OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.07.2017 - I-20 U 120/16
Fundstelle
openJur 2019, 22580
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 15. September 2016 verkündete Urteil der 14c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, wie die Klage abgewiesen worden ist, und wird die Beklagte über den Tenor des landgerichtlichen Urteils hinaus verurteilt,

es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr,

1. für das Mittel "N. Liquid Spray - F. (27 % Vol.) und/oder "N. Globulix Perlen - F." zu werben:

"Ruhe und Gelassenheit",

und/oder

"Friedliche Nacht",

2. für das Mittel "N. (Liquid Tropfen 27 % Vol. und/oder Liquid Spray 27 % Vol. und/oder Globulix Perlen) zu werben.

"Ruhe und Gelassenheit",

...

5a. für "Bachblüten Pastillen Ruhe und Gelassenheit" und/oder Bachblüten Kaugummis Ruhe und Gelassenheit" zu werben:

"Ruhe und Gelassenheit",

5b. für "Bachblüten Pastillen Kraft und Stärke" und/oder "Bachblüten Kaugummis Kraft und Stärke" zu werben:

"Kraft und Stärke",

...

6. für "Bachblüten Pastillen Klarheit und Ausdauer" und/oder "Bachblüten Kaugummis Klarheit und Ausdauer" zu werben:

"Klarheit und Ausdauer",

jeweils wenn dies geschieht, wie in der Anlage K5 wiedergegeben.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Dieses und das angefochtene Urteil, soweit es aufrecht erhalten wird, sind vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung hinsichtlich des Unterlassungstenors durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 10.000,00 € und eine solche hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor Beginn der Vollstreckung hinsichtlich des Unterlassungstenors Sicherheit in Höhe von 100.000,00 € und hinsichtlich der Kosten in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Gründe

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Durch dieses hat das Landgericht der Beklagten bei Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verboten, im geschäftlichen Verkehr

1. für das Mittel "N. Liquid Spray - F. (27 % Vol.) und/oder "N. Globulix Perlen - F." zu werben:

"Wer nicht einschlafen oder durchschlafen kann, fühlt sich nicht nur nachts unwohl, sondern ist auch tagsüber weniger leistungsfähig und ausgeglichen. Nach einem stressigen Tag fällt es oft schwer, abzuschalten. Die Gedanken kreisen, Unruhe entsteht, die das Ein- und/oder Durchschlafen verhindert."

2. für das Mittel "N. (Liquid Tropfen 27 % Vol. und/oder Liquid Spray 27 % Vol. und/oder Globulix Perlen) zu werben:

2.1. "Sie wirken positiv auf unsere emotionale Intelligenz und sind eine wertvolle Hilfe, um mit Belastungssituationen im Alltag besser zurechtzukommen.",

2.2. "Jede einzelne von Dr. Bachs Blütenessenzen lässt sich sehr genau einem Seelenzustand zuordnen und kann auf diesen ausgleichend und harmonisierend wirken.",

3. für das Mittel "Liquid Pearls" zu werben:

"Jede einzelne von Dr. Bachs Blütenessenzen lässt sich sehr genau einem Seelenzustand zuordnen und kann auf diesen ausgleichend und harmonisierend wirken.",

4. für Bachblüten Pastillen und/oder Kaugummis zu werben:

4.1. "Schnelle Hilfe für unterwegs",

4.2. "... neuartige Mischungen, die für Energie, Konzentration und Selbstvertrauen stehen.",

5. für "Bachblüten Pastillen Ruhe und Gelassenheit" und/oder Bachblüten Kaugummis Ruhe und Gelassenheit" zu werben:

"bei den kleinen Energieschwächen des Alltags",

6. für "Bachblüten Pastillen Klarheit und Ausdauer" und/oder "Bachblüten Kaugummis Klarheit und Ausdauer" zu werben:

6.1. "Konzentration"

6.2. "bei den kleinen Konzentrationsschwächen"

6.3. "für mehr Aufmerksamkeit"

wenn dies geschieht wie in der dem landgerichtlichen Urteil beigefügten Anlage K5 wiedergegeben.

Die auf die Unterlassung weiterer Angaben - nämlich den aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen sowie der Werbung für "Bachblüten Pastillen Mut und Zuversicht" und/oder "Bachblüten Kaugummis Mut und Zuversicht" mit der Angabe "Mut und Zuversicht" - gerichtete weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen. Das Landgericht hat jeweils im Einzelnen ausgeführt, dass der Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG (=§ 4 Nr. 11 UWG a.F.) in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (nachfolgend: HCVO) beziehungsweise § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB und Art. 7 der Verordnung (EU) 1169/2011 (nachfolgend: LMIV) ergebe. Soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat, hat es die Auffassung vertreten, die Angaben beträfen lediglich das allgemeine Wohlbefinden. Es liege keine gesundheitsbezogene Angabe vor. Da auch keine konkret auf das Produkt bezogene Wirkung behauptet werde, liege auch keine im Sinne von Art. 7 LMIV irreführende Angabe vor.

Dagegen wenden sich beide Parteien mit ihren form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen.

Der Kläger ist der Ansicht, der Verbraucher sehe auch in den den Gegenstand seiner Berufung bildenden Angaben unzulässige gesundheitsbezogene Angaben. Der Verbraucher kenne den Unterschied zwischen Lebensmittelrecht und Arzneimittelrecht jedenfalls in Fällen wie hier, in denen ein Lebensmittel ohne jeden Nährwert in der Art eines Arzneimittels beworben werde, nicht. Im Übrigen bezieht sich der Kläger auf das Urteil des 2. Zivilsenats vom 6. August 2015 im vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren I-2 U 14/15 und macht sich dessen Ausführungen zu eigen.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen sowie das angefochtene Urteil abzuändern, soweit zu ihrem Nachteil erkannt wurde, und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt hierzu,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Hilfsweise regt die Beklagte eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union an. Die Beklagte macht unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages vor allem geltend, die angegriffenen Äußerungen seien durchweg auf das allgemeine Wohlbefinden bezogen und daher keine gesundheitsbezogenen Angaben. Darüber hinaus sei das Irreführungsverbot der LMIV nicht neben der HCVO anwendbar.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

B)

Die Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg, denn die mit der Berufung aufgegriffenen Werbeangaben stellen sich als unzulässige spezifische gesundheitsbezogene Angaben dar. Die Berufung der Beklagten bleibt indes ohne Erfolg, denn das Landgericht hat zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung, auf die der Senat Bezug nimmt, die Beklagte zur Unterlassung verurteilt.

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die von ihm verbotenen Werbeangaben entweder nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 HCVO oder nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB und Art. 7 Abs. 1 a) und b), Abs. 4 LMIV zu unterlassen sind. Dies trifft indes entgegen der Ansicht des Landgerichts auch auf diejenigen Werbeangaben zu, die der Kläger mit seiner Berufung weiter verfolgt.

Die Klagebefugnis des Klägers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG stellt die Beklagte zu recht nicht in Frage.

Da der Kläger den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt hat, ist seine Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH GRUR 2015, 1240 Rn. 31 - Der Zauber des Nordens). In der Zeit zwischen der Veröffentlichung der beanstandeten Werbung am 22. August 2014 und der Verkündung des vorliegenden Urteils ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (BGBl. I 2015, S. 2158) mit Wirkung vom 10. Dezember 2015 novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus jedoch nicht. Der seit dem 10. Dezember 2015 geltende § 3a UWG entspricht der bis dahin in § 4 Nr. 11 UWG a.F. enthaltenen Regelung des wettbewerbsrechtlichen Rechtsbruchtatbestands. Das zuvor in § 3 Abs. 1 UWG a.F. bestimmte Spürbarkeitserfordernis ist nunmehr im Tatbestand des § 3a UWG unmittelbar enthalten. Damit führt diese Vorschrift die zuvor an unterschiedlichen Stellen im Gesetz geregelten Voraussetzungen des Rechtsbruchtatbestands an einer Stelle zusammen. Dies dient allein der einfacheren Rechtsanwendung und verdeutlicht durch den Wegfall der Bezugnahme auf § 3 Abs. 1 UWG zudem, dass es sich bei § 3a UWG um eine eigenständige Regelung außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken handelt (BGH GRUR 2016, 1200 Rn. 11 - Repair-Kapseln).

Bei Art. 10 HCVO handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG, deren Missachtung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern und Verbrauchern im Sinne des § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen (BGH GRUR 2016, 1200 Rn. 12 - Repair-Kapseln). Das gilt ohne Zweifel auch für die Regelungen in § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB und Art. 7 Abs. 1 a) und b), Abs. 4 LMIV. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind diese neben der HCVO anwendbar. Die speziellen Vorschriften der HCVO über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben sollen die allgemeinen Regeln über den Irreführungsschutz, die ihren Niederschlag in Art. 7 Abs. 1 LMIV gefunden haben, nicht verdrängen, sondern ergänzen. Das ergibt sich bereits aus Art. 3 a) HCVO, nach dem Angaben "unbeschadet der Richtlinien 2000/13/EG und 84/450/EWG", an deren Stelle die LMIV getreten ist (vgl. Art. 53) nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein dürfen (BGH GRUR 2015, 403 Rn. 17 und 18 - Monsterbacke II).

Nach Art. 10 Abs. 1 HCVO sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II (Art. 3 bis 7) und den speziellen Anforderungen in Kapitel IV (Art. 10 bis 19) der Verordnung entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen sind. Für die hier in Rede stehenden Bachblüten-Produkte sind keine Angaben in den entsprechenden Listen enthalten. Es kann hier dahin stehen, ob es sich bei den streitgegenständlichen Produkten um sogenannten "Botanicals" handelt, für die eine Liste zulässiger Angaben nicht besteht, denn auch dann wären sie nur zulässig, wenn sie den Vorschriften der HCVO und den einschlägigen nationalen Vorschriften entsprechen, Art. 28 Abs. 5 HCVO. Das bedeutet insbesondere, dass die Angaben nur zulässig sind, wenn sie sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen, Art. 6 Abs. 1 HCVO. Da Bachblütenprodukte unstreitig keine wissenschaftlich nachweisbaren Wirkungen haben, sondern nach den eigenen Angaben der Beklagten auf esoterischen Konzepten beruhen, sind die gesundheitsbezogenen Angaben, wenn es sich denn um solche handelt, jedenfalls unzulässig.

Eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO liegt vor, wenn mit ihr erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff "Zusammenhang" ist dabei weit zu verstehen (EuGH, GRUR 2012, 1161 Rn. 34 - Deutsches Weintor; EuGH, GRUR 2013, 1061 Rn. 22 - Green - Swan Pharmaceuticals; BGH, GRUR 2014, 500 Rn. 16 - Praebiotik). Der Begriff "gesundheitsbezogene Angabe" erfasst daher jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (EuGH, GRUR 2012, 1161 Rn. 35 - Deutsches Weintor; BGH, GRUR 2014, 500 Rn. 16 - Praebiotik, mwN). Darüber hinaus wird jeder Zusammenhang erfasst, der impliziert, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich an ihn anschließen, fehlen oder geringer ausfallen. In diesem Zusammenhang sind sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu berücksichtigen (EuGH, GRUR 2012, 1161 Rn. 35, 38 - Deutsches Weintor; BGH, GRUR 2014, 500 Rn. 16 - Praebiotik). Der Gesundheitsbegriff umfasst auch das seelische Gleichgewicht. Die Frage, ob eine Aussage auf das gesundheitliche Wohlbefinden abzielt, ist anhand der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 HCVO aufgeführten Fallgruppen zu beurteilen (vgl. BGH, GRUR 2011, 246 Rn. 9 - Gurktaler Kräuterlikör; BGH, GRUR 2013, 958 Rn. 13 - Vitalpilze). Dazu gehören nach Art. 13 Abs. 1 b) HCVO auch in Bezug auf die psychischen Funktionen des menschlichen Körpers erfolgende Beschreibungen und Verweisungen (BGH GRUR 2014, 1013 Rn. 23 - Original Bach Blüten). Für die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Beurteilung ist es nach Erwägungsgrund 16 S. 3 HCVO entscheidend, in welchem Sinne der normal informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher die Angaben über Lebensmittel versteht. Es gilt dabei kein statistischer, sondern ein normativer Maßstab. Nach ihm sind die nationalen Gerichte und Verwaltungsbehörden gehalten, von ihrer eigenen Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH auszugehen (BGH GRUR 2014, 1013 Rn. 24 - Original Bach Blüten).

Dabei bezieht sich das Verbot des Art. 10 Abs. 1 HCVO nur auf solche Angaben, die ihrer Art nach Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein können. Verweise auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile, die so allgemeinen sind, dass sie nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein können, sind nach Art. 10 Abs. 3 HCVO nur zulässig, wenn ihnen eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.

Für die Abgrenzung zwischen speziellen und nichtspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben kommt es danach darauf an, ob mit der Angabe ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und einer Funktion des menschlichen Organismus hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung (vgl. Art. 6 Abs. 1 HCVO) in einem Zulassungsverfahren nach Art. 13 Abs. 3 HCVO (für Angaben nach Art. 13 Abs. 1 HCVO) oder nach Art. 15 bis 17 HCVO (für Angaben nach Art. 14 Abs. 1 HCVO) überprüft werden kann (BGH, GRUR 2016, 412 Rn. 26 - Lernstark; BGH GRUR 2016, 1200 Rn. 24 Repair-Kapseln; BGH, Beschluss vom 29.03.2017, I ZR 71/16).

Darüber hinaus dürfen Informationen über Lebensmittel nach Art. 7 Abs. 1, zu denen nach Abs. 4 auch die Angaben in der Werbung und die Aufmachung des Produktes gehören, nicht irreführend sein, insbesondere dürfen dem Lebensmittel keine Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es tatsächlich nicht hat. Selbst wenn die Angaben nicht nach dem Vorgesagten spezifische gesundheitsbezogene Angaben sind, müssen die dem Lebensmittel beigemessenen Wirkungen auch tatsächlich vorhanden sein.

Danach sind sämtliche in der Berufungsinstanz noch streitige Angaben entweder nach Art. 10 Abs. 1 HCVO oder nach Art. 7 Abs. 1 LMIV unzulässig.

Hinsichtlich der vom Landgericht verbotenen Angaben gilt im Einzelnen Folgendes:

"Wer nicht einschlafen oder durchschlafen kann, fühlt sich nicht nur nachts unwohl, sondern ist auch tagsüber weniger leistungsfähig und ausgeglichen. Nach einem stressigen Tag fällt es oft schwer, abzuschalten. Die Gedanken kreisen, Unruhe entsteht, die das Ein- und/oder Durchschlafen verhindert."

Mit Recht und mit zutreffender Begründung hat die Kammer in Bezug auf die unter der Bezeichnung "F." vertriebenen Sprays und Globulix Perlen eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe angenommen, die mangels wissenschaftlicher Absicherung unzulässig ist. Der Durchschnittsverbraucher wird die Werbung im konkreten Zusammenhang dahin verstehen, dass hier ein pathologischer Zustand - Schlafstörungen nämlich - beschrieben wird, und dass das beworbene Produkt bei Einnahme dazu beiträgt, diesen pathologischen Zustand zu beseitigen. Dass ist aber eine sehr konkrete Wirkung, die ohne Weiteres Gegenstand einer klinischen Studie sein könnte und daher auch Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein könnte.

"Sie wirken positiv auf unsere emotionale Intelligenz und sind eine wertvolle Hilfe, um mit Belastungssituationen im Alltag besser zurechtzukommen."

Gleiches gilt für diese Angabe: Es wird eine größere emotionale Intelligenz und eine größere psychische Belastbarkeit in Aussicht gestellt. Auch diese Angabe bezieht sich damit nicht nur auf das allgemeine Wohlbefinden, sondern stellt eine positive spezifische Einwirkung auf die Gesundheit in Aussicht. Jedenfalls ist sie nicht lediglich auf das allgemeine Wohlbefinden bezogen, sondern stellt eine spezifische Wirkung in Aussicht und zwar gerade als Folge des Verzehrs des betreffenden Lebensmittels.

"Jede einzelne von Dr. Bachs Blütenessenzen lässt sich sehr genau einem Seelenzustand zuordnen und kann auf diesen ausgleichend und harmonisierend wirken.",

Mit dieser Angabe wird nicht ein allgemeines Wirkprinzip beschrieben, wie die Beklagte meint, sondern diese Angabe wird als Wirkungsbehauptung auf die jeweiligen Blütenessenzen bezogen, die Bestandteil der von der Beklagten beworbenen Lebensmittel sind. Eine ausgleichende und harmonisierende Wirkung auf einen ganz bestimmten Seelenzustand ist zwar insoweit generell, weil noch nicht gesagt wird, welche Essenz auf welchen Seelenzustand wirkt. Sie wäre als solche daher nicht einem Zulassungsverfahren zugänglich. Besteht aber überhaupt keine nachweisliche Wirkung, werden den von der Beklagten beworbenen Produkte Wirkungen zugeschrieben, die sie tatsächlich nicht haben.

"Schnelle Hilfe für unterwegs" und "... neuartige Mischungen, die für Energie, Konzentration und Selbstvertrauen stehen."

Die Angabe "Schnelle Hilfe für unterwegs" ist eine gesundheitsbezogene Angabe, denn sie wird insbesondere im Gesamtzusammenhang dahingehend verstanden, bei den beschriebenen Problemen schnell zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes zu kommen. Dabei wird auf eine Hilfe bei Fehlen von "Energie, Konzentration und Selbstvertrauen" verwiesen. Eine spezifische Steigerung von Energie, Konzentration oder Selbstvertrauen durch den Verzehr von Bach-Blüten-Produkten wird auch von der Beklagten nicht behauptet. Die Werbung ist damit zumindest eine solche mit Wirkungen, die die Produkte tatsächlich nicht haben.

"bei den kleinen Energieschwächen des Alltags"

Auch hier wird eine konkrete Wirkung behauptet, die nicht belegt ist. Dabei kann dahin stehen, ob dies eine gesundheitsbezogene Behauptung ist, denn jedenfalls wird dem Produkt eine konkrete Wirkung zugeschrieben, die es nicht hat.

"Konzentration"

"bei den kleinen Konzentrationsschwächen"

"für mehr Aufmerksamkeit"

Auch diese Angaben behaupten eine spezifische Wirkung, die den Bachblüten-Präparaten nicht zukommt. Das gilt im Übrigen auch, soweit die Werbung die "Bachblüten Kaugummis Klarheit und Ausdauer" betrifft. Die von der Beklagten vorgelegten Untersuchungen beziehen sich allgemein auf vermeintliche Folgen der Aktivität "Kaugummi kauen". Die Angabe wird aber nicht so verstanden, dass das Kauen irgendwelcher Kaugummis möglicherweise konzentrationsfördernd ist, sondern dass die Wirkung gerade darauf zurückzuführen ist, dass die Kaugummis Bachblüten-Essenzen enthalten.

Im Prinzip Gleiches gilt auch für die mit der Berufung des Klägers weiter verfolgten Angaben, hinsichtlich derer das Landgericht die Klage abgewiesen hat:

"Ruhe und Gelassenheit",

Entgegen der Ansicht des Landgerichts geht es auch hier nicht um eine allgemeine, das Wohlbefinden betreffende Werbung, sondern die konkrete Behauptung, durch den Verzehr der jeweils beworbenen Mittel erreiche man einen ruhigeren und gelasseneren Zustand. Angesichts des Umstands, dass derartige Wirkungen auch mit bestimmten Arzneimitteln erreicht werden können, wird die Angabe auch als spezifische gesundheitsbezogene Angabe angesehen.

"Friedliche Nacht"

Erst recht muss dies für die Bezeichnung "Friedliche Nacht" gelten, mit der konkret behauptet wird, der Verzehr der damit beworbenen Mittel trage zu einem ruhigen und erholsamen Schlaf bei.

"Kraft und Stärke"

Auch die Werbung mit "Kraft und Stärke" suggeriert eine spezifische Wirkung. Bei einem Lebensmittel ohne nennenswerten Nährwert (Kaugummis/Pastillen) wird der Verkehr diese Angabe auf den seelischen Zustand beziehen. Auch insoweit liegt aber eine spezifische Wirkungsbehauptung bezogen auf den seelischen Zustand vor, die tatsächlich Bachblüten-Präparaten unstreitig nicht zukommt.

"Klarheit und Ausdauer"

Nichts anderes gilt für das Versprechen, durch den Verzehr der Produkte "Klarheit und Ausdauer" zu erlangen und damit eine spezifische seelische Folge als Folge des Verzehrs dazustellen. Auch insoweit wird nicht ein Lifestyle-Produkt auf esoterischer Basis beworben, sondern den Bachblüten wird eine spezifische Wirkung zugeschrieben.

Dem Verbot kann auch nicht entgegen gehalten werden, der Durchschnittsverbraucher wisse, dass es sich bei Bachblüten-Produkten um ein rein esoterisches, nicht evidenzbasiertes Produkt handelt. Dies unterstellt, dass sich der Durchschnittverbraucher mit den Besonderheiten der Bachblüten-Produkte auskennt. Dies kann aber nicht unterstellt werden, zumal dem Verkehr eine Vielzahl von Nahrungsergänzungsmitteln auf pflanzlicher Basis bekannt sein dürften, die sehr wohl eine wissenschaftlich abgesicherte Wirkung haben.

Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht angezeigt. Die von der Beklagten aufgeworfenen Fragen sind teilweise nicht entscheidungserheblich. Zum anderen Teil betreffen sie der Sache nach nicht Fragen der Auslegung von Unionsrecht, sondern dessen Anwendung auf den konkreten Einzelfall. Diese ist aber Sache des nationalen Gerichts.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, § 92 Abs. 2, § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Soweit der Kläger sein Begehren hinsichtlich der Angabe "Mut und Zuversicht" in der Berufungsinstanz nicht weiter verfolgt hat und die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts hinnimmt, ist dies verhältnismäßig geringfügig. Bei der Bemessung der jeweils zu leistenden Sicherheiten war zu berücksichtigen, dass der dem Kläger durch ein Unterbleiben der Vollstreckung drohende Schaden erheblich geringer ist, als der der Beklagten durch eine möglicherweise unberechtigte Vollstreckung drohende Schaden, der sie nach ihren in der mündlichen Verhandlung unstreitig gebliebenen Angaben unter anderem zu einer Änderung der Produktverpackungen zwingen würde.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Streitwert: 24.000,00 EUR (je Werbeangabe 1.500,00 €)

Es besteht keine Veranlassung, den Streitwert aus den von der Beklagten herangezogenen Gründen heraufzusetzen. Insoweit maßgeblich für die Wertfestsetzung ist das Interesse eines gewichtigen Wettbewerbers an der Unterlassung (BGH GRUR 1998, 958, 958 - Verbandsinteresse). Dabei besteht auch bei der Verbandsklage eine Indizwirkung dahingehend, dass der klagende Verband dieses wirtschaftliche Interesse zu bewerten vermag. Das ins Feld geführte Interesse der Beklagten, die Verpackungen nicht ändern zu müssen, mag die Rechtsmittelbeschwer erhöhen, ist aber für den nach § 51 Abs. 2 GKG zu bestimmenden Streitwert ohne Belang. Allein, wenn das Interesse der Beklagten erheblich niedriger zu bewerten wäre, wäre dieser Umstand zu berücksichtigen, § 51 Abs. 3 GKG.

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