LG Bochum, Urteil vom 20.04.2017 - I-1 O 160/14
Fundstelle
openJur 2019, 22490
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.001,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.07.2014 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger künftige, weitere Schäden aus dem Erwerb der Firma B Lagertechnik und Montageservice des Herrn H zu ersetzen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger macht mit der Klage Teil-Schadensersatzansprüche infolge der Steuerberatungstätigkeit der Beklagten geltend und begehrt Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für zukünftig auftretende Schäden.

Der Kläger ist Erwerber der Firma B Lagertechnik und Montageservice GmbH (im Folgenden: B). Inhaber der B war zuvor der Zeuge H, welcher diese als Einzelkaufmann führte. Der Unternehmenskauf erfolgte zum 01.08.2011. Der Kläger zahlte unter dem 15.08.2011, 15.09.2011, 17.10.2011, 15.11.2011, 15.12.2011 und 16.01.2012 jeweils eine Rate auf den Kaufpreis in Höhe von 1.000,00 €.

Zwischen den Parteien und dem Zeugen H kam es am 12.07.2011 und am 26.07.2011 in den Kanzleiräumen der Beklagten zu einem Treffen. Im Termin vom 12.07.2011 wurden dem Kläger im Beisein der Beklagten die Jahresabschlüsse für die Jahre 2008, 2009 und der Jahresabschluss für das Jahr 2010 ausgehändigt, wobei streitig ist, ob es sich bei dem Abschluss 2010 um einen endgültigen oder vorläufigen Jahresabschluss handelte.

Die Beklagte ist Steuerberaterin und war bereits vor Erwerb der B durch den Kläger für diese bzw. den Zeugen H tätig. Für diese führte die Beklagte die laufende Finanzbuchhaltung und erstellte in diesem Zusammenhang regelmäßige Umsatzsteuervoranmeldungen und Jahresabschlüsse. Die Lohnbuchhaltung oblag den zuständigen Mitarbeitern der B. Der Beklagten wurden durch Mitarbeiter der B Beitragsnachweise an die Sozialversicherungsträger übersandt, welche diese unter den Konten ... (gesetzliche Sozialaufwendungen) und ... (Verbindlichkeiten Soziale Sicherheit) einbuchte. Auch wurden Lohnjournale über die von der B gezahlten Nettolöhne eingereicht. Die Beklagte war nach dem Kauf der B auch für den Kläger tätig.

Die B bezahlte ihre Mitarbeiter nach Stunden, sodass sich monatlich flexible Gehaltszahlungen ergaben. Dies hatte zur Folge, dass zum Ende eines Monats bei der Meldung der Bezüge der Mitarbeiter an die Sozialversicherungsträger nicht genau mitgeteilt werden konnte, wie hoch diese für den jeweiligen Monat ausfallen würden, da die Stundenanzahl noch nicht fest stand. Insoweit wurde, jeweils gesetzeskonform, mittels des sogenannten Schätzverfahrens eine Schätzung auf Basis der im Vormonat gezahlten Beiträge vorgenommen und übermittelt. Diese Verfahrensweise führte zu dem Ergebnis, dass im Folgemonat die entsprechenden Über-/Unterzahlungen hätten ausgeglichen bzw. verrechnet werden müssen. Dies hatte zur Folge, dass die Summen in den Beitragsnachweisen und in den Lohnjournalen voneinander abwichen.

Im Jahre 2012 stellte der Kläger fest, dass die gemeldeten Beitragsnachweise an die Sozialversicherungsträger nicht korrekt waren. Es erfolgte zeitnah eine Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund, anlässlich derer eine Prüfung der Sozialversicherungsbeiträge stattfand. Die Prüfung hatte zum Ergebnis, dass zu diesem Zeitpunkt rückständige Verbindlichkeiten von ca. 150.000,00 € zuzüglich Zinsen und Säumniszuschlägen, dies für die Jahre 2008 bis 2011, bestanden. Grund hierfür war, dass das Schätzverfahren nicht richtig durchgeführt worden war. Die Mitarbeiter in der Lohnbuchhaltung der B beachteten nicht, dass die Differenz zwischen tatsächlich geschuldeten und geschätzten Beiträgen jeweils im Folgemonat bei den Beitragsmitteilungen zu berücksichtigen war. Stattdessen wurde erneut eine Schätzung vorgenommen, ohne jedoch die zu korrigierenden Werte der vormonatigen Schätzung zu berücksichtigen. Diese Vorgehensweise hatte letztlich zur Folge, dass fortlaufend die Höhe der zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge zu niedrig verbucht wurde. Die von der Deutschen Rentenversicherung mit der Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge georderten Säumniszuschläge führten zu einer Überschuldung der B. Der Betrieb des Unternehmens wurde zum Ende des Jahres 2012 eingestellt und 2013 beim Handelsregister abgemeldet.

Der Kläger behauptet, anlässlich des Unternehmenskaufes Einsicht in die Unterlagen zur Buchhaltung, welche von der Beklagten erstellt wurden, genommen zu haben. Eine solche Einsichtnahme sei im Gesprächstermin am 12.07.2011 erfolgt, da dort die Zahlen des Unternehmens durch Vorlage der Jahresabschlüsse der Jahre 2008, 2009 und des endgültigen Jahresabschluss 2010 erörtert worden seien. Dort hätten die Beklagte sowie der Zeuge H die Richtigkeit der Jahresabschlüsse bestätigt. Im Termin vom 25.07.2011 habe er die Beklagte hinsichtlich ihrer weiteren Tätigkeit für die B mandatiert.

Die Beklagte habe in ihrer Eigenschaft als Steuerberaterin die Verbindlichkeiten der B in wesentlichem Umfang zu gering verbucht. Dass die Beklagte keine Korrektur anhand der monatlichen Lohnjournale im Vergleich zu den Beitragsnachweisen vorgenommen und infolge dessen die Sozialversicherungsverbindlichkeiten falsch gebucht habe, sei pflichtwidrig gewesen. Daher seien viel zu geringe Beträge gebucht worden, sodass die jeweiligen Jahresabschlüsse Verbindlichkeiten gegenüber den Sozialversicherungsträgern in zu geringem Umfang ausgewiesen hätten. Dennoch habe sie die ihr eingereichten Unterlagen zum Nachweis der ordnungsgemäßen Buchung mit dem Stempel "gebucht" versehen. Dies widerspreche den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung.

Weiter behauptet der Kläger, dass er die B im Jahr 2011 nicht erworben hätte, hätte er von der Überschuldung infolge der zu wenig gezahlten Sozialversicherungsbeiträge gewusst. Die von der Beklagten erstellten Summen- und Saldenlisten habe er zur Grundlage der Kaufentscheidung gemacht. Dadurch sei ihm ein Schaden in Höhe von 249.906.74 € entstanden. Für die Jahre 2011 bis 2013 seien Jahresfehlbeträge für 2011 in Höhe von 49.042,48 €, für 2012 in Höhe von 93.247,80 € und für 2013 bis zum 31.07.2013 in Höhe von 90.220.34 € entstanden. Hierbei sei die gesamte Veräußerung des Anlagevermögens berücksichtigt, ebenso die Vornahme von Privateinlagen in Höhe von 176.058,03 €. Zur Finanzierung habe der Kläger einen Kredit in Höhe von 83.000,00 € aufnehmen müssen, bei welchem bis März 2015 Kreditzinsen von insgesamt 8.796,94 € angefallen seien. Zusätzlich habe der Kläger seinen Dispo überziehen müssen, weshalb eine Zinsforderung in Höhe von 5.707,27 € gegen ihn bestehe. Hinzu kämen 787,80 € Rechtsanwaltsgebühren für einen Kündigungsschutzprozess sowie Kosten für Steuerberatung für den Jahresabschluss 2013 in Höhe von 1.103,61 €. Durch die fehlerhafte Lohnabrechnung der B bestünden Nachforderungen der Deutschen Rentenversicherung gegen den Kläger in Höhe von 28.435,08 €, welche er in Raten beglichen habe, wofür jedoch Stundungszinsen in Höhe von 770,00 € durch die B1 und 203,50 € durch die C berechnet worden seien.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe auf die Ordnungsgemäßheit der Buchführung der Beklagten und insbesondere der Jahresabschlüsse vertrauen dürfen. Durch die fehlerhafte Buchung der Sozialversicherungsbeiträge habe die Beklagte ihre steuerberaterlichen Pflichten verletzt und somit das Betriebsergebnis zum 31.07.2011 erheblich falsch ausgewiesen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 5.001,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.07.2014 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm künftige weitere Schäden aus dem Erwerb der Firma B Lagertechnik und Montageservice des Herrn H zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, bei dem Termin am 12.07.2011 habe es sich um einen nur sehr kurzen Termin von 15 bis 20 Minuten gehandelt, in welchem eine Erörterung der Zahlen des Unternehmens nicht stattgefunden habe. Sie sei davon ausgegangen, der Kläger habe die ihm überreichten Jahresabschlüsse mit seiner eigenen Steuerberaterin besprechen wollen. Im Termin am 25.07.2011 sei lediglich die Möglichkeit einer zukünftigen Zusammenarbeit zwischen den Parteien erörtert worden, keinesfalls bereits eine Mandatierung erfolgt.

Die Beklagte ist der Ansicht, zwischen dem Kläger und der Beklagten sei bereits kein Steuerberatungsvertrag zustande gekommen, aus welchem sich gegenseitige Rechte und Pflichten ergeben könnten. Diesen hätten die Parteien weder ausdrücklich noch konkludent geschlossen.

Allein durch den Unternehmensübergang sei der Kläger nicht in den bestehenden Vertrag eingetreten. Auch sei nur durch den Erwerb kein Auskunftsvertrag zwischen den Parteien abgeschlossen worden. Diesbezüglich ist die Beklagte der Ansicht, dass selbst wenn dem Kläger die von ihr erstellten Summen- und Saldenlisten zur Verfügung gestellt worden sein sollten, kein Auskunftsvertrag zustande gekommen sei, da es an einem Auskunftskontakt zwischen den Parteien mangele. Die Beklagte habe zudem nie erklärt, für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Bilanzzahlen haften zu wollen. Auch eine Haftung aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bestehe nicht.

Der Beklagten sei zudem keine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Die von der Beklagten übernommenen Lohnabrechnungen inklusive der errechneten abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge seien allein von Mitarbeitern der B erstellt und von der Beklagten lediglich in die Buchung übernommen worden. Eine Pflicht zur Prüfung der Richtigkeit der Angaben habe die Beklagten nicht gehabt. Sie sei davon ausgegangen, dass ihr auch bei Anwendung des Schätzverfahrens die korrekten Sozialversicherungsbeiträge mitgeteilt worden seien.

Letztlich habe der Kläger nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, inwieweit ihm überhaupt ein adäquat kausaler, auf die behauptete Pflichtverletzung zurückzuführender, Schaden durch den Erwerb der B entstanden sei. Der Kläger sei hier im Rahmen seiner Darlegungs- und Beweislast verpflichtet, konkret zu den infolge des Unternehmenskaufes eingetretenen Vermögensverhältnissen vorzutragen. Die von ihm behaupteten Fehlbeträge stellten lediglich ein betriebswirtschaftliches Ergebnis dar und stünden im Widerspruch zu dem ursprünglichen Vortrag, nach welchem der Schaden in der Entrichtung des Kaufpreises habe liegen sollen. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Kläger deutlich geringere Umsätze erwirtschaftet habe als in den Jahren zuvor, sodass nicht die in etwa konstant gebliebenen Lohnkosten zu einem wirtschaftlichen Einbruch der B geführt hätten und dass der Kläger in den Genuss anrechenbarer Steuervorteile infolge der Auswirkungen auf die zu zahlende Einkommenssteuer mit Blick auf sein anderes Unternehmen gekommen sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen N gemäß Beweisbeschlüssen vom 08.06.2015 und 27.08.2015 nebst Ergänzungsgutachten durch Beweisbeschluss vom 10.06.2016 und Anhörung des Sachverständigen im Termin zu mündlichen Verhandlung vom 23.03.2017. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 03.02.2016 und das schriftliche Ergänzungsgutachten vom 22.08.2016 sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung von 23.03.2017 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Feststellungsklage ist gemäß § 256 ZPO zulässig, da dem Kläger ein weiterer Schaden jedenfalls wegen der zum überwiegenden Teil noch offenen Kaufpreisverbindlichkeit droht. Es ist aufgrund der Insolvenz des Verkäufers indes noch ungewiss, in welcher Höhe sich dieser Schaden realisieren wird. Daher hat der Kläger auch ein Feststellungsinteresse, insbesondere zur Vermeidung des Eintritts der Verjährung.

Die Klage ist zudem begründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Teil-Schadensersatzanspruch auf Zahlung von 5.001,00 EUR aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. den Grundsätzen der Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.

1.

Der Kläger wurde in den bestehenden Steuerberatungsvertrag zwischen der Beklagten und dem Zeugen H einbezogen, soweit es um die Erstellung der Jahresabschlüsse ging.

Voraussetzungen für die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sind die Leistungsnähe des Dritten, seine Schutzbedürftigkeit, ein Einbeziehungsinteresse des Gläubigers sowie die Erkennbarkeit dieser Drittbezogenheit für den Schuldner (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.1996, Az: X ZR 104/94; Urteil vom 08.06.2004, Az: X ZR 283/02; Urteil vom 24.04.2014, Az: III ZR 156/13).

Die erforderliche Leistungsnähe des Klägers besteht. Eine Leistungsnähe des in den Vertrag einzubeziehenden Dritten ist dann anzunehmen, wen der Dritte mit der Leistung bestimmungsgemäß in Berührung kommt und in gleichem Maße wie der Gläubiger selbst den Gefahren einer Schutzpflichtverletzung ausgesetzt ist. Die Beklagte war im Rahmen des mit dem Zeugen H bestehenden Steuerberatungsvertrages mit der Erstellung der Jahresabschlüsse betraut. Der Kaufinteressent eines Unternehmens nimmt regelmäßig vor seiner Kaufentscheidung Einsicht in die Bilanzen des Unternehmens, demnach auch der Jahresabschlüsse. Jahresabschlüsse werden typischerweise nicht nur dem Inhaber des Unternehmens selbst vorgelegt, sondern auch einer ganzen Reihe dritter Personen zugänglich gemacht, welche mit dem Unternehmen in vertraglicher Beziehung stehen. Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens ist der wesentliche Kernpunkt für die Kaufentscheidung des Käufers. Sowohl der Inhaber eines Unternehmens wie auch potenzielle Käufer vertrauen auf die Richtigkeit der Abschlüsse, da die zu treffenden unternehmerischen Entscheidungen eines korrekt ermittelten Zahlenwerks bedürfen. Insoweit besteht auch für Dritte die Gefahr, bei fehlerhaften Jahresabschlüssen einen Vermögensschaden infolge fehlgeleiteter Investitionsentscheidungen zu erleiden.

Der Kläger ist darüber hinaus auch schutzbedürftig. Der Kläger kann gegen die Beklagte wegen der in Rede stehenden Schäden keinen Anspruch aus eigener Anspruchsgrundlage geltend machen. Eine vertragliche Beziehung bestand zwischen den Parteien in Bezug auf die bereits erstellten Jahresabschlüsse im Zeitpunkt des Kaufs des Unternehmens nicht.

Der Zeuge H hatte als Gläubiger der Leistungen der Beklagten aus dem Steuerbratungsvertrag ein Interesse an der Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des Vertrages. Drittschutz besteht einerseits, wenn der Gläubiger im Rahmen einer personenrechtlichen Beziehung für das "Wohl und Wehe" des einzubeziehenden Dritten einzustehen hat, andererseits, wenn der Vertrag so ausgelegt werden kann, dass der Gläubiger ein erkennbares besonderes Interesse an der Einbeziehung des Dritten hat, etwa bei der Beauftragung von Fachleuten (vgl. BGH, Urteil vom 26.09.2000, Az: X ZR 94/98, Rn. 43). Der Zeuge H hatte die Beklagte in dem Bewusstsein mit der Erstellung der Jahresabschlüsse beauftragt, dass diese einem potenziellen Interessen an dem Kauf des Unternehmens zur Verfügung gestellt würden, um dessen Kaufentscheidung zu ermöglichen. Dass ein Dritter vor dem Kauf des Unternehmens Einsicht in die Jahresabschlüsse nehmen wollen würde, war dem Zeugen H bekannt. Dies findet in dem Umstand Ausdruck, dass dem Kläger die Jahresabschlüsse durch den Zeugen H im Beisein der Beklagten übergeben wurden. Damit hat sich der Zeuge H klar eindeutig gegenüber dem Kläger die Inhalte der Jahresabschlüsse zu Eigen gemacht und den Kläger am Ergebnis partizipieren lassen. Dem Zeugen H war bewusst, dass der Kläger auf die korrekte und vollständige Erfüllung der steuerberaterlichen Pflichten aus dem Vertrag zwischen dem Zeugen H und der Beklagten vertraute und dies in die Vermögenssphäre des Klägers eingreift. Der Beklagten kommt als Steuerberaterin hier eine besondere Funktion zu, da die Erstellung der Jahresabschlüsse in besonderem Maße geeignet ist, bei Dritten Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit im Umfang der erteilten Schlussbescheinigung zu erzeugen.

Letztlich war die Einbeziehung des Klägers für die Beklagte als Schuldnerin des Steuerberatungsvertrages auch erkennbar. Entscheidend ist insoweit, ob der Schuldner erkennen konnte, dass im konkreten Fall die Ergebnisse seines Tätigwerdens für einen Dritten bestimmt sein und von diesem verwendet werden würden (vgl. BGH, Urteil vom 02.04.1998, Az: III ZR 245/96). Der Beklagten war bei Übergabe der Jahresabschlüsse bewusst, dass der Kläger diese nur erhalten sollte, um seine Kaufentscheidung treffen zu können. Insoweit musste die Beklagte auch davon ausgehen, dass der Kläger sich auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Schlussbescheinigung verlassen würde, daher auf die Ergebnisse und die Sachkunde der Beklagten vertrauen würde. Ein Steuerberater muss darüber hinaus stets damit rechnen, dass seine für ein Unternehmen erstellten Bilanzen Dritten zugänglich gemacht werden, die entweder am Kauf des Unternehmens interessiert sind oder aber dem Unternehmen Geldmittel zur Verfügung stellen.

2.

Die Beklagte hat zudem eine Pflicht aus dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gegenüber dem Kläger verletzt.

Die Beklagte hätte dem Kläger gegenüber offenlegen müssen, dass sie die Jahresabschlüsse nicht entsprechend ihrer sich aus dem zu beachtenden Prüfungsumfang ergebenden steuerberaterlichen Pflichten erstellt hat. Die Beklagte hatte im Rahmen des für sie geltenden Prüfungsumfangs einen Jahresabschluss ohne Beurteilungen zu erstellen, was bedeutet, dass zwar eine Plausibilitätsprüfung der zur Verfügung gestellten Unterlagen und Zahlen nur auf offensichtliche Fehler hin zu erfolgen hat, jedoch die steuerberaterlichen Grundsätze für die ordnungsgemäße Erstellung eines Jahresabschlusses uneingeschränkt anwendbar sind.

Bei der Erstellung der Jahresabschlüsse hat die Beklagte die Besonderheiten des von der B in der Lohnbuchhaltung zu berücksichtigenden Schätzverfahrens nicht beachtet.

Dabei war der Beklagten bekannt, dass die B das Schätzverfahren anwendete. Dies steht fest nach Anhörung der Beklagten im Termin vom 23.03.2017 sowie den widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen N. Die Beklagte hat bekundet, ihr sei bewusst gewesen, dass es unterschiedlich hohe Nettolohnauszahlungen gegeben habe, sie habe jedoch nicht weiter geprüft in der Annahme, die Differenzen ergäben sich aus steuerfreien Mehraufwendungen für Verpflegung. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, die Beklagte habe anhand der ihr zur Verfügung gestellten Kontoauszüge erkennen können und müssen, dass ein Schätzverfahren angewendet wurde. So wiesen die Kontoauszüge Differenzen zwischen den Zahlungen für den aktuellen Monat und der Schätzung für den jeweiligen Vormonat auf. Allein hieraus habe die Beklagte bereits den Schluss ziehen müssen, dass die Differenzen in der Beitragszahlung zwischen Schätzung und tatsächlicher Abrechnung hätten ausgeglichen werden müssen.

Die Beklagte habe in den ersten fünf Monaten ihrer steuerberaterlichen Tätigkeit für die B das Nettolohnverfahren angewandt, später dann eine Mischform zwischen Brutto- und Nettolohnmethode, nämlich ein Bruttolohnverfahren ohne Nutzung eines Verrechnungskontos. Zwar sei, so führt der Sachverständige widerspruchsfrei und logisch konsistent aus, die Wahl eines reinen Bruttolohnverfahren die gängige Praxis, was mit der Nutzung von darauf zugeschnittenen Datenverarbeitungsprogrammen zusammen hänge, dies bedeute jedoch nicht, dass die von der Beklagten gewählte Variante nicht vertretbar sei. Allein in der Nutzung dieser Bilanzierungsmethode sei daher keine Pflichtverletzung zu sehen, da die Beklagte auch mit dieser Methode, so sie denn korrekt angewandt worden wäre, einen ordnungsgemäßen und richtigen Jahresabschluss hätte erstellen können.

Die Beklagte hat jedoch entgegen der Pflichten einer ordnungsgemäß arbeitenden Steuerberaterin gehandelt, indem sie in den Jahresabschlüssen hinsichtlich des Monats Dezember keine Abgrenzung hinsichtlich der noch geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge durchgeführt hat. Darin liegt ein Verstoß gegen das Vollständigkeitsgebot. So hat der Sachverständige hierzu ausgeführt, dass die Beklagte im Jahresabschluss hätte dafür Sorge tragen müssen, dass die Sozialversicherungsbeiträge für den Monat Dezember nicht als Schätzbetrag in den Jahresabschluss eingestellt werden, sondern konkret ermittelt werden anhand der tatsächlichen Aufwendungen, wie sie im Januar des Folgejahres ersichtlich wurden. Insoweit hätte eine deutliche Abgrenzung vorgenommen werden müssen. Hierdurch hätte verhindert werden können, dass im Jahresabschluss ein falsches Ergebnis ausgewiesen wird.

Die Beklagte hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass ihr Schlussvermerk insoweit nicht richtig ist und die Sozialversicherungsbeiträge für Dezember jeweils nicht richtig erfasst worden sind.

Es kann insoweit für die Beurteilung einer Pflichtverletzung dahinstehen, dass die Beklagte die ihr zur Verfügung gestellten Lohnjournale mit dem Stempel "gebucht" versehen hat.

3.

Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Das Verschulden der Beklagten wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Die Beklagte vermochte sich nicht zu exkulpieren.

4.

Dem Kläger ist infolge der Pflichtverletzung der Beklagten durch den Erwerb der B vom Zeugen H ein kausaler Schaden von mindestens 6.000,00 EUR entstanden.

Der Kläger ist im Rahmen der Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB so zu stellen, als hätte die Beklagte die Pflichtverletzung nicht begangen. Hätte die Beklagte den Kläger auf die Ungenauigkeit der Jahresabschlüsse hingewiesen, hätte der Kläger von dem Kauf der B abgesehen. In diesem Fall hätte er den Kaufpreis in Höhe von bislang gezahlten 6.000,00 EUR nicht aufgewendet.

Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlt es nicht an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt.

Hätte die Beklagte den Kläger auf die Ungenauigkeit der Jahresabschlüsse hingewiesen, hätte der Kläger die Höhe der gezahlten Sozialversicherungsbeiträge überprüft und ihm wäre die Fehlerhaftigkeit im gesamten Ausmaß aufgefallen, dies vor dem Hintergrund, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch von seiner damaligen Steuerberaterin Frau L beraten wurde. In diesem Fall kann vermutet werden, dass der Kläger von dem Unternehmenskauf Abstand genommen hätte. Die Bilanzen eines Unternehmens sind für die Kaufentscheidung stets ein gewichtiger Faktor, wenn nicht der ausschlaggebende Umstand überhaupt. Daher ist zu vermuten, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Kauf und den als richtig und vollständig dargestellten Jahresabschlüssen besteht. Dies vor dem Hintergrund, dass die Übergabe in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Kaufabschluss stand und Gegenstand von Gesprächen der Kaufvertragsparteien war.

Der Beklagte ist es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Die von ihr vorgebrachten Gründe sind nicht geeignet, einen fehlenden Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Kauf der B zu begründen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass die wirtschaftliche Entwicklung der B und das Auftreten von Fehlbeträgen in den Jahren 2011 und fortlaufend nicht zwingend auf die Pflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen ist, sondern auch weitere (Mit-) Ursachen hier eine Rolle spielen können. Dies ändert jedoch nichts an der Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden in Form des Kaufpreises für das Unternehmen.

II.

Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 S. 1 BGB. Rechtshängigkeit trat am 26.07.2014 ein.

III.

Auch die Feststellungsklage ist begründet. Voraussetzung hierfür ist, dass der Eintritt künftiger weiterer Vermögensschäden wahrscheinlich ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Auflage 2014, § 256 Rn. 9). Bei Klageerhebung war der Kläger nicht in der Lage, den Eintritt weiterer Schäden durch den Kauf der B abzusehen. Dass dem Kläger dagegen weitere Vermögenseinbußen durch den Kauf des Unternehmens drohen, ist hinreichend wahrscheinlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Abs. 1 S. 1, 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 45.001,00 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Bochum statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Bochum, Westring 8, 44787 Bochum, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.