ArbG Düsseldorf, Urteil vom 20.10.2016 - 5 Ca 1364/16
Fundstelle
openJur 2019, 23338
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits

3. Der Streitwert wird auf 6.041,58 € festgesetzt.

4. Die Berufung wird - soweit sie nicht ohnehin zulässig ist - nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, Tariflohnerhöhungen nach den Tarifverträgen für die Beschäftigten des Einzelhandels NRW an die Klägerin weiterzugeben.

Die Klägerin, w., ist seit dem 15.11.1997 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der Fa. H., als Verkäuferin/Kassiererin auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 23.11.1994 [Bl. 71 ff. d.A.] sowie eines Folgevertrages vom 19.09.1997 [Bl. 75 ff. d.A.] beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag heißt es unter anderem:

"3. Es gelten die Bestimmungen der für den Einsatzort einschlägigen Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel - soweit sie für I. verbindlich sind - sowie etwaigen Betriebsvereinbarungen/-ordnungen in ihrer jeweils geltenden Fassung.

[…]

6. Der Mitarbeiter wird in die Gehaltsgruppe G II, nach dem 5. Tätigkeitsjahr des geltenden Gehaltstarifvertrages eingestuft (Tarifgehalt derzeit DM 1.905,--). (…).

[…]

12.Ansprüche des Mitarbeiters wegen der Leistung von Mehrarbeit bestehen nur, wenn die Mehrarbeit von der Geschäftsleitung angeordnet oder genehmigt worden und nicht bereits durch übertarifliche Zahlungen gedeckt ist.

Beginn und Ende der Mehrarbeit sind vom Mitarbeiter taggenau zu erfassen und spätestens am Folgetag von I. gegenzeichnen zu lassen. Die vorgenannten Bestimmungen gelten entsprechend für tarifliche Zuschläge bei Nacht-, Sonntags-, Feiertags- und Wechselschichtarbeit."

Im späteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin zur Supervisorin ernannt (Vergütungsgruppe G3). Mit Schreiben vom 15.12.2009 [Bl. 102 d.A.] kündigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die H., das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich zum 30.06.2010 und bot ihr zugleich an, sie über diesen Termin hinaus zu veränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen. In dem Schreiben heißt es in diesem Zusammenhang konkret:

"Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, Sie über diesen Termin hinaus nahtlos als Verkäuferin/Kassiererin weiterzubeschäftigen. Diese Position ist in die Tarifgruppe G1 eingruppiert. Da Sie bereits in die Tarifgruppe G2 eingruppiert gewesen sind, bevor Sie zur Supervisorin ernannt worden sind, bieten wir Ihnen eine Vergütung nach der Tarifgruppe G2 an. Alle übrigen Vertragsbedingungen würden unverändert bleiben."

Die Klägerin nahm dieses Angebot an.

In der Folge trat die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die H., mit Ablauf des 31.12.2011 aus dem B. aus. Die Tariflohnerhöhung zum 01.07.2012 gab sie noch an ihre Mitarbeiter, auch an die Klägerin, weiter.

Mit Wirkung zum 01.01.2013 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über, die im B. Mitglied ohne Tarifbindung ist. Im Anschluss vereinbarten der I. und w. durch Abschluss neuer Gehaltstarifverträge eine Erhöhung der Vergütung in der Gehaltsgruppe II nach dem 5. Tätigkeitsjahr zum 01.08.2013 auf monatlich 2.720,00 Euro brutto, zum 01.05.2014 auf monatlich 2.777,00 Euro brutto und zum 01.08.2015 auf 2.846,00 Euro brutto. Die vorgenannten Tariflohnerhöhungen gab die Beklagte jeweils nicht an die Klägerin weiter.

Mit ihrer am 08.03.2016 bei Gericht eingegangenen Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten, sie ab dem Monat August 2013 nach der Gehaltsgruppe 2 nach dem 5. Tätigkeitsjahr des Gehaltstarifvertrages vom 10. Dezember 2013 bzw. 18. August 2015 zu vergüten. Sie ist der Auffassung, dass die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel aufgrund der ausgesprochenen und von der Klägerin akzeptierten Änderungskündigung nicht als Gleichstellungsabrede auszulegen sei.

Die Klägerin beantragt,

1.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.444,70 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 43,85 € seit dem 01.09.2013, aus weiteren 43,85 € seit dem 01.10.2013, aus weiteren 43,85 € seit dem 01.11.2013, aus weiteren 43,85 € seit dem 01.12.2013, aus weiteren 43,85 € seit dem 01.01.2014, aus weiteren 43,85 € seit dem 01.02.2014, aus weiteren 43,85 € seit dem 01.03.2014, aus weiteren 43,85 seit dem 01.04.2014, aus weiteren 43,85 € seit dem 01.05.2014, aus weiteren 72,44 € seit dem 01.06.2014, aus weiteren 72,44 € seit dem 01.07.2014, aus weiteren 72,44 € seit dem 01.08.2014, aus weiteren 72,44 € seit dem 01.09.2014, aus weiteren 72,44 € seit dem 01.10.2014, aus weiteren 72,44 € seit dem 01.11.2014, aus weiteren 72,44 € seit dem 01.12.2014, aus weiteren 72,44 € seit dem 01.01.2015, aus weiteren 72,44 € seit dem 01.02.2015, aus weiteren 72,44 € seit dem 01.03.2015, aus weiteren 72,44 € seit dem 01.04.2015, aus weiteren 72,44 € seit dem 01.05.2015, aus weiteren 72,44 € seit dem 01.06.2015, aus weiteren 72,44 € seit dem 01.07.2015, aus weiteren 72,44 € seit dem 01.08.2015, aus weiteren 107,05 € seit dem 01.09.2015, aus weiteren 107,05 € seit dem 01.10.2015, aus weiteren 107,05 € seit dem 01.11.2015, aus weiteren 107,05 € seit dem 01.12.2015, aus weiteren 107,05 € seit dem 01.01.2016, aus weiteren 107,05 € seit dem 01.02.2016, aus weiteren 107,05 € seit dem 01.03.2016, aus weiteren 107,05 € seit dem 01.04.2016 und aus weiteren 107,05 € seit dem 01.05.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Regelung unter Ziffer 3 des Arbeitsvertrags sei als sogenannte Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auszulegen und habe daher mit Austritt ihrer Rechtsvorgängerin, der H., aus dem B. zum 31.12.2011, jedenfalls aber mit dem Betriebsübergang zum 01.01.2013 ihre zeitliche Dynamik verloren. Die Vertragsänderungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 15.12.2009 stünden einer entsprechenden Auslegung der Bezugnahmeklausel nicht entgegen. Die Vertragsparteien hätten diese Klausel durch den rein deklaratorischen Hinweis auf den Fortbestand der übrigen Vertragsbedingungen nicht erneut zum Gegenstand ihrer rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht.

Hinsichtlich des Antrags zu 2 ist die Beklagte der Ansicht, der Klägerin fehle das erforderliche Feststellungsinteresse.

Die Beklagte beantragt ferner, den Rechtsstreit im Hinblick auf die Vorlageentscheidungen des Bundesarbeitsgerichts an den Gerichtshof der Europäischen Union vom 17.06.2014 (4 AZR 95/14 (A) sowie 4 AZR 61/14 (A)) auszusetzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klage ist auch hinsichtlich des Antrags zu 2) zulässig.

Insofern schließt sich die Kammer den Ausführungen der 14. Kammer in einem ähnlich gelagerten Fall an (Urteil vom 12.08.2016, 14 Ca 2005/16; im Ergebnis auch LAG, 31.03.2015, 8 Sa 1140/14):

Die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags oder einer Mehrheit von Tarifverträgen auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Der Klageantrag ist auch hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil ihm unzweifelhaft zu entnehmen ist, um die Maßgeblichkeit welcher (künftig abzuschließender) Gehaltstarifverträge für ihren Entgeltanspruch es der Klägerin geht. Aus Sicht der Kammer war es nicht erforderlich, die Tarifvertragsparteien in den Tenor oder den Antrag aufzunehmen. Sollte dies maßgeblich sein, ergibt sich jedenfalls aus den Gründen, die zur Auslegung des Tenors heranzuziehen sind bzw. aus der Klageschrift und deren Anlagen, dass Tarifvertragsparteien die Gewerkschaft w. und der F. sein sollen. Das erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor, weil die Beklagte die Anwendbarkeit der aktuellen und künftigen Gehaltstarifverträge für den F. in Abrede stellt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es nicht erforderlich, dass der Antrag die Anspruchsvoraussetzungen für die Höhe der monatlichen Vergütung beinhaltet, insbesondere Art und Umfang der geschuldeten Tätigkeit. Dies wäre nur dann angezeigt, wenn über die weiteren Faktoren, die die Vergütungshöhe bestimmen, zwischen den Parteien Streit bestünde. Dies ist hier nicht der Fall.

II.

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Weitergabe der Tariflohnerhöhungen gemäß den Tarifverträgen für den F., da es sich bei der arbeitsvertraglich vereinbarten Bezugnahmeklausel um eine sogenannte Gleichstellungsabrede im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt, so dass die Tarifverträge seit dem Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband nur noch statisch fortwirken.

1.Bei der ursprünglich im Arbeitsvertrag vereinbarten Bezugnahmeklausel handelt es sich um eine Gleichstellungsabrede im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

a)Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts waren bei Tarifbindung des Arbeitgebers Bezugnahmeklauseln in aller Regel als Gleichstellungsabrede auszulegen. Dem lag die Annahme zugrunde, dass mit einer Bezugnahmeklausel lediglich die möglicherweise fehlende Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers ersetzt werden sollte, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags zu kommen und damit zu dessen Geltung für alle Beschäftigten. Nach dem so verstandenen Sinn und Zweck der Klausel sollte das Arbeitsverhältnis an den dynamischen Entwicklungen des in Bezug genommenen Tarifvertrags so lange teilnehmen, wie der Arbeitgeber selbst tarifgebunden war. Trat er aus dem tarifschließenden Verband aus, wirkten die zum Zeitpunkt des Endes der Tarifgebundenheit gültigen Normen des Tarifvertrags im Verhältnis zu den tarifgebundenen Arbeitnehmern statisch weiter. Der Gleichstellungszweck der Klausel konnte gegenüber den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern nur dann erfüllt werden, wenn auch für diese die Normen des im Vertrag in Bezug genommenen Tarifvertrags weitergalten (vgl. BAG, 01.12.2004 - 4 AZR 50/04; 25.09.2002 - 4 AZR 294/01).

b)Der am 19.09.1997 geschlossene Arbeitsvertrag ist demnach anhand der früheren Senatsrechtsprechung auszulegen. Da die Rechtsvorgängerin der Beklagten seinerzeit Mitglied im Arbeitgeberverband war, besteht zunächst die widerlegliche Vermutung dafür, dass die Verweisungsklausel in Ziffer 3 eine Gleichstellungsabrede darstellt. Hierfür spricht auch insbesondere der Einschub in Ziffer 3 "soweit sie für I. verbindlich sind".

Diese Vermutung wird auch nicht widerlegt.

aa) Zum einen steht die Systematik des Arbeitsvertrages der Annahme einer Gleichstellungsabrede nicht entgegen. Der Zusatz "Tarifgehalt derzeit" in Ziffer 6 spricht allein für eine Dynamik, ohne eine Aussage über die konstitutive oder deklaratorische Bedeutung der Klausel zu treffen. Gleiches gilt für den bloßen Verweis in Ziffer 12 auf tarifliche Zuschläge. Vielmehr kommen derartige Formulierungen auch typischerweise in Arbeitsverträgen mit Gleichstellungsabreden vor.

bb)Zum anderen steht der Annahme einer ursprünglichen Gleichstellungsabrede auch nicht entgegen, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses eine höhere Vergütungsgruppe (G II) angeboten hat, als sie der Tarifvertrag für Verkäufer/Kassierer (G I) vorsah.

Hierzu hat die 10. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf (Urteil vom 25.08.2016 - 10 Ca 2714/16) in einem ähnlich gelagerten Fall wie folgt ausgeführt:

Die Beklagte hat der Klägerin damit lediglich eine übertarifliche Vergütung zugesagt. Dies tat sie allerdings - gerichtsbekannt - bei sämtlichen Verkäufern/Kassierern unabhängig von der Tatsache, ob diese Arbeitnehmer in der Gewerkschaft waren oder nicht. Im Ergebnis änderte die Zusage einer übertariflichen Vergütung nichts daran, dass die Vergütung der Vergütungsgruppe G II unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit des einzelnen Arbeitnehmers entsprechend den tariflichen Erhöhungen der Tarifverträge für den F.s erhöht werden sollten. So ist es in der Vergangenheit auch praktiziert worden.

Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die Kammer an.

2.Die Parteien haben ihr Arbeitsverhältnis auch nicht durch den Ausspruch der Änderungskündigung vom 15.12.2009 auf eine neue Grundlage gestellt, mit dem Ergebnis, dass die Bezugnahmeklausel unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nun nicht mehr als Gleichstellungsabrede auszulegen wäre.

a)Mit seiner Entscheidung vom 14. Dezember 2005 hat das Bundesarbeitsgericht angekündigt, seine Rechtsprechung zur Auslegung von Bezugnahmeklauseln dahingehend zu ändern, dass sich die Auslegung von Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind, in erster Linie am Wortlaut der Verweisungsklausel zu orientieren hat. Soweit ein Vertragspartner vom Wortlaut abweichende Regelungsziele verfolgt, können diese danach nur in die Auslegung eingehen, wie sie für den anderen Vertragspartner mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen. Mit Urteil vom 18. 04.2007 (4 AZR 652/05) hat das Bundesarbeitsgericht die Änderung der Rechtsprechung bestätigt und erkannt, dass eine individualvertragliche Klausel, die ihrem Wortlaut nach ohne Einschränkung auf einen bestimmten Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung hinweist, im Regelfall dahingehend auszulegen ist, dass dieser Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung gelten soll und dass dessen Geltung nicht von Faktoren abhängt, die nicht im Vertrag genannt oder sonst für beide Parteien ersichtlich zur Voraussetzung gemacht worden sind. Die Bezugnahmeklausel kann bei etwaiger Tarifbindung des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag grundsätzlich keine andere Wirkung haben als bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber. In beiden Fällen unterliegt die in der Bezugnahmeklausel liegende Dynamik keiner auflösenden Bedingung. Es handelt sich um eine unbedingte, konstitutive, dynamische Bezugnahme. Das Bundesarbeitsgericht wendet die Auslegungsregeln zur Gleichstellungsabrede aus Gründen des Vertrauensschutzes jedoch weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform vereinbart worden sind (vgl. BAG, 13.05.2015 - 4 AZR 244/15 - Rn. 26).

b)Allerdings können nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch für die Auslegung von so genannten "Altverträgen" die Auslegungsmaßstäbe für "Neuverträge" maßgebend sein, wenn es nach dem 31. Dezember 2001 zu einer Vertragsänderung gekommen ist, in dessen Rahmen die ursprüngliche vertragliche Bezugnahmeregelung zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der beteiligten Vertragsparteien gemacht worden ist. Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist, kann beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung liegen, dass "alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben". Eine solche Regelung hindert die Annahme eines "Altvertrags" und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Allerdings führt allein der Umstand einer Vertragsänderung nicht dazu, dass zugleich stets alle vertraglichen Regelungen des ursprünglichen Arbeitsvertrags erneut vereinbart oder bestätigt würden. Ob eine solche Abrede gewollt ist, ist anhand der konkreten Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BAG, 13.05.2015 - 4 AZR 244/14).

c)In Anwendung dieser Grundsätze haben die Parteien alleine durch den Ausspruch der Änderungskündigung und die im späteren Verlauf erfolgte Annahme durch die Klägerin nicht die ursprüngliche vertragliche Bezugnahmeregelung zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht.

Hierzu hat die 10. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf (Urteil vom 25.08.2016 - 10 Ca 2714/16) in einem ähnlich gelagerten Fall wie folgt ausgeführt:

aa)Für die Kammer waren keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Parteien im Zusammenhang mit dem Ausspruch der Änderungskündigung über den konkreten Änderungsgegenstand hinaus mit rechtsgeschäftlichem Willen hinsichtlich der weiteren Vertragsbedingungen aus dem Altvertrag, insbesondere hinsichtlich der darin enthaltenen Bezugnahmeklausel, gehandelt haben. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Beklagte allein aus Klarstellungsgründen in der Änderungskündigung darauf hingewiesen hat, dass alle übrigen Vertragsbedingungen unverändert bleiben würden und damit auf die übrigen Bedingungen aus dem Altvertrag Bezug genommen hat.

bb)Gerade die Tatsache, dass die Vertragsänderung hier nicht einvernehmlich, sondern durch den Ausspruch einer Änderungskündigung erfolgte, spricht im Gegenteil gerade dafür, dass die Parteien die ursprüngliche Bezugnahmeklausel nicht zum Gegenstand ihrer rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht haben. Das im Rahmen einer Änderungskündigung unterbreitete Änderungsangebot hat schriftlich zu erfolgen, so dass bei dessen Auslegung nur der in der Urkunde zum Ausdruck gelangte Wille maßgeblich ist (Andeutungstheorie; vgl. BAG 29 September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 31 mwN, NZA 2012, 628). Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte mit der Änderungskündigung über die ausgeübte Tätigkeit und die Eingruppierung der Klägerin weitere arbeitsvertragliche Bedingungen ändern wollte, lässt sich dem Wortlaut der Änderungskündigung schon nicht entnehmen. Hinzu kommt, dass die geänderten Arbeitsbedingungen im Hinblick auf den Kündigungsgrund zwar geeignet sowie erforderlich sein müssen, sich aber nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen dürfen, als dies zur Erreichung des mit der Änderungskündigung angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 451/10 - Rn. 17 mwN, NZA-RR 2012, 158). Die Änderungskündigung hätte sich somit als sozial ungerechtfertigt erwiesen, wenn die Beklagte über die Änderung der Tätigkeit und die Eingruppierung der Klägerin hinaus weitere Arbeitsbedingungen hätte ändern wollen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Beklagte hiermit ausschließlich für die Klägerin günstigere Arbeitsbedingungen angeboten hätte. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Auslegung einer Bezugnahmeklausel als dynamische konstitutive Bezugnahmeklausel im Gegensatz zu einer Gleichstellungsabrede nicht zwingend für den Arbeitnehmer günstiger ist. Denkbar ist beispielsweise, dass sich Sondervergütungen wie Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld, die im Tarifvertrag geregelt sind, verschlechtern. In einer solchen Konstellation ist die Annahme einer Gleichstellungsabrede für den Arbeitnehmer günstiger als die Annahme einer konstitutiven, dynamischen Bezugnahmeklausel. Schließlich kommt hinzu, dass sich die Änderungskündigung bei der Annahme, dass die Beklagte die ursprüngliche Bezugnahmeklausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung hätte machen wollen, mangels hinreichender Bestimmtheit als unwirksam erwiesen hätte. Das mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot muss eindeutig bestimmt, zumindest bestimmbar sein (BAG 29 September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 29 mwN, NZA 2012, 628; BAG 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 15, BAGE 132, 78; 15). Hiervon kann nicht ausgegangen werden, wenn man in den Satz, "alle übrigen Vertragsbedingungen würden unverändert bleiben" hineinlesen würde, dass die Beklagte der Klägerin damit auch angeboten hätte, die ursprüngliche Gleichstellungsabrede in eine konstitutive deklaratorische Bezugnahmeklausel umzuwandeln. Da gerade nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte "sehenden Auges" eine sozial ungerechtfertigte und mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksame Änderungskündigung aussprechen wollte, ist der Zusatz, dass alle übrigen Vertragsbedingungen unverändert bleiben würden, somit lediglich als deklaratorischer Hinweis zu verstehen, dass sich mit Ausnahme der Tätigkeit und der Eingruppierung keinerlei Änderungen der arbeitsvertraglichen Bedingungen ergeben sollen.

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.

Für dieses Ergebnis spricht auch, dass die Änderungskündigung zwei Jahre vor Austritt aus dem Arbeitgeberverband ausgesprochen wurde. Die Parteien hatten demnach auch keine Veranlassung dazu, die Bezugnahmeklausel zum Gegenstand ihrer rechtsgeschäftlichen Willensbildung zu machen.

3.Auch die Weitergabe der Tariflohnerhöhung zum 01.07.2012, also nach Austritt aus dem Arbeitgeberverband, führt nicht zur Anwendung der Auslegungsmaßstäbe für "Neuverträge". Denn in dieser bloß einseitigen Zuwendung der Arbeitgeberin kann kein Angebot gesehen werden, die ursprüngliche Gleichstellungsabrede zu einer konstitutive dynamischen Bezugnahmeklausel zu machen. Selbst wenn die Rechtsvorgängerin der Beklagten diese Tariferhöhung vorbehaltlos weitergeben hat, vermag allein diese Handlung keinen entsprechenden Vertrauenstatbestand zu begründen. Eine dreimalige Weitergabe von Tariferhöhungen nach Austritt aus dem Arbeitgeberverband, die ggf. für eine entsprechende betriebliche Übung spräche, erfolgte nicht.

III.

Der Aussetzungsantrag der Beklagten war infolgedessen zurückzuweisen. Da die Kammer die Bezugnahmeklausel der Parteien nach den Auslegungsgrundsätzen für "Altverträge" als Gleichstellungsabrede bewertet, sind die Rechtsfragen, die Gegenstand der Vorlageentscheidungen des Bundesarbeitsgerichts an den Gerichtshof der Europäischen Union vom 17.06.2014 (4 AZR 95/14 (A) sowie 4 AZR 61/14 (A)) sind, bereits nicht entscheidungserheblich.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Den Streitwert hat das Gericht gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 3, 9 ZPO im Urteil festgesetzt. Er beträgt neben den geltend gemachten 2.444,70 Euro brutto das 3,5 -fache der jährlich anfallenden Differenz abzüglich eines Abschlags von 20% im Hinblick auf den Feststellungsantrag.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim

Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Ludwig-Erhard-Allee 21

40227 Düsseldorf

Fax: 0211 7770-2199

eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.Rechtsanwälte,

2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

gez. E