OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.08.2015 - I-15 U 131/14
Fundstelle
openJur 2019, 22351
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 02.10.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf (4a O 25/13) wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 185.240,64 Euro festgesetzt

Gründe

I.

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO durch Beschluss zu verwerfen, weil die Berufungsschrift nicht den Formerfordernissen des § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats vom 09.07.2015 Bezug genommen, welche die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 27.07.2015 nicht angreift.

Soweit sie dort anführt, der "Registrator" - gemeint ist damit der Justizbeschäftigte in der zentralen Eingangsgeschäftsstelle des OLG Düsseldorf - habe vor Ablauf der Berufungsfrist am 17.11.2014 in einem Telefonat gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten erklärt, er werde in der Akte vermerken, dass die A... Berufungsführerin sei, und dieser habe zudem dessen Frage, ob jetzt mit der Berufung auch ohne einen klarstellenden Schriftsatz alles in Ordnung sei, bejahend beantwortet, führt dies nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Mündliche oder telefonische Angaben der Parteien zur Ergänzung einer unvollständigen Berufungsschrift dürfen selbst dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie bei Gericht aktenkundig gemacht werden. Dies folgt unmittelbar aus der in § 519 ZPO angeordneten Schriftform, die - wie bereits im Hinweisbeschluss dargelegt - auch für die Bezeichnung der Person des Rechtsmittelführers gilt (zu § 518 ZPO a. F. BGH, NJW 1997, 3383 m. w. N.; Zöller/Heßler, Kommentar zur ZPO, 30. Aufl., § 519 Rn. 30). Infolgedessen kann der geschilderte Inhalt des Telefonats für die Auslegung der Berufungsschrift und damit zur Ermittlung des Berufungsführers nicht herangezogen werden. Abgesehen davon ergibt sich sowohl aus der Gerichtsakte als auch aus der Datenbank JUDICA der - bereits außerhalb der Berufungsfrist liegende - 19.11.2014 als frühestes Datum aktenkundiger Erfassung der Klägerin als Berufungsführerin; ein entsprechender, auf den 17.11.2014 datierter Vermerk findet sich hingegen in der Gerichtsakte nicht. Dementsprechend stammt die Benachrichtigung über den Eingang der Berufung ebenfalls vom 19.11.2014 und erfolgte somit erst nach Ablauf der Berufungsfrist.

II.

Dem Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ebenfalls nicht zu entsprechen.

Form- und Inhaltsmängel können durch eine Wiedereinsetzung nicht geheilt werden (BGH NJW 1997, 1309). Des Weiteren sind Umstände, die es gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, ihr unter dem Aspekt der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Ihre Begründung, sie habe im Vertrauen auf die bejahende Antwort des "Registrators" von der Einreichung eines klarstellenden Schriftsatzes innerhalb der Berufungsfrist zur Person des Berufungsführers abgesehen, vermag sie nicht gemäß § 233 ZPO zu entschuldigen. Die anwaltlich vertretene Klägerin beruft sich damit auf einen durch das Gericht veranlassten Rechtsirrtum. Von einem Rechtsanwalt, dessen Verschulden sich die im Prozess von ihm vertretene Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, wird indes größte Sorgfalt bei der Beurteilung der Rechtslage erwartet. Er muss die einschlägigen Gesetze kennen, sich laufend in Fachzeitschriften über den Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung informieren und sich an dieser orientieren, selbst wenn er sie für falsch hält (Palandt/ Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 73. Aufl., § 280 Rn. 68 m. w. N.). Ausnahmsweise kann zwar Wiedereinsetzung zu gewähren sein, wenn eine irrige Rechtsauffassung vom Gericht veranlasst und hierdurch ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Irrige Rechtsansichten von Beschäftigten der Geschäftsstelle - und dies gilt gleichermaßen für den Beschäftigten in der zentralen Eingangsgeschäftsstelle - entlasten den anwaltlichen Vertreter hingegen nicht (Zöller/Greger, aaO, § 233 Rn. 23 "Rechtsirrtum"). Schließlich verfügen diese weder über die erforderliche juristische Ausbildung noch sind sie nach den einschlägigen Zuständigkeitsregelungen dazu befugt, Prozessbeteiligten (eigene) Hinweise zur Sach- und/oder Rechtslage zu erteilen. Ein Rechtsanwalt darf deshalb nicht "blind" auf Rechtsansichten, die von Beschäftigten der Geschäftsstelle geäußert werden, vertrauen.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist ein fehlendes Verschulden der Klägerin nicht festzustellen. Ihr Prozessbevollmächtigter hatte vielmehr auch unter Berücksichtigung des dargelegten Telefonats keinen Grund zu der Annahme, dass die Berufungsschrift den gesetzlichen Formerfordernissen genügt. Schließlich entspricht es - wie im Hinweisbeschluss belegt - ständiger und gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Bezeichnung des Berufungsführers von der in § 519 ZPO angeordneten Schriftform umfasst ist. Dies musste dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin daher ebenso bekannt sein wie der Umstand, dass ihm der "Registrator" keine zuverlässigen Rechtsauskünfte geben kann und insbesondere eine die Zulässigkeit der eingelegten Berufung bejahende Antwort zwingend fehlerhaft sein muss, weil der Berufungsführer entgegen § 519 ZPO anhand der beim Berufungsgericht zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Unterlagen nicht feststellbar ist. Dass die geschilderte Antwort nicht einmal mittelbar auf einer entsprechenden Angabe des/der zuständigen Richter(s) beruhen konnte, ergibt sich dabei zudem offenkundig daraus, dass für den Beschäftigten in der zentralen Eingangsgeschäftsstelle zu Beginn des Telefonats mit dem Prozessbevollmächtigten noch nicht einmal Klarheit darüber bestand, welcher Senat für das Berufungsverfahren zuständig ist. In Anbetracht dieser Umstände konnte dessen Antwort abgesehen davon objektiv gar nicht so verstanden werden, dass sie sich auf die Zulässigkeit der eingelegten Berufung bezog. Vielmehr beschränkte sich ihr Erklärungsgehalt erkennbar darauf, dass bezogen auf seinen Zuständigkeitsbereich, mithin die Zuordnung der eingelegten Berufung zu einem bestimmten erstinstanzlichen Gericht und damit zu einem Senat des Oberlandesgerichts, die zuvor bestehenden Unklarheiten beseitigt seien.

Zuletzt kann die Klägerin auch aus dem Grundsatz, dass sich ein Rechtsanwalt auf Auskünfte der Geschäftsstelle verlassen darf, nichts zu ihren Gunsten herleiten. Denn dies betrifft nur die Mitteilung von konkreten Tatsachen, wie etwa der Zeitpunkt der Urteilszustellung oder dass eine Fristverlängerung gewährt worden ist (vgl. Zöller/Greger, aaO, § 233 Rn. 23 "Geschäftsstelle"). Rechtsansichten vermögen hingegen aus den dargelegten Gründen keinen Vertrauenstatbestand zu begründen. Selbst wenn man die bejahende Antwort auf die Frage ihres Prozessbevollmächtigten, ob mit der Berufung alles in Ordnung sei, entgegen den vorstehenden Ausführungen auf die Zulässigkeit der Berufung beziehen würde, wäre sie indes eine solche (irrige) Rechtsansicht, auf die er sich ersichtlich nicht verlassen durfte.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.