OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.03.2015 - III-3 RVs 3/15
Fundstelle
openJur 2019, 22080
  • Rkr:
Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt und 20 Tagessätze dieser Strafe als Kompensation für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt erklärt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge (vorläufigen) Erfolg.

II.

1. Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft und weist damit einen Rechtsfehler auf (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage, § 337 Rn. 26 m.w.N.).

Zwar hat die geschädigte Zeugin H. den Angeklagten - wie sich dem angefochtenen Urteil entnehmen lässt - bei der polizeilichen Lichtbildvorlage wiedererkannt. Diese Lichtbildvorlage entsprach aber nicht den für eine belastbare Täteridentifizierung erforderlichen Voraussetzungen. Denn entgegen Nr. 18 RiStBV wurden der Zeugin bei der Polizei nicht Lichtbilder anderer Personen "ähnlicher Erscheinung" vorgelegt. Aus den gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO wirksam in Bezug genommenen Lichtbildern ergibt sich nämlich, dass von den dort gezeigten acht Männern nur der Angeklagte die von der Zeugin als Wiedererkennungsmerkmal angegebenen Charakteristika aufwies ("längere eher glatte Haare" und "Haarfarbe", UA S. 7). Dies scheint auch dem Amtsgericht bewusst gewesen zu sein, das eine "besonders vorsichtige Würdigung" vorgenommen haben will, "da die Lichtbildvorlage nicht ordnungsgemäß" und deshalb "für die Überzeugungsbildung des Gerichts nur von untergeordneter Bedeutung" gewesen sei (UA S. 7). Beweismittel von übergeordneter Bedeutung, die die Täterschaft des Angeklagten nachvollziehbar belegen, sind dem angefochtenen Urteil allerdings nicht zu entnehmen. Dass das wiederholte Wiedererkennen in der Hauptverhandlung - zumal nur der Person auf dem Lichtbild - nur äußerst geringen Beweiswert hat, hat das Amtsgericht selbst erkannt. Das Übereinstimmen der "Täterbeschreibung der Zeugin H. mit den Erkenntnissen der erkennungsdienstlichen Behandlung des Angeklagten" (UA S. 6) hat nicht die ihr vom Amtsgericht zugeschriebene besondere Bedeutung, da die Täterbeschreibung (älterer Herr, weiße, etwas längere, eher glatte Haare, mindestens 1,80 m groß, kräftig, stark und schwer) auf eine kaum begrenzbare Zahl von Menschen zutreffen mag.

2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Nimmt der Tatrichter eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung an, so hat er - woran es im angefochtenen Urteil gefehlt hat - Art, Ausmaß und Ursache der Verzögerung konkret festzustellen. Erst in einem zweiten Schritt ist dann das Maß der zu gewährenden Kompensation zu bestimmen (BGH, Beschluss vom 06. Dezember 2007 - 5 StR 478/07 - juris-Datenbank, Rn. 6). Überdies bedarf es bei Schätzung der Einkünfte des Angeklagten im Rahmen des § 40 Abs. 3 StGB der Mitteilung konkreter Schätzungsgrundlagen (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 40 Rn. 20 m.w.N.).

3. Die gleichfalls erhobene Kostenbeschwerde ist mit der Urteilsaufhebung und -zurückverweisung gegenstandslos (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 464 Rn. 20).