LG Bonn, Urteil vom 25.08.2015 - 8 S 59/15
Fundstelle
openJur 2019, 21036
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 25.02.2015 (150 C 41/14) unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Arrestbefehl des Amtsgerichts Siegburg vom 27.12.2013 (150 C 43/13) in das Girokonto bei der Sparkasse L2 C mit der BLZ ... und der Kontonummer ... wird für unzulässig erklärt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet. Da die Revision nicht zugelassen wurde und der für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht wird, ist ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet.

1.

Der Antrag der Klägerin, die Zwangsvollstreckung aus dem Arrestbefehl des Amtsgerichts Siegburg vom 27.12.2013 (150 C 43/13) in das Girokonto bei der Sparkasse L2 C mit der BLZ ... und der Kontonummer ... für unzulässig zu erklären, ist gemäß § 771 Abs. 1 ZPO begründet.

a)

Der Klägerin steht ein die Veräußerung hinderndes Recht im Sinne des § 771 ZPO an dem von der Beklagten gepfändeten Konto zu. Die Klägerin ist an dem streitgegenständlichen Konto treuhänderisch berechtigt. Eine treuhänderische Bindung an einem Konto stellt ein die Veräußerung hinderndes Recht im Sinne des § 771 ZPO dar. Widerspruchsberechtigt ist in diesem Fall nur derjenige, zu dessen Vermögen der Vollstreckungsgegenstand gehört, also der Treugeber (Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 771 Rn. 14 "Treuhänder"). Für das Widerspruchsrecht des Treugebers ist die Publizität des Treuhandkontos nicht erforderlich; die Rechtsordnung verlangt grundsätzlich nicht, dass die Vermögensverhältnisse des Schuldners für seine Gläubiger ohne weiteres durchschaubar sein müssen. Notwendig ist lediglich, dass das Konto offen ausgewiesen oder sonst nachweisbar ausschließlich zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenen Fremdgeldern bestimmt ist (BGH ZIP 2005, 1465). Die Drittwiderspruchsklage ist deshalb bereits dann begründet, wenn der Vollstreckungsgegenstand der treuhänderischen Bindung unterliegt, unabhängig davon, ob dies für den Gläubiger erkennbar war oder nicht (BGHZ 61, 72, 79; BGH WM 1993, 1524; OLG Celle, Beschluss v. 07.01.2003 - 4 W 240/02 -, juris; OLGR Celle 1995, 106). Dass es sich vorliegend um ein offenes Treuhandkonto handelte, ist zwischen den Parteien unstreitig gewesen. Im Übrigen folgt aus dem Schreiben der Sparkasse L2 C vom 16.01.2014, dass es sich bei dem Girokonto um ein Treuhandkonto handelte. Darüber hinaus findet sich auf den Kontoauszügen der Zusatz "...# N.Str...-...$$". Hat der Hausverwalter ein Konto mit dem Zusatz "für Wohnungseigentümergemeinschaft" oder "wegen Eigentumsgemeinschaft" eingerichtet, handelt es sich um ein offenes Treuhandkonto (AG Berlin-Mitte, Urteil v. 04.04.2001 - 17 C 31/01 -, juris).

b)

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das auf dem Treuhandkonto befindliche Guthaben seine Eigenschaft als Treugut nicht verloren. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Vorverwalter das dort eingegangene Geld zweckwidrig verwendet hat, so dass die treuhänderische Bindung des Kontoguthabens nachträglich entfallen ist. Wegen der auf dem Treuhandvertrag beruhenden Beschränkung der Rechtsmacht des Verwaltungstreuhänders im Innenverhältnis ist die von ihm gehaltene Forderung zwar dem Vermögen des Treugebers zuzuordnen. Das Treuhandverhältnis erstreckt sich jedoch nur dann auf von dritter Seite geleistete Zahlungen, wenn diese bestimmungsgemäß auf dem Treuhandkonto eingegangen sind (BGH WM 1959, 686, 1223; BGH NJW 1996, 1543). Wird das Guthaben auf einem Treuhandkonto hingegen zweckwidrig verwendet, scheidet es aus dem Vermögen des Treugebers aus. Eine Untreue des Treuhänders hat zur Folge, dass das Konto insgesamt nicht mehr dem Vermögen des Treugebers zugerechnet werden kann. Respektiert der Treuhänder die treuhänderische Bindung des Kontos nicht, kann dies auch von seinen Gläubigern nicht verlangt werden (BGH, Urteil v. 10.02.2011, IX ZR 49/10). Danach besteht das Interventionsrecht gemäß § 771 ZPO nur solange, wie der Treuhänder mit dem Treugut dem Treuhandverhältnis entsprechend verfährt (BGH WM 1959, 686, BGH NJW 1996, 1543; BGH, Urteil v. 10.02.2011, IX ZR 49/10). Ob in diesem Zusammenhang jegliches Fehlverhalten des Treuhänders die berechtigende Zuordnung des Treuguts zum Vermögen des Treugebers zerstört oder welche Anforderungen im Einzelfall zu stellen sind, kann im Streitfall offen bleiben. Die Treuhandbindung besteht jedenfalls dann nicht mehr, wenn dem Treuhänder in Wirklichkeit der Wille fehlt, das Treugut für den Treugeber zu verwalten, und er es stattdessen als eigenes Vermögen behandelt oder wenn es zu einer Vermischung von Fremd- mit Eigengeld kommt.

aa)

In diesem Zusammenhang ist zunächst zu berücksichtigen, dass zwischen den Parteien erstinstanzlich die Zurechnung von einzelnen Zahlungsströmen auf dem Treuhandkonto nicht streitig gewesen ist. Die Beklagte hat vielmehr pauschal behauptet, der Vorverwalter habe das Girokonto zweckwidrig verwendet bzw. es sei zu einer Vermischung von Fremd- mit Eigengeld gekommen. Nach ihrem Vorbringen bestehe bei jedem offenen Treuhandkonto die "grundsätzliche Möglichkeit" und der "grundsätzliche Verdacht", dass dort Gelder eingezahlt würden, die einer anderen Wohnungseigentümergemeinschaft zuzuordnen seien. Bei diesem Vortrag handelte es sich mangels greifbarer Anhaltspunkte um eine willkürliche Behauptung "aufs Geratewohl" (vgl. LG Bonn, Urteil v. 25.07.2014 - 10 O 486/13; LG Bonn, Urteil v. 30.04.2015 - 15 O 351/14; AG Königswinter, Urteil v. 16.04.2015 - 10 C 119/14). Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn zwischen den Parteien unstreitig gewesen wäre, dass der Vorverwalter bei sämtlichen Treuhandkonten der von ihm verwalteten Wohnungseigentümergemeinschaften entgegen der Treuhandabrede Gelder nach eigenem Gutdünken verwandt hat. Die Klägerin hat jedoch mit Nichtwissen bestritten, dass der Vorverwalter bei allen Konten Gelder "verschoben" hat. Zwischen den Parteien ist allein unstreitig, dass gegen den Vorverwalter der Verdacht besteht, acht Sparbücher der Klägerin gefälscht zu haben. Die bloß vermutete Tatsache der Beklagten dürfte hiernach allenfalls dann ausreichen, wenn sie gar keine gesicherte Kenntnis haben könnte (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., Vor § 284 Rn. 5). Dies ist allerdings nicht der Fall; der Beklagten wäre es jedenfalls möglich gewesen, näher zu ihrer Erkenntnisquelle vorzutragen.

bb)

Soweit die Beklagte erstmalig im Berufungsverfahren unter Hinweis auf die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft C behauptet, der Vorverwalter habe am 12.11.2013 einen Betrag in Höhe von 2.000 EUR von dem streitgegenständlichen Treuhandkonto auf ein Konto der Mietverwaltung L-Straße und am 07.11.2013 einen weiteren Betrag auf sein privates Konto überwiesen, ist der Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 ZPO zwar nicht verspätet. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war die Klägerin nicht verpflichtet, konkret zu - von der Beklagten nicht näher bezeichneten - Buchungsvorgängen auf dem Konto vorzutragen. Der Umstand, dass Herr G dringend verdächtig gewesen sein soll, Gelder der von ihm verwalteten Wohnungseigentümergemeinschaften veruntreut zu haben, stellt keinen belastbaren Anhaltspunkt dafür dar, dass er sich auch bei der Verwaltung des streitgegenständlichen Kontos nicht an die Treuhandbindung gehalten hat. Nachdem zwischen den Parteien nunmehr einzelne Zahlungsströme auf dem Treuhandkonto streitig geworden sind, wäre es Sache der Beklagten gewesen, ihrer Beweislast für die Zuordnung der Zahlungen nachzukommen. Im Rahmen einer von ihm erhobenen Drittwiderspruchsklage gegen die Zwangsvollstreckung in das Treugut durch Gläubiger des Treuhänders hat zwar der Treugeber darzulegen und zu beweisen, dass es sich bei dem streitbefangenen Konto um ein Treuhandkonto zu seinen Gunsten handelt (vgl. BGH WM 1996, 662). Daraus kann indes nicht der Schluss gezogen werden, dass die vermögensmäßige Trennung des Treuguts vom Eigenvermögen des Treuhänders eine positive Voraussetzung des Vorliegens eines Treuhandverhältnisses darstellt, weil bei einer zweckwidrigen Verwendung des Treuhandkontos das auf dem Konto befindliche Guthaben seine Eigenschaft als Treugut verliert, es sich also insgesamt nicht mehr um ein Treuhandkonto handelt (so Lange NJW 2007, 2513). Befinden sich auf einem als Treuhandkonto geführten Bankkonto Zahlungsströme, deren Zurechnung zwischen den Parteien streitig ist, handelt es sich vielmehr um eine anspruchsvernichtende Tatsache mit der Folge, dass die Beklagte darzulegen und zu beweisen hatte, dass der Vorverwalter das Kontoguthaben zweckwidrig verwendet hat (LG Bonn, Urteil v. 25.07.2014 - 10 O 486/13; LG Bonn, Urteil v. 30.04.2015 - 15 O 351/14; AG Königswinter, Urteil v. 16.04.2015 - 10 C 119/14). Die Zwangsvollstreckung in Treuhandkonten begründet ein Interventionsrecht, welches dann entfällt, wenn die treuhänderische Bindung des Treuhandkontos nicht beachtet wird. Die Vermögensvermischung stellt deshalb einen Ausnahmetatbestand dar, deren Vorliegen der Vollstreckungsgläubiger darzulegen hat. Hierfür sprechen auch die im Rahmen des § 771 ZPO geltenden allgemeinen Regeln zur Darlegungs- und Beweislast. Grundsätzlich muss der Kläger diejenigen Tatsachen darlegen und beweisen, welche das die Veräußerung hindernde Recht begründen. Macht der beklagte Gläubiger allerdings geltend, dass dieses Recht weggefallen ist, so trägt er grundsätzlich die Beweislast (MüKoZPO/Karsten Schmidt/Brinkmann, ZPO, 4. Aufl., 2012, § 771 Rn. 61).

Dieser Darlegungs- und Beweislast ist die Beklagte auch nach Hinweis der Kammer nicht hinreichend nachgekommen. Soweit sie in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 07.07.2015 unter Hinweis auf den Vermerk der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte behauptet hat, der Verwendungszweck "Fehlüberweisung" erkläre nicht, warum keine Erstattung von den Privatkonto des Herrn G erfolgt ist, sondern eine Erstattung vom Konto der Klägerin, rechtfertigt diese Annahme keine Beweisaufnahme. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob eine einzelne zweckwidrige Überweisung zu einem nachträglichen Wegfall der treuhänderischen Bindung führen kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht in diesem Zusammenhang nicht fest, dass es sich bei der Überweisung vom 07.11.2013 um eine Zahlung vom Konto der Klägerin gehandelt hat und deshalb zwei Überweisungen von ihrem Konto erfolgt sind. Es ist ebenso denkbar und nach dem Aktenvermerk naheliegend, dass die Überweisung am 07.11.2013 von dem Konto mit der Objektnummer ... erfolgt ist und es sich hierbei tatsächlich um eine Erstattung aufgrund einer Fehlüberweisung gehandelt hat. Vor diesem Hintergrund stellt die beantragte Vernehmung der Zeugen Dr. E und G einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar, da er nicht dem Beweis vorgetragener Tatsachen dient, sondern lediglich der Ausforschung von Tatsachen, die es erst ermöglichen sollen, bestimmte Tatsachen zu behaupten und sodann unter Beweis zu stellen.

2.

Der Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB unbegründet, weil nicht ersichtlich ist, dass sich die Beklagte vor Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der Abgabe der Freigabeerklärung in Verzug befand.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO besteht keine Veranlassung. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.800,84 EUR festgesetzt.