VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 24.04.2018 - 8 L 2840/17
Fundstelle
openJur 2019, 20905
  • Rkr:

1. Bei Verwaltungsakten mit drittbelastender Wirkung wird die Monatsfrist gemäß § 74 Abs. 1 VwGO gegenüber einem Dritten nur in Gang gesetzt, wenn dieser eine dem Verwaltungsakt beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung nach ihrer Formulierung und ihrem Inhalt als auch an sich gerichtet ansehen musste.

2. Eine öffentliche Bekanntmachung gemäß § 21a der 9. BImSchV im vereinfachten Genehmigungsverfahren setzt keine Rechtsbehelfsfristen gegenüber Dritten in Gang.

3. Unter welchen Voraussetzungen Geräuschimmissionen von Windenergieanlagen schädlich i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind, wird anhand TA Lärm bestimmt, nicht durch Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (im Anschluss an : OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2017 - 8 A 926/16 -, juris Rn. 55).

4. Im Wege der Zwischenwertbildung kann der nächtliche Immissionsrichtwert an Immissionspunkten, die Wohngrundstücke "in zweiter Reihe" in Randlage zum Außenbereich erfassen, zumindest um 3 dB(A) und im Einzelfall möglicherweise noch stärker zu erhöhen sein (im Anschluss an OVG NRW, Beschluss vom 15. März 2018 - 8 B 736/17 -, demnächst veröffentlicht bei juris [S. 21 im Beschlussabdruck]).

5. Liegt das Wohnhaus eines Antragstellers außerhalb des Einwirkungsbereichs einer (Industrie)Anlage, ist diese nicht als Vorbelastung in die Schallimmissionsprognose für die streitbefangene Windenergieanlage einzubeziehen.

6. Auf technische Maßnahmen im Rahmen der Umweltvorsorge, etwa der Ausstattung einer Windenergieanlage mit sog. Hinterkantenkämmen zur Reduktion von nächtlichen Lärmimmissionen, besteht kein Anspruch, solange der genehmigte Betrieb für den jeweiligen Antragsteller keine unzumutbaren Schallimmissionen hervorruft.

7. Tieffrequenter Schall durch Windenergieanlagen liegt nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand im Allgemeinen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des menschlichen Gehörs und führt grundsätzlich nicht zu Gesundheitsgefahren (im Anschluss an OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 2018 - 8 B 840/17 -, juris Rn. 73).

8. Der Windenergie-Erlass NRW stellt keine rechtlich relevanten Anforderungen oder bindenden Ermessensgrundsätze für die Genehmigungsbehörden auf, die sich im Falle seiner Unionsrechtswidrigkeit auf die Rechtmäßigkeit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auswirken können (im Anschluss an OVG NRW, Beschluss vom 21. November 2017 - 8 B 935/17 -, juris Rn. 44-47).

9. Im Rahmen der Bewertung der optisch bedrängenden Wirkung durch ein Gericht bedarf es weder der Einholung eines medizinischpsychologischen Sachverständigengutachtens noch einer Anpassung der in der Rechtsprechung des OVG NRW entwickelten Faustformel in Bezug auf größere Windenergieanlagen (im Anschluss an OVG NRW, Beschluss vom 21. November 2017 - 8 B 935/17 -, juris Rn. 52, 56).

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

2. Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 8 K 9818/17 erhobenen Klage gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Antragsgegners vom 22. Dezember 2016, Az.: 70.5 G 562.0003/16/1.62, für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage wiederherzustellen,

hat keinen Erfolg. Der Antrag ist zulässig (dazu I.), jedoch nicht begründet (dazu II.).

I. Der Antrag der Antragstellerin auf vorläufigen Rechtsschutz ist zulässig. Ihr fehlt es weder an der Antragsbefugnis (dazu 1.) noch an dem vorausgesetzten Rechtsschutzbedürfnis für ihren Antrag auf Eilrechtsschutz (dazu 2.).

1. Trotz der erheblichen Entfernung zu der streitbefangenen Windenergieanlage von mehr als 1.040 m ist die Antragstellerin antragsbefugt nach § 42 Abs. 2 VwGO analog.

Die in dieser Vorschrift vorausgesetzte Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte auf der Grundlage des Klage- bzw. Antragsvorbringens ist nur auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte der Antragstellerin verletzt sein können. Da die Antragstellerin nicht Adressatin des von ihr angefochtenen immissionsrechtlichen Genehmigungsbescheides ist, kommt es darauf an, ob sie sich für ihr Begehren auf eine öffentlichrechtliche Norm stützen kann, die nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm auch sie als Dritte schützt.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Oktober 2002 - 6 C 8.01 -, BVerwGE 117, 93 = juris Rn. 15, vom 30. März 1995 - 3 C 8.94 -, BVerwGE 98, 118 = juris Rn. 39 f., vom 17. Juni 1993 - 3 C 3.89 -, BVerwGE 92, 313 = juris Rn. 31, und vom 26. Juli 1989 - 4 C 35.88 -, BVerwGE 82, 246 = juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2017 - 8 A 926/16 -, juris Rn. 41.

Soweit es - wie hier - um genehmigungsbedürftige Anlagen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz geht, ist wesentlicher Anknüpfungspunkt für eine mögliche Rechtsverletzung der Antragstellerin die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Nach dieser Vorschrift sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Als "Nachbarn" sind alle Personen anzusehen, die sich auf Dauer im Einwirkungsbereich der Anlage aufhalten oder Eigentümer von Grundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage sind.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19.02 -, juris Rn. 12, und Beschluss vom 24. Juli 2008 - 7 B 19.08 -, juris Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 24. Juni 2015 - 8 B 315/15 -, juris Rn. 9; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 23. Januar 2017 - 8 L 689/16 -, ZNER 2017, 81 = juris Rn. 58; Jarass, BImSchG, Kommentar, 12. Aufl. 2017, § 3 Rn. 38 ff.

Nach dem vorgenannten Prüfungsmaßstab und vor dem Hintergrund dessen, dass das Wohngrundstück der Antragstellerin im Einwirkungsbereich der Anlagen gelegen ist und sie sich dort wohl auch dauerhaft aufhält, kann vorliegend im Rahmen der Zulässigkeit des Antrags jedenfalls nicht offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen werden, dass sie durch die von der genehmigten Windenergieanlage hervorgerufenen Immissionen, etwa in Form von Lärm, nach keiner Betrachtungsweise unzumutbar beeinträchtigt sein könnte. Es kommt vor diesem Hintergrund nicht entscheidend darauf an, ob dies darüber hinaus auch für die weiteren von der Antragstellerin geltend gemachten subjektiven Rechtsverletzungen, z. B. hinsichtlich einer optisch bedrängenden Wirkung, gilt.

2. Der Antragstellerin fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage mit dem Az. 8 K 9818/17. Wäre die Klage eindeutig verspätet erhoben worden mit der Folge, dass der angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheid vom 22. Dezember 2016 der Antragstellerin gegenüber unanfechtbar wäre, ginge der Antrag im vorläufigen Rechtsschutz ins Leere und könnte keinesfalls zu einer Besserstellung der Rechtsposition der Antragstellerin führen.

Vgl. zu diesen Grundsätzen (mit Begründung): OVG NRW, Beschluss vom 19. Oktober 2016 - 8 B 594/16 -, juris Rn. 5 ff.

Eine (offensichtliche) Verfristung kann die Kammer jedoch nicht feststellen. Die einmonatige Klagefrist im Hauptsacheverfahren begann weder aufgrund der einfachen postalischen Übersendung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheides an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin (dazu a) noch aufgrund der öffentlichen Bekanntmachung (dazu b) zu laufen. Unter Berücksichtigung dessen hat die Antragstellerin ihr Klagerecht nicht verwirkt (dazu c).

a) Die einmonatige Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO wurde nicht durch die postalische Übersendung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheides an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin in Gang gesetzt.

Nach § 58 Abs. 1 VwGO muss, um die Frist in Lauf zu setzen, der Beteiligte schriftlich belehrt worden sein. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist unterblieben, wenn ein Beteiligter eine entsprechende Erklärung nicht auf sich beziehen muss. Dabei ist regelmäßig auf die Adressierung des mit der Belehrung versehenen Verwaltungsaktes abzustellen; denn sie bringt zum Ausdruck, wer nach Ansicht der belehrenden Stelle berechtigt sein soll, den Rechtsbehelf anzubringen.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. März 2010 - 7 B 36.09 -, BauR 2010, 1738 = juris Rn. 15 f., und vom 7. Juli 2008 - 6 B 14.08 -, NVwZ 2009, 191 = juris Rn. 9; siehe auch OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Januar 2000 - 21 B 2148/99 -, NWVBl. 2000, 264 = juris Rn. 1 (m. w. N.), und vom 13. November 2014 - 2 B 1111/14 -, NVwZ-RR 2015, 172 = juris Rn. 18.

Bei Verwaltungsakten mit drittbelastender Wirkung muss sichergestellt werden, dass der Dritte eine dem Verwaltungsakt beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung als auch an sich gerichtet ansieht. Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen. Dem Schreiben, mit dem Kopien des an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen adressierten Genehmigungsbescheides dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin übersandt wurden, lässt sich in dieser Hinsicht nichts entnehmen; weder enthält es eine eigene Rechtsbehelfsbelehrung noch einen Hinweis auf die Rechtsbehelfsbelehrung im Genehmigungsbescheid. Die dem Bescheid beigefügte Belehrung ist nicht abstrakt formuliert und macht daher aus sich heraus nicht deutlich, dass ihr Aussagegehalt auch gegenüber anderen als der durch die Adressierung angesprochenen Rechtsvorgängerin der Beigeladenen gelten soll. Im Gegenteil richtet die Belehrung sich nach ihrem konkreten Inhalt ausschließlich an die Rechtsvorgängerin, wie sich der Überschrift "Ihre Rechte" und der einleitenden Formulierung "Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb eines Monats [...]" entnehmen lässt. Die verwendeten Personalpronomina waren bei objektiver Betrachtung nur auf die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen als Adressatin des Genehmigungsbescheides zu beziehen - zumal auch der Tenor des Genehmigungsbescheides in dieser Anredeform eingeleitet wird ("Hiermit erteile ich Ihnen auf Ihren Antrag [...]").

Vgl. in ähnlichen Konstellationen bereits OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Januar 2000 - 21 B 2148/99 -, NWVBl. 2000, 264 = juris Rn. 3, und vom 13. November 2014 - 2 B 1111/14 -, NVwZ-RR 2015, 172 = juris Rn. 20.

b) Die Klagefrist hinsichtlich des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids vom 22. Dezember 2016 wurde gegenüber Dritten, wie etwa der Antragstellerin, auch nicht durch die öffentliche Bekanntmachung in verschiedenen Tageszeitungen am 16. Januar 2017, die mit einer ordnungsgemäßen und an Dritte adressierten Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, in Gang gesetzt.

Eine öffentliche Bekanntmachung gemäß § 21a der 9. BImSchV im vereinfachten Genehmigungsverfahren (§§ 4, 6, 19 BImSchG in Verbindung mit §§ 1, 2 sowie Nr. 1.6.2 des Anhangs der 4. BImSchV) - wie vorliegend - setzt keine Rechtsbehelfsfristen gegenüber Dritten in Gang, weil in § 19 Abs. 2 BImSchG für das vereinfachte Verfahren die entsprechende Regelung in § 10 Abs. 8 BImSchG - und mithin auch der dortige Satz 5 - für nicht anwendbar erklärt wird.

Offen gelassen in OVG NRW, Beschluss vom 19. Oktober 2016 - 8 B 594/16 -, juris Rn. 13, und in VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 23. Januar 2017 - 8 L 689/16 -, ZNER 2018, 81 = juris Rn. 48; hingegen noch befürwortend OVG NRW, Beschluss vom 24. September 2009 - 8 B 1343/09.AK -, NuR 2010, 198 = juris Rn. 57.

An der fehlenden Anwendbarkeit des § 10 Abs. 8 Satz 5 BImSchG ändert auch § 21a der 9. BImSchV nichts, da eine öffentliche Bekanntmachung im vereinfachten Verfahren nach der vorstehend bezeichneten Gesetzeslage (§ 19 Abs. 2 BImSchG) ausdrücklich nicht vorgesehen ist. In Anbetracht dessen kann einer im vereinfachten Verfahren gleichwohl erfolgten öffentlichen Bekanntmachung keine Auswirkung auf die Klagefrist zugestanden werden, weil andernfalls die Intention des Gesetzgebers unterlaufen würde. Würde man die auf Grundlage der Rechtsverordnung in Einzelfällen gleichwohl ermöglichte öffentliche Bekanntmachung im vereinfachten Genehmigungsverfahren für hinreichend erachten, würde das vereinfachte Verfahren hinsichtlich dieser Rechtswirkungen contra legem dem förmlichen Verfahren angenähert. Ist der jeweilige Vorhabenträger hingegen aus Gründen der Rechtssicherheit an einer möglichst breiten Geltung von Rechtsbehelfsfristen interessiert, steht ihm gemäß § 19 Abs. 3 BImSchG die Möglichkeit offen, einen Antrag zu stellen, die Genehmigung nicht in einem vereinfachten Verfahren zu erteilen. Schließlich spricht auch die Regelung in § 21a Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV, die ausschließlich auf § 10 Abs. 8 Satz 2 und 3 BImSchG verweist, dafür, dass § 10 Abs. 8 Satz 5 BImSchG keine Anwendung findet. Nach den allgemeinen prozessualen Grundsätzen kann allenfalls eine Verwirkung des Klagerechts eintreten.

Vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 30. November 2011 - AN 11 K 11.01826 -, juris Rn. 41; Dietlein, in: Landmann/?Rohmer, BImSchG, Kommentar, Stand: 78. EL (Dezember 2015), § 19 Rn. 39; Jarass, BImSchG, Kommentar, 12. Aufl. 2017, § 19 Rn. 30.

c) Die Antragstellerin hat ihr Klagerecht im Hauptsacheverfahren im Zeitpunkt der Erhebung der Anfechtungsklage mit dem Az. 8 K 9818/17 am 31. August 2017 schließlich (noch) nicht prozessual verwirkt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,

vgl. Urteil vom 25. Januar 1974 - IV C 2.72 -, BVerwGE 44, 294 = juris Rn. 24; Beschlüsse vom 28. August 1987 - 4 N 3.86 -, BVerwGE 78, 85 = juris Rn. 15, und vom 16. März 2010 - 4 B 5.10 -, juris Rn. 8,

und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,

vgl. Beschlüsse vom 24. September 2009 - 8 B 1342/09.AK -, ZUR 2010, 204 = juris Rn. 44, und vom 13. November 2014 - 2 B 1111/14 -, NVwZ-RR 2015, 172 = juris Rn. 22,

muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung und der darin liegenden Beeinträchtigung seiner subjektiven Rechtsposition erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden. Von diesem Zeitpunkt an richtet sich die Klagefrist nach den Vorschriften der §§ 74, 58 Abs. 2 VwGO. Diese Grundsätze gelten auch für immissionsschutzrechtliche Genehmigungen. Für den Nachbarn läuft danach ab dem Zeitpunkt, zu dem er sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, in entsprechender Anwendung der §§ 74, 58 Abs. 2 VwGO eine Klagefrist von einem Jahr. Von einem Kennenmüssen ist regelmäßig dann auszugehen, wenn sich das Vorliegen einer Genehmigung für den Dritten aufgrund objektiver Anhaltspunkte aufdrängen muss - sei es, weil Baumaßnahmen erkennbar sind, sei es, weil er in anderer Weise darüber informiert ist - und wenn es ihm zudem möglich und zumutbar ist, sich etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder bei der Genehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen. Maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Oktober 2016 - 8 B 594/16 -, juris Rn. 13

Gemessen hieran ist für eine prozessuale Verwirkung nach Aktenlage nichts ersichtlich. Auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung aller in dem vorhergehenden und dem vorliegenden Verfahren bekannt gewordenen Umstände des Einzelfalls ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin frühestens am 9. Januar 2017 mit Zugang der einfachen postalischen Übersendung von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erfuhr. Da zwischen diesem Zeitpunkt und der Klageerhebung am 31. August 2017 weniger als ein Jahr (vgl. den Rechtsgedanken von § 58 Abs. 2 VwGO) verstrichen war, war im Zeitpunkt der Klagerhebung noch kein Zustand eingetreten, in dem der Antragsgegner nicht mehr mit einer Klageerhebung hätte rechnen müssen.

II. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist nicht begründet. Die im Verfahren nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO gebotene gerichtliche Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.

Die angefochtene Genehmigung vom 22. Dezember 2016 erweist sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig (dazu 1.). Im Rahmen der von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs losgelösten allgemeinen Interessenabwägung überwiegt das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs (dazu 2.).

1. Die angefochtene Genehmigung verletzt aller Voraussicht nach keine subjektiven (Abwehr-)Rechte der Antragstellerin.

Die - hier nach § 4 BImSchG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Nr. 1.6.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV erforderliche - immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist nach § 6 Abs. 1 BImSchG zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und einer auf Grund des § 7 BImSchG erlassenen Verordnung ergebenden Pflichten erfüllt sind (Nr. 1) und andere öffentlichrechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlagen nicht entgegenstehen (Nr. 2).

Der Erteilung der Genehmigung stehen weder die von der Antragstellerin geltend gemachten Bedenken in Bezug auf unzulässige Lärmimmissionen (dazu a) noch in Bezug auf tieffrequenten Schall (dazu b) der Windenergieanlage entgegen. Zudem dringt die Antragstellerin nicht mit ihrem weiteren Einwand durch, dass der Windenergie-Erlass NRW unionsrechtswidrig sei (dazu c). Schließlich kommt der genehmigten Anlage keine optisch bedrängende Wirkung in Bezug auf das Wohngrundstück der Antragstellerin zu (dazu d).

a) Die Antragstellerin wird voraussichtlich nicht durch Lärmimmissionen, die von dem genehmigten Betrieb der streitbefangenen Windenergieanlage ausgehen, unzumutbar beeinträchtigt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG). Dies folgt aus dem vorgelegten Gutachten zu "Geräuschemissionen und -immissionen durch den Betrieb der geplanten Windenergieanlage in N. Q. " der TÜV O. Systems GmbH & Co. KG vom 15. April 2016 in den aktualisierten Fassungen des Gutachtens vom 8. Juli 2016 und vom 16. Oktober 2017 (letzteres nach dem LAI Interimsverfahren).

Unter welchen Voraussetzungen Geräuschimmissionen von Windenergieanlagen schädlich i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind, wird anhand der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm -) vom 26. August 1998 (GMBl. Seite 503), zuletzt geändert durch Bekanntmachung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 1. Juni 2017 (BAnz AT vom 8. Juni 2017, B5), bestimmt, nicht durch - von der Antragstellerin zitierte - Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2017 - 8 A 926/16 -, juris Rn. 55.

Die gegen die gutachterlichen Berechnungen erhobenen Einwände der Antragstellerin greifen nicht durch. Weder werden die maßgeblichen Immissionsrichtwerte (dazu aa) überschritten (dazu bb) noch werden die Berechnungen in der Schallimmissionsprognose durch ihr Vorbringen zu Vorbelastungen (dazu cc) oder zur fehlerhaften Angaben des maximal zulässigen Schallleistungspegels (dazu dd) durchgreifend in Frage gestellt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Anlage auch nicht im Rahmen der Umweltvorsorge mit sog. Hinterkantenkämmen auszustatten (dazu ee) oder mussten in der Genehmigung Abnahmemessungen notwendig vorgesehen werden (dazu ff). Auch die vorgetragenen Bedenken zur Überschätzung der Bodendämpfung überzeugen nicht (dazu gg). Schließlich ist auch keine Gesamtbetrachtung der Lärmbelastung unter Einbeziehung der Geräuschimmissionen durch umliegende öffentliche Verkehrsflächen im Rahmen einer Sonderfallprüfung geboten (dazu hh).

aa) Die Kammer geht zugunsten der Antragstellerin davon aus, dass an ihrem Wohngrundstück, das in einem reinen Wohngebiet gelegen ist, die in Nr. 6.1 Buchstabe f) TA-Lärm 2017 bzw. Buchstabe e) TA-Lärm 1998 festgelegten Lärmimmissionsrichtwerte von 50 dB(A) tagsüber und 35 dB(A) nachts zuzumuten sind. Dies entspricht zugleich den einzuhaltenden Beurteilungspegeln gemäß der Nebenbestimmung Nr. 3.1.6 in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 22. Dezember 2016.

Auf die von den Beteiligten diskutierte Frage, ob gemäß Nr. 6.7 TA Lärm ein höherer Zwischenwert wegen einer Gemengelage zum Außenbereich und zu Gewerbebetrieben zu bilden ist, der sowohl der Eigenart der an die Wohnbebauung angrenzenden Umgebung und der dortigen Schutzwürdigkeit als auch der im Außenbereich vorgesehenen privilegierten Zulässigkeit von Windenergieanlagen Rechnung trägt, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass ein "Aneinandergrenzen" im Sinne von Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm durch den räumlichen Umfang des Rücksichtnahmegebots geprägt wird und nicht schematisch räumlich im Sinne von Mindestabständen von der Immissionsquelle bestimmt werden kann, sondern nach der jeweiligen Schallausbreitung und der damit einhergehenden Betroffenheit von Grundstücken mit höheren Schutzansprüchen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 2007 7 B 24.07 - juris Rn. 4 f. und Rn. 8; OVG NRW Beschluss vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, BauR 2016, 1760 = juris Rn. 9 ff. m. w. N.

Da die Einwirkung auf das gesamte Gebiet zu berücksichtigen ist, kann auch für die Grundstücke, deren Grundstücksgrenze nicht unmittelbar an den Außenbereich angrenzt, sondern die sich "in zweiter Reihe" hinter den Grundstücken mit einer solchen Randlage befinden, ein Zwischenwert zu bilden sein. Dieser muss die auch dort gegebene Vorprägung der Bebauung ebenso berücksichtigen wie die gesteigerte Schutzwürdigkeit aufgrund der weiter entfernten Lage.

Vgl. zur Bildung eines Zwischenwerts bei Grundstücken "der zweiten Reihe": OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Juni 2017 - 8 B 187/17 -, ZNER 2017, 301 = juris Rn. 25, vom 29. Januar 2013 - 8 A 2016/11 -, juris Rn. 14 ff., und vom 15. März 2018 - 8 B 736/17 -, demnächst veröffentlicht bei juris (S. 21 im Beschlussabdruck); Nds. OVG, Urteil vom 12. Mai 2015 - 1 KN 238/13 -, BauR 2015, 1300 = juris Rn. 41.

Ausgehend von diesen Grundlagen kann der nächtliche Immissionsrichtwert an Immissionspunkten, die Wohngrundstücke "in zweiter Reihe" in Randlage zum Außenbereich erfassen, zumindest um 3 dB(A) und im Einzelfall möglicherweise noch stärker zu erhöhen sein.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. März 2018 - 8 B 736/17 -, demnächst veröffentlicht bei juris (S. 21 im Beschlussabdruck).

bb) Die vorgenannten Richtwerte für Lärmimmissionen von 50 dB(A) tagsüber und 35 dB(A) nachts werden durch die Gesamtbelastung bei einem - den in der Nebenbestimmung Nr. 3.1.3 der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 22. Dezember 2016 für den Nachtbetrieb festgelegten maximal zulässigen Wert von 100,1 dB(A) übersteigenden - Schallleistungspegel der Windenergieanlage von 100,7 dB(A) eingehalten. Nach den Berechnungen in der jüngsten Fassung des schalltechnischen Gutachtens der TÜV O. Systems GmbH & Co. KG vom 16. Oktober 2017 (zum Ergebnis S. 24) beläuft sich die Gesamtbelastung durch Lärmimmissionen am Wohnhaus der Antragstellerin (Immissionspunkt "IP 13") zur Nachtzeit auf 33,1 dB(A); hierzu trägt die streitbefangene Windenergieanlage mit einer Zusatzbelastung von 29,4 dB(A) bei (siehe hierzu S. 22 und 24 des Gutachtens).

cc) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist nicht erkennbar, dass die Vorbelastungen in der Schallimmissionsprognose fehlerhaft oder unzureichend berücksichtigt wären. Das Gutachten in der Fassung vom 16. Oktober 2017 (dort S. 12) hat als Vorbelastungen das Betriebsgrundstück der T. GmbH und die bereits bestehende Windenergieanlage G. berücksichtigt.

Die Antragstellerin zeigt nicht auf, dass die Gesamtbelastung an ihrem Wohngrundstück unter Berücksichtigung der von der Raffinerie der S. P. GmbH in H. -T1. ausgehenden Geräuschemissionen im laufenden Betrieb sowie aufgrund häufig auftretender Einzelereignisse (z. B. Ventilöffnungen, Abfackelungen) zu einer Richtwertüberschreitung führen könnte; dagegen spricht bereits die deutliche Unterschreitung des Immissionsrichtwerts für die Nachtzeit um etwa 2 dB (s. o.) sowie die erhebliche Entfernung des Wohngrundstücks von mehr als 2,85 km zur Raffinerie (vgl. Anlage MWP 1 der Beigeladenen, S. 5). Das Wohnhaus der Antragstellerin liegt in Anbetracht der von dort ausgehenden und ihr Grundstück betreffenden Immissionen von weniger als 23 dB(A) nachts (vgl. Stellungnahme der TÜV O. Systems GmbH & Co. KG zur "Windenergieanlage in N. Q. , Geräuschvorbelastung durch den Raffinerie- und Petrochemiestandort der S. P. GmbH in H. T1. " vom 16. Oktober 2017 [Anlage MWP 6 der Beigeladenen], S. 2) außerhalb des Einwirkungsbereichs der Raffinerie. Dieser erfasst nach Nr. 2.2 TA Lärm nur diejenigen Flächen, in denen die von einer Anlage ausgehenden Geräusche a) einen Beurteilungspegel verursachen, der weniger als 10 dB(A) unter dem für diese Fläche maßgebenden Immissionsrichtwert liegt, oder b) Geräuschspitzen verursachen, die den für deren Beurteilung maßgebenden Immissionsrichtwert erreichen. Beide Varianten sind vorliegend betreffend die Geräuschimmissionen der Raffinerie in H. -T1. am Wohnhaus der Antragstellerin selbst bei ausbreitungsgünstigsten meteorologischen Bedingungen (Mitwindsituation) nicht gegeben. Diese Feststellungen zum Einwirkungsbereich der Raffinerie in H. -T1. lassen für die hier relevante Fallkonstellation, in der die Frage zu beantworten ist, ob die Raffinerie als Vorbelastung in die Schallimmissionsprognose für die streitbefangene Windenergieanlage einzubeziehen gewesen wäre, umgekehrt den Rückschluss zu, dass die Raffinerie keinen nennenswerten Beitrag zur Gesamtbelastung am Wohnhaus der Antragstellerin leistet. Insbesondere liegen die schallgutachterlichen Berechnungen weiterhin auf der sicheren Seite, weil schon die Einbeziehung der Raffinerie in H. -T1. nicht annähernd zu einer Überschreitung des Immissionsrichtwerts führt. Nach den logarithmischen Gesetzen bei der Addition von Schallpegeln wirkt sich eine zusätzliche, da bisher nicht berücksichtigte Vorbelastung von 23 dB(A) bei einer Gesamtbelastung von etwa 33 dB(A) im Übrigen (Summe der Zusatzbelastung durch die streitbefangene Anlage sowie der o. g. Vorbelastungen) rechnerisch weniger als 0,5 dB(A) und damit nicht in relevanter Weise aus. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine Mitwindsituation am Wohngrundstück der Antragstellerin tatsächlich nicht gleichzeitig für die beiden in entgegengesetzten Himmelsrichtungen liegenden Anlagen - hier die streitbefangene Windenergieanlage und den Raffinerie- und Petrochemiestandort in H. -T1. - gegeben sein kann (so bereits Stellungnahme der TÜV O. Systems GmbH & Co. KG vom 16. Oktober 2017 [Anlage MWP 6 der Beigeladenen], S. 2 f.).

Soweit die Antragstellerin ergänzend auf das Bebauungsplangebiet Nr. 404 ("Norderweiterung T1. - Teil Ost") und die dort zu erwartenden Lärmeinwirkungen von 37,8 dB(A) verweist, dringt sie mit dieser Argumentation ebenfalls nicht durch. Zum einen ist insoweit - worauf der Antragsgegner und die Beigeladene hinweisen - noch keine aktuell bestehende Vorbelastung zu verzeichnen, da der Bebauungsplan noch nicht rechtskräftig ist und die Planungen der Stadt H. beim Stand aus dem Jahr 2006 stagnieren; im Falle künftiger immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen auf dieser Grundlage wäre vielmehr die in diesem Zeitpunkt bestehende Vorbelastung (ggf. unter Einschluss der streitbefangenen Windenergieanlage) zu berücksichtigen. Zum anderen wäre die plangegebene Vorbelastung von 37,8 dB(A), die für einen etwa 1.000 m näher zur Raffinerie gelegenen Immissionspunkt berechnet wurde, unter Berücksichtigung der größeren Entfernung des Wohngrundstücks der Antragstellerin und der hierdurch eintretenden zusätzlichen Dämpfung herabzusetzen. Legt man hierfür die von der TÜV O. Systems GmbH & Co. KG in ihrer Stellungnahme vom 16. Oktober 2017 (Anlage MWP 6 der Beigeladenen, S. 2) dargestellten Gleichungen für die geometrische Ausbreitung und die Eigenabschirmung des zu beurteilenden Gebäudes zugrunde, beläuft sich die Vorbelastung am Wohnhaus der Antragstellerin auf maximal 24,5 dB(A). Auch insoweit sind relevante Auswirkungen auf die Gesamtbelastung, die zu einer Überschreitung des Immissionsrichtwerts führen (könnten), nach den oben genannten logarithmischen Gesetzen bei der Addition von Schallpegeln nicht zu erwarten.

In dem gesamten vorstehenden Zusammenhang weist die Kammer schließlich darauf hin, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die streitbefangene Windenergieanlage selbst bei einer geringfügigen Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund einer Vorbelastung nicht zu versagen wäre, solange dauerhaft sichergestellt ist, dass diese Überschreitung nicht mehr als 1 dB(A) beträgt (vgl. Nr. 3.2.1, Abs. 3 TA Lärm). Damit kann sich die Gesamtbelastung vorliegend - ungeachtet der im Übrigen möglichen Zwischenwertbildung aufgrund der bestehenden Gemengelage (dazu aa) - auf bis zu 36 dB(A) belaufen, ohne dass eine unzulässige Richtwertüberschreitung anzunehmen wäre. Auch in diesem Fall, der einer Erhöhung der berechneten Gesamtbelastung um fast 3 dB(A) und damit nach den logarithmischen Gesetzen einer Verdoppelung der summierten Einzelschallpegel entspricht,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 2003 - 4 BN 51.03 -, BauR 2004, 1132 = juris Rn. 7,

läge die Berechnung der Schallimmissionsbelastung des Wohngrundstücks der Antragstellerin noch auf der sicheren Seite.

dd) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der - gemäß der Nebenbestimmung Nr. 3.1.3 im Genehmigungsbescheid zur Nachtzeit - maximal zulässige Schallleistungspegel Le,max von 100,1 dB(A) als der für die messtechnische Überprüfung maßgebliche Wert nicht fehlerhaft angegeben. Bei dem Emissionswert Le,max handelt es sich nach den Erläuterungen in der Nebenbestimmung Nr. 3.1.1 um den maximal zulässigen Schallleistungspegel im Sinne der oberen Vertrauensbereichsgrenze, der neben dem durch Dreifachvermessung ermittelten Schallleistungspegel (LWA) inkl. etwaigen - hier aber mit Null anzusetzenden - Zuschlägen für die Ton- und Impulshaltigkeit auch den zulässigen Toleranzbereich für die Produktionsstreuung einschließt. Der gemessene Schallleistungspegel LWA liegt nach den Feststellungen des Messberichts ("Bestimmung der Schallemissionswerte der Senvion Windenergieanlage des Typs 3.2M114 aus mehreren Einzelmessungen gemäß FGW TR1" der Windtest Grevenbroich GmbH vom 14. Januar 2016 [Anlage MWP 8 der Beigeladenen]) im Betriebsmodus Soundmanagement I bei maximal 98,9 dB(A); die Standardabweichung beläuft sich in diesem Fall auf 0,9 dB(A). Erst in der Summe mit diesem Zuschlag für die Serienstreuung ergibt sich unter Anwendung der immissionsseitigen Irrtumswahrscheinlichkeit (d. h. Multiplikation mit dem Faktor 1,28 zur Berücksichtigung der 90 %-igen Vertrauensbereichsgrenze, vgl. Nr. 3 Buchst. e) der LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen mit Stand vom 30. Juni 2016) der maximale Schallleistungspegel von gerundet 100,1 dB(A).

ee) In Anbetracht des Umstands, dass auch der Lärmimmissionsrichtwert zur Nachtzeit durch die streitbefangene Windenergieanlage eingehalten wird, geht der Einwand der Antragstellerin, die Anlage sei im Rahmen der Umweltvorsorge zur Reduktion von nächtlichen Lärmimmissionen mit sog. Hinterkantenkämmen auszustatten, ins Leere. Für eine derartige Nebenbestimmung besteht kein Bedürfnis, da der genehmigte Betrieb nach den vorstehenden Feststellungen keine unzumutbaren Schallimmissionen am Wohnhaus der Antragstellerin hervorruft; der Nachbarschutz verlangt angesichts dessen keine weitergehenden Maßnahmen und Regelungen als die bereits im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 22. Dezember 2016 getroffenen.

ff) Ebenso wenig musste bereits in der Genehmigung festgelegt werden, dass eine Immissionsmessung zwingend durchzuführen ist. Nr. 3.1.3 der Nebenbestimmungen des angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheides vom 22. Dezember 2016 sieht eine akustische FGW-konforme Emissionsmessung innerhalb eines Jahres nach Inbetriebnahme der Anlage vor, um nachzuweisen, dass der Schallleistungspegel den maximal zulässigen Emissionspegel im Nachtbetrieb einhält. Für Emissionsmessungen im Sinne einer Messung des Schallleistungspegels der Anlage spricht, dass Immissionsmessungen aufgrund von Störgeräuschen durch Wind, Blätterrauschen oder Straßenverkehrslärm eine große Unsicherheit innewohnt. Mit Emissionsmessungen an der Windenergieanlage kann demgegenüber ein ausreichender Abstand zu Fremdgeräuschen erreicht werden.

Vgl. Agatz, Windenergie Handbuch, 14. Ausgabe 2017, S. 224-232; Windenergie-Erlass NRW vom 4. November 2015, Nr. 5.2.1.1; dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 29. November 2017 - 8 B 663/17 -, BauR 2018, 651 = juris Rn. 64, und vom 20. Februar 2018 - 8 B 840/17 -, juris Rn. 71; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2013 - 7 C 22.11 -, NVwZ-RR 2013, 593 = juris Rn. 27 (zu Kontrollwerten).

gg) Die Schallimmissionsprognose ist in der aktuellen Fassung des Gutachtens der TÜV O. Systems GmbH & Co. KG vom 16. Oktober 2017 (Anlage MWP 5 der Beigeladenen) auch nicht fehlerhaft, weil die Bodendämpfung in den Berechnungen überschätzt und die Schallimmissionen einer Windenergieanlage mit der vorliegenden Gesamthöhe in größerer Entfernung unterschätzt würden. Insoweit kann offenbleiben, ob die Bindungswirkung der TA Lärm bzw. der von ihr in Bezug genommenen DIN ISO 9613-2 für die Ermittlung von Schallimmissionen bei Windenergieanlagen entfallen ist, weil die in ihr enthaltene sachverständige Aussage durch neue Erkenntnisse in Wissenschaft und Technik überholt wäre. Denn die Berechnungen in der genannten Fassung des Gutachtens erfolgten nach entsprechender Angabe der Gutachter (Seite 7 und 16) gemäß der LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen mit Stand vom 30. Juni 2016 auf Basis des sog. Interimsverfahrens.

In vergleichbaren Konstellationen siehe OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Februar 2018 - 8 B 840/17 -, juris Rn. 70, und vom 15. März 2018 - 8 B 736/17 -, demnächst veröffentlicht bei juris (S. 22 f. im Beschlussabdruck).

hh) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist schließlich auch keine Gesamtbetrachtung der Lärmbelastung unter Einbeziehung der Geräuschimmissionen durch umliegende öffentliche Verkehrsflächen im Rahmen einer Sonderfallprüfung geboten.

Eine Sonderfallprüfung ist nach Nr. 3.2.2 Satz 1 TA Lärm durchzuführen, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die bei der Regelfallprüfung keine Berücksichtigung finden, nach Art und Gewicht jedoch wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung haben können, ob die Anlage zum Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen relevant beiträgt. Dabei ist ergänzend zu prüfen, ob sich unter Berücksichtigung dieser Umstände des Einzelfalls eine vom Ergebnis der Regelfallprüfung abweichende Beurteilung ergibt (Satz 2).

Solche besonderen Umstände des Einzelfalls sind hier nicht gegeben.

Zwar können solche Gründe gerade beim Zusammentreffen von Verkehrsgeräuschen, die nicht durch den Anlagenbetrieb hervorgerufen werden, mit den Geräuschimmissionen der zu beurteilenden Anlagen vorliegen.

Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht - Kommentar, Stand: 83. EL (Mai 2017), Nr. 3 TA Lärm, Rn. 46; siehe auch OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Juni 2017 - 10 B 32/17 -, juris Rn. 29, und vom 21. November 2017 - 8 B 935/17 -, BauR 2018, 659 = juris Rn. 28.

Auch kommt es für die Schädlichkeit von Umwelteinwirkungen durch (Lärm-)?Immissionen nach den Definitionen in § 3 Abs. 1 und Abs. 2 BImSchG nicht darauf an, woher, insbesondere aus wie vielen Quellen, die zu beurteilende Beeinträchtigung stammt. Weiter ist bei der immissionsschutzrechtlichen Beurteilung von Anlagen die Geräuschvorbelastung grundsätzlich zu berücksichtigen. Daraus folgt jedoch nicht, dass dem nur durch die Bildung eines alle Geräusche erfassenden Summenpegels Rechnung getragen werden kann. Die Frage, wie der Lärmbeitrag anderer Lärmquellen zu berücksichtigen ist, ist vorrangig nach dem jeweils einschlägigen Regelwerk zu beantworten.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Juni 2017 - 10 B 32/17 -, juris Rn. 27, vom 3. August 2011 - 8 B 753/11 -, juris Rn. 12, und vom 21. November 2017 - 8 B 935/17 -, BauR 2018, 659 = juris Rn. 30.

Ob die Belastung durch den Verkehrslärm auf öffentlichen Verkehrsflächen zumutbar ist, beurteilt sich deshalb grundsätzlich nach den insoweit geltenden Maßstäben und ist nicht unmittelbar Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die vorliegenden Sachverhaltsumstände geben auch keinen Anlass, die Geräuschbelastung durch den Verkehrslärm auf öffentlichen Verkehrsflächen in die Bewertung der Gesamtbelastung einzubeziehen.

Dies ist regelmäßig nur dann erforderlich, wenn die aus Verkehrsvorgängen herrührende Verkehrsbelastung derart hoch ist, dass die behördliche Zulassung einer weiteren lärmemittierenden Anlage eine Geräuschgesamtbelastung nach sich zieht, die mit dem aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG resultierenden Schutzauftrag für die menschliche Gesundheit und das Eigentum nicht vereinbar ist. Eine Gesundheitsgefährdung wird regelmäßig erst ab einer äquivalenten Dauerbeschallung von ca. 70-75 dB(A) anzunehmen sein.

Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 4. Juli 2016 - 22 CS 16.1078 -, juris Rn. 46; VG H. , Beschluss vom 23. Januar 2017 - 8 L 689/16 -, ZNER 2018, 81 = juris Rn. 184.

Vorliegend ist indes bereits eine Gesundheitsgefährdung weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Der nach der TA Lärm maßgebliche Richtwert wird - wie unter bb) dargelegt - unterschritten. Hinzu kommt entscheidend, dass die unmittelbare Umgebung des Wohngrundstücks der Antragstellerin, die nach den vorstehenden Feststellungen - dazu unter aa) - nach ihrer Gebietsqualität als reines Wohngebiet zu qualifizieren ist, keine Anhaltspunkte für eine erhöhte Verkehrsbelastung im Nahbereich erkennen lässt. Von einer derart hohen Verkehrsbelastung, die infolge der streitigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung eine Geräuschgesamtbelastung nach sich zieht, die mit dem aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG resultierenden Schutzauftrag für die menschliche Gesundheit und das Eigentum nicht mehr vereinbar wäre, kann nicht ausgegangen werden. Nach den insoweit unbestrittenen Angaben der Beigeladenen (vgl. Kartenmaterial inkl. Entfernungsangabe in der Anlage MWP 1, S. 2) ist das Wohnhaus der Antragstellerin von der westlich in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Bundesautobahn (BAB) XX, auf deren Lärmvorbelastung die Antragstellerin hinweist, etwa 1,02 km entfernt. Bei einer derartigen Entfernung ist auszuschließen, dass die Verkehrsgeräusche die mangelnde Erheblichkeit der Lärmbelastung durch die streitbefangene Windenergieanlage relevant verändern können.

Da nennenswerter Verkehrslärm im vorliegenden Fall somit weit entfernt ist, war eine Sonderfallprüfung auch nicht wegen der Unterschiedlichkeit der Geräuschcharakteristika angezeigt. Der Hinweis der Antragstellerin auf unterschiedliche Betriebszeiten und das Ende verbliebener Ruhelücken führt ebenfalls nicht weiter. Die Antragstellerin führt für ihr (nachvollziehbares) Begehren, einige Stunden des Tages möglichst weitgehend nicht von Geräuschimmissionen betroffen zu sein, angesichts der hier gegebenen Unterschreitung der Immissionsrichtwerte keine Schutznorm an, die verletzt sein könnte.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Juni 2017 - 8 B 187/17 -, ZNER 2017, 301 = juris Rn. 45, und vom 21. November 2017 - 8 B 935/17 -, BauR 2018, 659 = juris Rn. 34; Bay. VGH, Beschluss vom 4. Juli 2016 - 22 CS 16.1078 -, juris Rn. 49.

Namentlich besteht kein Rechtssatz, kraft dessen Anwohner, die sich einer verkehrsbedingten Lärmbelastung ausgesetzt sehen, das Unterbleiben der Errichtung und des Betriebs von Anlagen verlangen können, deren Geräusche praktisch allenfalls während verkehrsschwacher Zeiten akustisch wahrnehmbar sind, da der von ihnen hervorgerufene Schall ansonsten in dem - seinerseits nicht unzumutbaren - Verkehrslärm weitgehend untergeht.

In diesem Sinne Bay. VGH, Beschluss vom 4. Juli 2016 - 22 CS 16.1078 -, juris Rn. 49; VG H. , Beschluss vom 23. Januar 2017 - 8 L 689/16 -, ZNER 2018, 81 = juris Rn. 187.

b) Die Antragstellerin legt auch nicht substantiiert dar, dass sie unzumutbar durch tieffrequenten Schall beeinträchtigt wäre. Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und anderer Obergerichte geht - darunter auch in Entscheidungen aus jüngster Zeit - davon aus, dass tieffrequenter Schall durch Windenergieanlagen im Allgemeinen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des menschlichen Gehörs liegt und nach dem bisherigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse grundsätzlich nicht zu Gesundheitsgefahren führt.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, UPR 2017, 35 = juris Rn. 32 f. m. w. N., vom 29. November 2017 - 8 B 663/17 -, BauR 2018, 651 = juris Rn. 66, und vom 20. Februar 2018 - 8 B 840/17 -, juris Rn. 73; Nds. OVG, Beschluss vom 19. Dezember 2016 - 12 ME 85/16 -, juris Rn. 22; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 6. Juli 2015 - 8 S 534/15 -, juris Rn. 49; siehe auch Windenergie-Erlass NRW vom 4. November 2015, Nr. 5.2.1.1.

Soweit die Antragstellerin einzelne Studien benennt und vorlegt, die zu anderen Ergebnissen kommen sollen, legt sie nicht näher dar, dass die dortigen Ergebnisse auch noch in Entfernungen von mehr als 1.040 m - wie in ihrem Fall - einschlägig wären. Ungeachtet des Umstands, dass die Gerichtssprache deutsch ist (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 184 Satz 1 GVG) und sämtliche Studien lediglich Teil des wissenschaftlichen Diskurses sind, ergeben die von der Antragstellerin zitierten wissenschaftlichen Studien entgegen ihrer Behauptung zudem keinen begründeten Ansatz für relevante tieffrequente Immissionen durch Windenergieanlagen oder nachweisbare gesundheitsschädliche Auswirkungen.

c) Die Antragstellerin rügt weiterhin ohne Erfolg, der Windenergie-Erlass NRW vom 4. November 2015 sei unionsrechtswidrig. Ungeachtet einer - zu ihren Gunsten unterstellten - Unionsrechtswidrigkeit des Erlasses würde sich diese jedenfalls nicht auf die Rechtmäßigkeit der angegriffenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage auswirken. Denn § 6 Abs. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 BImSchG sehen einen (gerichtlich nur begrenzt nachprüfbaren) Beurteilungsspielraum oder Ermessensgebrauch der entscheidenden Behörde grundsätzlich nicht vor. Der Windenergie-Erlass NRW trägt lediglich wissenschaftliche Erkenntnisse für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen zusammen, stellt jedoch weder rechtlich relevante Anforderungen noch bindende Ermessensgrundsätze für die Genehmigungsbehörden auf.

Vgl. mit eingehender Begründung: OVG NRW, Beschlüsse vom 21. November 2017 - 8 B 935/17 -, BauR 2018, 659 = = juris Rn. 44 bis 47, und vom 29. November 2017 - 8 B 663/17 -, BauR 2018, 651 = juris Rn. 70 bis 75; siehe auch Beschluss vom 20. Februar 2018 - 8 B 840/17 -, juris Rn. 77.

d) Die Ausführungen der Antragstellerin lassen schließlich auch nicht erkennen, dass das genehmigte Vorhaben gegen das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme verstößt, weil die streitgegenständliche Anlage eine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung auf ihr Hausgrundstück entfalten würde.

Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,

vgl. zusammenfassend zuletzt Beschluss vom 20. Juli 2017 - 8 B 396/17 -, DVBl 2017, 1372 = juris Rn. 22 ff.; grundlegend etwa Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 3726/05 -, juris, Rn. 67 ff., sowie desweiteren Beschlüsse vom 17. Januar 2007 - 8 A 2042/06 -, vom 23. Juni 2010 - 8 A 340/09 -, vom 22. Dezember 2011 - 8 B 669/11 -, vom 27. Juli 2015 - 8 B 390/15 - und vom 30. März 2017 - 8 A 2915/15 -, jeweils juris,

erfordert die Prüfung, ob von einer Windenergieanlage eine optisch bedrängende Wirkung ausgeht, stets eine Würdigung aller Einzelfallumstände. Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windenergieanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe (Nabenhöhe + halber Rotordurchmesser) der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Bei einem solchen Abstand treten die Baukörperwirkung und die Rotorbewegung der Anlage so weit in den Hintergrund, dass ihr in der Regel keine beherrschende Dominanz und keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnbebauung zukommt. Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Ein Wohnhaus wird bei einem solchen Abstand in der Regel optisch von der Anlage überlagert und vereinnahmt. Auch tritt die Anlage in einem solchen Fall durch den verkürzten Abstand und den damit vergrößerten Betrachtungswinkel derart unausweichlich in das Sichtfeld, dass die Wohnnutzung überwiegend in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windenergieanlage das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls.

Im Rahmen der Einzelfallwürdigung sind neben der Höhe und Größe des Rotordurchmessers insbesondere weitere Kriterien wie Standort der Windenergieanlage, Blickwinkel, Hauptwindrichtung, (Außenbereichs-)Lage des Grundstücks, Lage der Aufenthaltsräume und deren Fenster im Verhältnis zur Anlage sowie Bestehen von Ausweichmöglichkeiten von Bedeutung. Ferner ist zu berücksichtigen, ob auf dem Grundstück eine hinreichende optische Abschirmung zur Windenergieanlage besteht oder in zumutbarer Weise hergestellt werden kann.

So bereits OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Januar 2007 - 8 A 2042/06 -, juris, Rn. 13, vom 23. Juni 2010 - 8 A 340/09 -, ZNER 2010, 514 = juris, Rn. 55, vom 22. Dezember 2011 - 8 B 669/11 -, juris, Rn. 30, vom 27. Juli 2015 - 8 B 390/15 -, juris, Rn. 36, und vom 20. Juli 2017 - 8 B 396/17 -, DVBl 2017, 1372 = juris Rn. 25.

Um von einer optisch bedrängenden Wirkung zu sprechen, reicht es für sich gesehen nicht aus, dass die Windenergieanlage von den Wohnräumen aus überhaupt wahrnehmbar ist. Das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt dem Nachbarn keinen Anspruch auf eine von technischen Bauwerken freie Sicht.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Januar 2007 - 8 A 2042/06 -, ZNER 2007, 79 = juris, Rn. 17, vom 8. Juli 2014 - 8 B 1230/13 -, juris, Rn. 7 ff., 20 ff., vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, UPR 2017, 35 = juris, Rn. 27 ff. m. w. N., und vom 20. Juli 2017 - 8 B 396/17 -, DVBl 2017, 1372 = juris Rn. 27.

Gemessen an diesen Maßstäben ist eine optisch bedrängende Wirkung vorliegend nicht gegeben. Mit ihren generellen Einwänden gegen die vorstehenden Grundsätze dringt die Antragstellerin nicht durch. Weder bedarf es der Einholung eines medizinischpsychologischen Sachverständigengutachtens (dazu aa) noch der Anpassung der von dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entwickelten Faustformel (dazu bb). Es ist ausgeschlossen, dass von dem konkreten Vorhaben eine optisch bedrängende Wirkung auf das Wohngrundstück der Antragstellerin - selbst unter Berücksichtigung von dessen Lage in einem Wohngebiet - ausgeht (dazu cc).

aa) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bedarf die Bewertung der optisch bedrängenden Wirkung nicht der Einholung eines medizinischpsychologischen Sachverständigengutachtens. Ob einer Windenergieanlage eine optisch bedrängende Wirkung zukommt, kann durch ein Gericht auch ohne Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung beurteilt werden.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2006 - 4 B 72.06 -, Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 374 = juris Rn. 10; OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Februar 2018 - 8 B 840/17 -, juris Rn. 83, und vom 21. November 2017 - 8 B 935/17 -, BauR 2018, 659 = juris Rn. 56.

bb) Auch bedarf es keiner Anpassung der in der Rechtsprechung entwickelten Faustformel in Bezug auf die moderneren Typen von Windenergieanlagen, die durch einen höheren Turm und einen größeren Rotordurchmesser gekennzeichnet sind. Der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen hat in seinen jüngsten Entscheidungen,

vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. November 2017 - 8 B 935/17 -, BauR 2018, 659 = juris Rn. 53, vom 20. Juli 2017 - 8 B 396/17 -, DVBl 2017, 1372 = juris Rn. 31 f., und vom 29. Juni 2017 - 8 B 187/17 -, ZNER 2017, 301 = juris Rn. 37,

bekräftigt, hieran festzuhalten; dem schließt sich die Kammer an. Es besteht derzeit keinen Anlass, diese Grundsätze abzuändern. Denn ungeachtet des Umstands, dass die in der Rechtsprechung entwickelte Formel ohnehin nur Anhaltspunkte bietet und nicht von der Betrachtung des konkreten Einzelfalls entbindet, berücksichtigt die Einberechnung der Nabenhöhe einerseits und des hälftigen Rotordurchmessers andererseits bereits hinreichend Höhe und Größe der jeweiligen Anlage. Die Prüfung ist damit nicht auf statische, sondern flexible Kriterien aufgebaut.

cc) Von der streitbefangenen Windenergieanlage geht ersichtlich keine optisch bedrängende Wirkung in Bezug auf das Wohngrundstück der Antragstellerin aus. Bei einer Entfernung zwischen der Windenergieanlage und dem Wohnhaus auf dem Grundstück der Antragstellerin von mehr als 1.040 m, was mehr als dem 5,2-Fachen der Gesamthöhe der Anlage (Nabenhöhe von 143 m + Hälfte des Rotordurchmessers von 114 m = 200 m) entspricht, ist eine beherrschende Dominanz gegenüber der Wohnbebauung nicht ansatzweise ersichtlich.

Die Antragstellerin legt demgegenüber keine konkreten Einzelfallumstände dar, die für eine optisch bedrängende Wirkung sprechen. Ihr einziges Argument, im Innenbereich stünde ihr ein höherer Schutzanspruch als im Außenbereich zu, zeigt angesichts der Entfernung - ungeachtet der Frage, ob diese Begründung überhaupt zutrifft - nicht auf, dass in ihrem Einzelfall mehr als eine Möglichkeit zur optischen Wahrnehmung des Vorhabens besteht. Dies gilt zudem unter besonderer Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten. Nach Angaben der Beigeladenen, die durch die von ihr vorgelegten (vgl. Anlage MWP 1, S. 3 und 4) sowie die unter "google.de/maps" und "timonline.nrw.de" abrufbaren Luftbilder des Gebiets um ihr Wohnhaus bestätigt werden, befindet sich zwischen dem Wohnhaus der Antragstellerin und der streitbefangenen Windenergieanlage eine größere Waldfläche, der eine optisch zumindest teilverschattende Wirkung zukommt. Gleiches gilt für die in erster Reihe zum Außenbereich vorgelagerten Gebäude nördlich des C.----wegs , die die Antragstellerin in ihrem Vorbringen zum maßgeblichen Immissionsrichtwert (s. o.) immerhin selbst als deutliche (akustische) Abschirmung bezeichnet hat.

2. Da bei summarischer Prüfung ein Unterliegen der Antragstellerin in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Obsiegen, überwiegt insgesamt das wirtschaftliche Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheids und damit an einer Inbetriebnahme der geplanten Windenergieanlage zum frühestmöglichen Zeitpunkt das Interesse der Antragstellerin an einer aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.

Vgl. auch OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, BauR 2016, 1760 = juris Rn. 43, vom 9. Juni 2017 - 8 B 1264/16 -, juris Rn. 102 ff., und vom 20. Februar 2018 - 8 B 840/17 -, juris Rn. 89.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig, da sie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen begründeten Sachantrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Die Kammer orientiert sich in Anlehnung an die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in Fällen der vorliegenden Art an Nr. 19.2 i. V. m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs 2013 und setzt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bis zum Erreichen einer Obergrenze in Höhe von 30.000,- Euro für jede streitgegenständliche Windenergieanlage einen Streitwert in Höhe von 7.500,- Euro fest.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 10. Mai 2017 - 8 B 1081/16 -, juris Rn. 33 ff. (mit näherer Begründung), und vom 28. März 2017 - 8 E 928/16 -, juris Rn. 7 ff., 13.