FG Münster, Urteil vom 13.07.2016 - 8 K 3646/15 E
Fundstelle
openJur 2019, 20806
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Kosten für ein schwarzes Sakko und zwei schwarze Hosen als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 2014.

Die Kläger sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Orchestermusiker und 1. Solo-... beim Philharmonischen Orchester J. tätig und erzielt hieraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger ist außerdem freiberuflich als Musiker tätig und erzielt hieraus Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Aufgrund seines Dienstvertrages ist der Kläger als Orchestermitglied verpflichtet, bei Konzerten eine schwarze Hose, ein schwarzes Sakko, ein weißes oder schwarzes Hemd und Krawatte zu tragen. Der Kläger erhält als Orchestermitglied ein monatliches Kleidergeld in Höhe von 11,79 EUR, das von seinem Arbeitgeber dem Lohnsteuerabzug unterworfen wird.

Im Streitjahr 2014 erwarb der Kläger ein schwarzes Sakko für 309,95 EUR und zwei schwarze Hosen für insgesamt 239,90 EUR bei dem Bekleidungsgeschäft U. in M..

In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2014 setzte der Kläger die Aufwendungen für das schwarze Sakko und die schwarzen Hosen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit an. Im Einkommensteuerbescheid 2014 vom 27.07.2015 erkannte der Beklagte diese Aufwendungen nicht als Werbungskosten an und verwies zur Begründung auf das Abzugs- und Aufteilungsverbot gemäß § 12 Einkommensteuergesetz (EStG).

Die Kläger legten gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass eine private Nutzung des schwarzen Anzuges aufgrund der Eigenart des Berufes als Konzert- und Orchestermusiker aufgrund des besonders hohen Verschleißes bei Konzerten und Auftritten so gut wie ausgeschlossen sei. Im normalen Privatleben sei der Anzug so gut wie nicht zu verwenden. Der schwarze Anzug eines Leichenbestatters und der schwarze Anzug eines Oberkellners seien dem schwarzen Anzug eines Orchestermusikers vergleichbar, wenn auch bei letzterem diene der Anzug nicht dem üblichen Zweck als festliche Kleidung, sondern erfülle ausschließlich eine berufliche Funktion.

Der Beklagte wies den Einspruch der Kläger mit Einspruchsentscheidung vom 21.10.2015 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies der Beklagte auf die Rechtsprechungsgrundsätze des BFH zur Abzugsfähigkeit bürgerlicher Kleidung und führte dazu aus, dass es sich bei den vom Kläger erworbenen schwarzen Kleidungsstücken nicht um typische Berufskleidung handele. Der Kläger habe die Kleidungsstücke außerdem nicht im Fachhandel für Berufsbedarf, angeschafft, weshalb eine widerlegbare Vermutung gegen das Vorliegen der Eigenschaft als typische Berufskleidung spreche.

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage begehren die Kläger weiterhin die Anerkennung der Kosten für die im Jahr 2014 vom Kläger erworbenen zwei schwarzen Hosen und das schwarze Sakko als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers. Zur Begründung tragen sie vor, dass die für die männlichen Orchestermitglieder geltende Kleidervorschrift ein einheitliches und festliches Erscheinungsbild des Orchesters gewährleisten solle. Dadurch werde eine vermeintlich bürgerliche Kleidung zur Berufskleidung. Nach der Rechtsprechung des BFH folge aus § 12 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot für Aufwendungen, die sowohl durch die Einkunftserzielung als auch privat veranlasste Teile enthielten. Im Streitfall sei der Zeitfaktor ein geeigneter und den Verhältnissen des Einzelfalles gerecht werdender Aufteilungsmaßstab. Im Streitjahr 2014 habe der Kläger das schwarze Sakko und die zwei schwarzen Hosen zu keiner Zeit privat genutzt. Die Aufwendungen seien deshalb in vollem Umfang gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG als Werbungskosten abzugsfähig.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 27.07.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.10.2015 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 549,85 EUR berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass typische Berufskleidung nur dann vorliege, wenn sie ihrer Beschaffenheit nach objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Verwendung bestimmt und wegen der Eigenart des Berufes nötig sei. Voraussetzung dafür sei, dass die Verwendung der Kleidungsstücke für Zwecke der privaten Lebensführung aufgrund berufsspezifischer Eigenschaften so gut wie ausgeschlossen sei. Die private Nutzung eines schwarzen Anzugs liege im Bereich des Üblichen und Möglichen. Dies gelte auch dann, wenn, wie der Kläger vortrage, im Jahr 2014 keine private Nutzung des schwarzen Anzugs erfolgt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Verfahrensakte Bezug genommen.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 27.07.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.10.2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte hat zutreffend die Kosten für die im Jahr 2014 vom Kläger erworbenen zwei schwarzen Hosen und das schwarze Sakko nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers anerkannt, denn diese Kleidungsstücke stellen keine typische Berufskleidung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG), sondern bürgerliche Kleidung dar. Auch eine anteilige Berücksichtigung der Aufwendungen für die genannten Kleidungsstücke kommt nicht in Betracht. Die Aufwendungen für die zwei schwarzen Hosen und das schwarze Sakko sind vielmehr als Kosten der privaten Lebensführung anzusehen und gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht steuerlich abziehbar.

a) Bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind Aufwendungen als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) abzuziehen, wenn sie durch die Einkünfteerzielung veranlasst sind. Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h. wenn sie damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ob Aufwendungen der beruflichen Sphäre oder der privaten Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzurechnen sind, entscheidet sich unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch Aufwendungen für Arbeitsmittel, zum Beispiel für Werkzeuge und typische Berufskleidung. Das vom Kläger angeschaffte schwarze Sakko und die zwei schwarzen Hosen stellen keine typische Berufskleidung iSv § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 Satz 1 EStG, sondern bürgerliche Kleidung dar.

aa) Um typische Berufskleidung handelt es sich, wenn die berufliche Verwendungsbestimmung bereits in ihrer Beschaffenheit entweder durch ihre Unterscheidungsfunktion, wie z.B. bei Uniformen oder durch dauerhaft angebrachte Firmenembleme, oder durch ihre Schutzfunktion --wie bei Schutzanzügen, Arbeitsschuhen o.Ä.-- zum Ausdruck kommt (BFH, Beschluss vom 06. Juni 2005 - VI B 80/04 -, BFH/NV 2005, 1792). Das vom Kläger angeschaffte schwarze Sakko und die zwei schwarzen Hosen erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Die Beschaffenheit dieser Kleidungsstücke bringt keine berufliche Verwendungsbestimmung zum Ausdruck. Dies zeigt sich auch daran, dass der Kläger diese Kleidungsstücke in einem Ladengeschäft erworben hat, welches ausschließlich bürgerliche Kleidung führt. Beide Kleidungsstücke können außerdem ohne Weiteres zu feierlichen privaten Anlässen getragen werden. Darin unterscheidet sich der schwarze Anzug des Klägers von Kleidungsstücken, die angesichts ihrer beruflichen Verwendung eine Verwendung im privaten Bereich nicht mehr zulassen (so bspw. BFH, Urteil vom 30. September 1970 - I R 33/69 -, BFHE 100, 243, BStBl. II 1971, 50 für den schwarzen Anzug eines Leichenbestatters).

bb) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der BFH die Aufwendungen für den schwarzen Anzug eines Oberkellners als steuerliche abzugsfähige Werbungskosten angesehen hat (vgl. BFH, Urteil vom 09. März 1979 - VI R 171/77 -, BStBl. II 1979, 519). Der Bundesfinanzhof begründete dies mit den besonderen Umständen des Einzelfalles. Der schwarze Anzug solle der Position als Oberkellner Ausdruck verleihen und seiner Tätigkeit den auch von den Gästen erwarteten äußeren Rahmen geben. Bei einem solchen Sachverhalt diene der schwarze Anzug nicht dem üblichen Zweck als festliche Kleidung, sondern erfülle nahezu ausschließlich eine berufliche Funktion (BFH, Urteil vom 09. März 1979 - VI R 171/77 -, BStBl. II 1979, 519). Die vom üblichen Verwendungszweck unterschiedliche Funktion verleihe dem schwarzen Anzug regelmäßig den Charakter einer typischen Berufskleidung. Im Streitfall hat der Kläger demgegenüber selbst vorgetragen, dass der in der dienstlichen Bekleidungsvorschrift vorgeschriebene schwarze Anzug ein uniformes und festliches Erscheinungsbild des gesamten Orchesters gewährleisten solle. Mit der herausgehobenen Position des Klägers als Solo-... innerhalb des Orchesters hängt die Bekleidungsvorschrift daher nicht zusammen. Die Bekleidungsvorschrift unterstreicht vielmehr, dass die Orchestermitglieder einen schwarzen Anzug in seiner auch vom BFH angenommenen üblichen Funktion als festlichem Kleidungsstück tragen sollen. Schwarze Anzüge werden üblicherweise nur zu festlichen Anlässen getragen. Ein Oberkellner oder ein Leichenbestatter tragen einen schwarzen Anzug als alltägliches Kleidungsstück. Hier verleiht die vom üblichen Verwendungszweck unterschiedliche Funktion dem schwarzen Anzug regelmäßig den Charakter einer typischen Berufskleidung. Im Fall des Klägers entspricht aber das Tragen eines schwarzen Anzugs bei einem Auftritt mit dem Orchester gerade dessen üblichem Verwendungszeck als festlicher Kleidung.

cc) Der Umstand, dass der Kläger nach seinen Angaben das schwarze Sakko und die zwei schwarzen Hosen ausschließlich im Rahmen seiner Tätigkeit als Orchestermusiker trägt und er hierzu dienstlich verpflichtet ist, ändert an dieser Beurteilung nichts, denn die Benutzung der schwarzen Kleidungsstücke für private Zwecke ist grundsätzlich möglich und wäre, bei einem entsprechend festlichen privaten Anlass wie einem runden Geburtstag, einer Hochzeit oder einer Konfirmation, auch üblich. Aufwendungen für bürgerliche Kleidung führen selbst dann nicht zum Werbungskostenabzug, wenn diese Kleidung ausschließlich bei der Berufsausübung benutzt wird (vgl. BFH, Beschluss vom 06. Juni 2005 - VI B 80/04 -, BFH/NV 2005, 1792; BFH-Urteil vom 20. November 1979 VI R 25/78, BFHE 129, 149, BStBl. II 1980, 75). Die Berücksichtigung der Aufwendungen für Bekleidung als Werbungskosten scheidet wegen des Abzugsverbots des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG bereits immer dann aus, wenn die private Benutzung eines Kleidungsstücks als bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt (BFH, Urteil vom 06. Dezember 1990 - IV R 65/90 -, BFHE 163, 134, BStBl. II 1991, 348; BFH-Urteil vom 20.03.1992 VI R 55/89, BFHE 168, 83, BStBl. II 1993, 192). Auch wenn die konkreten Kleidungsstücke, wie es der Kläger im Streitfall vorträgt, ohne die beruflichen Gründe überhaupt nicht angeschafft worden wären und sie der Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen dienen sollen, ist das Tragen bürgerlicher Kleidung jedenfalls auch gleichzeitig deswegen der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen, weil es dem menschlichen Bedürfnis nach Bekleidung Rechnung trägt (BFH-Urteil vom 20.03.1992 VI R 55/89, BFHE 168, 83, BStBl. II 1993, 192).

dd) Auch die monatliche Zahlung eines Kleidergeldes durch den Arbeitgeber des Klägers führt nicht dazu, dass die vom Kläger erworbenen schwarzen Kleidungsstücke den Charakter typischer Berufskleidung erhalten. Der Arbeitgeber des Klägers erkennt durch diese Zahlung an, dass er durch seine Bekleidungsvorschrift zur Entstehung der Ausgaben beigetragen hat. Gleichzeitig wird dem Kläger aber von seinem Arbeitgeber nach Aktenlage eine private Verwendung der Kleidungsstücke nicht untersagt. Der Kläger ist auch nicht verpflichtet, die bei Konzerten getragenen schwarzen Kleidungsstücke im Theater zu belassen.

b) Eine Aufteilung der Aufwendungen für das schwarze Sakko und die beiden schwarzen Hosen in einen beruflich veranlassten und einen privat veranlassten Teil entsprechend der Arbeitszeit des Klägers kommt nicht in Betracht.

Dem steht nicht entgegen, dass § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nach neuerer Rechtsprechung des BFH kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot enthält (BFH, Beschluss vom 21. September 2009 - GrS 1/06 -, BFHE 227, 1, BStBl. II 2010, 672). Die Vorschrift steht einer Aufteilung von gemischt veranlassten, aber anhand ihrer beruflichen bzw. privaten Anteile trennbaren Aufwendungen nicht entgegen. Ist ein abgrenzbarer Teil der Aufwendungen beruflich veranlasst, ist dieser als Werbungskosten abziehbar. Zwar wäre danach auch eine Aufteilung von Aufwendungen für bürgerliche Kleidung bei feststehender Arbeitszeit möglich. Derartige Aufwendungen sind aber nach den Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 9 EStG entzogen (BFH-Beschluss vom 13.11.2013 VI B 40/13, BFH/NV 2014, 335). Ein - auch teilweiser - Abzug als Werbungskosten scheidet daher aus (BFH-Beschluss vom 13.11.2013 VI B 40/13, BFH/NV 2014, 335). Inwieweit gleichwohl ein etwa gegebener beruflicher Mehraufwand zu berücksichtigen ist, bleibt danach in erster Linie der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen, der einen Werbungskostenabzug in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG nur für typische Berufskleidung zugelassen hat (BFH, Beschluss vom 21. September 2009 - GrS 1/06 -, BFHE 227, 1, BStBl. II 2010, 672). Um typische Berufskleidung handelt es sich im Streitfall gerade nicht. Die Beurteilung der Abziehbarkeit der Aufwendungen für bürgerliche Kleidung entspricht damit im Ergebnis der BFH-Rechtsprechung vor Ergehen des Beschlusses in BFHE 227, 1, BStBl. II 2010, 672 (vgl. BFH-Beschluss vom 13. November 2013 - VI B 40/13 -, BFH/NV 2014, 335).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

3. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung iSv § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, noch erfordert gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs. Die Entscheidung beruht auf einer Anwendung der hinreichend geklärten (vgl. BFH, Beschluss vom 13. November 2013 - VI B 40/13 -, BFH/NV 2014, 335) Rechtsprechungsgrundsätze des BFH zur Abzugsfähigkeit von Berufskleidung als Werbungskosten auf den konkreten Einzelfall.

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