AG Recklinghausen, Urteil vom 24.03.2017 - 91 C 43/16
Fundstelle
openJur 2019, 21202
  • Rkr:
Tenor

Der unter dem Tagesordnungspunkt 3 gefasste Beschluss der Eigentümerversammlung vom 25.08.2016 wird für ungültig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 6.665,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Ungültigerklärung eines Beschlusses einer Wohnungseigentümerversammlung über bauliche Maßnahmen.

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft K-Str. in Herten, deren Mitglied der Kläger zu 31/1.000 ist. Auf die Teilungserklärung vom 09.05.1975 wird Bezug genommen (Bl. 13 f. d. A.).

Die Wohnungseigentumsanlage besteht aus vier Häusern, die Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre, bezugsfertig errichtet wurden. Oberhalb des Eingangsbereichs der jeweiligen Gebäude wurde die Front des Treppenhauses bis zum Beginn des Daches mit Glasbausteinen ausgestaltet. Diese Glasbausteine sind zum Teil schadhaft. Insoweit wird auf die zur Akte gereichten Lichtbilder (Bl. 152 f. d. A.) Verwiesen.

Am 25.08.2016 fand eine außerordentliche Wohnungseigentümerversammlung statt, wo der Austausch der zuvor beschriebenen Glasbausteine durch Fensterelemente Gegenstand war. Unter dem Tagesordnungspunkt 3 fassten die Wohnungseigentümer ausweislich des Protokolls vom gleichen Tag einstimmig folgenden Beschluss:

"Es wurde der Antrag gestellt, dass die Glasbausteinwände gegen neue Fensterelemente ausgetauscht werden. Aufgrund eines vorliegenden Angebotes wurde der Kostenrahmen mit ca. 43.000 EUR geschätzt. Diese Sanierungsvariante sollte schon jetzt per Beschlussfassung festgelegt werden, sofern in Folgejahren Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten erforderlich werden. Die Glasbausteinwände sollten dann grundsätzlich mit neuen Fensterelementen zur Ausführung kommen. Durch den Verwalter wurde darauf hingewiesen, dass verschiedene Angebote angefordert wurden, jedoch nur ein Anbieter ein Angebot abgegeben hat. Aus diesem Grunde sollte des Weiteren mit dieser Beschlussfassung festgelegt werden, dass weitere Einzelheiten der Auftragsvergabe und die zu beauftragende Firma erst auf der nächsten Jahres Eigentümerversammlung im Jahr 2017 per Beschlussfassung festgelegt werden sollten. Mit der heutigen Beschlussfassung sollte nur die Sanierung mit der Fenstervariante festgelegt und genehmigt werden. Dieser Antrag wurde in allen vorstehenden Ausführungen einstimmig genehmigt."

Bezüglich der weiter gehenden Einzelheiten wird auf das Protokoll der außerordentlichen Versammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 20.08.2016 (Bl. 51 f. d. A.) verwiesen.

Der Kläger hat am 20.09.2016 Klage erhoben und diese mit gleichem Schriftsatz begründet. Das Gericht hat nach Anforderung des Kostenvorschusses vom 22.09.2016 und Zahlung selbigen am 03.10.2016 die Klage am 17.10.2016 zugestellt.

Der Kläger hat ursprünglich behauptet, die Protokollierung entspreche nicht dem auf der Wohnungseigentümerversammlung geäußerten Beschlusswortlaut. Zudem habe er auch in Vollmacht weiterer Wohnungseigentümer gegen den vorliegenden Beschluss gestimmt, was ebenfalls im Protokoll nicht vermerkt sei. Der Kläger behauptet, der Miteigentümer H. sei zu der außerordentlichen Mitgliederversammlung nicht eingeladen worden. Erst der Auffassung, der gefasste Beschluss sei jedenfalls auch in der protokollierten Form für ungültig zu erklären. Um die gewünschte bauliche Maßnahme durchführen zu können, sei zumindest eine doppelt qualifizierte Mehrheit erforderlich, die tatsächlich nicht vorgelegen habe. Darüber hinaus entspreche der Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, da nur ein Kostenvoranschlag eingeholt worden sei.

Der Kläger beantragt,

den in der Versammlung vom 25.08.2016 unter TOP 3 gefassten Beschluss für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, dass die erfolgte Protokollierung richtig sei. Sie sind der Auffassung, dass es auf die vermeintlich fehlende Einladung eines Miteigentümers nicht ankomme. Denn selbst bei seiner Anwesenheit und entsprechender Stimmabgabe mit "nein" sei immer noch eine doppelt qualifizierte Mehrheit für den Antrag vorhanden. Ebenso entspreche der Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung. Aufgrund diverser Mängel sei es lediglich möglich, die Glasbausteine insgesamt abzureißen und durch neue zu ersetzen oder diese abzureißen und durch Fensterelemente auszutauschen. Letztere Möglichkeit stelle eine technisch und wirtschaftlich sinnvollere Lösung dar, insbesondere unter energetischen Gesichtspunkten. Da nur ein Angebot vorgelegen habe, habe man im Rahmen einer zweistufigen Vorgehensweise zunächst ein Grundlagenbeschluss dergestalt gefasst, dass die vorhandenen Glasbausteine gegen neue Fensterelemente entsprechend dem einzig vorliegenden Angebot ausgetauscht werden sollten. Die Vergabe der Arbeiten solle sodann auf eine Eigentümerversammlung im Jahr 2017 beschlossen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen und das Sitzungsprotokoll vom 03.02.2017 (Bl. 173 f. d. A.) Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die gegen einen Beschluss einer Wohnungseigentümerversammlung statthafte Anfechtungsklage ist fristgerecht erhoben worden. Die Klage- und die Begründungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG - bei der es sich um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist handelt - sind eingehalten worden. Danach muss die Beschlussanfechtungsklage innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben und innerhalb von zwei Monaten begründet sein. Die Erhebung der Klage setzt Zustellung an den bzw. die Beklagten voraus (§ 253 Abs. 1 ZPO), denn mit ihr tritt Rechtshängigkeit ein (§ 261 Abs. 1 ZPO). Nach § 167 ZPO reicht es jedoch aus, wenn die Zustellung "demnächst" erfolgt und daher zurückwirkt. Das bedeutet, dass sich der Kläger um eine unverzügliche Zustellung bemühen, den Gerichtskostenvorschuss umgehend einzahlen und gegebenenfalls bei Gericht für die Anforderung Sorge tragen muss (BGH, Urteil vom 12.07.2006 - IV ZR 23/05 = NJW 2006, 3206). Eine absolute zeitliche Grenze nach deren Überschreitung eine Zustellung nicht mehr als "demnächst" gilt gibt es nicht (Roth in: Bärmann, WEG, 13. Auflage 2015, § 46, Rn. 89). Mit Blick auf den nach § 12 Abs. 1 GKG zu leistenden Gerichtskostenvorschuss ist die Zustellung als "demnächst" nur zu bejahen, wenn dieser nach seiner Anforderung innerhalb eines Zeitraumes eingezahlt wird, der sich um zwei Wochen bewegt oder nur geringfügig darüber liegt, was etwa 14 bis 18 Tagen entspricht (Then in: Spielbauer/Then, WEG, 2. Auflage 2012, § 46, Rn. 22; BGH, Urteil vom 16.01.2009 - V ZR 74/08 = NJW 2009, 999).

Nach den vorgenannten Ausführungen hat der Kläger mit der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses am 03.10.2016 alles seinerseits Erforderliche getan, so dass die Klageschrift "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO zugestellt worden ist. Auf die Vorschussrechnung vom 22.09.2016, die bei unterstellt normalem Postlauf am Montag den 26.09.2016 zugegangen ist, hat der Kläger den Gerichtskostenvorschuss am 03.10.2016 und mithin 1 Woche nach der Aufforderung eingezahlt. Die Begründung erfolgte bereits mit Klageerhebung.

Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist der protokollierte Beschluss. Der ursprüngliche Vortrag des Klägers, dies sei nicht die tatsächlich bekannt gegebene Beschlussfassung ist nach der mündlichen Verhandlung vom 03.02.2017 nicht mehr aufrechterhalten worden, nachdem dieser eingeräumt hat, sich an den genauen Wortlaut nicht erinnern zu können und schließlich den Antrag gestellt hat, den protokollierten Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung für ungültig zu erklären.

Der angefochtene Beschluss entspricht nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 4 WEG.

Beschlüsse einer Wohnungseigentümergemeinschaft müssen den Vereinbarungen und Beschlüssen der Wohnungseigentümer und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechen (§ 21 Abs. 3 und Abs. 4 WEG). Beschlussfassungen über Sanierungsmaßnahmen sind bereits ordnungsgemäß vorzubereiten, so dass die Wohnungseigentümer auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage ihr Ermessen ausüben können. Für die Vergabe eines Auftrages zur Durchführung von nicht nur geringfügigen Instandsetzungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum ist daher die Einholung von mindestens 3 Alternativangeboten durch den Verwalter erforderlich (beispielhaft: LG Dortmund, Urteil vom 21.10.2014 - 1 S 371/13; LG Düsseldorf, Urteil vom 22.10.2014 - 25 S 34/14). Entscheidend ist, dass diese Kriterien vor der Beschlussfassung erfüllt sind. Das ist hier nicht der Fall, denn es lag lediglich ein Angebot bei Beschlussfassung vor.

Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht dadurch, dass hier vermeintlich ein zweistufiges Verfahren mit einem Grundlagenbeschluss gefasst worden ist. Grundsätzlich können die Wohnungseigentümer zunächst lediglich einen Grundsatzbeschluss über das Ob oder die Art der Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums fassen und die Umsetzung weiterer Beschlussfassung vorbehalten (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 28.07.2004 - 2 Z BR 043/04). Kommen im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung mehrere Möglichkeiten in Betracht, besteht ein Auswahlermessen. Das setzt aber voraus, dass den Wohnungseigentümern die wesentlichen Entscheidungsgrundlagen unterbreitet werden (Bayerisches Oberstes Landesgericht, a. a. O.). Geht es um einen reinen Grundlagenbeschluss, also um die bloße Frage des "Ob", so wäre sogar die Vorlage von mindestens drei Angeboten entbehrlich (LG Hamburg, Urteil vom 28.03.2012 - 318 S 17/11). Im vorliegenden Fall geht es aber nicht lediglich um die Frage des "Ob", wonach sich in der Regel erst einmal eine Schadensermittlung, die Ermittlung des Umfangs der notwendigen Sanierungsarbeiten, die Frage der Finanzierung und die Gegenüberstellung verschiedener Sanierungsalternativen anschließt. Im vorliegenden Fall haben die Wohnungseigentümer auch über das "Wie" entschieden, in dem die Sanierungsvariante in Form eines kompletten Austausches der Glasbausteine gegen eine Fensterfassade beschlossen worden ist. Wird aber eine konkrete Sanierungsmaßnahme bereits in dem Grundlagenbeschluss - ob ein solcher dann überhaupt noch vorliegt sei dahingestellt - verbindlich zwischen den Wohnungseigentümern festgelegt, müssen sich die Wohnungseigentümer zur Überzeugung des Gerichts auch über die daraus erwachsenen Kosten ein umfassendes Bild machen können. Dies ist nach vorgenannten Grundsätzen nur bei Einholung mehrerer vergleichbarer Angebote zu einer konkreten Sanierungsmaßnahme möglich. Letztlich könnte es, da der einmal gefasste Beschluss Bindung für die Wohnungseigentümer entfaltet, lediglich nur noch darum gehen, an welche Firma eine Auftragsvergabe erfolgt. Damit würde die Wohnungseigentümergemeinschaft aber das grundsätzliche Erfordernis einer umfassenden Kenntnisverschaffung zur ordnungsgemäßen Ausübung des Ermessens bei Beschlussfassung durch Bezeichnung eines Beschlusses als "Grundlagenbeschluss" unterlaufen.

Auf die Übrigen Einwendungen kommt es nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird nach § 49a GKG auf 6.669,71 € festgesetzt. Danach ist dieser auf 50 % des Interesses der Parteien festzusetzen, welches sich auf 43.000 € beläuft. 50 % hiervon sind 21.500 €. Da dieser Betrag höher ist, als das fünffache Eigeninteresse des Klägers in Höhe von 6.665 € (43.000 € Kostenrahmen x 31/1.000 Miteigentumsanteile = 1333,00 € x 5), ist dieses für die Streitwertfestsetzung maßgeblich (§ 49a Abs. 1 S. 2 GKG).

Rechtsbehelfsbelehrung:

A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Dortmund, Kaiserstraße 34, 44135 Dortmund, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Dortmund zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Dortmund durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Recklinghausen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Recklinghausen, Reitzensteinstr. 17, 45657 Recklinghausen, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

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