FG Köln, Urteil vom 13.04.2016 - 9 K 3310/11
Fundstelle
openJur 2019, 21405
  • Rkr:
Tenor

Der Umsatzsteuerbescheid für 2009 vom 13. April 2012 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer auf 92.218,65 € festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 75% und der Beklagte zu 25%.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob von der Klägerin im Jahr 2009 erbrachte Krankenhausleistungen umsatzsteuerpflichtig sind und, wenn nicht, ob die Klägerin gemäß § 14c Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) die in ihren bis zum 7. August 2009 erstellten Ausgangsrechnungen offen ausgewiesene Umsatzsteuer schuldet.

Die Klägerin ist eine privatrechtliche Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und wurde mit Gesellschaftsvertrag vom ... April 2000 gegründet. Gegenstand ihres Unternehmens war nach dem ursprünglichen Gesellschaftsvertrag die Organisation und Durchführung humanmedizinischer und medizinisch wissenschaftlicher Tätigkeiten. Am 24. Mai 2000 wurde der Gegenstand des Unternehmens dahingehend neu gefasst, dass er nunmehr im Betrieb einer Privatkrankenanstalt in angemieteten Räumen des Krankenhauses A GmbH, B-Straße ..., ... A, mit folgenden diagnostischen und therapeutischen Tätigkeitsschwerpunkten lag:

-               sämtliche Eingriffe an der gesamten Wirbelsäule, operativ und konservativ,

-               sämtliche nichtoperativen orthopädischen Maßnahmen zur Untersuchung und Behandlung von Patienten

-               sämtliche arthroskopischen Eingriffe

-               noch auszuwählende Gelenksersatzeingriffe und

-               Konsile im Krankenhaus A.

Die Klägerin ist im Besitz einer Konzession zum Betrieb einer Privatkrankenanstalt gemäß § 30 GewO. Nach dieser Konzeption wird der Klinikbetrieb ausschließlich in angemieteten Räumen des Krankenhauses A durchgeführt. Die Konzession erstreckt sich auf max. 34 Betten. Sie betrifft sämtliche diagnostischen und therapeutischen Tätigkeiten, die im Gesellschaftsvertrag der Klägerin aufgeführt sind. Nach der Konzession waren im Krankenhaus A ein OP-Raum, ein Sprechstundenraum einschließlich Mitnutzung der Rezeption und eines Wartezimmers, sowie insgesamt 22 Patientenzimmer angemietet, die ihrer Ausstattung nach den anderen Zimmern des Krankenhauses A entsprachen. Im Übrigen wurde die Infrastruktur des Krankenhauses A genutzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Konzession vom 28. April 2000 verwiesen. Eine andere Privatklinik (...) nutzt das Krankenhaus A in ähnlicher Weise.

Sozialversicherungsrechtliche Zulassungen (§ 108 SGB V) oder sonstige Verträge mit Sozialversicherungsträgern (§§ 108 Nr. 3, 109 SGB V, § 73a SGB V) bestehen nicht; die Klägerin ist nicht in den Krankenhausplan (§ 108 Nr. 2 SGB V) des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen. Sie verfügt über keine Zulassung als medizinisches Versorgungszentrum (§ 95 SGB V).

Nach der für das Jahr 2007 vorliegenden OP-Statistik rechnet die Klägerin ihre Leistungen nach den so genannten G-DRG-Fallpauschalen (German-Diagnosis Related Groups als pauschalierendes Vergütungssystem nach § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes) ab. Darüber hinaus stellt sie Kosten für die Zimmernutzung in Rechnung (Einbettzimmer: 95 € pro Nacht; Zweibettzimmer: 65 € pro Nacht). Nach ihrem Vortrag und den für das Streitjahr vorgelegten exemplarischen Rechnungen (Bl. 135 bis Bl. 161 d.A.) behielt sie diese Abrechnungspraxis auch im Streitjahr bei.

Im Streitjahr 2009 wies die Klägerin im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 7. August 2009 in ihren Ausgangsrechnungen die Umsatzsteuer gesondert aus. Der Gesamtbetrag der Rechnungen, in denen die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen worden war, beträgt 485.361,35 € netto, die offen ausgewiesene Umsatzsteuer 92.218,65 €. Für den Zeitraum ab dem 8. August 2009 bis zum 31. Dezember 2009, in dem die Klägerin Umsatzsteuer nicht mehr offen auswies, betrug der Gesamtbetrag der Umsätze 304.613,88 €. Weiterhin nahm die Klägerin im Jahr 2009 eine Rechnungsberichtigung für die Vorjahre in Höhe von netto 2.431,15 € (Umsatzsteuer 16 %: 388,98 €) vor.

Im Streitjahr 2009 gab die Klägerin Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis einschließlich Juni ab, denen der Beklagte folgte. Für die Monate Juli, August und September gab sie keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Der Beklagte schätzte daher die steuerpflichtigen Umsätze sowie die abzugsfähigen Vorsteuerbeträge anhand der für die vorherigen Voranmeldezeiträume abgegebenen Voranmeldungen.

Gegen diese Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen vom 17. November 2009, vom 23. November 2009 und vom 30. Dezember 2009 legte die Klägerin fristgerecht Einsprüche ein. Sie berief sich zunächst darauf, dass sie eine heilberufliche Tätigkeit ausübe, die gemäß § 4 Nr. 14a UStG steuerbefreit sei. Später begründete sie ihren Einspruch damit, dass sie sich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) berufen könne, da § 4 Nr. 14b UStG gegen Unionsrecht verstieße.

Der Beklagte wies die Einsprüche mit verbundenen Einspruchsentscheidungen vom 30. September 2011 als unbegründet zurück. Krankenhausbehandlungen seien ab dem 1. Januar 2009 nach § 4 Nr. 14b UStG nur dann steuerfrei, wenn sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder von zugelassenen Krankenhäusern gemäß § 108 SGB V erbracht würden. Die Voraussetzungen für eine Umsatzsteuerbefreiung hiernach lägen nicht vor. Die Regelung in § 4 Nr. 14b UStG sei richtlinienkonform.

Hiergegen hat die Klägerin am 31. Oktober 2011 Klage erhoben, mit der sie weiterhin die Umsatzsteuerbefreiung für ihre Leistungen geltend macht.

Im Klageverfahren erging am 13. April 2012 der Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2009, der gemäß § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens wurde. In diesem Bescheid setzte der Beklagte die Umsatzsteuer auf 123.495,12 € fest. Dabei berücksichtigte er die von der Klägerin im Rahmen ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung als gemäß § 4 Nr. 14b UStG steuerfreien erklärten Umsätze i.H.v. 891.844 € als Brutto-Ausgangsumsätze und daher den Betrag von 749.448 € als sonstige Leistungen zu 19%. Als abzugsfähige Vorsteuer berücksichtigte er anhand der abgegebenen Voranmeldungen einen Betrag von 18.900 €.

Die Klägerin begründet ihre Klage damit, dass § 4 Nr. 14b UStG gegen unionsrechtliche Vorgaben verstoße. Aus diesem Grund könne sie sich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL berufen. Da sie eine nach § 30 GewO geprüfte und zugelassene Privatklinik sei und Heilbehandlungen im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL ausführe, habe sie Anspruch auf Anwendung der unionsrechtlichen Umsatzsteuerbefreiung.

Die von ihr erbrachten Leistungen stellten dem Gemeinwohl dienende Heil- und Krankenhausbehandlungen dar. Es handele sich um typische, schulmedizinische orthopädische Behandlungen. Es würden keine sonstigen, z.B. exotische Methoden der alternativen Medizin praktiziert. Die Patienten seien teilweise Selbstzahler, ganz überwiegend aber beihilfeversicherte Beamte. Vertragspartner der Klägerin sei jeweils der Patient, nicht seine Krankenkasse. Es gebe daher auch keine direkten Zahlungen durch die Krankenkassen. Vielmehr reiche der Patient die Rechnung bei seiner Krankenkasse zu Erstattung ein. Hierbei sei es regelmäßig zu Kürzungen der Rechnungen der Klägerin gekommen, da jede Beihilfestelle beispielsweise die G-DRG-Sätze eines anderen Krankenhauses zugrunde gelegt hätte, vorzugsweise die der Universitätsklinik ihres Sitzortes. Die Rechnungen der Klägerin sei von den Krankenkassen, Beihilfestellen usw. in weit überwiegender Höhe beglichen worden. Die Klägerin habe sich dann stets mit den Leistungen zufrieden gegeben, die die Patienten von ihrer jeweiligen Kasse erstattet bekommen hätten. Der Differenzbetrag zur Rechnung sei jeweils durch Stornierung gutgeschrieben worden. Hierzu legt sie verschiedene Unterlagen zum Nachweis vor (Bl. 176-206 der Akte).

Soweit sie, die Klägerin, Zuschläge für die Nutzung von Einbettzimmer oder Zweibettzimmern erhoben habe, so berührten diese Zuschläge die maßgebliche Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht mit nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) zugelassenen Krankenhäusern und deren Leistungen in keiner Weise. Dies werde auch dadurch nachgewiesen, dass die Kosten für die Behandlung von den Krankenversicherungen der Patienten der Klägerin grundsätzlich übernommen worden seien. Prozentual lägen die Zuschläge rechnerisch zwischen 2,92% und 10,42%, welche den Umständen nach als unschädlich anzusehen seien. Der bestimmende Faktor für die Höhe der Rechnung seien dieKosten der durchgeführten Behandlung, nicht aber die Kosten für das Zimmer.

Der Beklagte könne sich hinsichtlich der offen in Rechnung gestellten Umsatzsteuer nicht auf § 14c Abs. 1 UStG berufen. Diese Vorschrift regele den Fall, dass der Unternehmer „einen höheren Steuerbetrag“ ausweise, als er geschuldet werde (unrichtiger Steuerausweis). In Betracht käme allenfalls eine Anwendung der Vorschrift des § 14c Abs. 2 UStG. Der Zweck des § 14c UStG ergebe sich aus dessen Abs. 3, wonach eine Gefährdung des Steueraufkommens verhindert werden solle (gemeint ist § 14 Abs. 3 UStG a.F.). Nach den Gesetzesmaterialien zu § 14 Abs. 3 UStG a.F. diene diese Regelung der Verhinderung von Missbräuchen durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis, so dass mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen sei, dass diese Vorschrift lediglich Missbrauchsfälle im Auge haben solle und mithin in diesem Sinne einschränkend auszulegen sei. Da im vorliegenden Fall die Patienten als Rechnungsempfänger in keinem Fall die Möglichkeit gehabt hätten, die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend zu machen, scheide von vornherein sowohl ein Gefährdungs- als auch ein Missbrauchstatbestand aus. Daher schulde sie, die Klägerin, nach keiner Vorschrift des § 14c UStG die von ihr in ihren Rechnungen offen ausgewiesene Umsatzsteuer. Entgegen der Auffassung des Beklagten setze eine Rechnungsberichtigung nach § 14c Abs. 2 S. 5 UStG eine Rückzahlung des vereinnahmten Betrags durch den Steuerschuldner an den Belegempfänger nicht voraus. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass die Rechnungsempfänger die ausgewiesene Umsatzsteuer in der Regel nicht gezahlt hätten.

In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der Klägerin erläutert, dass auch gesetzlich versicherte Patienten behandelt würden; diese erhielten von ihren gesetzlichen Versicherungen Erstattungen.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerjahresbescheid für das Jahr 2009 vom 13. April 2012 aufzuheben,

hilfsweise, im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Er hält angesichts des Urteils des BFH vom 18. März 2015 XI R 38/13, BFH/NV 2015, 1228, nicht mehr daran fest, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 14b UStG in der im Streitjahr geltenden Verfassung mit Unionsrecht vereinbar sei. Aus diesem Grunde könne sich die Klägerin hinsichtlich der Umsatzsteuerbefreiung für die mit dem Betrieb eines Krankenhauses eng verbundenen Umsätze zwar unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen; die Voraussetzungen für eine Umsatzsteuerbefreiung lägen allerdings nicht vor. Nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie komme eine Steuerbefreiung in Betracht für eine „ordnungsgemäß anerkannte Einrichtung“, die „dem Gemeinwohl dienende“ Heil- und Krankenhausbehandlungsleistungen erbringe, die „in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen erbracht“ würden, wie in Krankenhäusern, die in öffentlichrechtlicher Trägerschaft stünden oder nach § 108 SGB V zugelassen sein. Bei der Klägerin handelt es sich nach ihrem eigenen Vorbringen um eine „reine Privatklinik“, deren Patienten „ausnahmslos Privatpatienten, Beihilfe-Patienten oder so genannte Selbstzahler“ seien. In dem vom BFH entschiedenen Fall dagegen seien auf der Grundlage von Strukturverträgen im Sinne des § 73a SGB V auch in erheblichen Umfang (ca. 43 %) Kassenpatienten behandelt worden, deren Behandlungskosten die gesetzlichen Krankenkassen und Berufsgenossenschaften übernommen hätten.

Im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der sozialen Vergleichbarkeit werde zudem darauf hingewiesen, dass dieses Tatbestandsmerkmal angesichts der Wahlleistungen zur Zimmerbelegung im Streitfall nicht erfüllt sei. Die Vermietung von Einbettzimmer oder Zweibettzimmern sei schädlich. Ausweislich der vorgelegten Rechnungen würden hierfür Zuschläge erhoben, die zwischen 10 % und 30 % des Rechnungsgesamtbetrages lägen, was nicht mehr als unschädlich angesehen werden könne. Die Unschädlichkeit könne nicht von der Aufenthaltsdauer des Patienten im Krankenhaus (und der daraus resultierenden Höhe des Zimmeraufschlages im Verhältnis zu den Behandlungskosten) abhängen. Aufgrund der Vermietung ausschließlich von Einbettzimmer und Zweibettzimmern fehle es an der Vergleichbarkeit mit einem Plankrankenhaus in sozialer Hinsicht.

Da die Klägerin im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 7. August 2009 in ihren Ausgangsrechnungen die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen habe, schulde sie die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ohnehin nach § 14c Abs. 1 UStG, da eine Berichtigung für das Jahr 2009 nicht erfolgt sei. Insoweit sei es unerheblich, dass die Mehrheit der Patienten und Krankenversicherung die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht gezahlt habe. Sofern eine Berichtigung der Rechnungen noch erfolge, sei weitere Voraussetzung, dass die erhaltenen Umsatzsteuerbeträge zurückgezahlt würden.

Gründe

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Insoweit ist der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2009 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die von der Klägerin im Streitjahr erbrachten Krankenhausleistungen sind zwar umsatzsteuerfrei. Sie schuldet aber die von ihr im Streitjahr offen ausgewiesene Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 1 UStG; hierbei ist der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht zu gewähren.

I.              Die von der Klägerin im Streitjahr 2009 erbrachten Leistungen sind als Krankenhausleistungen gemäß Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL umsatzsteuerfrei.

1.              Die in Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL vorgesehene Steuerbefreiung für näher bezeichnete Krankenhausleistungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze hat der Gesetzgeber im Streitjahr 2009 in § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG in nationales Recht umgesetzt. Die Klägerin erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift unstreitig nicht. Allerdings hat der BFH zwischenzeitlich wiederholt zutreffend entschieden, dass diese nationale Steuerbefreiungsvorschrift aufgrund des dort niedergelegten Bedarfsvorbehalts mit zwingenden unionsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar ist, so dass sich der Betreiber einer Privatklinik – wie die Klägerin – für die Steuerfreiheit seiner Leistungen unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen kann (BFH-Urteile vom 23. Oktober 2014 V R 20/14, BFH/NV 2015, 631 und vom 18. März 2015, XI R 38/13, BFH/NV 2015, 1224). Dies wird im Streitfall auch vom Beklagten nicht – mehr – in Abrede gestellt.

2.              Die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit ihrer im Streitjahr erbrachten Leistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL für die Klägerin liegen im Streitfall vor.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten von der Umsatzsteuer Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt bzw. bewirkt werden. Diese Begriffe sind nach st. Rspr. des EuGH eng auszulegen, da die in Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL aufgeführten Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Die Auslegung muss jedoch mit den Zielen der Steuerbefreiung in Einklang stehen und dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität entsprechen, so dass die – auch enge – Auslegung nicht dazu führen darf, dass die Steuerbefreiungen leerlaufen (EuGH-Urteil vom 2. Juli 2015, C?344/14, De Fruytier, HFR 2015, 816). Diese Grundsätze gelten auch für die spezifischen Bedingungen, von denen die Gewährung der Steuerbefreiungen nach Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL abhängig gemacht wird und insbesondere für diejenigen, die die Eigenschaft oder Identität des Wirtschaftsteilnehmers betreffen, der die von der Befreiung erfassten Leistungen erbringt (vgl. z.B. Urteile des EuGH vom 28. Januar 2010 C?473/08, Eulitz, Slg. 2010, I-907 und vom 10. Juni 2010, C-262/08, CopyGene, Slg. 2010, I-5053). Ganz allgemein bezieht sich Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL nach der Rechtsprechung des EuGH auf ordnungsgemäß anerkannte Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung wie der, die menschliche Gesundheit zu schützen (EuGH-Urteile vom 10. Juni 2010, C-262/08, CopyGene, Slg. 2010, I-5053 und vom 6. November 2003, Dornier, C-45/01, Slg. 2003, I-12911).

a)              Die Klägerin hat im Streitjahr unstreitig entsprechend ihrem Satzungszweck ausschließlich Krankenhausbehandlungen im Sinne des Art. 132 Buchst. b) MwStSystRL durchgeführt.

b)              Es handelt sich bei der Klägerin auch um eine „ordnungsgemäß anerkannte Einrichtung gleicher Art“; es kann daher offen bleiben, ob sich das Erfordernis der Anerkennung nur auf andere Einrichtungen gleicher Art, nicht aber auf Krankenanstalten sowie Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik bezieht (BFH-Urteil vom 18. März 2015, XI R 38/13, BFH/NV 2015, 1224).

Die Anerkennung einer Einrichtung im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL setzt nach der Rechtsprechung des EuGH kein förmliches Verfahren voraus und muss sich nicht unbedingt aus innerstaatlichen Vorschriften mit steuerrechtlichem Charakter ergeben. Es ist grundsätzlich Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen eine solche Anerkennung den Einrichtungen gewährt werden kann, die sie beantragen. Insoweit verfügen die Mitgliedstaaten über ein Ermessen. Beansprucht ein Steuerpflichtiger für sich die Eigenschaft als ordnungsgemäß anerkannte Einrichtung im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL, haben die zuständigen Behörden die Grenzen des ihnen durch die letztgenannte Bestimmung eingeräumten Ermessens bei der Anwendung der unionsrechtlichen Grundsätze, insbesondere des Grundsatzes der Gleichbehandlung, zu beachten, der im Mehrwertsteuerbereich im Grundsatz der steuerlichen Neutralität zum Ausdruck kommt. In diesem Zusammenhang ist es im Rahmen der Bestimmung der Einrichtungen, die im Sinne der genannten Vorschrift „anzuerkennen“ sind, Sache der nationalen Behörden, nach dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte mehrere Gesichtspunkte, zu denen das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse zählt, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und den Umstand zu berücksichtigen, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden (EuGH-Urteil vom 10. Juni 2010, C-262/08, CopyGene, Slg. 2010 I-5053 m.w.N.; BFH-Urteile vom 23. Oktober 2014 V R 20/14, BFH/NV 2015, 631 und vom 18. März 2015 XI R 38/13, BFH/NV 2015, 1224).

Hiernach stellt die Klägerin zur Überzeugung des Senats eine ordnungsgemäß anerkannte Einrichtung gleicher Art dar. Die Klägerin ist im Besitz der für ihre Tätigkeit nach nationalem Recht allein erforderlichen Genehmigung, der gewerbeordnungsrechtlichen Genehmigung nach § 30 Abs. 1 GewO zum Betrieb einer Privatkrankenanstalt. Ihre Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, da sie der Gesundheit der von ihr behandelten Patienten dient; es gibt keine Anhaltspunkte dafür und wird auch vom Beklagten nicht behauptet, dass die Klägerin auch Leistungen ohne medizinische Indikation erbrächte. Andere Steuerpflichtige, die dieselben Tätigkeiten ausüben und aus diesem Grunde in unmittelbarem Wettbewerb zur Klägerin stehen, kommen ebenfalls in den Genuss der von der Klägerin begehrten Umsatzsteuerbefreiung, namentlich die in öffentlichrechtlicher Trägerschaft stehenden sowie nach den Vorschriften des SGB V zugelassenen Krankenhäuser gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG. Und schließlich wurden die von der Klägerin in Rechnung gestellten Beträge auch im Wesentlichen von Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen. Für die Frage der Anerkennung ist es unerheblich, dass die Entgelte teilweise nicht in voller Höhe übernommen wurden, eine vollständige Übernahme ist nach der Rechtsprechung des EuGH nicht erforderlich. Weiterhin ist hierfür nicht entscheidend, ob bzw. in welchem Umfang gesetzliche Krankenkassen Kosten erstattet haben; auch die privaten Krankenversicherungen sowie die Beihilfestellen stellen Einrichtungen der sozialen Sicherheit dar, so dass auch die Kostenübernahme dieser Stellen als Gesichtspunkt bei der Prüfung, ob eine Anerkennung vorliegt, zu berücksichtigen ist.

c)              Schließlich hat die Klägerin ihre Leistungen im Streitjahr in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen erbracht wie Krankenhäuser, die in öffentlichrechtlicher Trägerschaft stehen oder nach § 108 SGB V zugelassen sind.

Dies ergibt sich für den Senat daraus, dass die Klägerin der Ausstattung nach in einem Krankenhaus in öffentlichrechtlicher Trägerschaft, namentlich dem Krankenhaus A, in angemieteten Räumlichkeiten dieses Krankenhausbetriebes untergebracht ist. Die Ausstattung des Krankenhausbetriebs der Klägerin unterscheidet sich von dem übrigen Krankenhaus A nicht. Zwar bietet die Klägerin nur Ein- und Zweibettzimmer an. Dies aber führt nicht dazu, dass sie in sozialer Hinsicht unter anderen Bedingungen tätig wäre als Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft. Denn auch solche Krankenhäuser bieten Ein- und Zweibettzimmer an, die sich in der Ausstattung wiederum von denjenigen der Klägerin nicht unterscheiden; der Aufschlag von 60,00 € bzw. 95,00 €, den die Klägerin für die Unterbringung erhebt, ist mit dem Preis öffentlicher Krankenhäuser für eine entsprechende Unterbringung vergleichbar. Da die Klägerin mangels Aufnahme in den Krankenhausplan und Abschluss entsprechender Versorgungsverträge kaum gesetzlich versicherte Patienten behandelt bzw. behandeln kann, sondern ganz überwiegend privat versicherte Patienten bzw. Patienten mit Beihilfeanspruch, die ihrerseits regelmäßig Anspruch auf Zweibettzimmerunterbringung haben, kann in der Anbietung ausschließlich von Ein- oder Zweitbettzimmern auch keine mangelnde Vergleichbarkeit gesehen werden.

Die Tatsache, dass aus vorgenannten Gründen in der Klinik der Klägerin keine bzw. nur eine geringe Anzahl von gesetzlich versicherten Patienten behandelt werden, führt für sich genommen auch nicht dazu, dass die Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht fehlen würde. Denn die Behandlung von gesetzlich versicherten Patienten setzt die Zulassung nach § 108 SGB V bzw. den Abschluss entsprechender Verträge mit den Sozialversicherungsträgern voraus. Da dies aber, wie in § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG geregelt, mit den unionsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar ist (BFH-Urteile vom 23. Oktober 2014 V R 20/14, BFH/NV 2015, 631 und vom 18. März 2015, XI R 38/13, BFH/NV 2015, 1224), kann aus Sicht des Senats auch bei der Frage der sozialen Vergleichbarkeit nicht auf die Behandlung gesetzlich versicherter Patienten abgestellt werden. Denn die Vergleichbarkeit bezieht sich auf die Art und Weise der Leistungserbringung, dient aber nicht dazu, Zulassungsbeschränkungen in Bezug auf den Kreis der zur umsatzsteuerfreien Leistungserbringung berechtigten Unternehmer zu rechtfertigen (BFH-Urteile vom 23. Oktober 2014 V R 20/14, BFH/NV 2015, 631; Wäger in BFH/PR 2015, 164, 165).

Schließlich ergibt sich auch aus der Höhe der abgerechneten Entgelte keine Unvergleichbarkeit in sozialer Hinsicht. Denn die Klägerin rechnet nach den vorgelegten Rechnungen ausschließlich die G-DRG-Fallpauschalen (mit dem Faktor 1,0) ab. Lediglich die gesonderte Abrechnung der Unterbringung führt zu einer Erhöhung des Entgelts, da die G-DRG-Fallpauschalen die Unterbringung, allerdings nicht im Ein- oder Zweibettzimmer, bereits enthalten. Da aber auch Krankenhäuser in öffentlichrechtlicher Trägerschaft für diese Form der Unterbringung einen entsprechenden Zuschlag erheben und zudem aufgrund der unterschiedlichen Finanzierungsformen von Krankenhäusern sich die Vergütungssätze von Privatkrankenhäusern und solchen in öffentlichrechtlicher Trägerschaft nicht entsprechen müssen (BFH-Urteile vom 23. Oktober 2014 V R 20/14, BFH/NV 2015, 631), ist dies unerheblich.

II.              Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid für 2009 war dennoch nicht aufzuheben, sondern lediglich im tenorierten Umfang zu ändern. Denn die Klägerin schuldet die von ihr in den Rechnungen des Streitjahres 2009 offen ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 92.218,65 € gemäß § 14c Abs. 1 UStG.

1.               Gemäß § 14c Abs. 1 UStG schuldet den Mehrbetrag, wer in einer Rechnung für eine Lieferung oder eine sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag gesondert ausgewiesen hat, als er nach dem Gesetz schuldet (unrichtiger Steuerausweis). Wer in einer Rechnung dagegen einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet gemäß § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen Betrag. Beide Regelungen unterscheiden sich insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Verfahren zur Berichtigung derartiger Rechnungen.

Im Streitfall richtet sich die Festsetzung der Umsatzsteuer aufgrund der von der Klägerin offen ausgewiesenen Umsatzsteuer entgegen der Auffassung der Klägerin nach § 14c Abs. 1 UStG, nicht nach § 14c Abs. 2 UStG. Denn die Klägerin ist als Unternehmerin im Sinne des § 2 UStG berechtigt, Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis zu erstellen und kann auch umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringen. Im Streitfall dagegen hat sie für umsatzsteuerfreie Leistungen (s.o.) im Rahmen ihres Unternehmens Rechnungen erstellt und die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen. § 14c Abs. 1 UStG erfasst auch die Fälle des gesonderten Steuerausweises bei Ausführung steuerfreier Leistungen im Rahmen des Unternehmens (FG Münster, Urteil vom 11. Dezember 2014 5 K 79/14 U, EFG 2015, 774; BFH-Urteil vom 7. Mai 1987 V R 63/78, BFHE 150, 83, BStBl II 1987, 581 zu § 14 Abs. 3 UStG a.F.; Fleckenstein-Weiland in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Stand 1.11.2015, § 14c Rn. 63 m.w.N.; Stadie, Umsatzsteuergesetz, § 14c Rn. 46 m.w.N.; Korn in Bunjes, UStG, 14. Aufl. 2015, § 14c Rn. 17 m.w.N.).

Der Tatbestand des § 14c Abs. 1 UStG ist erfüllt. Die Klägerin hat im Streitjahr 2009 für die von ihr erbrachten, umsatzsteuerfreien (s.o.) Krankenhausleistungen Rechnungen erstellt und in Höhe von 92.218,65 € Umsatzsteuer offen ausgewiesen. Da sie die Rechnungen nicht nach § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG berichtigt hat, schuldet sie diesen Betrag.

b)              Hiergegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, dass es durch die von ihr begebenen Rechnungen nicht zu einer Gefährdung des Steueraufkommens gekommen sei. Insoweit ist der Klägerin zwar zuzugeben, dass der – berechtigte – Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG aus diesen Rechnungen kaum denkbar erscheint, da die Wiederherstellung der Gesundheit nicht dem unternehmerischen, sondern dem Privatbereich und damit dem nichtunternehmerischen Bereich zuzuordnen sein dürfte. § 14c UStG formuliert aber abstrakte Gefährdungstatbestände, deren Verwirklichung weder einen tatsächlichen Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers voraussetzt, noch, dass dieser überhaupt Unternehmer ist (vgl. Stadie, Umsatzsteuergesetz, § 14c Rn. 4), oder – wie im Streitfall – dass die Leistung überhaupt geeignet ist, für ein Unternehmen bezogen zu werden. Diese sehr extensive Anwendung der Gefährdungshaftung ist verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsprinzips („Übermaßverbot“) aus dem Grunde unbedenklich, dass der Steuerpflichtige durch eine Berichtigung der Rechnung die ihn treffende Haftung für die unrichtig in Rechnung gestellte Umsatzsteuer beseitigen kann (Stadie, Umsatzsteuergesetz, § 14c Rn. 4). Dies aber hat die Klägerin im Streitfall nicht getan.

c)              Im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 2009 vom 13. April 2012 hat der Beklagte im Schätzungsweg Vorsteuern in Höhe von 18.900 € berücksichtigt. Diese Vorsteuern waren im Streitfall nicht mehr zu berücksichtigen, da die Klägerin die bezogenen Leistungen ausschließlich zur Erbringung steuerfreier Ausgangsumsätze verwendet hat, § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG.

III.              Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob sich auch eine Privatklinik, die mangels Zulassung nach § 108 SGB V und mangels Abschlusses eines Strukturvertrags gemäß § 73a SGB V keine gesetzlich versicherten Patienten behandelt, auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL berufen kann.