LAG Köln, Beschluss vom 13.02.2019 - 9 Ta 229/18
Fundstelle
openJur 2019, 21869
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 05.12.2018 - 9 Ca 5491/18 abgeändert.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über eine fristlose Kündigung sowie über Zahlungsansprüche.

Der Kläger ist Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH) und unterhält seit 2011 ein Ingenieurbüro. Außerdem betreibt der Kläger eine Internetseite unter dem Namen "b -l .de". Die Beklagte handelt mit Komponenten für die Errichtung und den Betrieb von Photovoltaikanlagen.

Gemäß einem zwischen den Parteien geschlossenen schriftlichen Vertrag vom 22.11.2016, der nach Darlegung der Beklagten vom Büro des Prozessbevollmächtigten des Klägers gefertigt worden war, übertrug die Beklagte dem Kläger "als Freiberufler" auf Provisionsbasis sowie gegen ein monatliches nicht zu verrechnendes Fixum i. H v. 3.500,00 EUR zzgl. USt den Alleinvertrieb an Großhändler und Handwerksbetriebe in den Postleitzahlengebieten 40, 41, 42, 43, 50, 51, 52, 53, 57, 58 sowie für bestimmte Händlergruppen. Gemäß Abschnitt II. des Vertrages stellte die Beklagte dem Kläger u. a. einen Dienstwagen mit Fullservice auch zur uneingeschränkten privaten Nutzung sowie ein Laptop zur Verfügung. Der Kläger verpflichtete sich unter Abschnitt III. § 6 Abs. 1 des Vertrages bis zum Ablauf eines Geschäftsjahres zu einem Mindestnettoumsatzvolumen von 200.000,00 EUR. Für den Fall, dass der Kläger das Ziel nicht erreichen sollte, war der Beklagten gemäß Abschnitt III. § 6 Abs. 2 des Vertrages wahlweise vorbehalten, den Vertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen, das Vertragsgebiet oder den Kundenkreis neu zu bestimmen oder die Vertragsprodukte im Vertragsgebiet selbst oder durch Dritte zu vertreiben. Gemäß Abschnitt III. § 4 des Vertrages war es dem Kläger untersagt, ohne schriftliche Einwilligung der Beklagten für ein Unternehmen "im Bereich Licht" tätig zu werden oder sich an einem Konkurrenzunternehmen zu beteiligen. Ferner musste der Kläger die Übernahme weiterer Vertretungen neben der ihm bereits angegeben Vertretung für die Firma eco2heat, Marburg, einem Hersteller für Infrarot-Heizungen, anzeigen. Wegen des näheren Inhalts des Vertrages wird auf Bl. 5 bis 8 der Akte Bezug genommen. Den Beginn des Vertragsverhältnisses bestimmten die Parteien in einem Änderungsvertrag vom 30.03.2017 "aufgrund von Vertrags-/Kooperationsverhandlungen mit Zulieferern/Herstellern im In- sowie Ausland" einvernehmlich auf den 10.04.2017.

Am 06.02.2017 beantragte der Kläger, der bis dahin Arbeitslosengeld bezogen hatte, bei der Bundesagentur für Arbeit im Hinblick auf die beabsichtigte Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Gewährung eines Eingliederungs- bzw. Gründungszuschusses. Gegen den ablehnenden Bescheid der Bundesagentur erhob der Kläger beim Sozialgericht Köln (S 31 AL 508/17). Mit Urteil vom 19.04.2018 entschied das Sozialgericht, dass dem Kläger kein Zuschuss zustehe, da es die Aufnahme einer hauptberuflichen Selbstständigkeit des Klägers in Bezug auf die Vertretertätigkeit für die Beklagte nicht erkennen könne. Die Vermittlungstätigkeit für die Beklagte übe der Kläger nicht selbständig als Handelsvertreter aus. Er trage kein relevantes Unternehmerrisiko

Zuletzt war der Kläger vier Tage/ Woche für die Beklagte tätig, darunter zwei Tage in deren Kölner Büro.

Mit Schreiben vom 31.07.2018 kündigte die Beklagte das Rechtsverhältnis fristlos, da der Kläger das Umsatzziel nicht erreicht habe.

Mit seiner am 10.08.2018 bei dem Arbeitsgericht Köln anhängig gemachten Klage macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der fristlosen Kündigung sowie Provisionsansprüche über 2.570,75 EUR sowie den Ersatz von Auslagen für Treibstoff und Druckerpatronen geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass zwischen ihm und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis bestehe. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 05.12.2018 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Köln verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt Arbeitnehmer gewesen sei. Der Kläger habe nicht dargelegt, wann die Beklagte ihm Einzelweisungen in Ausübung ihres arbeitgeberseitigen Direktionsrechts erteilt habe. Auch habe die Beklagte ihm keine für ein Arbeitsverhältnis typischen Ansprüche gewährt. Hinzu komme, dass der Kläger vor Vertragsbeginn einen Eingliederung bzw. Gründungszuschuss beantragt habe und weiterhin selbständig in anderen Bereichen tätig gewesen sei.

Der Beschluss ist dem Kläger am 12.12.2018 zugestellt worden.

Mit seiner am 17.12.2018 bei dem Landesarbeitsgericht Köln eingegangenen sofortigen Beschwerde rügt der Kläger, dass das Arbeitsgericht ihn zu Unrecht nicht als Arbeitnehmer angesehen habe. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass Berufe im Dienstleistungsbereich ein äußerst breites Spektrum hätten. Arbeitnehmer in diesem Bereich könnten sowohl organisatorischen und zeitlich in einen Betrieb eingebunden sein als auch weitgehend weisungsfrei sein. Maßgebend seien Art und Ausmaß der Vertragsbindung. Er, der Kläger habe monatlich über seine Tätigkeit und die allgemeine Marktentwicklung berichten müssen. Mit ihm sei auch abgesprochen worden, wo er akquirieren solle. Diesbezüglich habe es genaue örtliche Vorgaben gegeben. Ihm sei ein genau definiertes Verkaufsgebiet zugeteilt worden. Darüber hinaus habe die Beklagte ihn angewiesen, bestimmte Produkte anzubieten.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben, so dass eine Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Köln nicht erfolgen darf. Denn der Kläger war Arbeitnehmer iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG.

1.) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis sowie für Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Nach § 13 GVG gehören hingegen vor die ordentlichen Gerichte alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Arbeitnehmer i. S. d. ArbGG sind gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Eine nähere Begriffsbestimmung enthält die Vorschrift nicht, so dass auf den allgemeinen Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsrechts zurückgegriffen werden muss, wie er sich aus der gesetzlichen Definition des Arbeitsvertrags in § 611a Abs. 1 BGB ergibt (GMP/Müller-Glöge, 9. Aufl. 2017, ArbGG § 5 Rn. 2). Arbeitnehmer ist danach, wer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. In diesem Sinne war der Kläger Arbeitnehmer und kein Handelsvertreter oder freiberuflich tätig.

2.) Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien streitig, ob der Kläger, dessen Aufgabe gemäß Abschnitt III. § 1 Abs. 2 des Vertrages die Vermittlung von Aufträgen im Namen der Beklagten war, ohne dass er zur rechtgeschäftlichen Vertretung der Beklagten berechtigt gewesen wäre, als Arbeitnehmer oder als selbständiger Vertreter für die Beklagte handelte. Der selbständigen Vertreter hat im Handelsgesetzbuch (HGB) eine rechtliche Ausgestaltung als "Handelsvertreter" erfahren. Handelsvertreter sind gemäß § 84 Abs. 1 HGB selbständig und deshalb grundsätzlich nicht Arbeitnehmer. Selbständige Handelsvertreter gelten gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG nur dann als Arbeitnehmer, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000,00 Euro aufgrund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben. § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG enthält eine in sich geschlossene Zuständigkeitsregelung, die es verbietet, selbständige Handelsvertreter unter anderen Voraussetzungen als Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 ArbGG zu behandeln (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2015 - VII ZB 8/15 -, Rn. 12, juris). Der Kläger war allerdings kein Einfirmenvertreter kraft Vertrages im Sinne des § 92a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB. Denn er war auch für andere Unternehmen tätig.

3.) Als Angestellter und damit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG als Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG und des § 611a BGB gilt gemäß § 84 Abs. 2 HGB aber derjenige, der, ohne selbständig im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Bei der Abgrenzung zwischen Selbständigen und Unselbständigen ist weder isoliert auf die von den Parteien gewählte Einordnung des Vertrags oder die von diesen gewählte Bezeichnung als Angestellter oder Handelsvertreter noch allein auf die tatsächliche Durchführung des Vertrags abzustellen. Entscheidend ist vielmehr gemäß der sog. Schwerpunkttheorie (Baumbach/Hopt/Hopt, 38. Aufl. 2018, HGB § 84 Rn. 36) das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen Handhabung (BAG, Urteil vom 09. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 -, Rn. 19, juris; BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2009 - VIII ZB 45/08 -, Rn. 12, juris; Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 07. Juni 2017 - 14 Sa 936/15 -, Rn. 122, juris; OLG Köln, Beschluss vom 07. April 2017 - 19 W 16/17 -, Rn. 5, juris; OLG München, Beschluss vom 20. März 2014 - 7 W 315/14 -, Rn. 11, juris).

4.) Im vorliegenden Fall sprechen die Gesamtumstände bei der gebotenen Gesamtabwägung nach Auffassung der Beschwerdekammer für ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien. Denn der Kläger war letztlich nicht selbständig iSd. § 84 Abs. 1 HGB für die Beklagte tätig, auch wenn manche Umstände, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen haben, durchaus gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sprechen.

a) Dass der Kläger im Vertrag als "Freiberufler" bezeichnet wurde, ist allerdings für die Abgrenzung nicht entscheidend. Die von den Parteien gewählte Einordnung des Vertrags als freie Tätigkeit oder die von ihnen gewählte Bezeichnung ist unerheblich, solange sich die praktische Durchführung anders darstellt. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Das ergibt sich schon unmittelbar aus § 611a Abs. 1 Satz 6 BGB. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist vielmehr den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend (BAG, Urteil vom 20. Januar 2010 - 5 AZR 99/09 -, Rn. 13, juris).

b) Der Umstand, dass der Kläger über eine eigene Homepage verfügt, belegt kein selbständiges, unternehmerisches Auftreten am Markt. Denn ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Ausdrucks der Seite "b l .de" verhält sich diese Homepage gar nicht zu der Tätigkeit des Klägers für die Beklagte. Die Homepage beschäftigt sich im Wesentlichen mit Infrarotheizungen. Aus ihr ergibt sich jedenfalls nicht, dass der Kläger als selbständiger Handelsvertreter tätig ist und dass die Beklagte zu den von ihm vertretenen Unternehmen gehört.

c) Die Art der Rechnungsstellung durch den Kläger und die Ausweisung der Umsatzsteuer begründen ebenfalls nicht die Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Denn sie sind allein Ausfluss des Umstandes, dass die Parteien formal eine selbständige Tätigkeit des Klägers vereinbaren wollten und es sich bei den in Rechnung gestellten Beträgen um steuerbare Umsätze i. S. d. §§ 1, 14 UStG handeln sollte.

d) Der von der Beklagten vorgetragene Umstand, dass die Vergütung des Klägers so hoch gewesen sei, dass sie, wäre sie sozialversicherungspflichtig, über der ihres Geschäftsführers liegen würde, ist für die Abgrenzung zwischen einer freien und einer weisungsgebundenen Tätigkeit unerheblich, weil sich aus der Höhe der Vergütung - auch im Verhältnis zu Vorgesetzten - zunächst kein Anhaltspunkt für eine (fehlende) Selbständigkeit gibt. Die Vereinbarung von Entgelten ist, sieht man von gesetzlichen Vergütungsordnungen ab, Sache der Vertragspartner und Teil der Privatautonomie (BSG, Urteil vom 31. März 2017 - B 12 R 7/15 R -, BSGE 123, 50-62, SozR 4-2400 § 7 Nr 30, Rn. 48). Ein gewichtiges Indiz für selbstständige Tätigkeit, wie sie auch für den vom Kläger beantragten Gründungszuschuss nach § 93 Abs. 1 SGB III gefordert wird, bejaht das Bundessozialgericht erst dann, wenn das das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten liegt und dadurch eine Eigenvorsorge zulässt (BSG, Urteil vom 31. März 2017 - B 12 R 7/15 R -, BSGE 123, 50-62, SozR 4-2400 § 7 Nr 30, Rn. 50). Das ist hier aber nicht der Fall. Vertriebsingenieure mit Erfahrung verfügen aktuellen Gehaltsumfragen zufolge über ein Jahresgehalt zwischen 59.000,00 und 67.000,00 EUR brutto (www.alphajump.de/karriereguide/gehalt/gehaltvertriebsingenieur). Selbst ein Einkommen in dieser Höhe hat der Kläger bei der Beklagten jedoch nicht erzielt. Sein Jahresfixum betrug lediglich 42.000,00 EUR zzgl. USt.

e) Ohne maßgebliche Bedeutung für die Abgrenzung zwischen einer selbständigen und einer weisungsgebundenen Tätigkeit ist der vom Kläger für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses angeführte Umstand, dass er gemäß Abschnitt III. § 2 Abs. 2 des Vertrages monatlich über seine Tätigkeiten und die allgemeine Marktentwicklung zu berichten hatte. Derartige Berichtspflichten können sich zwar aus einem Arbeitsvertrag ergeben. Sie beschränken einen Vertreter bei der Gestaltung seiner Tätigkeit aber nicht in einem Maße, das mit dem Selbständigenstatus nicht mehr zu vereinbaren wäre. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Denn auch nach § 86 Abs. 2 HGB hat der Handelsvertreter dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen. Über die Berichtspflichten eines selbständigen Handelsvertreters gingen die vom Kläger verlangten Monatsberichte nicht hinaus (vgl. BAG, Urteil vom 09. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 -, Rn. 30, juris zu Wochenberichten).

f) Für eine selbständige Tätigkeit des Klägers spricht jedoch, dass er ein eigenes Büro unterhalten hat und berechtigt war, für andere Unternehmen zu arbeiten. Insgesamt war er auch nur wenigen Weisungen seitens der Beklagten ausgesetzt, die sich etwa auf Ortsvorgaben bezüglich der Akquisitionstätigkeit (etwa in Köln: " , V , B , E ") oder bestimmte anzubietende Produkte bezogen haben, auch wenn sich der Geschäftsführer der Beklagten ihm gegenüber als "sein Chef" benommen haben soll.

g) Der Kläger war zudem nach den vertraglichen Regelungen in der Gestaltung seiner Arbeitszeit im Wesentlichen frei. Bei der Arbeitszeithoheit handelt es sich um einen wichtigen Abgrenzungsgesichtspunkt. Die ergibt sich aus § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB, wonach selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Vertrag zwischen den Parteien enthält keinerlei Regelungen zu Beginn und Ende einer täglichen Arbeitszeit. Der Kläger hatte keine festen Arbeitszeiten.

h) Dieser Umstand wird jedoch durch andere Gesichtspunkte in seiner Bedeutung relativiert.

aa) Das Maß der Freiheit in der Arbeitszeitgestaltung ist bei Vertretern zwangsläufig abhängig von der Branche und den Kunden. So müssen Vertreter, die - wie der Kläger - Unternehmen in einem größeren örtlichen Umkreis betreuen, auf deren Termine Rücksicht nehmen, so dass ihnen kaum Vorgaben bezüglich der Arbeitseinteilung gemacht werden können.

bb) Von Bedeutung ist auch, dass der Kläger sich unter § 6 des Vertrages in Bezug auf die Vertragsprodukte zu einem Mindestumsatz verpflichtet hatte. Die Festlegung eines Mindestsolls beschränkt den Betroffenen aber erheblich in der freien Bestimmung seiner Arbeitsdauer. Mit einem Selbständigenstatus lassen sich entsprechende Vorgaben nur vereinbaren, wenn dem Betroffenen mit Blick auf die notwendige Arbeitszeit ein erheblicher Spielraum verbleibt (BAG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 5 AZR 169/99 -, BAGE 93, 132-150, Rn. 68). Hiervon ist nicht mehr auszugehen, nachdem die die Parteien vereinbart hatten, dass der Kläger an vier Tagen in der Woche für die Beklagte tätig ist und zwei Arbeitstage in deren Betrieb verbringt, und gleichwohl nicht den geforderten Mindestumsatz erbracht hat.

i) Gegen eine selbständige Vertretertätigkeit des Klägers spricht ebenfalls die Ausgestaltung seiner materiellen Ansprüche, die stark denen eines Arbeitnehmers angeglichen sind und nicht dem gesetzlichen Leitbild eines Handelsvertreters oder eines Freiberuflers entspricht.

aa) Abschnitt III. § 8 des Vertrages richtet sich zwar an den gesetzlichen Bestimmungen des Handelsvertreterrechts aus, stimmt mit ihnen jedoch nicht vollständig überein. So fehlt etwa Anspruch auf einen angemessenen Vorschuss, wie ihn § 87a Abs. 1 Satz 2 HGB vorsieht. Auch von einem für selbständige Handelsvertreter wichtigen Ausgleichsanspruch (§ 89b HGB) ist im Vertrag keine Rede. Ebenso fehlt eine § 87a Abs. 3 HGB entsprechende Regelung, wonach der Provisionsanspruch bestehen bleibt, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. Stattdessen hat der Kläger einen für einen freien Vertretervertrag untypischen Anspruch auf ein monatliches Fixum von 3.500,00 EUR zzgl. USt, das nicht mit einem Provisionsanspruch verrechnet wird. Der Vertrag sieht damit im Gegensatz zu einem typischen Handelsvertretervertrag eben nicht eine rein erfolgsabhängige Vergütung in Form von Vermittlungsprovisionen für alle während der Vertragslaufzeit vom Unternehmen mit Vertragskunden im Vertragsgebiet abgeschlossenen und ausgeführten Verträge vor.

bb) Im Gegenteil: Wie schon das Sozialgericht zutreffend erkannt hat, steht dem Kläger eine Vergütung gemäß Abschnitt III. § 3 Abs. 2 des Vertrags auch für die Zeiten vor, in denen er durch Unfall, Erkrankung oder vergleichbare Ereignisse an der Ausübung seiner Tätigkeit gehindert ist. Dass der Kläger im Falle der Erkrankung auf das Fixum zurückfällt und die Kündigung des Vertrages nach Abschnitt III. § 6 des Vertrages riskiert, fällt demgegenüber nicht ins Gewicht. Denn der Kläger behält jedenfalls einen vergleichsweise hohen Vergütungsanspruch. Die Gefahr einer krankheitsbedingten Kündigung besteht auch in einem Arbeitsverhältnis. Ungewöhnlich für ein freies Vertragsverhältnis bzw. für einen Handelsvertretervertrag, hingegen aber typisch für ein Arbeitsverhältnis ist auch der unter § 8 Abs. 5 des Vertrages vorgesehene Urlaubsanspruch. Dies gilt unabhängig davon, ob der Urlaub, wie es § 7 Abs. 1 BUrlG vorsieht, gewährt bzw. genehmigt oder, wie es die Beklagte vorträgt, nur mit ihr abgesprochen wurde.

j) Gegen eine selbständige Tätigkeit des Klägers spricht zudem, dass sein unternehmerisches Risiko insgesamt stark eingeschränkt war (zum Kriterium des Unternehmerrisikos Baumbach/Hopt/Hopt, 38. Aufl. 2018, HGB § 84 Rn. 36). So steht dem Kläger gemäß Abschnitt II. des Vertrages ein "Dienstwagen wenigstens Golfklasse Kombi mit Fullservice (Steuer, Versicherung, Inspektionen, Wartung, Reparaturen, Reifenwechsel, Ölwechsel, Tankkarte/Kreditkarte für Sprit etc.) auch mit dem Recht zur uneingeschränkten privaten Nutzung" zu. Hinzu kommt, dass der Kläger ein Laptop gestellt bekam. Wer etwa, wie der Kläger, ohne nennenswertes eigenes Kapital sein Betriebskapital vom Auftraggeber gegen Entgelt gestellt bekommt, in eine Arbeitsorganisation eingegliedert ist und in zeitlicher sowie örtlicher Hinsicht weisungsgebunden arbeitet, ohne unternehmerisch am Markt aufzutreten, der kann wohl nicht mehr als selbstständiger Unternehmer angesehen werden (Freckmann, DB 2013, 459, 460).

k) Dass die Stellung des Klägers mehr einem Arbeitnehmer als der eines Selbständigen entsprach, zeigt sich schließlich maßgeblich an dem Umstand, dass er seine Dienste gemäß Abschnitt III. § 3 Abs. 1 des Vertrages persönlich zu erbringen hatte und keine Hilfspersonen hinzuziehen durfte. Die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ist ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis (BAG, Urteil vom 19. November 1997 - 5 AZR 653/96 -, BAGE 87, 129-144, Rn. 125), wohingegen die Befugnis zum Einsatz von Untervertretern und/oder Hilfspersonen ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit darstellt (BAG, Urteil vom 16. Juli 1997 - 5 AZR 312/96 -, BAGE 86, 170-177, Rn. 27). Schaltet ein Mitarbeiter tatsächlich Dritte zur Leistungserbringung - nicht nur ausnahmsweise - ein, führt dies regelmäßig zur Verneinung eines Arbeitsverhältnisses. Sieht der Vertrag jedoch die Befugnis zum Einsatz von Hilfspersonen vor, stellt die Möglichkeit, Dritte einzuschalten, eines von mehreren im Rahmen der Gesamtabwägung zu beachtenden Kriterien dar (Freckmann, DB 2013, 459, 460).

Insgesamt sprechen daher die gewichtigeren Gründe für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses, so dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für den vorliegenden Rechtsstreit eröffnet ist.