LG Bielefeld, Urteil vom 29.10.2015 - 9 O 87/15
Fundstelle
openJur 2019, 21709
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 31 U 257/15
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern als Gesamtschuldnern auferlegt.

Das Urteil ist gegen Leistung von Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar

Tatbestand

Die Beklagte ist eine Sparkasse mit Sitz in N.. Die Kläger wohnen in S..

Im Dezember 2007 schlossen die Kläger als Darlehensnehmer mit der Beklagten als Darlehensgeberin drei Darlehensverträge über 50.000,00 €, über 25.000,00 € und über 145.000,00 €, zusammen mithin über 220.000,00 €. Dabei übergab die Beklagte den Klägern Belehrungen über das Widerrufsrecht der Verbraucher in Textform.

Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten aus den Darlehensverträgen gewährten die Kläger der Beklagten eine Grundschuld über 220.000,00 € auf ihr Grundstück in S.. Die Beklagte zahlte die Darlehensbeträge am 30.01.2008 aus, und die Kläger zahlten die vertraglich vorgesehenen Raten.

Aus Anlass des Ablaufs der Zinsbindungsfrist aus dem Darlehensvertrag über 50.000,00 € am 30.11.2014 schlossen die Kläger mit der Beklagten am 03.12.2012 einen weiteren Darlehensvertrag zum Zweck der Anschlussfinanzierung. Die Ansprüche der Beklagten aus diesem Vertrag wurden durch die Abtretung der Ansprüche der Kläger aus einer Lebensversicherung besichert.

Mit E-Mail vom 10.07.2014 widerriefen die Kläger ihre die Darlehensverträge begründenden Willenserklärungen.

Sie sind der Auffassung, die von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrungen seien fehlerhaft. Aus diesem Grund hätte die gesetzlich vorgesehene Widerrufsfrist noch nicht begonnen, als die Kläger ihre vertragsbegründenden Willenserklärungen widerriefen.

Sie meinen, die Darlehensvertragsverhältnisse hätten sich mit der Ausübung des Widerrufsrechts in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt. Die Beklagte schulde den Klägern danach die Rückgewähr sämtlicher empfangener Leistungen zuzüglich gezogener Nutzungen in Form derjenigen Zinsen, die die Beklagten durch die Gewährung von Dispositionskrediten an Dritte verdient habe. Maßgeblich für die Höhe der von der Beklagten verdienten Zinsen sei der Ansatz in den Statistiken der Deutschen Bundesbank, alternativ der Ansatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Die Kläger ihrerseits seien verpflichtet, an die Beklagte die erhaltenen Darlehensbeträge zuzüglich Nutzungen in Form von Zinsen zu den in den streitgegenständlichen Darlehensverträgen vereinbarten Zinssätzen zu zahlen.

Die Kläger erklärten die Aufrechnung der Forderungen der Beklagten aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis mit ihren Forderungen aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis. Sie sind der Auffassung, der Beklagten stehe nach der Aufrechnung ein Anspruch gegen die Kläger auf die Zahlung von insgesamt 124.140,66 € zu.

Die Kläger nehmen die Beklagte in der Hauptsache auf die Bewilligung der Löschung der Sicherungsgrundschuld Zug um Zug gegen die Zahlung von 124.140,66 € in Anspruch. Sie meinen, das angerufene Landgericht Bielefeld sei nach § 24 ZPO für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich zuständig.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, die Löschungsbewilligung für eine Grundschuld über 220.000,00 € eingetragen im Grundbuch von S. Blatt xxx lastend auf dem Objekt M. Str. xx, xxxxx S. zu erteilen, Zug um Zug gegen Zahlung von 124.140,66 € und

die Beklagte zu verurteilen, den Klägern vorgerichtliche Kosten von 4.085,03 € zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Recht der Kläger zum Widerruf sei bereits erloschen gewesen, als die Kläger den Widerruf erklärten. Ferner meint sie, das angerufene Landgericht Bielefeld sei für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich nicht zuständig.

Das Gericht hat mit Zustimmung der Prozessbevollmächtigten beider Parteien die Fortsetzung des Rechtsstreits im schriftlichen Verfahren angeordnet und bestimmt, dass Schriftsätze bis zum 22.10.2015 eingereicht werden können. Es wird Bezug genommen auf das schriftsätzliche Vorbringen der Prozessbevollmächtigten beider Parteien.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.

I.

Das angerufene Landgericht Bielefeld ist für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich unzuständig.

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld ist nicht schon nach §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO begründet. Denn die beklagte Sparkasse N. hat ihren Sitz in N. und damit außerhalb des Bezirks des Landgerichts Bielefeld.

Eine Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts kann auch nicht auf § 21 ZPO gestützt werden. Dabei kann dahinstehen, ob die Filialen der Beklagten Niederlassungen sind, die im Hinblick auf ihre Eigenständigkeit den Anforderungen des § 21 ZPO genügen. Denn aus dem Vortrag der Parteien ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Beklagte unterhalte Filialen in dem Bezirk des Landgerichts Bielefeld.

Letztlich folgt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld auch nicht aus § 24 Abs. 1 3. Fall ZPO.

Das Gericht hatte die Kläger mit Verfügung vom 11.05.2015 darauf hingewiesen, dass eine örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach § 24 ZPO nur dann in Betracht kommt, wenn die Parteien in einer rechtlichen Beziehung zu dem Grundstück in S. stehen, das durch Löschung von einer Grundschuld befreit werden soll, etwa wenn die Kläger Eigentümer des Grundstücks sind. Das Eigentum der Kläger an demjenigen Grundstück, das von einer Grundschuld befreit werden soll, ist eine notwendige, nicht jedoch eine hinreichende Voraussetzung für die Begründung des ausschließlichen dinglichen Gerichtsstands nach § 24 ZPO.

Richtig ist, dass ein dinglicher Gerichtsstand nach § 24 Abs. 1 3. Fall ZPO - über den Wortlaut der Vorschrift hinaus - auch dann begründet sein kann, wenn die Kläger nicht die Freiheit des Grundstücks von einer dinglichen Belastung geltend machen, sondern - wie hier durch den Antrag auf die Verurteilung der Beklagten zur Bewilligung der Löschung der Grundschuld - auf die Befreiung des Grundstücks von einer dinglichen Belastung klagen (so schon RG, Urteil vom 27.10.1920 - V 97/20, JW 1921, 239 [240]). Richtig ist auch, dass der geltend gemachte Anspruch nicht notwendiger Weise dinglicher Art sein muss, sondern auch - wie hier - schuldrechtlicher Natur sein kann (dazu nur RG, Urteil vom 15.12.1885 - Rep II 287/85, RGZ 15, 386 [386 f.]).

Voraussetzung der Anwendung des § 24 ZPO ist jedoch weiterhin, dass der Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber mit der Norm verfolgt, auch in dem jeweiligen Rechtsstreit die Begründung eines ausschließlichen dinglichen Gerichtsstands rechtfertigt (dazu auch BGH, Urteil vom 26.06.1970, V ZR 168/67, Rdnr. 9 - zitiert nach juris). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Die Ausschließlichkeit des dinglichen Gerichtsstands geht auf die Erwägung zurück, dass eine richtige Würdigung und sichere Feststellung der Rechtsverhältnisse des Grundeigentums vorzugsweise von dem Richter der belegenen Sache zu erwarten ist (dazu BGH, Urteil vom 26.06.1970, V ZR 168/67, Rdnr. 9 - zitiert nach juris; RG, Urteil vom 15.12.1885 - Rep II 287/85, RGZ 15, 386 [387]; RG, Urteil vom 18.01.1890 - Rep V 242/89, RGZ 25. 384 [386]). Den auf diese Erwägung zurückgehende Sinn und Zweck des § 24 ZPO nahm der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zum Anlass, die Frage aufzuwerfen, ob die auf das Reichsgericht zurückgehende Rechtsprechung über Klagen aufrechtzuerhalten ist, mit denen schuldrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden. Der Sinn und Zweck des § 24 ZPO schließe die Anwendung der Vorschrift jedenfalls in denjenigen Fällen aus, in denen der Streit über lediglich obligatorische Ansprüche von der Frage nach dem Bestand und der Qualifikation der dinglichen Belastung nicht berührt wird. Dies betreffe namentlich jedenfalls diejenigen Fälle, in denen ein Sicherungsgeber mit einem Sicherungsnehmer um den Wegfall des schuldrechtlich vereinbarten Sicherungszwecks streitet. Ein solcher Streit könne nämlich ebenso um die Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache oder eines sonstigen Rechts geführt werden (BGH, Urteil vom 26.06.1970, V ZR 168/67, Rdnr. 9 a. E. - zitiert nach juris).

Diese Erwägungen rechtfertigen es, die Anwendung der Bestimmung über einen ausschließlichen dinglichen Gerichtsstand in § 24 ZPO auch in denjenigen Fällen zu verneinen, in denen der Streit um einen schuldrechtlichen Anspruch auf die Bewilligung der Löschung eines Grundpfandrechts nach dem jeweils vorgetragenen Lebenssachverhalt allein die schuldrechtlichen Beziehungen der Streitparteien zum Gegenstand hat und in keiner Hinsicht von dem Bestand der dinglichen Belastung selbst oder seiner rechtlichen Qualifikation berührt wird (im Ergebnis wie hier für die Fälle der Ausübung des Widerrufsrechts in Verbraucherdarlehensverhältnissen LG Hanau, Beschluss vom 06.03.2015, 9 O 1238/14; LG Frankenthal/Pfalz, Beschluss vom 19.01.2015, 7 O 352/14; LG Hannover, Beschluss vom 28.05.2015, 3 O 214/15; LG Darmstadt, Beschluss vom 19.06.2015, 2 O 70/15). Rechtsstreite dieser Art lassen eine sachliche Rechtfertigung dafür vermissen, den § 24 Abs. 1 3. Fall ZPO über seinen Wortlaut hinaus auch dann anzuwenden, wenn nicht die Freiheit eines Grundstücks von einer dinglichen Belastung, sondern ihre Befreiung von einer dinglichen Belastung geltend gemacht wird.

Es ist nicht ersichtlich, dass die Entscheidung eines Rechtsstreits - wie dem hier vorliegenden - über die Ausübung eines schuldrechtlichen Widerrufsrechts gerade durch den Richter der belegen Sache diejenigen Vorzüge bietet, die der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 24 ZPO im Sinn hatte. Denn der Gesetzgeber wollte den Richter der belegenen Sache deshalb für allein befugt erklären, über solche Rechte zu entscheiden, die an der unbeweglichen Sache bestehen, weil zu befürchten sei, dass ein fremdes, mit dem Sachverhalt und dem anzuwendenden Recht nicht oder doch minder genau bekanntes Gericht nicht das richtige Urteil fällen werde (RG, Urteil vom 15.12.1885 - Rep II 287/85, RGZ 15, 386 [387 f.]). Dies steht jedoch in denjenigen Fällen nicht zu befürchten, in denen - wie hier - der mit dem Klageantrag vorgebrachte Lebenssachverhalt in keiner Weise die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse der unbeweglichen Sache selbst zum Gegenstand hat, sondern allein die Fragen, wann das Recht eines Verbrauchers zum Widerruf seiner auf den Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung durch den Ablauf der Widerrufsfrist erloschen ist und wie der Wert der Nutzungen zu bestimmen ist, die die Vertragsparteien nach einem etwaig wirksamen Widerruf einander zurückzugewähren haben.

In diesen Fällen gebietet das hinter § 24 ZPO stehende Anliegen des Gesetzgebers nicht, das Geltendmachen der Befreiung eines Grundstücks von einer dinglichen Belastung dem Geltendmachen der Freiheit eines Grundstücks von einer dinglichen Belastung gleichzustellen und den § 24 Abs. 1 3. Fall ZPO über seinen Wortlaut hinaus zur Anwendung zu bringen.

Auf den Hinweis des Gerichts auf seine örtliche Unzuständigkeit in dem Beschluss vom 02.10.2015 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger angekündigt, keinen Verweisungsantrag stellen zu werden.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

III.

Der Streitwert des Rechtsstreits wird auf 220.000,00 € festgesetzt.