ArbG Mönchengladbach, Teilurteil vom 03.05.2018 - 4 Ca 2629/17
Fundstelle
openJur 2019, 23417
  • Rkr:

Erfüllt der Arbeitgeber seine Verpflichtung, einen Teil des vereinbarten Bonus in einen "Employee Stock Ownership Plan" zu überführen, ernsthaft und endgültig nicht, kann der Arbeitnehmer dessen Auszahlung in Geld unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes statt der Leistung gem. §§ 280 Abs. 1 und 3 BGB i.V.m. § 281 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB verlangen.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger auf den Klageantrag zu 1) einen Betrag in Höhe von € 50.000,- brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2017 zu zahlen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 50.000,- € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen dieses Teilurteils über einen Bonusanspruch für das Jahr 2016. Noch zur Entscheidung ausstehend ist ein Bonusanspruch für das Jahr 2017, über den die Parteien ebenfalls streiten.

Der Kläger ist seit dem 04.01.2016 als "Director Corporate Finance" bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endet mit Wirkung zum 30.06.2018 aufgrund einer Eigenkündigung des Klägers. Bei der Beklagten handelt es sich um einen 2008 gegründeten Energieversorger, der Privat- und Geschäftskunden mit zertifiziertem Ökostrom und klimaneutralem Erdgas beliefert. Muttergesellschaft ist die im August 2017 nach englischem Recht gegründete F. I. M. .

Grundlage der Beschäftigung ist der von den Parteien unter dem 01.12.2015 geschlossene Arbeitsvertrag (" Employment Contract "). Dieser sieht in Ziffer 4.1 ein Bruttogehalt in Höhe von 120.000 € pro Jahr vor.

Ziffer 4.3 des Vertrags regelt weiter, dass der Kläger zusätzlich zum monatlichen Gehalt Anspruch auf einen Bonus in Höhe von 80.000,- € pro Jahr bei 100% Erreichung der gesetzten Ziele hat. Als Unterziffern zu Ziffer 4.3 vereinbarten die Parteien ihrem wesentlichen Inhalt nach das Folgende:

1) Nach Ziffer 4.3 Abs. 1 wird eine Über- und Untererfüllung der Ziele streng proportional vergütet, beginnend mit einer Mindesterreichung von 70 %, unterhalb derer kein Bonus gezahlt wird, und bis zu einem Maximum von 400 %.

2) Ziffer 4.3 Abs. 2 regelt, dass die Bonusvergütung wie folgt gezahlt wird: Bei einer Zielerreichung von 100 % werden 30.000 € in bar und 50.000 € als Employee Stock Ownership Plan ("ESOP") ausgezahlt, letztere berechnet von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft des Unternehmens nach dem Wert der Anteile am Tag der Gewährung des ESOP (…).

3) Ziffer 4.3 Abs. 3 sieht vor, dass die Bewertung der Zielerreichung einmal jährlich innerhalb des Monats nach dem Ende des Kalenderjahres erfolgt und der Bonus innerhalb eines Monats nach der Bewertung der Zielerreichung gezahlt wird.

4) Ziffer 4.3 Abs. 4 regelt, dass die Ziele für die Beurteilung des Klägers in einer gesonderten Vereinbarung innerhalb eines Monats nach dem Beginn des Arbeitsverhältnisses in schriftlicher Form festgelegt werden. Wenn es - so die Vereinbarung weiter - innerhalb eines Monats nach Beginn der Beschäftigung keine gemeinsamen Ziele gibt, kann die Beklagte Ziele gemäß § 315 BGB festlegen.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das in englischer Sprache abgefasste Vertragswerk, Bl. 15 d.A. sowie die vom Kläger hierzu vorgelegte Übersetzung, Bl. 220 f. verwiesen.

Der in Ziffer 4.3 Abs. 2 des Vertrags genannte "Employee Stock Ownership Plan" (im Folgenden: "ESOP") existierte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht.

Mit Schreiben vom 30.06.2017 machte der Kläger die Bonuszahlung für das Jahr 2016 geltend. Hieraufhin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 18.07.2017 (Bl. 18 d.A.) mit, dass dem Kläger ein Bonus - als Zeichen ihres "goodwill" - in Höhe von 100 % gewährt werde. Zugleich informierte sie ihn darüber, dass sich der ESOP in der Entwicklung befinde und spätestens zum Ende des Jahres 2017 fertiggestellt sei. Weiter wies sie den Kläger darauf hin, dass ESOP-Pläne, wie er wisse, Wartezeiten unterschiedlicher Dauer hätten und ihr Programm eine Wartefrist von mindestens drei Jahren haben werde. In seiner zwei Tage später der Beklagten übermittelten Email vom 20.07.2017 (Bl. 233 d.A.) stimmte der Kläger dem Inhalt des Schreibens hinsichtlich der Zielbewertung von 100 % für den Bonus 2016 zu. Zugleich wies er darauf hin, dass er sich hinsichtlich des ESOP-Elements für den Bonus 2016 alle Rechte vorbehalte und einige der übermittelten Informationen bestimmten Klauseln seines Arbeitsvertrags widersprächen.

Einen Betrag in Höhe von 30.000 € brachte die Beklagte als Bonus 2016 ("Cash"-Anteil gem. Ziffer 4.3 Abs. 2 des Vertrags) an den Kläger zur Auszahlung. Den verbleibenden Betrag in Höhe von 50.000 € brutto forderte er mit außergerichtlichem Schreiben vom 20.10.2017 erfolglos unter Fristsetzung bis zum 31.10.2017 und gleichzeitigem Hinweis darauf ein, dass der Betrag angesichts des bis dahin nicht aufgestellten ESOP nunmehr wegen Nichterfüllung der arbeitgeberseitigen Verpflichtung auszuzahlen sei (Bl. 19 f. d.A.).

Mit seiner am 24.11.2017 eingegangenen und der Beklagten am 01.12.2017 zugestellten Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Am 19.01.2018 veröffentlichte die Beklagte einen " F. Incentive Plan". Die von ihr hierzu vorgelegte Präsentation (Bl. 82 ff. d.A.) stellt ein Rahmenwerk ("central framework") des Incentive-Plans vor (S. 1, Bl. 83 d.A.). Es wird die Struktur des Plans vorgestellt, die - abhängig von der "Performance" des Mitarbeiters - einen Bonusanteil in bar ("Cash Bonus") und ein Anteilsrecht ("Equity award") vorsieht, wobei letzteres sich auf Anteile oder Optionsrechte beziehen kann. Es wird zugleich darauf hingewiesen, dass der Plan selbst "flexibel" sei (S. 2, Bl. 84 d.A.) und dementsprechend für die Mitarbeiter unterschiedlich ausgestaltet werden kann (s. hierzu auch S. 3, "Time frame", 1. Spalte, Bl. 85 d.A.). Es folgen verschiedene Beispielszenarien ("Illustrative timetables" und "Example scenarios", S. 4 bis 9, Bl. 86 bis 91 d.A.), wobei wiederum darauf hingewiesen wird, dass die Leistungsperiode und Bedingungen ebenso wie die Wartefristen für das "Equity Element" für jeden Teilnehmer individuell aufgestellt werden. Weiter heißt es dort, dass die früheste Zahlung des "Equity Elements" normalerweise nicht vor dem dritten Jahrestag der Zielerreichung erfolge (S. 4, Bl. 86 d.A.). Laut der letzten Seite der Präsentation wird als nächster Schritt in Aussicht gestellt, dass in den kommenden Wochen mit jedem Einzelnen ein Treffen vereinbart werde, in dem Leistungsbedingungen und Zielerreichungsmöglichkeiten diskutiert würden (S. 11, Bl. 93 d.A.).

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, anstelle der versprochenen Auszahlung des Bonus als ESOP nunmehr einen Betrag in Höhe von 50.000 € unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung zur Auszahlung zu bringen. Der ESOP sei als Mitarbeiterbeteiligungsprogramm zu verstehen und auch so - so seine Behauptung - zwischen den Parteien vereinbart worden. Es sollten nach seiner Behauptung keine Aktienoptionen, sondern Aktien als Geschäftsanteile zugeteilt werden. Da die Beklagte den geplanten Börsengang aber nicht durchgeführt habe, verfüge sie über keine Aktien, die sie ihm übertragen könne, weshalb sie eine Ersatzleistung in Geld schulde. Weiterhin ist er der Ansicht, dass die im ESOP nunmehr aufgestellten Bedingungen mangels Vereinbarung den arbeitsvertraglich zugesagten Bonus nicht wirksam einschränken könnten. Darüber hinaus halte die angebliche Wartefrist einer AGB-Kontrolle nicht stand.

Der Kläger verlangt mit seiner Klage neben dem hier streitgegenständlichen Bonus 2016 (Antrag zu 1) im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2018) die Auszahlung von weiteren 320.000 € brutto als Bonus für das Jahr 2017 (Klageerweiterung vom 13.03.2018, S. 2, Bl. 150b d.A., Antrag zu 2)).

Er beantragt im Rahmen dieses Teilurteils,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 50.000,-- brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass dem Kläger ein Auszahlungsanspruch nicht zustehe. Hierzu behauptet sie, dass zwischen den Parteien von Anfang an besprochen worden sei, dass der ESOP ein Long-Term-Incentive-Plan sein würde, bei dem Grundlage die Betriebstreue mit einer Wartefrist ("Vesting Period") sein sollte. Gegenstand der Gespräche sei außerdem gewesen, dass es sich bei den Rechten aus dem ESOP zunächst nur um Optionen handeln sollte, wie sich auch aus dem Schreiben der Beklagten vom 18.07.2018 ergebe. Die Beteiligungsoption sollte, so die weitere Behauptung der Beklagten, im Rahmen eines Gruppengründungsprozesses unter Beteiligung der englischen Muttergesellschaft stattfinden, der aus damaliger Perspektive bei Vertragsschluss frühestens Ende 2016, wahrscheinlich sogar erst im Laufe des Jahres 2017 abgeschlossen sein sollte. Dies habe der Geschäftsführer der Beklagten - so ihre weitere Behauptung - dem Kläger eingehend erläutert. Dementsprechend sollten die Anteilsoptionen von der Muttergesellschaft für die gesamte Gruppe ausgegeben werden. Demnach sei das Vorbringen des Klägers, wonach die ESOP-Komponente unmittelbar zur Auszahlung bzw. Zuteilung kommen sollte, weltfremd. Für die geltend gemachten Ansprüche für das Jahr 2016 sei außerdem nicht die Beklagte, sondern vielmehr die Muttergesellschaft passivlegitimiert, da ein Anspruch auf Zuteilung von Anteilsoptionen (wenn überhaupt) nicht gegenüber der Beklagten, sondern gegenüber der Muttergesellschaft bestehe. Weiter behauptet die Beklagte, dass eine Überführung des Bonus möglich wäre, jedoch vorliegend ausscheide, da der Kläger die nach dem Plan einzuhaltende, an die Betriebstreue anknüpfende Wartefrist von drei Jahren nicht erfüllt habe und der Anspruch deshalb erloschen sei. Solche Stichtagsklauseln seien in Long-Term-Incentive-Plänen zulässig. Außerdem sei der Anspruch im Hinblick auf die Wartefrist nicht fällig. Sie behauptet weiter, dass für das Jahr 2016 mündlich Ziele - die aktive Begleitung des Klägers im M. -Deal und im S. -Deal - vereinbart worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die Klage hat, soweit über sie mit dem vorliegenden Teilurteil entschieden wurde, Erfolg.

I.

Der zulässige Antrag ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 50.000 € brutto gem. § 280 Abs. 1 und Abs. 3 BGB i.V.m. § 281 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB. Die Beklagte hat gegen ihre vertragliche Verpflichtung, den Bonus für das Jahr 2016 als "ESOP" auszuzahlen, verstoßen.

1.Gem. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Gläubiger Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verlangen, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Dies gilt nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

a)Der Pflichtverstoß der Beklagten ist hier in der Nichtauszahlung des Bonus i.H.v. 50.000 € in den ESOP zu sehen. Hierzu war die Beklagte gem. Ziffer 4.3 S. 1 i.V.m. Ziffer 4.3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags verpflichtet.

aa)Der Anspruch ist entstanden. Der Kläger hat für das Jahr 2016 gem. Ziffer 4.3 des Arbeitsvertrags einen Bonusanspruch in Höhe von insgesamt 80.000 € erworben, dies bestehend aus einem bereits gezahlten "Cash-Anteil" i.H.v. 30.000 € und einem "ESOP-Anteil" in Höhe von 50.000 €, über den die Parteien hier streiten.

Das Bestehen des Bonusanspruchs dem Grunde nach ergibt sich aus der Mitteilung der Beklagten vom 18.07.2017, mit der sie dem Kläger einen "100%-Bonus" für das Jahr 2016 zusagte. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass sie diese Zusage nur als Zeichen ihres "goodwill" verstanden und dies damit verbunden habe, dass ein Bonusteil unter den im Schreiben genannten Voraussetzungen in den ESOP überführt werde, mag dies zwar dem klägerischen Anspruch entgegenstehen. Allerdings ergibt sich die Zahlungsverpflichtung ohne eine entsprechende Zusage der Beklagten aus §§ 280 Abs. 1, 283 BGB wegen unterbliebener Vereinbarung von Zielen für das Jahr 2016 (s. hierzu auch BAG v. 12.12.2007 - 10 AZR 97/07, juris). Entgegen ihrer in Ziffer 4.4 des Arbeitsvertrags statuierten Verpflichtung vereinbarte die Beklagte weder binnen eines Monats nach Beschäftigungsbeginn mit dem Kläger Ziele noch legte sie diese in der Folgezeit bis zum Ablauf der Zielperiode zum 31.12.2016 einseitig fest. Sie schuldet dem Kläger damit unter dem Gesichtspunkt der Unmöglichkeit einer Zielfestlegung nach Ablauf der Zielperiode dem Grunde nach Schadensersatz. Im Rahmen dessen ist davon auszugehen, dass der Kläger die vereinbarten Ziele erreicht hätte und es ist eine Zielerreichung von 100 % zugrunde zu legen (vgl. BAG v. 12.12.2007 - 10 AZR 97/07, juris). Ihrem neuerlichen Vortrag (Schriftsatz vom 02.05.2018), mit dem Kläger seien für das Jahr 2016 mündlich Ziele in Gestalt der Beteiligung an zwei Deals vereinbart worden, war mangels näherer Substantiierung nicht weiter nachzugehen. Es ist weder vorgetragen, mit wem diese Ziele wann vereinbart worden sein sollen, noch, wie die Beteiligung des Klägers an diesen Deals ausgestaltet war und was er davon erreicht hat.

bb)Der Bonusanspruch ist nicht aufgrund einer an die Betriebstreue des Klägers anknüpfenden, dreijährigen Wartefrist entfallen. Hierfür fehlt es an einer Vereinbarung der Parteien.

(1)Die Behauptung der Beklagten, es sei zwischen den Parteien von Anfang an besprochen worden, dass der ESOP ein Long-Term-Incentive-Plan mit einer Wartefrist sein würde, war mangels näherer Angaben zu den behaupteten Gesprächen und ihrem konkreten Inhalt nicht weiter überprüfbar. Diese Unaufklärbarkeit ging zu Lasten der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten. In diesem Zusammenhang hat auch der im Rahmen des Kammertermins vom 03.05.2018 informatorisch gem. § 141 ZPO angehörte Geschäftsführer der Beklagten nicht näher dargestellt, wann zwischen den Parteien welches Gespräch mit welchem konkreten Inhalt zur späteren Ausgestaltung des ESOP stattgefunden hat. Insoweit war auch dem Beweisantritt der Beklagten nicht weiter nachzugehen, da sie nicht näher erläutert hat, welche konkreten Tatsachen die beiden als Zeugen benannten Mitarbeiterinnen E. und H. zum Inhalt der zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten geführten Gespräche bekunden können.

Die Vereinbarung einer Wartefrist lässt sich auch nicht der Korrespondenz der Parteien zwischen dem 18.07. und 20.07.2017 entnehmen. In dem Schreiben vom 18.07.2017 nimmt die Beklagte zwar Bezug auf eine angebliche Kenntnis des Klägers von Wartefristen bei ESOP-Plänen, die vorliegend mindestens drei Jahre betrage. Allerdings wies der Kläger diese Information unverzüglich mit seiner zwei Tage später verfassten Antwort und dem Hinweis darauf, dass er sich hinsichtlich des ESOP-Elements alle Rechte vorbehalte und die Informationen teilweise seinen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen widersprächen, in ausreichender Weise zurück. Hinreichende Anhaltspunkte für ein gemeinsames Verständnis der Parteien hinsichtlich der Bindung des Bonus an eine Wartefrist ergeben sich daraus jedenfalls nicht.

(2)Des Weiteren war die Beklagte auch nicht berechtigt, die Leistung unter Bezugnahme auf eine angeblich im ESOP enthaltene Wartefrist von drei Jahren zu verweigern.

Zunächst fällt auf, dass der ESOP eine feste Regelung in Bezug auf eine dreijährige Wartefrist nicht vorsieht. Denn dort heißt es nur vage (S. 4 der Präsentation), dass die früheste Zahlung "normally", d.h. normalerweise, nicht vor dem dritten Jahrestag der Zielerreichung stattfinde. Dies kann aber im Ergebnis offen bleiben, da eine entsprechende einseitige Festlegung einer dreijährigen Wartefrist durch die Beklagte in Anbetracht der mit dem Kläger geschlossenen arbeitsvertraglichen Regelung unzulässig ist. Die Beklagte hat sich dort - ohne Einschränkungen - bei 100-prozentiger Zielerreichung zur Zahlung eines Bonus in Höhe von 80.000 € verpflichtet, Ziffer 4.3 S. 1 des Arbeitsvertrags. Die in Ziffer 4.3 Abs. 2 enthaltene Regelung der Überführung eines Anteils von 50.000 € in den ESOP betrifft lediglich eine Auszahlungsmodalität. Weitere einschränkende Bedingungen finden sich dort nicht. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der ESOP bei Vertragsschluss noch nicht existierte, mithin naturgemäß noch der näheren Ausgestaltung bedurfte, war die Beklagte insoweit jedenfalls an § 315 Abs. 3 BGB gebunden, wonach bei einseitiger Leistungsbestimmung die Grundsätze billigen Ermessens zu wahren sind. Was billigem Ermessen entspricht, ist unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und des in vergleichbaren Fällen Üblichen im Zeitpunkt der Ausübung des Bestimmungsrechts festzustellen (BAG v. 23.09.2004 - 6 AZR 567/03, NZA 2005, 359). Eine Bestimmung, die in vollständiger Abkehr von der bedingungslosen arbeitsvertraglichen Zusage den Bonusanspruch an eine weitere, den Kläger in seiner Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG erheblich einschränkende Bedingung (dreijährige "Bleibefrist") knüpft, ist gemessen daran nicht billig, zumal der Vergütungsanteil einen nicht unbeachtlichen Teil von immerhin 25 % des vertraglich vereinbarten Jahresgehalts bei 100-prozentiger Zielerreichung ausmacht. Eine abweichende gerichtliche Festsetzung nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB war angesichts der Vielzahl möglicher Gestaltungen von Wartefristen nicht möglich, wobei auch zu berücksichtigen war, dass der Kläger bis zu seinem Ausscheiden zum 30.06.2018 schon mehr als ein Jahr auf die ESOP-Gewährung gewartet hat. Da die einseitig festgelegte Wartefrist demnach unzulässig war, kam es auf weitergehende Rechtsfolgen aus den §§ 305 ff. BGB nicht an.

cc)Der Bonusanspruch ist auch zur Zahlung fällig. Insoweit muss die Beklagte sich ebenfalls an der mit dem Kläger getroffenen Abrede messen lassen, wonach der Bonusanspruch einen Monat nach Bewertung der Ziele, die ihrerseits binnen eines Monats nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres zu erfolgen hat, auszuzahlen ist (Ziffer 4.3 Abs. 3 des Arbeitsvertrags). Das war hier bezogen auf das Jahr 2016 der 28.02.2017. Eine spätere Fälligkeit des "ESOP-Anteils" lässt sich dem nicht entnehmen. Sie ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten behaupteten Vereinbarung des ESOP als "Long-Term-Incentive-Plan". Eine solche Vereinbarung hat sie nicht hinreichend konkret dargelegt. Hinzu tritt, dass der von ihr nunmehr vorgelegte ESOP keine selbständige Fälligkeitsregelung enthält, die unabhängig von der dreijährigen, an die Betriebstreue anknüpfende Wartefrist besteht, an die der Kläger hier - wie dargelegt - nicht gebunden ist.

dd)Die Beklagte schuldet als Vertragspartnerin des Klägers die Pflicht zur Auszahlung des arbeitsvertraglich vereinbarten Bonus. Sie kann sich nicht mit Erfolg auf ihre fehlende Passivlegitimation hinsichtlich der Gewährung der Anteilsoptionen an der Muttergesellschaft berufen. Inhalt der Pflicht der Beklagten gem. §§ 133, 157 BGB ist die Auszahlung des Bonus als ESOP (Ziffer 4.3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags), d.h. zumindest die Überführung der Summe in den Plan. Wenn die Beklagte sich bei der Erfüllung dieser Pflicht der Muttergesellschaft als Erfüllungsgehilfin bedient oder es beim ESOP nicht um Anteile der Beklagten, sondern an der Muttergesellschaft gegangen wäre, ändert dies an der Pflicht der Beklagten zur Verschaffung des Bonus nichts. Zudem ist die Muttergesellschaft nicht z.B. aufgrund eines dreiseitigen Vertrags Vertragspartnerin geworden.

ee)Die Beklagte hat die vorstehend aufgezeigte Pflicht nicht erfüllt. Sie verweigert die Überführung der 50.000 € in den ESOP unter Hinweis auf die angeblich vereinbarte, an die Betriebstreue anknüpfende Wartefrist, die der Kläger unstreitig infolge seiner Eigenkündigung nicht erreicht hat. Darüber hinaus existiert nach Auffassung der Kammer für den Kläger auch kein "ESOP", da der individuelle Plan von der konkreten Ausgestaltung seiner nur rahmenmäßig umrissenen Bedingungen gegenüber dem jeweiligen Mitarbeiter abhängt. Eine solche konkrete Festlegung als Gesamtpaket ist hier aber weder einvernehmlich noch einseitig erfolgt.

b)§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB sieht eine Verschuldensvermutung vor. Die Beklagte hat hier nicht nachgewiesen, dass sie nicht zu vertreten hat, dass die Pflicht - die Nichtauszahlung des Bonus als "ESOP" - verletzt wurde.

2.Wird ein Schadensersatzanspruch - wie hier - "statt" der Leistung geltend gemacht, kommt dies nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen der § 281 BGB, § 282 BGB oder § 283 BGB in Betracht. Die Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 und 2 BGB wegen nicht erbrachter Leistung sind hier gegeben. Offen bleiben kann, ob das mit Fristsetzung versehene Aufforderungsschreiben des Klägers vom 20.10.2017 eine bestimmte und eindeutige Aufforderung zur Leistung (Auszahlung des Bonus als "ESOP") gem. § 281 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt. Denn unabhängig davon hat die Beklagte, indem sie im Laufe dieses Prozesses bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vehement die Auffassung vertreten hat, dass dem Kläger ein Anspruch auf Überführung des Bonusanteils in den ESOP nicht zustehe, die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, § 281 Abs. 2 BGB. Insoweit ist anerkannt, dass ein hartnäckiges Bestreiten einer Pflichtverletzung ebenso wie die Stellung eines Klageabweisungsantrags ausreichend für eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung sind (LG Aachen v. 26.04.2005, 12 O 493/04, NJW 2005, 2236; BGH v. 08.12.1983 - VII ZR 139/82, NJW 1984, 1460).

3.Dem Kläger ist auch ein Schaden entstanden. Ein Schaden ist jede unfreiwillige Einbuße rechtlich geschützter Güter (statt vieler: Schulze, BGB, 9. Aufl. 2017, Vorb. §§ 249-253, Rn. 5). Dabei ist, ausgehend vom Zeitpunkt der Anspruchsentstehung, ein Vergleich des hypothetischen Zustands ohne das schädigende Ereignis mit dem tatsächlichen Zustand nach dem schädigenden Ereignis anzustellen (sog. Differenzhypothese, s. MünchKommBGB/Oetker, 7. Aufl. 2016, § 249 Rn. 18). In welcher Form dieser Zustand letztlich herzustellen ist, bestimmt sich sodann nach §§ 249 ff. BGB.

Bei ordnungsgemäßer Erfüllung hätte der Kläger marktfähige Anteile/Rechte im ESOP erhalten. Sein Schaden besteht darin, dass ihm dieser Vorteil nicht zugeflossen ist. Da der Anspruch - wie dargelegt - ohne Wartefrist und Fälligkeit bestand, wird der Schadenersatz auch nicht früher als die ursprünglich vereinbarte Leistung gewährt. Durch das Schadensersatzbegehren statt der Leistung ist der ursprüngliche Leistungsanspruch (Überführung in den ESOP) unmöglich geworden, § 281 Abs. 4 BGB. Infolgedessen schuldet die Beklagte Wertersatz gem. § 251 Abs. 1 BGB. Zu ersetzen ist danach die Differenz zwischen dem Wert des Vermögens, wie es sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde, und dem durch das schädigende Ereignis verminderten Wert (BGH v. 11.03.2010 - IX ZR 104/08 m.w.N.). Diese Wertdifferenz beläuft sich hier auf 50.000 €.

4.Der Zinsanspruch ergibt sich aufgrund der mit Schreiben vom 20.10.2017 erfolgten Fristsetzung aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.

II.

Gem. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. § 301 Abs. 1 ZPO war die Entscheidung durch Teilurteil zu fassen, da der Bonus für das Jahr 2016 zur Endentscheidung reif war. Eine ein Teilurteil hindernde materiellrechtliche Verzahnung der Ansprüche aufgrund inhaltlich zusammenhängender Anträge (s. hierzu BGH v. 28.11.2013 - V ZR 123/03, juris) ist nach Auffassung der Kammer hier nicht gegeben. Die Bewertung des Bonus 2016 hängt nicht von der Bewertung des Bonus 2017 ab. Beide Ansprüche (Bonus 2016 und 2017) haben zwar denselben vertraglichen Ursprung, sind aber als eigenständige Klageforderungen zu behandeln. Sie betreffen unterschiedliche Zeiträume und sind überwiegend an unterschiedliche Voraussetzungen (für 2017 geht es u.a. um die Erreichung konkret festgesetzter Ziele) geknüpft. Was die Ansprüche verbindet, ist im Wesentlichen die Rechtsfrage, ob der Kläger die Auszahlung in Geld verlangen kann, obwohl der Vertrag eine Auszahlung des Bonus als "ESOP" vorsieht. Insoweit hat aber das Teilurteil hinsichtlich des weiteren Verfahrens lediglich die Bedeutung einer "Musterentscheidung" (vgl. auch BGH v. 28.11.2013 - V ZR 123/03, Rn. 20, juris), was dem Erlass einer Teilentscheidung nicht entgegen steht.

Ob ein Teilurteil bei Vorliegen seiner Voraussetzungen erlassen wird, steht im Ermessen des Gerichts (Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl. 2018, Rn. 20), wobei die gesetzliche Fassung erkennen lässt, dass der Gesetzgeber den Erlass als die Regel ansieht. Insoweit hat die Kammer hier abgewogen zwischen den Auswirkungen einer Aufspaltung des Verfahrens durch Teilurteil/Endurteil und einer zu einem späteren Zeitpunkt zu treffenden Gesamtentscheidung. Dabei war für die Kammer maßgebend, dass der hier streitgegenständliche Bonusanspruch 2016 mit einer nicht unbeachtlichen Höhe von 50.000 € bereits mehr als 1,25 Jahre fällig ist und insoweit einer überlangen Verfahrensdauer angesichts des Justizgewährungsanspruchs des Klägers auf eine frühzeitige Titulierung entgegenzuwirken war. Ein Zuwarten auf die Entscheidung über den Bonus 2017, im Rahmen derer noch weiterer Aufklärungsbedarf hinsichtlich der zwischen den Parteien streitigen Frage besteht, ob der Kläger die Ziele für dieses Jahr erreicht hat, hätte zu einer längeren Verfahrensdauer für den hier streitgegenständlichen Anspruch geführt. Nach allem hat die Kammer deshalb aus Beschleunigungsgründen (§ 57 ArbGG) das Teilurteil erlassen, zumal die Klägerseite dies im Rahmen der mündlichen Verhandlung angeregt hat.

Schriftsatznachlass war der Beklagten im Hinblick auf das Vorbringen zum Bonus 2016 nicht zu gewähren, da die Voraussetzungen des § 283 ZPO nicht gegeben sind. Der Entscheidung liegt kein neues, entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers aus der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2018 zugrunde. Der letzte Schriftsatz des Klägers - die Replik - war der Beklagten seit dem 16.04.2018 bekannt. Hierauf hat sie zuletzt mit weiterem Schriftsatz vom 02.05.2018 eingehend erwidert, so dass sie insgesamt zwei Mal und damit ausreichend Gelegenheit zur schriftsätzlichen Stellungnahme hatte.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits, die grundsätzlich nur einheitlich ergehen kann, ist der Schlussentscheidung vorbehalten. Die gem. § 61 Abs. 1 ArbGG erforderliche Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 3 ff. ZPO und berücksichtigt den Nennwert des Klageantrags.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Teilurteil kann von der beklagten Partei Berufung eingelegt werden. Für die klagende Partei ist gegen dieses Teilurteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim

Landesarbeitsgericht E.

Ludwig-Erhard-Allee 21

40227 E.

Fax: 0211 7770-2199

eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.justiz.de.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.Rechtsanwälte,

2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

Dr. Orlowski