VG Aachen, Beschluss vom 04.04.2016 - 8 L 145/15
Fundstelle
openJur 2019, 20878
  • Rkr:

Erfolgloser Antrag auf Untersagung der Speicherung von Daten im Rahmen der Rundfunkbeitrags-Heranziehung und auf Löschung

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

Der - sinngemäß gestellte - Antrag,

dem Antragsgegner durch einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO die zukünftige Nutzung und Speicherung seiner personenbezogenen Daten zu untersagen,

hat keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm der geltend gemachte Anspruch zusteht (Anordnungsanspruch) und es der sofortigen Durchsetzung seines Anspruchs mittels gerichtlicher Entscheidung bedarf, weil ihm ansonsten unzumutbare Nachteile entstehen (Anordnungsgrund), § 123 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.

Vorliegend ist bereits ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat nicht dargetan, inwieweit er wesentlich in seinen Rechten verletzt oder beeinträchtigt wäre, wenn er vorläufig für die Dauer des ebenfalls anhängig gemachten Klageverfahrens (8 K 310/15) die Nutzung und Speicherung seiner Daten durch den Antragsgegner hinnehmen müsste.

Jedenfalls aber besteht kein Anordnungsanspruch. Die auf die Heranziehung zum Rundfunkbeitrag bezogene Erfassung, Speicherung und Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Antragstellers begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Der Antragsteller meint, die Nutzung und Speicherung seiner für Zwecke der Rundfunkbeitragserhebung erhobenen Daten sei unzulässig, weil er dieser Verwendung mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 und 16. Mai 2014 widersprochen habe und dies auch möglich sei, da es sich beim Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) um einen Vertrag und nicht um ein Gesetz handele. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Antragsgegner keine Behörde sei, die öffentlichrechtliche Aufgaben wahrnehme, sondern eine Firma. Diese Auffassung trifft nicht zu.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers, er stehe mit dem Antragsgegner in einer privatrechtlichen Beziehung, weil sich dieser auf einen Vertrag, nämlich den RBStV berufe, handelt es sich beim RBStV um ein Gesetz. Der Begriff des Staatsvertrages bezieht sich (u. a.) auf Vereinbarungen, die die Länder innerhalb ihrer eigenen Gesetzgebungskompetenz treffen, um bezüglich bundesweit auftretender Regelungsgegenstände einheitliche Regelungen herbeizuführen. Treffen die Länder eine solche Vereinbarung, wird sie anschließend in Gestalt von Zustimmungsgesetzen der einzelnen Landesparlamente in den Bundesländern jeweils geltendes Recht. Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Das Rundfunkwesen liegt gemäß Art. 70 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in der Gesetzgebungskompetenz der Länder,

Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 28. Februar 1961, - 2 BvG 1, 2/60 -, BVerfGE 12, 205.

Innerhalb dieser Kompetenz haben die Länder den RBStV (15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) geschlossen. Der nordrheinwestfälische Landtag hat hierzu in seiner Sitzung vom 8. Dezember 2011 gemäß Art. 66 Satz 2 der Landesverfassung ein Zustimmungsgesetz beschlossen und dieses mit dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag im nordrheinwestfälischen Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt gemacht (GV. NRW. 2011, S. 675), wodurch der RBStV in Nordrhein-Westfalen geltendes Recht geworden ist. Der Antragsgegner ist die nordrheinwestfälische Landesrundfunkanstalt und hat gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über den "Westdeutschen Rundfunk Köln" (WDR-Gesetz) die Rechtsform einer gemeinnützigen Anstalt des öffentlichen Rechts.

Nach § 8 i. V. m. § 9 Abs. 1 RBStV kann die zuständige Landesrundfunkanstalt zum Zweck der Beitragserhebung von jedem Beitragsschuldner oder von Personen oder Rechtsträgern, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie Beitragsschuldner sind und dies nicht oder nicht umfassend angezeigt haben, Auskunft über die in § 8 Abs. 4 genannten personenbezogenen Daten verlangen. Gemäß § 11 Absatz 4 RBStV darf sie zur Feststellung, ob eine Beitragspflicht besteht, personenbezogene Daten bei öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen ohne Kenntnis des Betroffenen erheben, verarbeiten oder nutzen. Außerdem übermitteln die Meldebehörden der Landesrundfunkanstalt bzw. dem Beitragsservice gemäß § 11 des Meldegesetzes NRW i. V. m. § 7 der Meldedatenübermittlungsverordnung (MeldDÜV NRW) für Zwecke der Rundfunkbeitragserhebung regelmäßig bestimmte personenbezogene Daten über alle An- und Abmeldungen sowie Sterbefälle volljähriger Einwohner. Ferner sieht § 14 Abs. 9 RBStV eine einmalige Übermittlung personenbezogener Daten aller volljährigen Personen durch die Meldebehörden zu einem bestimmten Stichtag zum Zweck der Bestands- und Ersterfassung vor. Gemäß § 11 Abs. 5 Satz 1 RBStV dürfen die Landesrundfunkanstalt und der Beitragsservice die personenbezogenen Daten von Beitragszahlern für die ihnen im Rahmen der Rundfunkbeitragserhebung obliegenden Aufgaben speichern, verarbeiten und nutzen. Nach § 11 Abs. 3 RBStV darf die zuständige Landesrundfunkanstalt von ihr gespeicherte personenbezogene Daten an andere Landesrundfunkanstalten übermitteln, soweit dies zur rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben der übermittelnden oder der empfangenden Landesrundfunkanstalt beim Beitragseinzug erforderlich ist, wobei aufzuzeichnen ist, an welche Stellen, wann und aus welchem Grund welche personenbezogenen Daten übermittelt worden sind.

Damit stellen diese gesetzlichen Vorschriften zugleich die datenschutzrechtliche Rechtfertigung der Speicherung und Verarbeitung der im Rahmen der Rundfunkbeitragserhebung anfallenden personenbezogenen Daten dar. Denn das Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (DSG NRW) lässt die Verarbeitung personenbezogener Daten zu, wenn diese durch das DSG NRW oder eine andere Rechtsvorschrift erlaubt (§§ 4 Abs. 1 a), 9 Abs. 1 DGS NRW) und soweit die Datenkenntnis, Speicherung, Veränderung, Nutzung und Übermittlung zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung erforderlich ist (§§ 12, 13, 14, 15 DSG NRW). Die datenbezogenen Vorschriften des RBStGV genügen den Vorgaben des DSG NRW der §§ 4 Abs. 2 (Datenvermeidung), 6 (Datensicherheit bzw. Datengeheimnis), 7 (Sicherstellung des Datenschutzes), 8 (Verfahrensverzeichnis), 10 (organisatorische Maßnahmen).

Die Kammer hat für dieses Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem es lediglich um die Frage der vorläufigen Duldung der Speicherung und Verarbeitung von Daten geht, keinen Anlass, die datenschutzrechtliche Rechtfertigungswirkung der o. g. Regelungen des RBStV im Hinblick auf die Auffassung in Zweifel zu ziehen, dass die Rundfunkbeitragserhebung verfassungswidrig sei, zumal das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) laut Pressemitteilung des Gerichts,

http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2016&nr=21,

mit

Urteil vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 -

entschieden hat, dass der Rundfunkbeitrag für private Haushalte verfassungsgemäß erhoben wird,

ebenso u. a. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 12. März 2015 - 2 A 2311/14 -, juris, Bayerischer Verfassungsgerichtshof (BayVfGH), Entscheidung vom 15. Mai 2014 - 8-VII-12; 24-VII-12 -, DVBl. 2014, 848.

Die oben dargestellte Gesetzeslage gilt (auch) für den Antragsteller, obwohl er der Speicherung und Verwendung seiner personenbezogenen Daten mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 und 16. Mai 2014 widersprochen hat. Denn ein solches Widerspruchsschreiben versetzt ihn nicht in den Stand, gesetzliche Anordnungen für ihn unwirksam zu machen.

Auch kann der Antragsteller nicht mit Erfolg die Löschung oder Unterlassung der Verarbeitung der rechtmäßig erhobenen und verarbeiteten Daten verlangen. Zwar ermöglicht § 4 Abs. 5 DSG NRW diesbezüglich eine Entscheidung im Einzelfall, wenn der Betroffene schriftlich begründet, dass bzw. warum der im Übrigen rechtmäßigen Verarbeitung seiner Daten oder einer bestimmten Datenverarbeitungsform ein schutzwürdiges besonderes persönliches Interesse entgegensteht. In einem solchen Fall erfolgt die Verarbeitung der personenbezogenen Daten nur, wenn eine Abwägung im Einzelfall ergibt, dass das Interesse der datenverarbeitenden Stelle gegenüber dem Interesse der betroffenen Person überwiegt. Derartige Interessen sind weder dargetan noch sind solche ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 und §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG (hälftiger Regelstreitwert im Hinblick darauf, dass es sich um ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren handelt).

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