LG Bochum, Urteil vom 07.04.2017 - I-5 S 124/16
Fundstelle
openJur 2019, 23132
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 20.9.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist die deutsche Verwertungsgesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte. Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus. Am 9.8.2010 schlossen die Parteien einen Lizenzvertrag ab, durch den die Klägerin der Beklagten näher bezeichnete Nutzungsrechte einräumte. Gegenstand des Lizenzvertrages ist die Weiterleitung von Rundfunksendungen auf insgesamt 49 Patientenzimmer in einem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus. Bei den Patientenzimmern handelt es sich teilweise um Mehrbettzimmer. Im Durchschnitt sind 80 % der Zimmer belegt. In diesen haben die Patienten die Möglichkeit, Radio zu hören. Sie können zwischen mehreren vorgegebenen Kanälen wählen. Die Patienten können diesen Dienst in Anspruch nehmen, müssen dies jedoch nicht. Die Inanspruchnahme dieses Dienstes ist für die Patienten kostenlos.

Mit Schreiben vom 20.6.2015 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sich die Vergütungssätze geändert haben. In der Detailaufstellung ist unter anderem das Tarifmerkmal "VG Media Weitersendung und/oder öffentliche Wiedergabe von privaten Fernseh- und/oder Hörfunkprogrammen an bereitgestellte Empfangsgeräte in Patientenzimmern und ähnlichen Einrichtungen" genannt.

Mit Schreiben vom 16.7.2015 kündigte die Beklagte sämtliche Verträge mit der Klägerin fristlos. Sie berief sich auf Urteile des EuGH vom 15.3.2012 (Az. C 135/10) sowie des BGH vom 18.6.2015 (Az. I ZR 14/14), wonach die Wiedergabe von Hörfunksendungen in Zahnarztpraxen nicht öffentlich sei.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin den Anspruch auf Zahlung des Jahresbetrages für den Zeitraum vom 1.8.2015 bis zum 31.7.2016 geltend.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 876,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei dem 2.8.2015 sowie 5 Euro Mahnkosten und 124,00 Euro vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass auch in ihrem Fall keine öffentliche Wiedergabe vorliege. Daher sei sie aufgrund der geänderten Rechtsprechung zur sofortigen Kündigung berechtigt, da eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliege.

Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat ausgeführt, dass der zwischen den Parteien bestehende Vertrag nicht wirksam gekündigt worden sei. Der Beklagten habe kein außerordentliches Kündigungsrecht, insbesondere auch nicht aus § 313 Abs. 2 Satz 2 BGB zugestanden. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung könne zwar grundsätzlich die Kündigung eines Vertrages gemäß § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB rechtfertigen.

Eine solche hat das Amtsgericht jedoch nicht angenommen. Es hat hierzu ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des EuGH eine "öffentliche Wiedergabe" zwingend eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten und recht viele Personen als Adressaten voraussetze. Dieses Merkmal hat es als erfüllt angesehen, da es sich bei den 49 Patientenzimmern nicht um Zimmer zur unmittelbaren Einzelbehandlung, sondern um Zimmer zur längeren Genesung handele. Zudem sei es die freie Entscheidung der Patienten, ob das Radio überhaupt eingeschaltet wird. Die Sachlage unterscheide sich insoweit von der Situation in einer Zahnarztpraxis, in welcher Patienten keinerlei Einfluss darauf haben, ob bzw. welche Musik gespielt wird.

Zudem sei zu beachten, dass der Adressatenkreis nicht bestimmbar sei, da über den Tag verteilt eine Vielzahl von Personen Zugang zu den Zimmern habe.

Die Beklagte rügt im Rahmen ihrer Berufung, dass das Amtsgericht die Kriterien, die der EuGH zur Bestimmung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe aufgestellt hat, fehlerhaft geprüft habe.

Die Patienten eines Zweitbettzimmers stellten eine besondere private Gruppe dar, die zudem in einer engen vertraulichen Beziehung zueinander stünden, sodass das Merkmal der "Öffentlichkeit" nicht erfüllt sei. Vielmehr gehörten Krankenzimmer sogar zum intimen Lebensbereich der Patienten. Dies gelte auch, da nicht unbestimmt viele Personen Zugang zu den Patientenzimmern hätten, sondern Zugang zu den Zimmern auf "besondere Personen" beschränkt sei.

Weiterhin läge keine bewusste Zugänglichmachung an Dritte vor, da die Patienten auch auf andere Weise - etwa über Smartphones - Zugang zu den weitergeleiteten Rundfunksendungen hätten, sodass diese kein neues Publikum erreichten. In diesem Zusammenhang sei auch die dahingehende Rechtsprechung des EuGH zu beachten, wonach eine Internet-Verlinkung auf frei zugängliche Werke keine Handlung der öffentlichen Wiedergabe darstelle, da durch diese kein neues Publikum erreicht werde. Die Berufung ist der Ansicht, dass daher auch im vorliegenden Fall die Patienten auf den Zimmern kein neues Publikum darstellen.

Die Berufung verweist weiterhin auf das Urteil des EuGH vom 16.2.2017 (GRUR 2017, 385 - Verwertungsgesellschaft Rundfunk GmbH/Hettegger), wonach die Wiedergabe von Fernseh- und Hörfunksendungen über in Hotelzimmern aufgestellte Fernsehgeräte keine Wiedergabe an einem Ort darstellt, der der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgelds zugänglich ist. Da der Empfang der Radiosendungen in den Patientenzimmern für die Patienten kostenlos sei, handele es sich auch nicht um einen Ort, der nur gegen Zahlung eines Entgelts zugänglich sei, was gegen die Annahme einer öffentlichen Wiedergabe spreche.

Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Weiterleitung keinen Erwerbszwecken diene, da die Beklagte hierfür keine höhere Vergütung durch die Krankenkassen fordern könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 20.9.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie ist der Ansicht, dass das Merkmal der Öffentlichkeit gegeben sei, da es darauf ankomme, ob die Gesamtheit der Personen, denen die Werke durch die Weiterleitung zugänglich gemacht werden, einen unbestimmten Adressatenkreis darstelle, was vorliegend der Fall sei. Es sei weiterhin die kumulative Wirkung zu beachten, die sich daraus ergebe, dass gleichzeitig und nacheinander "recht viele Personen" in den Genuss der weitergeleiteten Werke kämen.

Zudem sei zu beachten, dass der Gegenstand des streitgegenständlichen Lizenzvertrages die Weiterleitung, also das Senderecht, sei. Es käme daher nicht darauf an, ob die Werke auf den Patientenzimmern direkt wahrnehmbar seien, sondern es genüge, dass sie den auf den Zimmern befindlichen Personen zugänglich gemacht werden.

Zudem sei auch das vom EuGH entwickelte Merkmal "Personen allgemein" erfüllt, da die Weiterleitung nicht nur an eine private Gruppe erfolge. Es sei insoweit nicht erforderlich, dass völlig beliebige Personen Zugang zu dem Werk haben. Die Tatsache, dass die Aufnahmekapazität der Zimmer beschränkt sei, sei daher unschädlich.

Die Beklagte verfolge zudem Erwerbszwecke, da sie mit der Möglichkeit der Hörfunkwiedergabe werbe.

Schließlich liege auch eine Wiedergabe vor, da die Beklagte in voller Kenntnis ihres Handelns tätig werde, um ihren Patienten die Annehmlichkeit der Musikwiedergabe bieten zu können.

II.

Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden Lizenzvertrag zu. Dieser ist von der Beklagten nicht wirksam gemäß § 313 Abs. 1, 2 BGB gekündigt worden, da keine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt. Dies würde voraussetzen, dass sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben. Hierunter kann auch eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung fallen.

Zu einer solchen Änderung der Rechtsprechung ist es jedoch nicht gekommen, da die Beklagte auch in Anbetracht der Urteile des EuGH vom 15.3.2012 (Az. C 135/10 - GRUR 2012, 593 - SCF/Del Corso) sowie des BGH vom 18.6.2015 (Az. I ZR 14/14 - GRUR 2016, 278) Werke durch ähnliche technische Mittel im Sinne von §§ 15 Abs. 2 Satz 3; 20 UrhG der Öffentlichkeit zugänglich macht, sodass keine Störung der Geschäftsgrundlage des Lizenzvertrages vorliegt.

1. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 UrhG hat der Urheber das Recht der öffentlichen Wiedergabe, welches auch das Senderecht umfasst. Dieses ist gemäß § 20 UrhG das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Funk durch "ähnliche technische Mittel" ist die dabei zeitgleiche Weiterübertragung von Rundfunksendungen durch Verteileranlagen z.B. in Hotels, Krankenhäusern oder Justizvollzugsanstalten (BGH GRUR 1994, 45, 46; GRUR 1994, 797). Dieses Merkmal ist vorliegend unstreitig erfüllt.

2. Weiterhin ist auch das Merkmal der öffentlichen Zugänglichmachung erfüllt, da die Gesamtheit der 49 Patientenzimmer, an die die Rundfunksendungen weitergeleitet werden, eine Öffentlichkeit im Sinne des § 20 UrhG darstellt.

Zur Öffentlichkeit gehört nach § 15 Abs. 3 UrhG jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist. Diese Definition ist auch auf Fälle des Senderechts anwendbar (vgl. BeckOK-UrhG-Hillig, § 20 Rn. 10). Eine Sendung an eine Öffentlichkeit liegt bereits dann vor, wenn sie durch einen unbestimmten Personenkreis empfangen werden kann.

Aufgrund des Gebots der europarechtskonformen Auslegung sind in diesem Zusammenhang die europarechtlichen Normen sowie die zu diesen ergangene Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen. Insoweit sind die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft sowie die Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums heranzuziehen.

In Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG wird bestimmten Urhebern das Recht eingeräumt, es zu erlauben oder zu verbieten, dass näher bezeichnete Werke der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Die Urheber verfügen nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 über ein Recht vorbeugender Art, das es ihnen erlaubt, sich bei Nutzern ihrer Werke vor der öffentlichen Wiedergabe, die diese Nutzer durchzuführen beabsichtigen, einzuschalten, und zwar, um diese zu verbieten (EuGH, EuZW 2016, 630, 631 - Reha Training/GEMA).

Dagegen verfügen die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller nach Art. 8 Abs. 2 der RL 2006/115 über ein Recht mit Entschädigungscharakter, das in bestimmten Fällen der öffentlichen Wiedergabe greift und das nicht ausgeübt werden kann, bevor ein zu Handelszwecken veröffentlichter Tonträger oder ein Vervielfältigungsstück eines solchen Tonträgers durch einen Nutzer für eine öffentliche Wiedergabe verwendet wird oder bereits verwendet worden ist (vgl. EuGH, EuZW 2016, 630, 631 - Reha Training/GEMA).

Bei dem erstgenannten Recht aus der Richtlinie 2001/29/EG handelt es sich also um ein Abwehrrecht, bei dem zweitgenannten Recht aus der Richtlinie 2006/115/EG um ein Entschädigungsrecht.

In einem Urteil vom 31.5.2016 hat der EuGH klargestellt, dass der Begriff der "öffentlichen Wiedergabe" in beiden Richtlinien nach denselben Kriterien zu beurteilen ist (EuGH, EuZW 2016, 630 - S/H), sodass dass die Urteile des EuGH zu beiden Richtlinien bei der Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe herangezogen werden können, unabhängig davon, ob es um Abwehr- oder Vergütungsansprüche geht.

Nach der Rechtsprechung des EuGH sind zur Beurteilung des Vorliegens einer öffentlichen Wiedergabe mehrere Kriterien zu berücksichtigen, die unselbstständig und miteinander verflochten sind. Da diese Kriterien im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, sind sie einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden (EuGH, EuZW 2016, 630 - S/H; EuGH, GRUR 2012, 593 - SCF/Del Corso; EuGH, GRUR 2012, 597 - Q/H). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang weiterhin Erwägungsgrund 23 der Richtlinie 2001/29/EG, wonach das Urheberrecht weit ausgelegt werden soll.

Nach der damit heranzuziehenden Rechtsprechung des EuGH vereint der Begriff "öffentliche Wiedergabe" zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine "Handlung der Wiedergabe" eines Werks und seine "öffentliche" Wiedergabe (EuGH, EuZW 2016, 143 Rn. 15 - T/T).

a) Die "Handlung der Wiedergabe" umfasst die Übertragung geschützter Werke unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren (EuGH, EuZW 2016, 630 S/H; EuGH, EuZW 2016, 143 - T/T).

Eine solche Weiterleitung liegt vor. Das Radioprogramm wird durch technische Mittel weitergeleitet

b) Weiterhin erfolgt die Wiedergabe auch öffentlich.

aa) Der Begriff "Öffentlichkeit" setzt zunächst eine unbestimmte Zahl potentieller Leistungsempfänger voraus. Die "Öffentlichkeit" muss aus "recht vielen" Personen bestehen.

Hinsichtlich der "Unbestimmtheit" geht es um die Zugänglichmachung eines Werkes in geeigneter Weise für "Personen allgemein", also nicht auf besondere Personen beschränkt, die einer privaten Gruppe angehören (EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 84 - SCF/Del Corso).

Mit "recht vielen" Personen ist nach der Formel des EuGH gemeint, dass der Begriff eine bestimmte Mindestschwelle beinhaltet, wodurch eine "allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl" betroffener Personen ausgeschlossen wird (EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 85 - T/E). Bei der Bestimmung der Zahl dieser Adressaten ist die kumulative Wirkung zu berücksichtigen, die sich daraus ergibt, dass die Werke den möglichen Adressaten zugänglich gemacht werden (EuGH, GRUR 2012, 593 Rn 87 - T/E; EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 39 - T/S). Es kommt insbesondere darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (EuGH, GRUR 2012, 593 Rn 87 - T/E; EuGH, EuGH, GRUR 2012, 597 - S/H).

In Bezug auf die Patienten eines Zahnarztes gilt nach dem EuGH, dass diese üblicherweise eine Gesamtheit von Personen bilden, deren Zusammensetzung weitgehend stabil ist, und dass sie somit eine bestimmte Gesamtheit potenzieller Leistungsempfänger darstellen, da andere Personen grundsätzlich keinen Zugang zur Behandlung durch den Zahnarzt haben. Daher handelt es sich nicht um "Personen allgemein” (EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 95 - T/E).

Im Hinblick auf die Zahl der Empfänger gilt nach dem EuGH, dass bei den Patienten eines Zahnarztes diese Mehrzahl von Personen unerheblich oder sogar unbedeutend sei, da der Kreis der gleichzeitig in dessen Praxis anwesenden Personen im Allgemeinen sehr begrenzt sei. Wenn außerdem die Patienten aufeinanderfolgen, so seien diese doch, da sie sich in der Anwesenheit abwechseln, in aller Regel nicht Hörer derselben Tonträger, insbesondere wenn diese über Rundfunk verbreitet werden (EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 96 - T/E).

Der BGH ist diesen Ausführungen in einem Urteil vom 18.6.2015, in dem die Frage umstritten war, ob die Wiedergabe von Funksendungen durch einen Zahnarzt an die Patienten seiner Praxis ein öffentliches Wahrnehmbarmachen im Sinne von § 22 UrhG darstellt, gefolgt (BGH, GRUR 2016, 278, 283).

In einem Urteil vom 31.5.2016 hat der EuGH das Merkmal der öffentlichen Wiedergabe im Falle eines Rehabilitationszentrums, zu dem zwei Warteräume und ein Trainingsraum gehören, in denen Fernsehgeräte installiert sind, bejaht. Er hat hierzu ausgeführt, dass die Gesamtheit der Patienten des Rehabilitationszentrums das Merkmal "Personen allgemein" erfülle (EuGH, EuZW 2016, 630 Rn. 57 - S/H). Der Personenkreis sei auch nicht "allzu klein oder gar unbedeutend", da Patienten an mehreren Orten der Einrichtung in den Genuss der ausgestrahlten Werke kommen können.

Der EuGH hat weiterhin auch die Gäste eines Hotels als "Personen allgemein" eingestuft (EuGH, GRUR 2012, 597 Rn. 41 - S/H). Das gleiche gilt für die Wiedergabe von Musikwerken in Zimmern einer Kureinrichtung (EuGH, GRUR 2014, 473 Rn. 27 f. - P/M). Er hat hier ausdrücklich darauf abgestellt, dass eine Kureinrichtung sowohl gleichzeitig als auch nacheinander eine unbestimmte, aber recht große Zahl von Personen beherbergt, die in den Zimmern Sendungen empfangen können.

Vor diesem Hintergrund ist vorliegend das Merkmal "Personen allgemein" erfüllt. Bei den Patienten auf den insgesamt 49 Zimmern handelt es sich um eine unbestimmte Vielzahl von Personen. Insbesondere ist das Negativ-Merkmal, dass nicht nur Personen, die zu einer privaten Gruppe gehören, Zugang zu dem Werk haben, erfüllt. Die Patienten haben typischerweise untereinander keine Beziehungen, die über zufällige Bekanntschaften hinausgehen, sodass "die Patienten" keine private Gruppe darstellen.

Hinsichtlich der Anzahl der Personen ist daher auch das Merkmal der "recht vielen" Personen erfüllt. Bereits die Tatsache, dass 49 Zimmer vorhanden sind, von denen im Schnitt 80 % belegt sind, spricht dafür, dass "mehr als allzu wenige Personen" im Empfangsbereich sind. Es haben kumulativ viele Personen Zugang zu den Radiosendungen, da es typischerweise eine hohe Fluktuation von Patienten mit unterschiedlich langer Aufenthaltsdauer gibt. Weiterhin sind in diesem Zusammenhang Besucher zu berücksichtigen, die sich mit den Patienten zumindest zeitweise auf den Zimmern aufhalten. Die Anzahl der Personen geht damit weit über die Anzahl der Personen hinaus, die sich typischerweise in einer Zahnarztpraxis aufhalten.

Auch ist die durchschnittliche Dauer des Aufenthalts erheblich länger. Zahnarztpraxen werden zu ambulanten Behandlungen aufgesucht, sodass die Aufenthaltsdauer regelmäßig den Umfang mehrerer Stunden nicht übersteigt, wohingegen sich Krankenhauspatienten in aller Regel mehrere Tage bis Wochen im Krankenhaus aufhalten.

Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH zu Zweibettzimmern im Krankenhaus (BGH, GRUR 1996, 875) der Ansicht ist, dass in Zweitbettzimmern keine Öffentlichkeit bestehe, dringt sie damit nicht durch. Soweit der BGH in dieser Entscheidung ausführt, dass auf einem Zweitbettzimmer in einem Krankenhaus von einer "Privatheit unter Ausschluss der Öffentlichkeit" auszugehen sei, bezieht sich er sich auf das Recht der öffentlichen Wiedergabe von Funksendungen, nicht hingegen auf das hier streitgegenständliche Senderecht. Der Hinweis der Beklagten, dass ein Zweitbettzimmer im Krankenhaus nicht als Öffentlichkeit angesehen werden kann, ist zutreffend. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht darum, ob im einzelnen Patientenzimmer eine Öffentlichkeit besteht, da es nicht darauf ankommt, ob eine öffentliche Wiedergabe im einzelnen Patientenzimmer vorliegt. Stattdessen ist relevant, ob eine Weitersendung des Signals an die "Öffentlichkeit" erfolgt. Daher kommt es allein darauf an, ob die Weiterleitung des Signals an alle Krankenzimmer eine öffentliche Zugänglichmachung darstellt und also alle Zimmer zusammen eine Öffentlichkeit darstellen.

Auch der EuGH hat entschieden, dass die Tatsache, dass das Programm in privaten Zimmern empfangen wird, dem Begriff der Öffentlichkeit nicht entgegensteht. Unter Berufung auf den Wortlaut von Art. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 des WIPO-Urheberrechtsvertrages hat er festgestellt, dass es unerheblich ist, ob es sich beim Ort der Wiedergabe um einen privaten oder öffentlichen Ort handelt, sodass auch der private Charakter eines Hotelzimmers der Einstufung einer dort erfolgten Wiedergabe als "öffentlich" nicht entgegensteht (EuGH 2007, 225 Rn. 50 ff.).

Aus den bereits dargestellten Gründen stellt die Gesamtheit aller Patientenzimmer eine Öffentlichkeit dar, an die eine Weitersendung im Sinne von § 20 UrhG erfolgt.

Auch aus dem Urteil des EuGH vom 16.2.2017 (GRUR 2017, 385 - W/I) ergibt sich nichts anderes. In diesem geht es zentral um das Tatbestandsmerkmal "gegen Eintrittsgeld" in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2006/115/EG. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH einleitend auf vorherige Entscheidungen Bezug nimmt und ausführt, dass die Verbreitung eines Signals mittels in Hotelzimmern aufgestellter Fernsehapparate eine öffentliche Wiedergabe darstellt und dass diesem Ergebnis auch der private Charakter von Hotelzimmern nicht entgegensteht. Sodann gelangt der EuGH zu dem Ergebnis, dass solche Hotelzimmer kein Ort sind, in denen die Wiedergabe von Fernseh- und Hörfunksendungen gegen Entgelt erfolgt. Das Erfordernis eines Entgelts beruht dabei auf Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2006/115/EG sowie auf § 76a des österreichischen Urhebergesetzes, der das Recht zur öffentlichen Wiedergabe an Orten regelt, die nur gegen Entgelt zugänglich sind.

Im deutschen Recht findet sich das entspreche Merkmal der Entgeltlichkeit in § 87 Abs. 1 Nr. 3 UrhG, wonach Sendeunternehmen das ausschließliche Recht haben, an Stellen, die der Öffentlichkeit nur gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind, ihre Funksendung öffentlich wahrnehmbar zu machen. Vorliegend ist dieses Recht jedoch nicht streitgegenständlich, da es um das Senderecht im Sinne von § 20 UrhG geht, sodass insoweit das Recht der Sendeunternehmen aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 UrhG einschlägig ist. Hierbei ist das Tatbestandsmerkmal des Zugangs gegen Entgelt jedoch nicht gegeben.

Schließlich greift auch die Rüge der Berufung nicht durch, dass in der Änderungsmitteilung der Klägerin vom 20.6.2015 das der W zugeordnete Tarifmerkmal beschrieben wird als "W Weitersendung und/oder öffentliche Wiedergabe von Fernseh- und/oder Hörfunkprogrammen [...]". Ob und inwieweit bei der Beklagten eine öffentliche Wahrnehmbarmachung von privaten Funksendungen im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 3 UrhG vorliegt und ob in diesem Zusammenhang die Öffentlichkeit nur gegen Entgelt Zugang hat, kann dahinstehen. Im Tarifmerkmal wird durch die Verwendung des Ausdrucks "Weitersendung und/oder öffentliche Wiedergabe" deutlich, dass der entsprechende Betrag beide Nutzungsarten erfasst, diese aber nicht kumulativ vorliegen müssen. Auch für den Fall, dass entweder nur eine Weitersendung oder nur eine öffentliche Wahrnehmbarmachung erfolgt, soll das Merkmal bereits erfüllt sein.

bb) Weiterhin dient die Nutzungshandlung auch Erwerbszwecken. Das Kriterium des Erwerbszwecks wird in der hier einschlägigen Rechtsprechung des EuGH nicht einheitlich verwendet. Teilweise soll es "nicht unerheblich" sein, ob eine öffentliche Wiedergabe Erwerbszwecken dient (EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 88 f. - T/E). Im Urteil zur Wiedergabe von Fernsehsendungen in einem Rehabilitationszentrum hat der EuGH dieses Kriterium hingegen einschränkend als "mit Sicherheit nicht ausschlaggebend" bezeichnet (EuGH, EuZW 2016, 630 Rn. 49 - S/H). Unter Hinweis darauf, dass anerkannt sei, dass der Erwerbszweck keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe ist, hat der EuGH den Erwerbszweck für die Einstufung einer Weiterverbreitung als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2001/29/EG auch als "unerheblich" bezeichnet (GRUR 2013, 500 Rn 42 f. - J/U).

Vor diesem Hintergrund kommt in Betracht, das Kriterium des Erwerbszwecks in solchen Fällen als bedeutsam anzusehen, in denen nicht Abwehrrechte der Urheber in Streit stehen, sondern Vergütungsansprüche der Urheber und sonstigen Rechteinhaber. Hierfür spricht, dass ein wirtschaftliches Kriterium wie der Erwerbszweck des Nutzers für Vergütungsansprüche von Relevanz ist, nicht hingegen für Abwehransprüche. Im Falle von Abwehransprüchen hat die Frage, ob der Verletzer Erwerbszwecke verfolgt, geringere Bedeutung (vgl. hierzu Grünberger, GRUR 2016, 977, 982).

Da vorliegend ein Vergütungsanspruch streitgegenständlich ist, ist das Merkmal des Erwerbszwecks jedenfalls zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der Frage, wann ein Erwerbszweck angenommen werden kann, hat der EuGH im Fall eines Hotels darauf abgestellt, dass das Ausstrahlen von Rundfunk eine zusätzliche Dienstleistung sei, da sich diese auf den Standard des Hotels und den Preis der Zimmer auswirke. Im Falle einer Gastwirtschaft hat der EuGH betont, dass sich die Übertragung von Rundfunk auf die Frequentierung und damit auch auf die wirtschaftlichen Ergebnisse auswirke. Es sei entscheidend, dass sich der Nutzer gezielt an sein Publikum wende und dieses nicht nur zufällig erreicht werde (EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 90 f.). In diesem Zusammenhang ist auch die "Aufnahmebereitschaft" des Publikums von Bedeutung (EuGH, EuZW 2016, 630 Rn. 50 - S/H).

Im Fall der Wiedergabe von Musik in einer Zahnarztpraxis hat der EuGH hingegen das Vorliegen eines Erwerbszwecks verneint, da ein Zahnarzt, der Tonträger in Anwesenheit seiner Patienten als Hintergrundmusik wiedergibt, vernünftigerweise allein wegen dieser Wiedergabe weder eine Erweiterung seines Patientenbestands erwarten noch die Preise der von ihm verabfolgten Behandlungen erhöhen könne. Daher sei eine solche Wiedergabe für sich genommen nicht geeignet, sich auf die Einkünfte dieses Zahnarztes auszuwirken. Die Patienten eines Zahnarztes begäben sich nämlich zu dem einzigen Zweck in eine Zahnarztpraxis, behandelt zu werden, und eine Wiedergabe von Tonträgern gehöre nicht zur Zahnbehandlung. Die Patienten genössen zufällig und unabhängig von ihren Wünschen je nach dem Zeitpunkt ihres Eintreffens in der Praxis und der Dauer des Wartens sowie der Art der ihnen verabfolgten Behandlung Zugang zu bestimmten Tonträgern. Unter diesen Umständen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die normalen Patienten eines Zahnarztes für die in Rede stehende Wiedergabe aufnahmebereit wären. (EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 97 f. - T/E).

Im später ergangenen Urteil zur Wiedergabe von Fernsehsendungen in einem Rehabilitationszentrum hat der EuGH dagegen ausgeführt, dass sich diese Wiedergabe auf Standard und Attraktivität der Einrichtung positiv auswirke. Es sei zu beachten, dass die Verbreitung von Fernsehsendungen über Fernsehgeräte, da sie den Patienten eines Rehabilitationszentrums während ihrer Behandlungen oder den vorangehenden Wartezeiten Unterhaltung bieten soll, eine zusätzliche Dienstleistung darstelle, die zwar keine medizinische Bedeutung besitze, sich aber auf die Standards und Attraktivität der Einrichtung günstig auswirke und dieser somit einen Wettbewerbsvorteil verschaffe (EuGH, EuZW 2016, 630 Rn. 63 - S/H).

Die Erwägungen des EuGH insbesondere zur Situation in einem Rehabilitationszentrum und in einem Hotel verdeutlichen, dass ein Erwerbszweck bereits dann angenommen werden kann, wenn sich die Wiedergabe auch nur mittelbar positiv auf die Wahrnehmung des Anbieters auswirkt, unabhängig davon, ob für die Wiedergabe ein konkretes Entgelt verlangt wird. Im Falle eines Krankenhauses ist diese Voraussetzung erfüllt, weil die Verfügbarkeit von Radioprogrammen die Lebensqualität der Patienten während des Aufenthalts steigert, da sich für die Patienten so eine weitere Möglichkeit der Zerstreuung bietet, die ggf. weniger "aufdringlich" ist als das Fernsehprogramm. Hierdurch erhöht sich zudem der Standard der Klinik, auch wenn dies nicht unmittelbar zu höheren Einnahmen führt.

Weiterhin liegt auch eine Aufnahmebereitschaft des Publikums vor, da sich die Beklagte gezielt an die Patienten wendet. Die Patienten gelangen nicht nur zufällig in den Genuss der Radiosendungen, sondern müssen sich aktiv dafür entscheiden, diese zu hören. Ihnen werden die Abspielgeräte durch die Beklagte zur Verfügung gestellt, sodass eine bewusste Leistung der Beklagten vorliegt. Dementsprechend sind die Patienten aufnahmebereit, wenn sie sich dazu entschließen, die Geräte einzuschalten. Auch insoweit liegt eine andere Konstellation vor als im Fall der Musikwiedergabe in einer Zahnarztpraxis, in der die Patienten keinen Einfluss auf die Frage haben, ob Musik abgespielt wird.

cc) Schließlich ist auch das Merkmal eines "neuen Publikums" erfüllt. Nach der Rechtsprechung des EuGH muss ein durch Rundfunk gesendetes Werk für ein "neues Publikum" übertragen werden, also ein Publikum, das von den Inhabern der Rechte an den geschützten Werken nicht berücksichtigt wurde, als sie deren Nutzung durch Wiedergabe an das ursprüngliche Publikum zugestimmt haben (vgl. EuGH, EuZW 2007, 81 Rn. 40 - T/S).

In diesem Zusammenhang kommt es auf die zentrale Rolle des Nutzers an. Eine öffentliche Wiedergabe erfordert, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens einem zusätzlichen Publikum Zugang zu der Rundfunksendung, die das geschützte Werk enthält, verschafft und sich dabei zeigen muss, dass die Personen, die dieses "neue" Publikum darstellen, ohne dieses Tätigwerden grundsätzlich nicht in den Genuss des ausgestrahlten Werks kommen könnten, obwohl sie sich im Sendegebiet der Sendung aufhalten (EuGH, EuZW 2016, 630 Rn. 46; EuGH, EuZW 2007, 81 Rn. 42; EuGH, EuZW 2012, 466 Rn. 195).

Der EuGH hat bereits entschieden, dass die Betreiber einer Gastwirtschaft, eines Hotels oder einer Kureinrichtung solche Nutzer sind und eine öffentliche Wiedergabe vornehmen, wenn sie geschützte Werke absichtlich dadurch übertragen, dass sie willentlich ein Signal über Fernseh- oder Radioempfänger, die sie in ihrer Einrichtung installiert haben, verbreiten. Die Rüge der Berufung, dass die Patienten das Radioprogramm auch auf andere Weise, etwa über ein Smartphone oder eigene Empfangsgeräte, empfangen könnten, sie also theoretisch nicht auf die Weiterleitung durch das Krankenhaus angewiesen wären, steht der Bejahung des Merkmals des "neuen Publikums" nicht entgegen. So stellen nach dem EuGH auch die Gäste eines Hotels, das Fernsehsendungen an Fernsehapparate auf den Hotelzimmern weiterleitet, ein neues Publikum dar, da sie ohne das Tätigwerden des Hotels das gesendete Werk nicht genießen könnten, obwohl sie sich im Sendegebiet aufhalten (EuGH, GRUR 2007, 225, Rn. 42 - SGAE/Rafael). Hieraus ergibt sich, dass der Begriff des "neuen Publikums" nicht voraussetzt, dass es ohne die Leistung des Weiterleitenden vollkommen unmöglich sein muss, das Werk empfangen zu können. Vielmehr genügt bereits die bloße Ermöglichung des Werkgenusses durch ein "neues Publikum", wobei es nicht relevant ist, ob sich dieses Publikum auch auf andere Weise Zugang zu dem Werk verschaffen könnte.

Vorliegend werden die Radioprogramme durch die Beklagte ziel- und zweckgerichtet auf die Patientenzimmer übertragen, um den Patienten den Empfang von Radiosendungen auf ihren Zimmern zu ermöglichen. Das Weiterleiten der Rundfunksendungen ermöglicht den unmittelbaren Werkgenuss durch die Patienten, sodass die Gesamtheit aller Patienten, die diese Rundfunksendungen wahrnehmen können, ein neues Publikum darstellt.

Insoweit ergibt sich auch aus dem BGH-Urteil vom 17.9.2015 (GRUR 2016, 71 - S) nichts anderes. Diesem lag ein Fall der Weiterleitung von Fernseh- und Hörfunksignalen durch eine WEG an die einzelnen Wohnungseigentümer zugrunde. Der BGH hat dort das Merkmal eines "neuen Publikums" verneint, da die Wohnungseigentümer die Sendungen im privaten oder familiären Kreis empfangen (BGH, a.a.O. Rn. 53). Zudem handele es sich nicht um eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten handele. Die Wohnungseigentümer seien besondere Personen, die einer privaten Gruppe angehörten (BGH, a.a.O. Rn. 60).

Dies ist nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Wohnungseigentümer gehören zu dem Publikum, an das die Urheber und Leistungsschutzberechtigten dachten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten, (vgl. BGH, a.a.O. Rn 53). Diese empfangen die gesendeten Programme gerade in dem privaten Umfeld ihrer Wohnung. Der technische Aspekt, dass das Signal nicht in jeder einzelnen Wohnung empfangen, sondern an diese nur weitergeleitet wird, führt nicht dazu, dass die Wohnungseigentümer ein neues Publikum darstellen.

Für die hier vorliegende Nutzung in einem Patientenzimmer gilt dies jedoch nicht. Es handelt sich um "neues Publikum". Die Patienten stellen einen größeren Kreis an Personen dar, wenn man die deutlich höhere Fluktuation im Vergleich zu Wohnungseigentümern berücksichtigt. Zudem handelt es sich bei den Zimmern nicht um Wohnungen, sondern um Aufenthaltsorte, die zusätzlich zu einer ohnehin vorhandenen Wohnung der jeweiligen Patienten bestehen. Daher handelt es sich gerade nicht um das Publikum, an das die Urheber und Leistungsschutzberechtigten dachten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten, sondern um einen darüber hinausgehenden Personenkreis.

Schließlich lässt sich eine andere Beurteilung auch nicht aus dem Urteil des EuGH zur öffentlichen Wiedergabe durch Internet-Verlinkung auf frei zugängliche Werke etwas anderes herleiten (EuGH, GRUR 2014, 360 - T/S). In diesem entschied der EuGH, dass durch das Verlinken einer Internetseite diese nicht für ein neues Publikum zugänglich gemacht wird. Diese Beurteilung lässt sich entgegen der Auffassung der Berufung nicht auf die vorliegende Konstellation übertragen. Das Verlinken von Inhalten stellt eine Besonderheit im Rahmen der Internetnutzung dar, die keine Parallele zur Weitersendung von Rundfunksendungen aufweist. Durch einen Link wird ein Internetnutzer lediglich auf einen bestimmten, ohnehin abrufbaren Inhalt aufmerksam gemacht und durch Anklicken des Links unmittelbar zu diesem Inhalt weitergeleitet. Im Falle der Weitersendung von Rundfunkprogrammen an die Patientenzimmer wird die grundsätzliche Nutzbarkeit des Mediums Rundfunk jedoch erst ermöglicht. Insoweit lässt sich ein Internetlink eher mit einem konkreten Programmhinweis für Radiohörer, die bereits grundsätzlich Zugang zum Medium Rundfunk haben, vergleichen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711.

4. Die Revision war zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat. Die vorliegende Frage ist in einer Vielzahl von Fällen, nicht nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits, von Bedeutung.

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