LAG Düsseldorf, Beschluss vom 04.04.2017 - 4 Ta 131/17
Fundstelle
openJur 2019, 23663
  • Rkr:
Verfahrensgang

1. Das Beschwerdegericht kann auch bei unzulässigem, aber grundsätzlich statthaftem Rechtsmittel gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG die Streitwertfestsetzung der Vorinstanz von Amts wegen abändern (ebenso OLG Celle, 16.07.2009 - 2 W 188/09; Hamburgisches OVG 04.04.2014 - 2 So 14/14; a. A. OLG MÜnchen 21.07.1997 - 15 W 738/97).

2. Zum Abschlag für eine Feststellungsklage auf wiederkehrende Leistungen.

Tenor

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung des Arbeitsgerichts durch Beschluss vom 15.03.2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Streitwertfestsetzung gemäß Beschluss des Arbeitsgerichts vom 15.03.2017 wird von Amts wegen auf 4.888,51 € geändert.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.

Mit seiner am 22.03.2017 beim Arbeitsgericht eingegangen Beschwerde wendet sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung des Arbeitsgerichts durch Beschluss vom 15.03.2017. Darin hat das Arbeitsgericht den Streitwert für die Klage auf Feststellung, dass der Beklagte zur Zahlung einer (monatlichen) Zulage in Höhe von 169,74 € verpflichtet sei, mit dem 36-fachen Monatsbetrag sowie einem Abschlag von 40 % für die Feststellungsklage (anstelle der Leistungsklage) bewertet (3.666,38 €). Der Beschwerdeführer erstrebt eine Festsetzung, bei der der sogenannte Feststellungsabschlag lediglich 20 % beträgt (4.888,51 €). Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie der Beschwerdekammer zu Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig, da der gemäß § 32 RVG iVm. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG erforderliche Beschwerdewert von 200,00 € nicht erreicht wird (Gebührensprung von 51,00 € gemäß Anl. 2 GKG bei 2,5 Gebühren zzgl. Mehrwertsteuer = 151,73 €).

III.

Die Festsetzung des Arbeitsgerichts war jedoch gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen zu ändern.

1.Nach dieser Vorschrift kann die Festsetzung von Amts wegen von dem Rechtsmittelgericht geändert werden, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt. Die Änderung ist gemäß Satz 2 der Vorschrift nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

Die letztgenannte Frist ist gewahrt. Auch schwebt in der Rechtsmittelinstanz ein Verfahren wegen der Entscheidung über den Streitwert, nämlich das vorliegende. Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (OLG München, 27.01.1997 - 15 W 738/97; OLGR München 1997, 119) kommt es für diese Abänderungsbefugnis nicht darauf an, dass eines der vorgenannten Verfahren "in zulässiger Weise" in die Rechtsmittelinstanz gelangt ist. In der Rechtsmittelinstanz "schwebt" ein Verfahren auch bei Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Würde § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG nur zulässige Rechtsmittel erfassen, wäre die Erwähnung der Abänderungsbefugnis im Falle von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen über den Streitwert, die in diesem Fall ohnehin zu einer Entscheidung über den Streitwert führen, unverständlich. Mit der herrschenden Meinung ist die Regelung daher dahin zu verstehen, dass sie auch außerhalb einer Sachkompetenz im Rahmen eines einschlägigen Rechtsmittels eine Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts im Sinne einer Ermächtigung begründet, nach Ermessen den von der Vorinstanz festgesetzten Streitwert zu ändern. Dies dient über die Zwecke eines Rechtsmittelverfahrens hinausgehend öffentlichen Interessen. Das Rechtsmittelgericht wird ermächtigt, darüber zu wachen, dass die staatlichen Gerichtsgebühren in der nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes maßgeblichen, d.h. einer dem jeweiligen Streitgegenstand angemessenen Höhe erhoben werden und ggf. korrigierend einzugreifen (OLG Celle 16.07.2009 - 2 W 188/09, JurBüro 2010, 88; Hamburgisches OVG 04.04.2014 - 2 So 14/14, juris, beide mwN).

Ob das öffentliche Interesse entfällt, wenn der Gesetzgeber durch einen Rechtsmittelausschluss für bestimmte Arten von Verfahren zum Ausdruck gebracht hat, dass in diesen Verfahren eine Überprüfung der Streitwerte nicht in Betracht kommen soll (so OVG Greifswald 09.02.1994 - 3 O 50/93, MDR 1995, 425), kann dahinstehen. Denn im vorliegenden Fall ist die Streitwertbeschwerde grundsätzlich statthaft gemäß § 32 RVG, 68 Abs. 1 GKG.

Allerdings räumt § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG dem Rechtsmittelführer kein Recht ein, dem Beschwerdegericht eine Entscheidung über die Änderung des Streitwerts von Amts wegen abzuverlangen. Eine (nähere) Prüfung von Amts wegen wird regelmäßig in all jenen Fällen nicht veranlasst sein, in denen auf den ersten Blick nichts für eine unangemessene Streitwertfestsetzung spricht (vgl. OVG Münster, 02.08.2011 - 1 E 684/11, juris). Die Überprüfungsermächtigung steht einem Rechtsmittel nicht gleich.

2.Danach war eine Änderung der Festsetzung des Gebührenstreitwerts von Amts wegen geboten. Der festgesetzte Wert erscheint auf den ersten Blick unangemessen.

Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht wegen des Feststellungsantrags einen Abschlag von 40 % vom 36-fachen Monatsbezug vorgenommen. Ansprüche von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sind gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG gebührenrechtlich mit einem Streitwert in Höhe des dreifachen Jahresbetrages der wiederkehrenden Leistungen zu berechnen, wenn nicht der Gesamtwert der geforderten Leistungen geringer ist. Hiervon ist auch das Arbeitsgericht ausgegangen. Es hat jedoch zu Unrecht einen Abschlag von 40 % mit der Begründung vorgenommen, dass die Klägerin lediglich einen Feststellungsantrag gestellt habe, der ihn unter Umständen zu einer nachträglichen Zahlungsklage nötige. Dieser Umstand rechtfertigt nach herrschender Meinung gerade den Abzug in Höhe von 20 % des entsprechenden Zahlungsbetrages und nicht einen anderen (vgl. Zöller/Herget, § 3 Rd. 16, Stichwort: Feststellungsklagen mwN). Dies entspricht auch der Rechtsprechung der Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts (Beschluss vom 22.02.2004 - 17 Ta 154/04; Beschluss vom 07.10.2011 - 2 Ta 287/11), der sich die nunmehr erkennende Beschwerdekammer anschließt.

Darauf hinzuweisen ist, dass das Bundesarbeitsgericht darüber hinausgehend für Feststellungsklagen auf wiederkehrende Leistungen iSv. § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG (idF des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 05.05.2004 [BGBl. I S. 718]) im Bereich der betrieblichen Altersversorgung insgesamt auf einen Abschlag verzichtet, sofern Ansprüche und nicht lediglich Anwartschaften in Rede stehen (BAG 22.09.2015 - 3 AZR 391/13 (A), juris).

Besondere Gründe, im vorliegenden Fall über den "Regelabschlag" der Feststellungsklage von 20 % hinaus zu gehen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Forderung der Klägerin nicht durchsetzbar wäre oder insofern besonderen Risiken unterläge (vgl. dazu BAG aaO, Rz. 12).

IV.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Gemäß § 68 Abs. 3 GKG ist das Verfahren gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 32 Abs. 1 RVG, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Quecke

4 Ta 131/17

6 Ca 290/17

Arbeitsgericht Essen

LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF

BERICHTIGUNGSBESCHLUSS

In dem Beschwerdeverfahren

der Frau T. S., X. straße 8, W.,

- Klägerin -

Verfahrensbevollmächtigter:Rechtsanwalt S. T.,

N. straße 1, F.,

- Beschwerdeführer -

g e g e n

die F. Verkehrs-AG, vertr. d. d. Vorstandsvorsitzenden N. G.,

A. straße 34, F.,

- Beklagte -

wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 04.04.2017 - 4 Ta 131/17 - gemäß § 319 ZPO in entsprechender Anwendung dahin berichtigt, dass es unter II der Gründe am Ende des Satzes anstelle von "Anl. 2 GKG richtig heißt:

"Anl. 2 RVG".

Düsseldorf, 10.04.2017

Der Vorsitzende der 4. Kammer

Quecke

Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht