VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 20.12.2016 - 9 L 2647/16
Fundstelle
openJur 2019, 21549
  • Rkr:

Eine einschränkende Auslegung des § 2 a Abs. 2 Satz 2 StVG ist auch unter Berücksichtigung der Anforderungen des Art. 20 Abs. 3 GG trotz evidenter Unrichtigkeit der Entscheidung aus dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenvefahren jedenfalls dann nicht geboten, wenn der Betroffene die ihm zur Verhinderung oder Durchbrechung der Rechtskraft zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe sorgfaltswidrig nicht in der gehörigen Weise genutzt hat.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage 9 K 7706/16 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 24. Oktober 2016 anzuordnen,

ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Das öffentliche Interesse an der in § 2a Abs. 6 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehungsverfügung überwiegt gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an einem Vollstreckungsaufschub, weil die Ordnungsverfügung bei summarischer Prüfung rechtmäßig ist.

Nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe innerhalb der Probezeit nach Ablauf von zwei Monaten seit der vorherigen Verwarnung eine weitere schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. Nach § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG ist die Fahrerlaubnisbehörde bei dieser Maßnahme an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebunden. Die Bewertung der Zuwiderhandlungen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften als schwerwiegend oder weniger schwerwiegend im Rahmen der Fahrerlaubnis auf Probe erfolgt gemäß § 34 Abs. 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) nach Anlage 12 dieser Verordnung. Zu den schwerwiegenden Zuwiderhandlungen zählen danach unter anderem Verstöße gegen § 24a StVG (Ziffer 2.3) sowie gegen die Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung - StVO - über die Geschwindigkeit und über das Verhalten an Wechsellichtzeichen (Ziffer 2.1).

Die Voraussetzungen des § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG sind im Fall des Antragstellers erfüllt.

Die Probezeit des Antragstellers lief bis zum 19. April 2016, nachdem sie sich gemäß § 2a Abs. 2a Satz 1 StVG mit der Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar (§ 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG) vom 3. April 2013 wegen eines Verstoßes gegen § 24a StVG um zwei Jahre verlängert hatte.

Unter dem 18. November 2014 verwarnte die Antragsgegnerin den Antragsteller wegen einer weiteren schwerwiegenden Zuwiderhandlung, nämlich einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 21 km/h außerhalb der geschlossenen Ortschaft, nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVG schriftlich und legte ihm die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung innerhalb von zwei Monaten nahe.

Mit einem dem Antragsteller am 12. Juli 2016 zugestellten Bußgeldbescheid vom 8. Juli 2016 ahndete die Stadt E. eine weitere schwerwiegende Zuwiderhandlung, nämlich einen am 31. März 2016 und damit innerhalb der Probezeit über zwei Monate nach der Verwarnung begangenen Rotlichtverstoß. Dieser Bußgeldbescheid ist mit Ablauf der Einspruchsfrist am 26. Juli 2016 nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG - rechtskräftig geworden.

Die Rechtskraft ist nicht durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 52 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 44 ff. Strafprozessordnung - StPO - durchbrochen. Der am 14. September 2016 bei der Stadt E. eingegangene, mit dem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid verbundene Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist blieb ohne Erfolg. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2016 hat die Stadt E. den Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung wegen unterbliebener Glaubhaftmachung (§ 52 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 44 Satz 1, 45 Abs. 2 Satz 1 StPO) und den Einspruch wegen Fristversäumnis (§ 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG) verworfen.

An die rechtskräftige Entscheidung über die Ordnungswidrigkeit ist die Antragsgegnerin nach § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG gebunden. Auf den Einwand des Antragstellers, den durch rechtskräftigen Bußgeldbescheid vom 8. Juli 2016 geahndeten Rotlichtverstoß nicht begangen zu haben, kommt es nach dem Wortlaut dieser Regelung nicht an.

Allerdings hat der Antragsteller seine Behauptung, die von der Verkehrsüberwachungskamera aufgenommene Person sei nicht er, sondern der Halter des Fahrzeugs, Herr W. T. , gewesen, im Anhörungsverfahren mit der Vorlage einer Fotokopie der Bilder aus der Verkehrsüberwachungskamera und einer Fotokopie seines türkischen Ausweises verbunden, nach denen offenkundig ist, dass die von der Verkehrsüberwachungskamera abgelichtete Person nicht der Inhaber des türkischen Ausweisdokuments ist.

Ob § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG auch den Fall erfasst, dass der rechtskräftige Bußgeldbescheid evident unrichtig ist, hat die obergerichtliche Rechtsprechung bisher offen gelassen, weil die entschiedenen Fälle für eine solche Evidenz nichts hergaben.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 2. Mai 2005 - 16 B 2615/04 -; vom 31. Juli 2009 - 16 B 862/09 -; und vom 28. August 2013 - 16 B 904/13 -, juris Rn. 8 ff.; OVG Hamburg, Beschlüsse vom 3. Dezember 1999 - 3 Bs 250/99 -, juris Rn. 6 und vom 18. September 2006 - 3 Bs 298/05 -, juris Rn. 13; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Februar 2013 - 10 S 2292/12 -, juris Rn. 4. Für eine einschränkende Auslegung des § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG in Fällen evidenter Unrichtigkeit VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 17. November 2005 - 7 L 1092/05 -, juris Rn. 10; dagegen Trésoret, in: Freymann/Wellner, juris-Praxiskommentar Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016, § 2a Rn. 144 f.

Die erkennende Kammer geht bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung davon aus, dass eine einschränkende Auslegung des § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG auch unter Berücksichtigung der Anforderungen des Art. 20 Abs. 3 GG trotz evidenter Unrichtigkeit der Entscheidung aus dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren jedenfalls dann nicht geboten ist, wenn der Betroffene die ihm zur Verhinderung oder Durchbrechung der Rechtskraft zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe sorgfaltswidrig nicht in der gehörigen Weise genutzt hat.

So auch OVG Hamburg, Beschluss vom 18. Juli 2006 - 3 Bs 298/05 -, juris Rn. 11; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 2 Rn. 30.

Ausweislich der Gesetzesbegründung stellt § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG klar, dass die Fahrerlaubnisbehörde in vollem Umfang an die rechtskräftige Entscheidung aus dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren gebunden sei und nicht noch einmal nachprüfen müsse, ob der Fahranfänger die Tat tatsächlich begangen habe.

Vgl. BT-Drs. 13/6914, S. 67.

Verfassungsrechtlich ist diese der Rechtssicherheit und der Verfahrensökonomie dienende Bindungswirkung jedenfalls für den Regelfall nicht zu beanstanden.

Das rechtsstaatliche Gebot der materiellen Gerechtigkeit gilt nicht ohne Einschränkung. Das Prinzip der Rechtssicherheit liegt mit der Forderung nach materieller Gerechtigkeit häufig im Widerstreit. Es ist in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers einen solchen Widerstreit bald nach der Seite der Rechtssicherheit, bald nach der Seite der materiellen Gerechtigkeit hin zu entscheiden. Typische Ausprägungen dieser Konfliktsituation sind die Rechtskraft von Entscheidungen auf der einen sowie die Rechtsinstitute der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und des Wiederaufgreifens des Verfahrens auf der anderen. In diesen Rechtsinstituten wird um der materiellen Gerechtigkeit willen das Prinzip der Rechtssicherheit durchbrochen. Dabei wirkt sich dieses Prinzip jedoch dahin aus, dass die Durchbrechung an enge Voraussetzungen gebunden wird,

vgl. BVerfGE 3, 225 (237); 15, 313 (319); 22, 322 (329),

wie es für das hier in Rede stehende Ordnungswidrigkeitenverfahren mit den Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumnis der Einspruchsfrist in § 52 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 44 ff. StPO und das Wiederaufgreifen des Verfahrens in § 85 OWiG geschehen ist.

Auch bei der Gestaltung von Verwaltungsverfahren hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum. Er darf sich dabei von Zweckmäßigkeitserwägungen, auch solchen der Verfahrensökonomie und der Verfahrensbeschleunigung, leiten lassen.

Vgl. BVerfGE 134, 242 (299 Rn. 192).

Selbst wenn man berücksichtigt, dass das Zurücktreten der materiellen Gerechtigkeit hinter das Prinzip der Rechtssicherheit den Betroffenen stärker belastet, wenn eine möglicherweise fehlerhafte Sanktion nach Eintritt der Rechtskraft nicht nur bestehen bleibt, sondern darüber hinaus Grundlage einer weiteren belastenden Maßnahme wird, steht es dem Gesetzgeber damit jedenfalls grundsätzlich frei, im Interesse der Verfahrensbeschleunigung die Bindung auch der Fahrerlaubnisbehörde an rechtskräftige Bußgeldentscheidungen ausdrücklich anzuordnen.

Für die vom Regelfall abweichende Konstellation evident unrichtiger Entscheidungen über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit könnte die Verhältnismäßigkeit einer Bindungswirkung für die Fahrerlaubnisbehörde ausnahmsweise Bedenken begegnen.

VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 17. November 2005 - 7 L 1092/05 -, juris Rn. 10; anderer Ansicht: Trésoret, in: Freymann/Wellner, juris-Praxiskommentar Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016, § 2a Rn. 144 f.

Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung ist solchen Bedenken aber jedenfalls dann nicht Rechnung zu tragen, wenn der Betroffene die ihm zur Verhinderung oder Durchbrechung der Rechtskraft zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe sorgfaltswidrig nicht in der gehörigen Weise genutzt hat.

Dabei ist auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass jedenfalls die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG - im Vergleich etwa zur Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG - aufgrund einer evident unrichtigen Straf- oder Bußgeldentscheidung besonders schwerwiegende Folgen hat. Sie führt dazu, dass ein Betroffener die Fahrerlaubnis selbst dann verliert, wenn er auf sie zum Erwerb des Lebensunterhalts angewiesen sein sollte, weil er zu Unrecht einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren ausgesetzt war, das mit einem rechtskräftig gewordenen und im Verkehrszentralregister eingetragenen Bußgeldbescheid geendet hat. Gegenüber dieser Belastung wiegt das vom Gesetzgeber neben der Rechtssicherheit verfolgte Ziel der Verfahrensökonomie weniger schwer als im Regelfall, denn einer der Verfahrensökonomie zuwiderlaufenden Nachprüfung bedarf es in Fällen, in denen die Unrichtigkeit einer rechtskräftigen Entscheidung über eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat offensichtlich ist, nicht.

Auf der anderen Seite ist mit Blick auf die Rechtssicherheit allerdings zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber dem Betroffenen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren Rechtsbehelfe zur Verhinderung und Durchbrechung der Rechtskraft zur Verfügung gestellt hat, deren Wahrnehmung dem Betroffenen auch in Fällen evidenter Unrichtigkeit im eigenen Interesse obliegt. Dabei liegt für einen Fahrerlaubnisinhaber auf Probe, der bereits an einer nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG angeordneten Nachschulung teilgenommen hat und nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVG erneut verwarnt wurde, auf der Hand, dass ein an ihn gerichteter Bußgeldbescheid nicht nur die vorgeworfene Ordnungswidrigkeit sanktioniert, sondern auch Bedeutung für die auf Probe erteilte Fahrerlaubnis hat. Hat er von den ihm zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten in sorgfaltswidriger Weise keinen Gebrauch gemacht, ist seine Schutzbedürftigkeit auch im Hinblick auf die gravierende Folge der Fahrerlaubnisentziehung nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG in einer Weise gemindert, die nicht gebietet, bei der Auslegung des § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG ausnahmsweise der materiellen Gerechtigkeit den Vorrang vor der Rechtssicherheit einzuräumen.

Vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 18. Juli 2006 - 3 Bs 298/05 -, juris Rn. 11; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 2 Rn 30.

So liegt der Fall des Antragstellers. In der ihm - nach der Anordnung der Teilnahme am Aufbauseminar - am 22. November 2014 zugestellten Verwarnung nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVG hat die Antragsgegnerin ihn ausdrücklich auf die bei einem weiteren Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften drohende Entziehung der Fahrerlaubnis hingewiesen. Gleichwohl hat er die ihm zur Verfügung stehende Möglichkeit des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid (§§ 67 ff. OWiG) sorgfaltswidrig nicht in der gehörigen Weise genutzt. Er hat es versäumt, rechtzeitig Einspruch einzulegen (§ 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG) und mit seinem Wiedereinsetzungsantrag - wie im Bescheid der Stadt E. vom 18. Oktober 2016 zutreffend ausgeführt ist - nicht nach § 52 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 44, 45 Abs. 2 StPO glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert war.

Verschuldet ist ein Fristversäumnis, wenn der Betreffende diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zuzumuten war.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. September 2014 - 2 B 93/13 -, juris Rn. 11.

Bei einem Rechtsirrtum trifft den Beteiligten nur dann kein Verschulden, wenn er den Irrtum auch bei sorgfältiger Prüfung nicht vermeiden konnte. Ist - wie hier - eine zutreffende und unmissverständliche Rechtsbehelfsbelehrung erteilt, kann vom Rechtschutzsuchenden verlangt werden, dass er diese zur Kenntnis nimmt und befolgt. Sollte der Betroffene der deutschen Sprache nicht mächtig sein, können von ihm zumindest Anstrengungen erwartet werden, sich innerhalb einer angemessenen Frist Gewissheit über den Inhalt eines als amtliches Schreiben erkennbaren Schriftstücks zu verschaffen.

Vgl. LSG NRW, Urteil vom 7. Oktober 2020 - L 6 AS 27/09 -, juris Rn. 22; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. April 1991 - 2 BvR 150/91 -, juris Rn. 11.

Dass er diesen Sorgfaltsmaßstab erfüllt hat, hat der Antragsteller nicht dargelegt. Sein Vorbringen, aufgrund seines Migrationshintergrunds habe er nicht gewusst, dass er schriftlich Einspruch hätte erheben müssen, vermag ihn nicht zu entschuldigen. Er war gehalten, die zutreffende und eindeutige Rechtsmittelbelehrung am Ende des Bußgeldbescheids zur Kenntnis zu nehmen. Dadurch hätte er den Rechtsirrtum vermeiden können. Dass der ausweislich des in Kopie vorgelegten türkischen Ausweisdokuments in H. geborene und wohnhafte Antragsteller der deutschen Sprache nicht mächtig wäre, ist weder vorgetragen noch wäre es angesichts des Geburts- und Wohnorts plausibel. Auch dafür, dass die Stadt E1. bei dem vom Antragsteller angeführten Telefonanruf seines Vaters den Eindruck erweckt haben könnte, eine telefonische Meldung reiche aus, ist nichts ersichtlich. Im Gegenteil hat der Antragsteller mit Schreiben vom 14. September 2016 selbst eingeräumt, dem Vater sei mitgeteilt worden, die Eingabe müsse schriftlich erfolgen.

Die im angegriffenen Bescheid enthaltene Aufforderung zur unverzüglichen Abgabe des Führerscheins findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG.

Die Kostenentscheidung der Kammer folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG -. Die Kammer orientiert sich in Anlehnung an die Streitwertpraxis des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bei der Streitwertbemessung in die Entziehung oder Erteilung einer Fahrerlaubnis betreffenden Hauptsacheverfahren am gesetzlichen Auffangwert (vgl. § 52 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 GKG). Der Streitwert richtet sich demnach gemäß § 52 Abs. 1 GKG allein nach der Bedeutung der Sache für den Rechtsschutzsuchenden. Ein streitwerterhöhendes besonderes Interesse, aufgrund dessen der Streitwert zu verdoppeln ist, ist in Fällen beruflicher Nutzung der Fahrerlaubnis anzunehmen. Hierfür ist jedoch nicht ausreichend, wenn ein Kraftfahrzeug lediglich - wie es bei einem großen Teil der Fahrerlaubnisinhaber der Fall ist - als Transportmittel zur Arbeitsstätte benötigt wird. Vielmehr muss die berufliche Tätigkeit - wie im Fall des Antragstellers nicht dargelegt - gerade im Führen eines Kraftfahrzeugs bestehen.

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Mai 2009 - 16 E 550/09 -.

Für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der Auffangwert nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Hälfte anzusetzen.