitige Säumniszuschlag.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 SGG. Der Senat vermag weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch ein Abweichen seiner Entscheidung von höchstrichterlicher Rechtsprechung zu erkennen, § 160 Absatz 2 Nr. 1 und 2 SGG. Die Ausführungen des Senats fußen auf der angeführten einschlägigen ständigen Rechtsprechung des BSG (insbesondere und zuletzt noch mit Urteil vom 02.11.2015, B 13 R 35/14 R) sowie diversen (angeführten) Entscheidungen von Landessozialgerichten; zudem sind zahlreiche einschlägige Nichtzulassungsbeschwerden beim BSG ohne Erfolg geblieben (etwa, wie angeführt, die NZB B 13 R 71/13 B und die NZB B 5 R 148/12 B).

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