ArbG Essen, Urteil vom 24.07.2013 - 6 Ca 3175/12
Fundstelle
openJur 2019, 23405
  • Rkr:

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Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 07.11.2012 beendet wurde, sondern fortbesteht.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 1.107,90 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.05.2013 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

5. Der Streitwert wird auf 27.944,88 € festgesetzt.

6. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung sowie um Vergütungsansprüche.

Die Klägerin ist seit dem 30.08.2007 bei der Beklagten als Begleitperson für Kleinbusfahrten beschäftigt. Ihre Aufgabe besteht darin, Schultouren und Fahrten zu Behindertenwerkstätten zu begleiten.

Unter dem 13.07.2012 schlossen die Parteien erstmals einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Hier ist u.a. unter Ziffer 1 zur Arbeitszeit geregelt:

"c) Die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit beträgt pro Woche ca. 20,5 Wochenstunden.

Soweit die Schließzeiten- (Ferien)- der Schulen und oder der Werkstätten den zustehenden Jahresurlaub überschreiten, ruht während dieser Zeit das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten. Diese Zeit gilt als unbezahlte Freizeit und wird nicht vergütet. Das Unternehmen behält sich vor, den Einsatz neu fest zu legen.

Der Zeitpunkt des Urlaubs kann nur im Zusammenhang bzw. in Übereinstimmung mit den Ferien des Landes Nordrhein Westfalen in Anspruch genommen werden."

Unter Ziffer 2 ist zum Arbeitsort geregelt:

"Der Einsatz beginnt am Betriebssitz/Niederlassung in Essen B., 5. oder an der vom Arbeitgeber bekanntgegebenen Einsatzstelle."

Das Arbeitsverhältnis soll gem. Ziffer 5 am 22.08.2012 beginnen. Zur Tätigkeitsvergütung ist unter Ziffer 8 geregelt:

"Eine Vergütung erfolgt nach gefahrenen Touren bzw. Einsatzplan. Die Zeiten zwischen den zugewiesenen Touren sind Freizeiten und werden nicht vergütet. Es wird nur die reine Lenkzeit vergütet. […]

Der Stundenlohn beträgt netto 9,00 EURO."

Unter Ziffer 13 haben die Parteien unter Kollektivregelungen folgendes geregelt:

Das Arbeitsverhältnis unterliegt im Übrigen den für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträgen für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen NWO in der jeweils letzten Fassung.

Ansprüche aus Mehrarbeit sowie auf Zahlung von Zulagen jeglicher Art sowie alle übrigen Ansprüche sind spätestens 3 Monate nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung von Ansprüchen ausgeschlossen.

Wegen des weiteren Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf die eingereichte Kopie, Bl. 4-6 der Gerichtsakte, Bezug genommen.

Die Parteien trafen neben dem Arbeitsvertrag die schriftliche Vereinbarung, dass das bestehende Arbeitsverhältnis bis zum 21.08.2012 ordentlich abgerechnet wurde und sämtliche beiderseitigen Forderungen bis zum oben genannten Zeitpunkt, sein sie bekannt oder unbekannt, genannt oder ungenannt, abgegolten seien sollten.

Mit Schreiben vom 31.10.2012 ließ die Klägerseite die Verzichtserklärung und den geschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung, widerrechtlicher Drohung und Irrtums anfechten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Schreiben Bl. 12 ff. der Gerichtsakte, Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 07.11.2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2012. Die Beklagte nahm die Kündigung mit Schreiben vom 23.11.2012 zurück. Dieses Angebot hat die Klägerin ausdrücklich nicht angenommen.

Mit am 13.11.2012 bei Gericht eingegangener, der Beklagten am 17.11.2012 zugestellter und zwischenzeitlich schriftsätzlich erweiterter Klage begehrt die Klägerin seit der Klageerweiterung vom 03.12.2012 Vergütungsdifferenzzahlungen zuletzt für die Zeit vom 01.01.2009 bis 30.04.2013 einschließlich der Auszahlung von Entgeltfortzahlung für die gesetzlichen Feiertage, sowie für Arbeitsunfähigkeitszeiten und die Abgeltung noch offenen Resturlaubes. Zudem hat sie einen Auflösungsantrag gestellt.

Die klagende Partei trägt im Wesentlichen vor, die Kündigung sei unwirksam. Ein Kündigungsgrund liege nicht vor. Sie unterfalle dem Kündigungsschutzgesetz, da das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestehe. Das Feststellungsinteresse sei auch nicht durch Rücknahme der Kündigung entfallen.

Der Auflösungsantrag sei gerechtfertigt. Für sämtliche Kündigungen, die die Beklagte ausgesprochen habe, gebe es keinen Grund. Diese seien nur erfolgt, um Druck auf die Mitarbeiter, die ihre Rechte wahrnehmen, auszuüben. Diese Vorgehensweise habe sich ca. 20 Mal bei der Beklagten abgespielt, weshalb eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sei.

Die Vergütungsdifferenzen ergäben sich aus der Differenz zwischen dem gezahlten Lohn und der tariflichen Vergütung nach der Lohngruppe 1. In der Zeit vom 01.01.2009 bis zu den Schulsommerferien 2012 habe die tägliche Arbeitszeit vier Stunden betragen. Sie habe von montags bis freitags um 06:30 Uhr mit der Busbegleitung an ihrem Wohnsitz begonnen. Den Ausgangspunkt, ihren Wohnsitz, habe der Bus gegen 08:30 Uhr wieder erreicht. In der Zeit von 14:30 Uhr bis 16:30 Uhr habe die Klägerin als Busbegleiterin die Fahrgäste wieder abgeholt und sie nach Hause begleitet. Die Entlohnung, die sie für die insgesamt 2 Touren in Höhe von 7,50 € pro Tour erhalten habe, sei sittenwidrig. Die der Klägerin gezahlte Vergütung betrage nur 3,75 € je Stunde und sei sittenwidrig, da die Vergütung weniger als 2/3 des tarifüblichen Lohnes betrage. Auch die sogenannten Leerfahrten, bei denen die Klägerseite jeweils zum eigenen Wohnsitz zurückfuhr, bzw. gefahren wurde, seien Arbeitszeit.

Dass das von der Beklagten gezahlte Entgelt branchenüblich sei, bestreitet die klagende Partei.

Der klagenden Partei stehe eine tarifliche Vergütung der Lohngruppe 1, Fahrdienst des Lohntarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes NRW zu. Der Tarifvertrag spiegele auch die übliche Vergütung wider. Der Organisationsgrad der kommunalen Arbeitgeber in ihrem Verband (Spartentarifvertrag Nahverkehr) betrage 100%. Von 718 privaten Omnibusunternehmen in NRW seien 450 im Verband organisiert, mithin 62,67%. Darüber hinaus sei auch die Beklagte Mitglied im Verband.

Insgesamt stünden der Klägerin Restvergütungsansprüche in Höhe von 24.623,88 € brutto als Vergütungs-/Verzugslohn bzw. als Entgeltfortzahlungsanspruch zu, nämlich für die Zeit von 1.1.2009 bis 21.08.2012 unter Zugrundelegung der Lohngruppe 1 des Tarifvertrages für das private Omnibusgewerbe und ab 22.8.2012 in Höhe des arbeitsvertraglich vereinbarten Entgeltes in Höhe von 9 € brutto pro Stunde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Berechnung der Klägerin, die die Beklagte lediglich dem Grunde nach bestreitet.

Zudem bestehe ein Anspruch auf Abgeltung des noch offenen Resturlaubes. Die vergangenheitsbezogenen Urlaubsansprüche seien nicht verfallen. Zumindest stünde der Klägerin ein Schadenersatzanspruch in Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs zu, weil die Beklagte sie über den Urlaub mangels Vorlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages nicht aufgeklärt hatte.

Ein Verfall liege nicht vor. Die Vereinbarung über die ordnungsgemäße Abrechnung bis zum 21.08.2012 sei wirksam angefochten. Die Beklagte habe die Aushändigung des schriftlichen Arbeitsvertrages an die Bedingung der Unterzeichnung der "Verzichtserklärung" geknüpft. Darüber hinaus hindere diese Verzichtserklärung die geltend gemachten Ansprüche nicht. Auf Urlaubsansprüche wie auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bzw. Feiertagsvergütung habe die klagende Partei nicht verzichten können. Nach Auffassung der Klägerseite sei die Erklärung auch nicht wirksam, weil erst künftig fällig werdende Ansprüche betroffen seien.

Ansprüche seien auch nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarung einer Verfallklausel ausgeschlossen. Diese sei unwirksam, da eine Einschränkung im Falle vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhaltens des Arbeitgebers nicht aufgenommen sei. Auch die tarifliche Verfallklausel finde keine Anwendung, da der Arbeitsvertrag letztlich allein auf diese Verfallklausel und die Verkürzung der Kündigungsfristen auf den Tarifvertrag verweise.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

1.festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 07.11.2012, der Klägerin am gleichen Tage durch Boten zugestellt, beendet wurde

2.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.11.2012 hinaus fortbesteht,

3.die Beklagte zu verurteilen, 24.623,88 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen,

4.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird jedoch 2.400,00 € nicht unterschreiten sollte, zum 31.01.2013 hilfsweise 31.12.2012 aufgelöst wird,

5.die Beklagte zu verurteilen, an Urlaubsabgeltung 3.025,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen, wobei klargestellt wird, dass damit auch ein etwaiger Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung der Nachweispflicht mit einbezogen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Meinung, die Verzichtserklärung sei wirksam. Sie habe mit verschiedenen Mitarbeitern Prozesse wegen Vergütungsansprüchen geführt; dies habe sie zum Anlass genommen, mit allen Mitarbeitern, die keinen schriftlichen Arbeitsvertrag hatten, einen solchen abzuschließen. Es sei mit den Betroffenen ein Termin vereinbart worden, in welchem der Arbeitsvertrag durchgesprochen worden sei. Erst nach Unterzeichnung des Vertrages sei über eine Verzichtserklärung gesprochen worden, an der die Beklagte aufgrund der bereits laufenden Prozesse aus Gründen der Rechtsklarheit ein Interesse gehabt habe.

Die vereinbarte Vergütung sei auch nicht sittenwidrig. Ein Vergleich mit den Tariflöhnen der Omnibus-Branche sei nicht zulässig. Der Lohntarifvertrag sei nur bei einer Arbeitszeit von mehr als 15 Wochenstunden anwendbar. Die Anwendung der Lohntarifverträge sei nicht branchenüblich. Die Unternehmen zahlten für Fahrer bzw. Begleitungen bei vergleichbaren Arbeitsbedingungen seit 2009 einen Touren- bzw. Stundenlohn zwischen 6,00 € bis 7,50 €.

Die von der klagenden Partei wahrgenommene Tätigkeit rechtfertige allenfalls eine Eingruppierung in die Lohngruppe 1. Der Tarifvertrag sehe nicht vor, dass das Anlernen durch mehrjährige Berufstätigkeit ersetzt werden könne. Im Übrigen habe der Verband auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt, dass Begleitpersonen in die Lohngruppe 1 einzugruppieren seien.

Die geltend gemachten Ansprüche seien überwiegend verfallen. Dies gelte jedenfalls für etwaige Urlaubsansprüche bis einschließlich 2011, aber auch für die Entgeltansprüche bis August 2012.

Bei den Ansprüchen ab August 2012 sei zu bestreiten, dass die Klägerseite die Stunden in dem von ihr behaupteten Umfang geleistet habe. Insbesondere sei die Vereinbarung eines "ca."-Stundenumfanges im Arbeitsvertrag als Maximalgrenze gedacht gewesen.

Für die Touren sei eine Zeit von jeweils ca. einer Stunde angesetzt. Während der Ferien und an Brückentagen könnten keine Fahrten zur Einrichtung stattfinden, da diese geschlossen habe.

Die Klägerseite hat die Klage mehrfach umgestellt und zuletzt im Termin vom 24.07.2013 auch teilweise zurückgenommen. Wegen des umfangreichen weiteren Vorbringens, sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist nur in geringem Umfang erfolgreich.

A. Die ausgesprochene Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis nicht.

I. Der Kündigungsschutzantrag, mit welchem die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung geltend macht, ist nicht unzulässig, Auch nach der Erklärung eines Arbeitgebers, aus einer Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten, darf dem betroffenen Arbeitnehmer die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung nicht per se versagt bleiben, besteht doch die - hier auch wahrgenommene - Möglichkeit der Stellung eines Auflösungsantrages.

II. Die Kündigung ist auch unwirksam, da dieser mangels Vortrages eines Kündigungsgrundes nach § 1 Abs. 2 KSchG, die im Hinblick auf Dauer des Arbeitsverhältnisses, § 1 KSchG, und Betriebsgröße, § 23 KSchG, unstreitig erforderliche soziale Rechtfertigung fehlt. Nachdem die Beklagte bereits erklärt hat, an der Kündigung nicht festhalten zu wollen, hat sie auch keinen Kündigungsgrund in das Verfahren eingebracht.

B. Der Antrag der Klägerin, ihr Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen, war zurückzuweisen.

I. Nach § 9 Abs. 1 KSchG kann das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Antrag des Arbeitnehmers dann auflösen, wenn es feststellt, dass es durch die ausgesprochene Kündigung mangels derer sozialen Rechtfertigung nicht aufgelöst ist, jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist.

Die Unwirksamkeit einer Kündigung allein macht es dem Arbeitnehmer nicht unzumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Dies muss sich aus weiteren Umständen ergeben (KR/Spilger, 10. Auflage, § 9 KSchG, Rn. 40). Als Auflösungsgründe, die die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bedingen, sind nur solche Umstände geeignet, die in einem inneren Zusammenhang zu der vom Arbeitgeber erklärten, sozialwidrigen Kündigung stehen oder im Laufe des Kündigungsrechtsstreits entstanden sind, bspw. leichtfertig aufgestellte ehrverletzende Äußerungen, die geeignet sind, das Vertrauensverhältnis zu zerrütten (KR/Spilger, a. a. O., § 9 KSchG, Rn. 41). Darüber hinaus kommen auch solche Umstände in Betracht, die den Schluss nahelegen, der Arbeitgeber oder Arbeitskollegen würden den Arbeitnehmer im Falle einer Rückkehr in den Betrieb benachteiligen bzw. nicht ordnungsgemäß behandeln (KR/Spilger, a. a. O.; § KSchG, Rn. 41). Hierfür reichen aber pauschale Befürchtungen nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass diese Befürchtungen durch Tatsachen - etwa durch prozessuales oder außerprozessuales Verhalten - belegt werden.

II. Der Auflösungsantrag war zurückzuweisen. Die Klägerin konnte nicht darlegen, dass ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Soweit die Klägerin zur Begründung des Auflösungsantrages vorträgt, dass es für sämtliche von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen keinen Grund gebe und diese nur erfolgt seien, um die Arbeitnehmer unter Druck zu setzen, handelt es sich letztlich um eine pauschale Befürchtung der Klägerin, die zur Darlegung einer konkreten Unzumutbarkeit nicht ausreicht. Ob es einen Zusammenhang zwischen der Geltendmachung der Entgeltansprüche und dem Ausspruch der Kündigung gibt, kann nicht sicher gesagt werden. Dies erschien aber unwahrscheinlich, hat die Klägerin doch bereits am 09.11.2012 gegen die Kündigung geklagt, jedoch erst am 07.05.2013 die Klage um die Entgeltdifferenzen erweitert.

Gegen die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses spricht weiter, dass die Beklagte die der Klägerin gegenüber ausgesprochene Kündigung sehr zügig "zurückgenommen" hat. Dass damit ein besonderer Druck auf die Klägerin ausgeübt wurde, der es ihr nunmehr nicht mehr ermöglicht, ihre Arbeit bei der Beklagten auszuüben, sieht die Kammer nicht.

Ferner konnte die Kammer nicht erkennen, dass die Klägerin weitere Kündigungen oder aber den Ausspruch von Abmahnungen zu befürchten hätte. Auch in großer Zahl ausgesprochene Kündigungen, dies alsbald zurückgenommen werden, rechtfertigen nicht ohne Weiteres die Stellung eines Auflösungsantrages. Dabei reicht es auch nicht aus, dass für eine Kündigung evident kein Anlass besteht oder diese formal unwirksam ist, so lange keine Umstände vorliegen, die hiermit zusammen gesehen die Unzumutbarkeit der Fortsetzung zur Folge haben.

An den insoweit erforderlichen besonderen Umständen, die die Unzumutbarkeit bedingen, fehlt es vorliegend, weshalb der Auflösungsantrag zurückzuweisen war.

C. Die Klägerseite kann die Zahlung von 1.107,90 € brutto verlangen.

I. Der geltend gemachte Zahlungsantrag in Höhe von zuletzt 24.623,88 € brutto ist nur in diesem Umfang begründet.

1. Die Klägerin kann die vertragliche Vergütung in Höhe von 9 € pro Stunde für eine wöchentliche Arbeitszeit von 20,5 Stunden für den Zeitraum vom September 2012 bis zum 23.11.2012 beanspruchen - soweit sie nicht tatsächlich beschäftigt wurde, aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges.

a. Insofern stehen der Klägerseite 2250,90 € brutto für den angegebenen Zeitraum für 60 Arbeitstage und einen gesetzlichen Feiertag zu.

aa. An der im Arbeitsvertrag genannten wöchentlichen Arbeitszeit von 20,5 Stunden pro Woche muss sich die Beklagte festhalten lassen, auch dann, wenn die Klägerin rein tatsächlich weniger als diese Zeit pro Woche tätig gewesen ist. Aufgabe der Beklagten ist es, der Klägerin entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarung eine Arbeit zuzuweisen. Sofern weniger als die vertraglich geschuldete Leistung erbracht wurde, schuldet die Beklagte den restlichen Anteil aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges nach § 615 BGB. Das Angebot der Arbeitskraft ist insofern nach § 296 BGB entbehrlich, da die Beklagte bereits die gebotene Mitwirkungshandlung unterlässt, indem sie keinen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt.

bb. Die Beklagte schuldet die Vergütung für Feiertage nach § 2 Abs. 1 EFZG, für Arbeitsunfähigkeitszeiten nach § 3 EFZG.

cc. Bei 61 Tagen ergeben sich somit insgesamt 250,1 Stunden (61t*4,1h/t), wonach der Klägerseite insofern 2.250,90 € brutto (9 € brutto/h*250,1h) zustehen.

dd. Auf die Ansprüche der Klägerseite hat die Beklagte 306 € brutto für September, 396 € brutto für Oktober und 441 € brutto für November abgerechnet und die sich ergebenden Nettobeträge bezahlt, so dass insgesamt noch ein Betrag in Höhe von 1.107,90 € brutto offen ist.

ee. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

b. Die Vergütungsansprüche für diesen Zeitraum sind nicht gem. § 23 Abs. 3 MTV bzw. gem. der weitgehend gleichlautenden Ziffer 13 des Arbeitsvertrages verfallen. Die Klägerin hat ihre Ansprüche innerhalb der Ausschlussfristen des § 23 Abs. 2 MTV binnen drei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht hat. Ausgehend von einer Fälligkeit der Ansprüche zum Monatsende, § 614 BGB, waren die Ansprüche ab September 2012, die zum 30.09.2012 fällig wurden, spätestens zum 31.12.2012 schriftlich geltend zu machen. Diese Frist wurde mit der Einreichung der Klagerweiterung am 03.12.2012 eingehalten.

c. Die Ansprüche sind auch nicht durch die abgeschlossene Verzichtserklärung ausgeschlossen. Auf die Frage, ob diese Vereinbarung ohnehin wirksam angefochten ist, kommt es dabei nicht an. Insoweit hat bereits die 3. Kammer in ihrem Urteil vom 25.04.2013 (3 Ca 3373/12) wie folgt ausgeführt:

"a) Bei der Verzichtsvereinbarung handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs.1 BGB, da die Beklagte den vorformulierten Vertragstext in einer Vielzahl von Fällen ihren Mitarbeitern zur Unterzeichnung vorlegte.

b) Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - AP BGB § 307 Nr. 56). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen "erhebliche Zweifel" an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - BAGE 135, 239).

c) Der Wortlaut der Regelung lässt nicht eindeutig erkennen, ob mit der Vereinbarung auf alle bis zum 21.08.2012 entstandenen oder nur die bis zum 21.08. entstandenen und fälligen Forderungen verzichtet wurde.

In der Vereinbarung heißt es, dass das Arbeitsverhältnis "bis zum 21.08.12 ordentlich abgerechnet wurde" und "sämtliche beiderseitigen Forderungen…bis zum oben genannten Zeitpunkt, seien sie bekannt oder unbekannt, genannt oder ungenannt" abgegolten sind.

Die Formulierung "sämtliche beiderseitigen Forderungen" lässt also offen, ob sich die Regelung auch auf die Vergütungsansprüche für den Zeitraum 01. bis 21.08.2012 bezieht, die nach § 615 BGB zwar schon entstanden, aber noch nicht fällig waren. Die zur Eindeutigkeit der Regelung erforderliche Präzisierung fehlt. Die notwendige Eindeutigkeit ergibt sich auch nicht durch die Vereinbarung, dass bis zum 21.08.2012 ordentlich abgerechnet wurde. Dieser Passus lässt sich dahingehend verstehen, dass eine Abrechnung für den Zeitraum bis einschließlich 21.08.2012 bereits erfolgt sei, oder auch dahingehend, dass alle bis zum Stichtag 21.08.2012 abgerechneten Ansprüche, also die bis Juli 2012 einschließlich, von der Verzichtserklärung erfasst sein sollten.

d) Die Einbeziehung der Sichtweise und verfolgten Ziele der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Vertragspartner spricht eher dafür, dass die Parteien keine Vereinbarung über Forderungen treffen wollten, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder abgerechnet noch fällig waren. Denn damit würde der Arbeitnehmer ohne irgendeine Erklärung des Arbeitgebers darüber, ob und in welchem Umfang er einen Anspruch als gegeben ansieht, auf diesen verzichten. Der blinde Verzicht auf noch nicht fällige und noch abzurechnende Ansprüche entspricht typischerweise weder dem Willen eines Arbeitnehmers noch dem eines redlichen Arbeitgebers. Dieser Sichtweise steht auch nicht entgegen, dass in die Verzichtsvereinbarung ausdrücklich unbekannte und ungenannte Forderungen aufgenommen wurden. Eine solche Ausgleichsklausel soll regelmäßig verhindern, dass eine Partei nachträglich Ansprüche entdeckt, die zum Zeitpunkt der Verzichtserklärung schon thematisiert und geklärt werden konnten. Dies trifft für Ansprüche, die erst zukünftig abzurechnen sind, nicht zu.

e) Deshalb spricht viel dafür, dass eine in Vergangenheitsform und Präsens abgefasste Erklärung sich nur auf etwaige bis zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung fällig gewordene Ansprüche bezieht (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - NZA 2013, 101). Dieses Auslegungsergebnis lässt sich zumindest nicht ausschließen, so dass mit der Unklarheitenregel des § 305c BGB der für die Klägerin günstigeren Auslegung der Vorzug zu geben ist, dass die Vergütungsansprüche für August insgesamt nicht von der Verzichtsvereinbarung erfasst sind.

Vor dem Hintergrund kann die Frage, ob die Verzichtsvereinbarung von der Klägerin wirksam angefochten wurde, offen bleiben."

Diesen Ausführungen der 3. Kammer schließt sich die 6. Kammer an.

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der Annahmeverzugslohnvergütung ab dem 23.11.2012 aus § 615 Satz 1 BGB. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 22.11.2012 die streitgegenständliche Kündigung zurückgenommen. Die Klägerin hätte der Beklagten, um weiterhin einen Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB geltend machen zu können, ihre Arbeitsleistung so wie sie zu bewirken ist, tatsächlich anbieten müssen. Dies hat die Klägerin nach Rücknahme der Kündigung unstreitig nicht getan. Ein tatsächliches Arbeitsangebot war auch nicht entbehrlich. Der Klägerin war zuzumuten, ihre Arbeitsleistung tatsächlich anzubieten.

II. Für die Zeit vom 1.1.2009 bis 31.08.2012 besteht kein Zahlungsanspruch der Klägerin. Etwaige Differenzansprüche sind jedenfalls mangels rechtzeitiger Geltendmachung nach § 23 Abs. 2 MTV verfallen.

1. Die Geltendmachung der Ansprüche erfolgte mit bei Gericht am 03.12.2012 eingegangener Klageerweiterung.

a. Eine vorherige Geltendmachung, die geeignet wäre, die tarifliche Ausschlussfristen für weitere Ansprüche zu wahren, ist nicht erfolgt, insbesondere nicht mit Schreiben vom 31.10.2012, da dieses die Höhe der Forderungen nicht hinreichend bestimmt. Eine Geltendmachung zur Wahrung tariflicher Ausschlussfristen liegt mit einem Forderungsschreiben nur dann vor, wenn dieses die Forderungen hinreichend deutlich bestimmt. Der Schuldner muss erkennen können, aus welchem Sachverhalt und in welcher ungefähren Höhe er in Anspruch genommen werden soll (BAG vom 30.10.2008 - 8 AZR 886/07 - ; BAG vom 16.05. 2007n - 8 AZR 709/06 -; BAG vom 17.07.2003 - 8 AZR 486/02 - zit. n. Juris). Das ist unstreitig nicht erfolgt.

b. Selbst die Ansprüche für August 2012 sind verfallen, da diese spätestens am 30.11.2012 hätten geltend gemacht werden müssen. Diese und sämtliche Ansprüche für die Zeit davor waren zum Zeitpunkt der Geltendmachung bereits länger als drei Monate fällig. Vertragsbeginn des ersten schriftlichen Arbeitsvertrages war der 22.08.2012, Vertragsabschluss der 13.07.2012.

c. Es kann insofern dahinstehen, ob auf Vertragsbeginn oder Vertragsschluss abzustellen ist, da auch im für die Klägerin günstigsten Fall die Ansprüche bis 30.11.2012 hätten geltend machen müssen. Geht man davon aus, dass die Ausschlussfrist nämlich nicht erst mit Vertragsbeginn, sondern mit Vertragsschluss beginnt (vgl. Preis, in EK, 13. Auflage 2013, §§ 194-218 BGB, Rn. 51), so hätten sie bis spätestens 13.10.2012 geltend gemacht werden müssen. Dass die Ausschlussfrist mit Vertragsschluss, für die vergangenheitsbezogenen Ansprüche zu laufen beginnt und nicht erst mit dem vereinbarten Arbeitsvertragsbeginn am 22.08.2012 ist insofern überzeugend, weil die Ansprüche zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung für die Vergangenheit längst fällig sind und ein Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unzweifelhaft Kenntnis von der Existenz der Ausschlussfristen erlangt. Ab diesem Zeitpunkt und nicht erst zum Zeitpunkt des vereinbarten Arbeitsvertragsbeginns wusste die Klägerin eindeutig, dass sie, will sie für die Vergangenheit noch Ansprüche geltend machen, zwingend eine bestimmte Frist, konkret drei Monate, einzuhalten hat.

2. Die Ausschlussfrist aus dem Tarifvertrag ist auch anwendbar, da die Parteien in dem geschlossenen Arbeitsvertrag ausdrücklich auf den Tarifvertrag verweisen. Diese Verweisung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil durch die erfolgten einzelvertraglichen Regelungen kein ganzer Tarifvertrag (mehr) in Bezug genommen wird, sondern lediglich dessen arbeitgeberfreundliche Teile. Neben den, den Arbeitnehmer belastenden, Regelungen zur Kündigungsfrist und zum Verfall von Ansprüchen sind über die Verweisung etwa auch die nicht abbedungenen Regelungen zum tariflichen Urlaubsgeld anwendbar.

Der Arbeitsvertrag ist ferner nicht wirksam angefochten. Die Klägerseite hat zwar auch insofern die Anfechtung erklärt, macht aber andererseits Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag geltend, s.o., so dass sich die Anfechtung als widersprüchliches Verhalten darstellt. Daneben ist aber auch kein Anfechtungsgrund erkennbar, da weder vorgetragen wurde, inwiefern die Klägerseite zum Abschluss des Arbeitsvertrages - nicht der Verzichtserklärung - gedrängt oder getäuscht wurde, noch, worüber genau auf Klägerseite ein Irrtum bestand.

3. Das Berufen auf die Ausschlussfrist ist der Beklagten nicht deshalb verwehrt, weil es sich bei den Ansprüchen um solche aus unerlaubter Handlung handeln würde.

a. Die geltend gemachten Ansprüche sind nach Sicht der Kammer bereits keine solchen, die sich aus unerlaubter Handlung ergeben.

aa. Soweit die Klägerseite neben Ansprüchen auf Entgeltfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall, sowie Annahmeverzug, die Differenzansprüche zum Tariflohn beansprucht, ergäben sich solche Ansprüche aus §§ 611 Abs. 1, 612 Abs. 2, 138 BGB (vgl. etwa auch LAG Hamm vom 18.03.2009 - 6 Sa 1372/08) und damit gerade nicht aus dem Recht der unerlaubten Handlungen nach §§ 823 ff. BGB.

bb. Soweit sich die Klägerseite indes auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 291 StGB berufen würde, kommt dieser bereits nicht als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB in Betracht, da für die Wucher eine gegenüber § 823 Abs. 2 BGB speziellere Regelung in § 138 BGB findet, die indes eine andere Rechtsfolge, nicht Schadenersatz sondern über den Umweg des § 612 BGB sogar die übliche Vergütung, zur Folge hat. Damit übersteigt die Rechtsfolge des § 612 diejenige nach § 823 Abs. 2, da der Schaden des Arbeitnehmers lediglich die Zahlung einer (gerade eben) noch nicht unter Wucher fallenden Vergütung wäre.

b. Daneben kann die Kammer aber auch keine unter § 138 BGB fallende Vergütungsabrede erkennen.

aa. Sittenwidrigkeit zwischen Leistung und Gegenleistung ist anzunehmen, wenn zwischen beiden ein auffälliges Missverhältnis besteht und weitere sittenwidrige Umstände, wie z.B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten, hinzutreten (vergleiche BAG vom 16.5.2012 - 5 AZR 268/11 -; BAG vom 22.4.2009 - 5 AZR 436/08 -; zit. n. Juris). Ein auffälliges Missverhältnis im Arbeitsverhältnis wird dann angenommen, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht (BAG vom 18.4.2012 - 5 AZR 630/10 -; BAG vom 23.4.2009 - 5 AZR 436 / 08 - zitiert nach juris). Maßgeblich ist der objektive Wert der Leistung des Arbeitnehmers, wobei Ausgangspunkt der Wertbestimmung in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweiges sind. Diese drücken jedenfalls dann den objektiven Wert aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden. Sind mehr als 50% der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebietes tarifgebunden oder sind mehr als 50% der in diesem Wirtschaftsgebiet beschäftigten Arbeitnehmer organisiert, kann ohne weiteres von der Üblichkeit der Tarifvergütung ausgegangen werden (vergleiche BAG vom 16.5.2012 a.a.O.). Entspricht der Tariflohn dagegen nicht der verkehrsüblichen Vergütung, sondern liegt dieser unterhalb des Tariflohns, ist von dem allgemeinen Lohnniveau in Wirtschaftsgebiet auszugehen (vergleiche BAG vom 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 -; BAG vom 22.3.2004 - 5 AZR 303/03 -zitiert nach juris). Wird der übliche Lohn um 1/3 unterschritten, liegt eine ganz erhebliche, ohne weiteres ins Auge fallende und regelmäßig nicht mehr hinnehmbare Abweichung vor, für die es einer spezifischen Rechtfertigung bedarf (BAG vom 18.4.2012 a.a.O.). Andererseits handelt es sich bei der 2/3-Grenze um keinen statischen Wert, der ohne weiteres zur Annahme der Sittenwidrigkeit führt.

Nur dann, wenn der Wert der Leistung mindestens doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, gestattet dies den tatsächlichen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten. Ist dies nicht der Fall, bedarf es zusätzlicher Umstände, aus denen geschlossen werden kann, der Arbeitgeber habe die Not oder einen anderen den Arbeitnehmer hemmenden Umstand in verwerflicher Weise zu seinem Vorteil ausgenutzt. Solche Umstände liegen insbesondere in der Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche des Arbeitnehmers. Hierfür ist der Arbeitnehmer darlegungs - und beweispflichtig (BAG vom 16.5.2012 - 5 AZR 2 68 / 11 -).

bb. Im Lichte des Vorgenannten ist nicht von einer Sittenwidrigkeit auszugehen. Auf die Frage, ob der Tarifvertrag, den die Klägerseite heranzieht, taugliches Vergleichskriterium ist, kommt es dabei nicht an, da die Vergütungsabrede auch nicht in der vorbeschriebenen Weise hinter dem Tariflohn zurückbleibt.

(1). Die Klägerseite hat bereits nicht substantiiert dargelegt, wie lang die einzelnen Wegezeiten waren, bzw. inwiefern diese notwendig waren. Im Übrigen geht sie bei der Vergütung von einer Zahlungspflicht auch für die Rückfahrt (sog. "Leerfahrt") aus, die aus Sicht der Kammer nicht besteht. Insofern schließt sich die Kammer auch der Auffassung der 3. Kammer im Parallelverfahren 3 Ca 3000/13 an. Diese hat ausgeführt:

"Arbeitszeit ist nur die Zeit, in der der Arbeitnehmer eine geschuldete Arbeitsleistung erbringt, deren Inhalt der Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechts konkretisiert. Die geschuldete Arbeitsleistung des Klägers war die Begleitung des behinderten Mannes auf der Fahrt zur bzw. von der Einrichtung. Weitere Verpflichtungen, etwa die Begleitung des Fahrers bei der Fahrt des leeren Busses, bestanden nicht. Folglich schuldete er die Mitfahrt im Bus nicht, so dass im Gegenzug die Beklagte nicht verpflichtet ist, diese Zeit zu vergüten."

Eine Abrede, ab wo die Arbeitszeit beginnt und wo endet, haben die Parteien ausdrücklich gerade nicht getroffen. Inwiefern eine solche sich aus dem Tarifvertrag als übliche Abrede ergeben würde, ist gleichsam nicht vorgetragen. Damit ist von einer Vergütungspflicht lediglich der Zeiten auszugehen, die nicht Leerfahrten sind. Hierzu hat die Klägerseite keine konkreten Zeiten vorgetragen. Ein Hinweis war indes nicht zu erteilen, da es aus den o.g. Gründen auf die Frage, ob die Lohnabrede unter § 138 BGB fällt, nicht mehr ankommt.

(2). Ausgehend von der hierdurch unstreitigen Fahrtdauer, die die Beklagte mitgeteilt hat, von einer Stunde je Tour, ergäbe sich mithin ein Stundenlohn von 7 €, der über zwei Dritteln der tariflichen Vergütung von 9,25 €/h bis 9,76 €/h der insofern maßgeblichen und nunmehr allein noch geltend gemachten Lohngruppe 1 des Tarifvertrages liegt. Überdies liegt auch keine verwerfliche Gesinnung der Beklagten vor.

D. Die Klägerin kann keine Abgeltung noch offenen, nicht verfallenen Resturlaubes nach § 7 Abs.4 BUrlG verlangen, da das Arbeitsverhältnis fortbesteht und noch offener Resturlaub ggf. in Natur gewährt werden kann, s.o.

E. Der Klägerin steht auch kein Schadensersatzanspruch wegen des Verfalls von Urlaubsansprüchen für die Vergangenheit zu.

I. Befindet sich ein Arbeitgeber mit der Aushändigung der nach § 2 NachwG geschuldeten Niederschrift oder der ihm nach § 3 NachwG obliegenden Mitteilung in Verzug, hat er gem. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB den durch den eingetretenen Verzug adäquat verursachten Schaden zu ersetzen. Deshalb kann ein Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber verlangen, so gestellt zu werden als wäre sein Zahlungsanspruch nicht untergegangen, wenn ein solcher Anspruch nur wegen Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers bestehen würde. (BAG 21. Februar 2012 - 9 AZR 486/10 - zit. n. Juris)

II. Damit besteht kein Anspruch der Klägerseite.

1. Zwar sind für die Jahre 2009 bis 2012 Urlaubsansprüche der Klägerin verfallen. Gem. § 7 Abs. 3 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden wobei eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur statthaft ist, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Die Unkenntnis des Arbeitnehmers von der Existenz des Bestehens von Urlaubsansprüchen ist unbeachtlich und hindert den Verfall der Ansprüche nicht.

2. Vorliegend ist die Klägerseite wegen der Versäumung der im schriftlichen Arbeitsvertrag bestehenden Ausschlussfrist mit ihren Ansprüchen indes ausgeschlossen; eine Kausalität zwischen dem zunächst nicht ausgehändigten schriftlichen Arbeitsvertrag und der fehlenden Geltendmachung besteht nicht.

a. Für die Jahre bis einschließlich 2011 ergibt sich das bereits daraus, dass etwaige Schadensersatzansprüche ihrerseits entsprechend der geltenden Verfallklauseln zwischenzeitlich verfallen sind, s.o. Die Schadensersatzansprüche bestanden spätestens seit dem Abschluss des neuen Arbeitsvertrages im Juli 2012, da spätestens ab diesem Zeitpunkt die Klägerseite wegen des Inhaltes des Arbeitsvertrages Kenntnis vom Bestehen gesetzlicher Urlaubsansprüche hatte. Damit hätten die Ansprüche aber bis 13.10.2012 geltend gemacht werden müssen, was unstreitig nicht erfolgt ist.

b. Für das Jahr 2012 kann ein Schadensersatzanspruch wegen fehlenden Nachweises bereits nicht entstehen, da ein solcher nicht (mehr) ursächlich für den Verfall des Urlaubes am 31.12.2012 ist. Auch nach Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrages im Juli 2012 wäre noch ausreichend Zeit gewesen, den Urlaub bis zum Jahresende zu nehmen. Dies ist indes nicht erfolgt, so dass ein vorher fehlender Nachweis durch die Arbeitgeberin über den Abschluss des schriftlichen Arbeitsvertrages nicht fortwirkt.

F. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 ZPO. Die Klägerseite obsiegt nur zu 6,7% unter Einbeziehung ihrer zwischenzeitlich höheren, nunmehr teilweise zurückgenommenen Zahlungsanträge, so dass eine einheitliche Kostenentscheidung zu treffen war. Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO. Gründe im Sinne von § 64 Abs. 3 ArbGG für die Zulassung der Berufung, die nach § 64 Abs. 2 Buchst. b, c ArbGG kraft Gesetzes zulässig ist, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.

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Gegen dieses Urteil kann von jeder Partei Berufung eingelegt werden.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim

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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.Rechtsanwälte,

2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

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