ArbG Duisburg, Urteil vom 16.04.2015 - 3 Ca 2655/14
Fundstelle
openJur 2019, 23372
  • Rkr:

xEinzelfallentscheidung zu Auslegungen einer Gesamtbetriebsvereinbarung bzw. eines Tarifvertrags zur Frage, wie sich die Inanspruchnahme einer Rente für besondesrs langjährig Versicherte auf eine Abfindungsregelung auswirkt.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Der Streitwert beträgt 12.455,21 €.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Abfindung nach Beendigung eines Altersteilzeitvertrages.

Der im K. geborene Kläger trat zum 03.03.1986 in die Dienste der Beklagten, einem Stahlunternehmen. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft Vereinbarung im Arbeitsvertrag vom 25.02.1986 die Tarifverträge der Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen, darunter auch der Tarifvertrag über Altersteilzeit vom 20.06.2000 (im Folgenden: TV ATZ), sowie die für den Betrieb gültigen Betriebsvereinbarungen in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Wegen der Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf die Anl. K 1 zur Klageschrift (Bl. 5-6 der Akte) Bezug genommen.

In der von der Beklagten abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung zur Einführung der Altersteilzeit vom 02.01.2002 (im Folgenden GBV ATZ) lautet es:

"Präambel

Durch diese freiwillige Betriebsvereinbarung werden die tarifvertraglichen Bestimmungen in der Stahlindustrie sowie die Rahmenkonzernbetriebsvereinbarung … umgesetzt.

…

4.8 Abfindung

Endet das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vor Vollendung des 65. Lebensjahres des Belegschaftsmitgliedes, erhält dieses für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung. Die Abfindung errechnet sich aus einem Betrag, der mit der Zahl der vollen Kalendermonate - höchstens jedoch mit 48 Kalendermonaten - multipliziert wird, die zwischen der Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer Anspruch auf ungeminderte Altersrente gehabt hätte, liegen."

Die in dem folgenden Absatz geregelte Abfindungshöhe betrug für einen in kontinuierlicher Wechselschicht eingesetzten Arbeitnehmer 383,47 € für jeden Monat des vorzeitigen Ausscheidens. Wegen der weiteren Einzelheiten der GBV ATZ wird Bezug genommen auf die Anl. K 5 zur Klageschrift (Bl. 16-27 der Akte).

Der TV ATZ enthielt eine weitgehend gleichlautende Bestimmung in Bezug auf die Abfindung. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf § 10 des TV ATZ (Anl. 1 zur Klageerwiderung, Bl. 42-52 der Akte).

Am 05.11.2008 schlossen der Kläger, der in kontinuierlicher Wechselschicht eingesetzt war, und die Beklagte einen Altersteilzeitvertrag für die Zeit vom 01.12.2008 bis zum 31.07.2014.

Darin lautet es u. a.:

"… wird … auf Grundlage des Tarifvertrages über Altersteilzeit vom 20.06.2000, der Rahmenkonzernbetriebsvereinbarung zur Einführung der Altersteilzeit vom 07.03.2000 und der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Einführung der Altersteilzeit vom 02.01.2002 - wobei die jeweils aktuellen Fassungen der vorgenannten Regelungen zu Grunde gelegt werden - folgende freiwillige Vereinbarung im Sinne des § 2 des Tarifvertrages über Altersteilzeit geschlossen:"

…

§ 14 Abfindung

Nach § 13 dieses Vertrages endet das Arbeitsverhältnis vereinbarungsgemäß am 31.07.2014. Dies geschieht auf Wunsch des Arbeitgebers.

Der Arbeitnehmer erhält daher bei Ausscheiden vor Vollendung des 65. Lebensjahres eine Abfindung entsprechend der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Altersteilzeit vom 02.01.2002.

Eventuelle Steuern und Sozialversicherungsbeiträge gehen zu Lasten des Arbeitnehmers."

Wegen der Einzelheiten dieses Altersteilzeitvertrages wird Bezug genommen auf die Anl. K 2 zur Klageschrift (Bl. 7-13 der Akte).

Die Beklagte händigte dem Kläger im Zusammenhang mit dem Abschluss des Altersteilzeitvertrages eine Übersicht zur Altersteilzeit aus, in der ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die in der Übersicht angegebenen Werte keinen verbindlichen Charakter haben. In diesem Übersichtsblatt ist eine Abfindung i.H.v. 9.866,88 € ausgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anl. K 3 zur Klageschrift (Bl. 13 der Akte) Bezug genommen.

Der Arbeitgeberverband Stahl e.V. und die IG-Metall vereinbarten in einem "Tarifvertrag zur Anpassung der Altersteilzeit an das RV-Leistungsverbesserungsgesetz" am 08.07.2014 Folgendes:

"§ 2

Ein im Zeitpunkt der Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses bestehender Anspruch auf eine ungeminderte Rente nach § 236b SGB VI schließt eine tarifvertragliche Abfindung gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 TV ATZ ("ob" einer Abfindung) aus."

Dies gilt nach dem Tarifvertrag für vor dem 08.07.2014 abgeschlossene Altersteilzeitverhältnisse. Der Tarifvertrag trat zum 01.06.2014 Kraft. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anl. 2 zur Klageerwiderung (Blatt 53-54 der Akte) Bezug genommen.

Nach Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses wurde dem Kläger auf dessen Antrag hin ab dem 01.08.2014 eine vorgezogene Altersrente für besonders langjährig Versicherte gemäß § 236b SGB VI bewilligt.

Der Kläger ließ die Beklagte mit Schreiben vom 28.08.2014 vergeblich auffordern, an ihn bis zum 15.09.2014 eine Abfindung i.H.v. 10.600,00 € zu zahlen.

Mit beim Arbeitsgericht am 29.12.2014 eingegangener, der Beklagten am 31.12.2014 zugestellter Klage hat der Kläger die Zahlung von 12.455,21 € geltend gemacht.

Der Kläger ist der Ansicht, unter dem Begriff "ungeminderte Altersrente" in Nr. 4.8 GBV ATZ sei der Bezug der Regelaltersrente zu verstehen, nicht jedoch die Altersrente für besonders langjährig Versicherte gemäß § 236b SGB VI, bei der die Grenze für monatlichen Hinzuverdienst - anders als bei der Regelaltersrente - auf 450,00 € beschränkt sei.

Aufgrund der in der GBV ATZ bzw. im TV ATZ vorgesehenen Steigerungen ergebe sich für ihn, da er die Regelaltersgrenze erst mit 65 Jahren und fünf Monaten erreicht hätte, für 29 zu berücksichtigende Monate eine Abfindung in Höhe von insgesamt 12.455,20 €.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.455,21 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.09.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Bezug einer ungeminderten gesetzlichen Rente, zu der auch die Rente nach § 236b SGB VI gehöre, führe dazu, dass keine Kalendermonate verblieben, die zwischen der Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt lägen, in dem der Arbeitnehmer Anspruch auf eine ungeminderte Altersrente gehabt hätte. Daraus folge, dass der Faktor zur Ermittlung der Abfindungshöhe "null" sei, so dass kein Anspruch auf eine Abfindung bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg, da dem Kläger ein Abfindungsanspruch nicht zusteht. Auch der Bezug einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte gem. § 236b SGB VI ist der Bezug einer ungeminderten Rente. Damit beträgt der Anspruch des Klägers 0 €.

I.

Die Klage ist nicht begründet.

Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

a)Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 14 des Altersteilzeitvertrages i.V.m. Nr. 4.8 GBV ATZ in Betracht.

aa)Voraussetzung nach dem Arbeitsvertrag ist zunächst, dass der Kläger vor Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.

Diese Voraussetzung ist erfüllt.

Der Kläger ist im K. geboren. Das Arbeitsverhältnis endete am 31.07.2014. Demnach schied der Kläger mit Vollendung des 63. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus.

bb)Dem Anspruch steht allerdings entgegen, dass die Höhe der Abfindung in dem besonderen Fall des Klägers 0 ("null") € beträgt. Die Abfindungshöhe ist nach Nr. 4.8 GBV ATZ das Produkt aus der Anzahl der zu berücksichtigenden Monate und des für jeden Monat vorgesehenen Abfindungsbetrages. Der Faktor für die zu berücksichtigenden Monate ist 0, da zwischen Beendigung des Altersteilzeitverhältnisses am 31.07.2014 und dem Bezug der ungeminderten Altersrente ab dem 01.08.2014 kein voller Kalendermonat lag.

(1)Nach Nr. 4.8 GBV ATZ errechnet sich die Abfindung aus einem Betrag, der mit der Zahl der vollen Kalendermonate multipliziert wird, die zwischen der Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer Anspruch auf ungeminderte Altersrente gehabt hätte, liegen.

(2)Zur "ungeminderten Altersrente" gemäß Nr. 4.8 GBV ATZ gehört auch die Rente für besonders langjährig Versicherte gemäß § 236b SGB VI, die der Kläger bezieht.

Dies ergibt die Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung.

(Gesamt-)Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen verfolgte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen sowie die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG 09. Dezember 2014 - 1 AZR 146/13 - Rn. 27; BAG 15. Oktober 2013 - 1 AZR 544/12 - Rn. 12).

(a)Bereits aus dem Wortlaut ergibt sich, dass ein Anspruch nicht besteht.

Nach dem Text in Nr. 4.8 GBV ATZ kommt es für die Berechnung allein auf den Zeitpunkt an, ab dem Anspruch auf eine ungeminderte Altersrente besteht.

Auch eine Rente für besonders langjährig Versicherte ist eine ungeminderte Altersrente. Selbst der Kläger stellt nicht in Abrede, dass seine Rente für sich genommen nicht gekürzt ist und damit der Höhe nach eben - wie die Regelaltersrente - "ungemindert" ist.

Auf die Art der Altersrente kommt es nach der Formulierung der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht an. Es wird nicht nach der Art der Altersrente unterschieden, sondern danach, ob es sich um eine ungeminderte bzw. geminderte Altersrente handelt. Demnach ist nicht entscheidend, ob es sich um die Regelaltersrente oder um die Altersrente für besonders langjährig Versicherte handelt. Beide Rentenarten sind nach der Legaldefinition in § 33 Abs. 2 SGB VI "Renten wegen Alters" und gehören damit zu den in Nr. 4.8 GBV ATZ genannten "Altersrenten".

Eine weitere Unterscheidung haben die Parteien der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht getroffen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gesamtbetriebsvereinbarung gab es den Begriff der Regelaltersrente schon (vgl. § 35 SGB VI i. d. F. v. 18.12.1989 und v. 19.02.2002). Ebenfalls gab es zu diesem Zeitpunkt (02.01.2002) bereits verschiedene Renten wegen Alters, nämlich Regelaltersrente, Altersrente für langjährig Versicherte, Altersrente für schwerbehinderte Menschen, Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute, Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit und Altersrente für Frauen. Die Altersrente für schwerbehinderte Menschen konnte auch nach der Fassung des § 37 SGB VI i. d. F. v. 19.06.2001 und 19.02.2002 mit Wirkung ab 01.01.2002 vorzeitig in Anspruch genommen werden. Die eigentliche Frage der Minderung war bereits 2002 nicht bei den einzelnen Rentenarten geregelt worden, sondern in § 77 SGB VI. Dort ist bestimmt, inwieweit es Abschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme gibt. Allein aus der Anwendung dieser Vorschrift ergibt sich, ob ein Anspruch auf ungeminderte oder geminderte Altersrente besteht. Bei den Rentenarten ist lediglich geregelt, ob überhaupt eine vorzeitige Inanspruchnahme in Betracht kommt und damit eine Minderung denkbar ist.

Der Kläger übersieht, dass in der GBV ATZ für die Berechnung der Versorgungslücke gerade nicht auf das Erreichen der Regelaltersrente oder Regelaltersgrenze abgestellt wurde, sondern auf den Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer Anspruch auf ungeminderte Altersrente gehabt hätte. Hätten die Parteien gemeint, dass es auf die Regelaltersrente ankommt, so hätte es nahe gelegen, dass die Parteien auch diesen Begriff verwendet hätten.

Die GBV ATZ nimmt mit ihrer Formulierung Bezug auf alle Fälle, in denen der Arbeitnehmer Anspruch auf die ungeminderte Altersrente hat. Gerade die Verwendung des im SGB VI so nicht ausdrücklich verwendeten Begriffs "ungeminderte Altersrente" lässt erkennen, dass den Parteien der GBV ATZ daran gelegen war, nicht auf eine bestimmte Altersrentenart, sondern auf den Umstand abzustellen, dass die Rente ungemindert gezahlt wird.

Nicht entscheidend ist, dass im Zeitpunkt der Vereinbarung der GBV ATZ die Rente für besonders langjährig Versicherte gem. § 236b SGB VI noch nicht existent war. Es kommt nach dem Wortlaut der GBV ATZ allein darauf an, dass es sich bei dieser - neu eingeführten - Rentenart ebenfalls um eine Altersrente handelt, die ungemindert bezogen werden kann.

Dass eine solche, sich Veränderungen anpassende Interpretation der gesamten Vorschrift der Nr. 4.8 GBV ATZ geboten ist, zeigt ein Vergleich mit dem einleitenden Satz. Dort ist genannt, dass der Anspruch dann besteht, wenn das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vor Vollendung des "65. Lebensjahres" endet. Insoweit geht aber auch der Kläger davon aus, dass mittlerweile nicht mehr auf das 65. Lebensjahr abzustellen ist, sondern auf das aktuelle Datum des Erreichens der Regelaltersgrenze. Dies wäre bei dem Kläger der Zeitpunkt gewesen, an dem er 65 Jahre und fünf Monate alt wird. Auch für diesen Zeitpunkt ergibt sich also, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung kein eigenständiges Regelwerk zur Berechnung der tatsächlichen oder fiktiven Renteneintrittsmöglichkeit enthält, sondern allein Bezug auf das Rentenrecht als solchem - und damit einschließlich etwaiger dort erfolgender Änderungen - nimmt.

Es ist nicht zutreffend, dass der Kläger - wie er meint - mit der Rente für besonders langjährige Versicherte gemäß § 236b SGB VI keine ungeminderte Altersrente erhält, sondern nur eine Rente, die hinsichtlich der Rentenhöhe identisch ist mit der Regelaltersrente. Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte ist schon nach der ausdrücklichen gesetzlichen Definition in § 33 Abs. 2 Nr. 3a SGB VI eine "Rente wegen Alters" und damit eine Altersrente. Auf die Hinzuverdienstgrenze kommt es mithin nicht an. Dies folgt bereits daraus, dass es keineswegs zwingend ist, ob dem Kläger mit Bezug der Rente nach § 236b SGB VI durch die eingeschränkte Hinzuverdienstgrenze wirtschaftliche Nachteile entstehen. Dies wäre erst dann der Fall, wenn der Kläger tatsächlich beabsichtigt hätte, nach Beendigung des Altersteilzeitverhältnisses eine neue Tätigkeit aufzunehmen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein typisches Vorgehen. Selbst wenn der Kläger dies tatsächlich beabsichtigt hätte, ändert sich am Ergebnis nichts. Die Partner der Gesamtbetriebsvereinbarung sind berechtigt, Pauschalierungen vorzunehmen. Nicht jeder erdenkliche Einzelfall muss gesondert berücksichtigt werden, auch wenn die Kammer nicht verkennt, dass die Neuregelung im Rentenrecht für den Kläger wegen des Verlusts der Abfindung zunächst besonders nachteilig ist. Auf der anderen Seite steht dem allerdings der frühzeitige Bezug der ungeminderten Rente gegenüber, so dass jedenfalls teilweise ein Ausgleich erfolgt.

(b)Aus dem Zusammenhang der Regelung folgt nichts anderes.

Ohne Bedeutung für die Auslegung ist die Formulierung in Satz 1 von Nr. 4.8 GBV ATZ, nach der der Abfindungsanspruch bereits entsteht, wenn das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vor Vollendung des 65. Lebensjahres endet.

Diese Formulierung findet sich nicht in gleicher Form im Tarifvertrag. Dort ist in § 10 TV ATZ lediglich geregelt, dass eine Abfindung dann gezahlt wird, wenn das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vor dem Zeitpunkt endet, ab dem ein Anspruch auf eine ungeminderte Altersrente besteht. Damit steht fest, dass es nicht auf das Alter ankommt, sondern allein auf den Bezug der Altersrente.

Ausweislich der Präambel der Gesamtbetriebsvereinbarung dient die Gesamtbetriebsvereinbarung ausschließlich der Umsetzung des Tarifvertrages. Damit steht fest, dass die Gesamtbetriebsparteien keinen anderen Willen hatten, als den Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Regelung ebenfalls umzusetzen.

(c)Auch Sinn und Zweck der Abfindungsregelung sprechen dagegen, dass Arbeitnehmer, die unmittelbar im Anschluss an die Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses eine Rente in voller Höhe in Anspruch nehmen können, zusätzlich eine Abfindung erhalten.

Sinn und Zweck der in Nr. 4.8 GBV ATZ für den Verlust des Arbeitsplatzes geregelten Abfindung ist vor allem der Ausgleich für die Vermögenseinbußen, die dadurch entstehen, dass Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze ihr Arbeitsverhältnis aufgeben und dadurch im Normalfall Einbußen bei der Rentenhöhe haben.

Dies folgt bereits daraus, dass die Höhe der Abfindung sich nach der Anzahl der Monate richtet, die zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Rentenbezug liegen. Hieraus wird der Versorgungscharakter der Abfindungsregelung deutlich.

Soweit in der Gesamtbetriebsvereinbarung formuliert ist, dass die Abfindungszahlung für den Verlust des Arbeitsplatzes erfolgt, ist dies in dem Sinne zu verstehen, dass der Verlust des Arbeitsplatzes Grund dafür ist, dass überhaupt eine Kompensation gezahlt werden muss. Von Bedeutung ist insoweit, dass die Tarifvertragsparteien und auch die Parteien der Gesamtbetriebsvereinbarung für die Höhe der Abfindung nicht auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses abgestellt haben. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses hat überhaupt keinen Einfluss auf die Berechnung der Abfindung. Die Abfindung berechnet sich allein aufgrund des Zeitraums, in dem sich der Verlust als solches auswirkt.

(d)Schließlich ist durch das Inkrafttreten von § 236b SGB VI keine unvorhergesehene, von den Gesamtbetriebsparteien bislang nicht bedachte Situation entstanden.

Der Fall des Klägers ist vergleichbar mit demjenigen, dass ein Mitarbeiter während der Altersteilzeit einen Schwerbehindertenstatus erhält und demzufolge ebenfalls mit Erreichen des 63. Lebensjahres am Ende der Altersteilzeit eine ungeminderte Altersrente beanspruchen kann. Gerade in diesen Fällen sollte - mangels Minderung der Rente - keine Abfindung gezahlt werden.

Unwidersprochen ist die Beklagte auch so verfahren. Mithin spricht auch die bisherige Anwendungspraxis der Regelung für das oben dargelegte Ergebnis der Auslegung.

cc)Der TV ATZ gibt keinen Anlass für ein abweichendes Verständnis. § 10 TV ATZ ist - wie ausgeführt - hinsichtlich des maßgeblichen Begriffs der "ungeminderten Altersrente" gleichlautend mit der GBV ATZ. Deshalb gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend für die Auslegung des TV ATZ. Hieraus folgt zugleich, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auch nicht aus einer im Arbeitsvertrag bzw. im Altersteilzeitvertrag unabhängig von dem Verweis auf die GBV ATZ vorgesehenen etwaigen weiteren, unmittelbaren Bezugnahme auf den TV ATZ bestehen kann.

dd)Da wie ausgeführt dem Kläger bereits bei zutreffender Auslegung des Altersteilzeitvertrages und der Gesamtbetriebsvereinbarung kein Anspruch auf eine Abfindung zusteht, kommt es nicht darauf an, inwieweit ein Anspruch bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil der "Tarifvertrag zur Anpassung der Altersteilzeit an das RV-Leistungsverbesserungsgesetz" vom 08.07.2014 ausdrücklich vorsieht, dass eine tarifvertragliche Abfindung gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 TV ATZ ausgeschlossen ist, wenn ein Arbeitnehmer Anspruch auf eine ungeminderte Rente nach § 236b SGB VI hat.

Hierzu wäre weiter aufzuklären, welche Bedeutung die Präambel der Gesamtbetriebsvereinbarung hat, nach der die Gesamtbetriebsvereinbarung auf der Grundlage des TV ATZ geschlossen wurde. Diese Präambel spricht für die von der Beklagten vertretenen Auffassung, dass der Tarifvertrag unmittelbar Einfluss auf die Gesamtbetriebsvereinbarung nimmt. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass in Nr. 9.3 GBV ATZ ausdrücklich vereinbart wurde, dass bei einer Änderung von wesentlichen gesetzlichen oder tariflichen Bestimmungen während der Laufzeit der GBV erst auf Antrag einer Seite Vorstand und Gesamtbetriebsrat über die Anpassung der getroffenen Regelung verhandeln wollten.

Weiter kommt es nicht darauf an, ob die tarifvertragliche Neuregelung aufgrund echter Rückwirkung unwirksam ist, weil eine etwaige Rechtsposition des Klägers in Bezug auf die Abfindung nachträglich entwertet worden sein könnte.

b)Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

Insbesondere steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer nebenvertraglichen Pflicht oder einer Aufklärungspflicht zu, weil er aufgrund des von der Beklagten anlässlich des Abschlusses des Altersteilzeitarbeitsvertrags erstellten Übersichtsblattes hätte davon ausgehen können, dass er eine Abfindung mindestens i.H.v. 9.866,88 € erhalten würde. In der Übersicht wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um keine verbindliche Berechnung handelt. Damit war für den Kläger erkennbar, dass er nicht zwangsläufig eine Abfindung erhalten würde. Maßgeblich sind allein die dem Kläger bekannten Regelungen des Altersteilzeitvertrages, der GBV ATZ und des TV ATZ.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 ZPO.

Der Streitwert ist gem. § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO im Urteil festzusetzen. Er entspricht im Übrigen dem Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren gem. § 63 Abs. 2 GKG.

Die Berufung ist - unabhängig vom Streitwert - zuzulassen. Das Arbeitsgericht hat die Berufung nach § 64 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbGG zuzulassen, wenn die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt.

Die Auslegung des Tarifvertrages muss nicht unmittelbar Gegenstand des Rechtsstreites sein, es genügt, wenn die Auslegung Vorfrage für die Entscheidung ist (GMP/Germelmann, ArbGG, 8. Aufl., § 64 Rn. 23).

Vorliegend ist - wenn auch von untergeordneter Bedeutung - Vorfrage, ob § 10 TV ATZ Maßstab für die Auslegung der GBV ATZ ist. In diesem Zusammenhang ist die weitere Vorfrage relevant, ob dem Begriff der "ungeminderten Altersrente" in § 10 TV ATZ dieselbe Bedeutung zukommt wie in der GBV ATZ.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim

Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Ludwig-Erhard-Allee 21

40227 Düsseldorf

Fax: 0211 7770-2199

eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.Rechtsanwälte,

2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

Hagen