OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04.07.2018 - 8 A 47/17
Fundstelle
openJur 2019, 20607
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Das Verfahren wird eingestellt und das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 29. November 2016 - 4 K 1589/15 - für unwirksam erklärt, soweit das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 29. November 2016 - 4 K 1589/15 - zurückgewiesen.

Die bis zum Zeitpunkt der teilweisen Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache entstandenen Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zur Hälfte einschließlich der Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. sowie der Beklagte und die Beigeladene zu 1. jeweils zu einem Viertel mit der Maßgabe, dass ein Ausgleich zwischen ihnen hinsichtlich ihrer außergerichtlichen Kosten nicht erfolgt. Die ab dem Zeitpunkt der teilweisen Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache entstandenen Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen auf den Grundstücken Gemarkung S. , Flur X, Flurstücke X und Y in L. .

Der Beklagte erteilte der Beigeladenen zu 1. unter dem 9. Februar 2015 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 6 BImSchG für die Errichtung und den Betrieb von vier Windenergieanlagen (WEA) des Typs Nordex N 117/2400 auf den vorgenannten Grundstücken.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2015 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen diese Genehmigung zurück.

Die Klägerin hat am 28. April 2015 Klage erhoben. Zur Begründung der Klage hat sie im Wesentlichen vorgetragen, die standortbezogene Umweltverträglichkeitsvorprüfung (im Folgenden: UVP-Vorprüfung) genüge nicht den Anforderungen des - insoweit noch anwendbaren - § 3c Satz 2 UVPG a.F. Wegen der Nähe des Vorhabenstandorts zu dem nur 200 m bzw. 300 m nördlich gelegenen Natura 2000-Gebiet hätte eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt werden müssen. Auch habe der Beklagte entgegen § 3c Satz 6 UVPG a.F. kein Vorprüfungsprotokoll erstellt. Das UVP-Vorprüfungsgutachten weise erhebliche Mängel auf. Insbesondere sei der Sachverhalt in Bezug auf störungsempfindliche Vogelarten im Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebiet weder vollständig noch zutreffend erfasst. Auch die FFH-Verträglichkeitsvorprüfung sei lückenhaft. Die Genehmigung verletze Habitat- und Artenschutzrecht (§§ 34, 44 Abs. 1 BNatSchG) in Bezug auf den Rotmilan, den Schwarzstorch und den Raufußkauz. Sie, die Klägerin, könne eine Verletzung der zur Umsetzung des europarechtlichen Habitat- und Artenschutzrechts, insbesondere der Art. 6 und 12 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) erlassenen Vorschriften geltend machen.

Ihre Grundstücke seien ferner von schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Lärm und Verschattung betroffen. Durch das von der Beigeladenen zu 1. vorgelegte Schallgutachten, welches das alternative Verfahren nach der DIN-ISO 9613-2 anwende, werde nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen, dass unzumutbare Schallbeeinträchtigungen aufträten. Ferner sei die Vorbelastung ihrer Grundstücke durch Koronageräusche der vorbeiführenden Stromleitungen nicht berücksichtigt worden. Die Windenergieanlagen wirkten auch optisch bedrängend auf ihre Grundstücke. Der Höhenunterschied von 53 m zu der von ihrem Wohnhaus 694 m entfernten WEA 4 sei im Rahmen der Einzelfallprüfung zu der Höhe der Anlage von 199 m (140,6 m Nabenhöhe zuzüglich der Hälfte des 116,80 m breiten Rotordurchmessers) hinzuzurechnen, wonach sich eine (dreifache) Gesamthöhe von 755 m ergebe. Der Blick von ihrer Terrasse und dem nach Süden ausgerichteten Wohnzimmer falle direkt auf die WEA 4. Der dazwischen liegende Wald stelle im Winter keine Sichtbarriere dar, weil er zu beträchtlichen Anteilen aus Laubgehölzen und Lärchen bestehe. Die 70 m hohen Masten der Stromfreileitungen seien dabei nicht als erhebliche Vorbelastung zu berücksichtigen, sondern verstärkten deren Störpotenzial erheblich.

Mit nachträglicher Anordnung vom 9. Mai 2016 erstreckte der Beklagte die Nebenbestimmung 3.2.1 der Genehmigung hinsichtlich der maximal zulässigen Beschattungsdauer auch auf das zwischenzeitlich genehmigte Ferien- und Wochenendhaus der Klägerin.

Die Klägerin hat beantragt,

die der Beigeladenen zu 1. erteilte Genehmigung des Beklagten vom 9. Februar 2015 zur Errichtung und zum Betrieb von vier Windenergieanlagen auf den Grundstücken Gemarkung S. , Flur X, Flurstücke X und Y in L. in der Fassung des Änderungsbescheides vom 9. Mai 2016 und den an die Klägerin gerichteten Widerspruchsbescheid vom 14. April 2015 aufzuheben.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1. haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat der Beklagte im Wesentlichen vorgetragen, eine UVP sei nicht durchzuführen. Die durchgeführte standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalles sei ordnungsgemäß erfolgt. Ein etwaiger Verfahrensfehler sei jedenfalls durch die nachträgliche Dokumentation geheilt. Die FFH-Verträglichkeitsvorprüfung sei nur vorsorglich durchgeführt worden und bestätige, dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedürfe. Insbesondere sei der Sachverhalt korrekt ermittelt worden: Nach dem Windenergie-Leitfaden NRW zählten Schwarzspecht, Grauspecht und Raufußkauz nicht zu den WEA-empfindlichen Arten; nur die Waldschnepfe sei windkraftsensibel. Der Schwarzstorch gelte nicht als schlaggefährdet, aber als störungsempfindlich. Für den Rotmilan existiere kein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko. Die nächstgelegenen Horste lägen in einem Abstand von mehr als drei Kilometern zum Vorhabenbereich; für Mahdzeiten sei eine Abschaltung der Anlage WEA 3 festgelegt worden.

Von den genehmigten Anlagen gingen keine schädlichen Umwelteinwirkungen aus. Nach dem Schallgutachten, das Bestandteil der Genehmigung sei, wirkten auf die Grundstücke der Klägerin keine unzumutbaren Schallimmissionen ein. Die geringfügigen Koronageräusche der Freileitungen seien zu Recht nicht als Vorbelastung berücksichtigt worden, weil sie die relevante Gesamtbelastung nicht erhöhten. Die sogenannte Interimsmethode sei noch nicht verbindlich beschlossen worden. Eine optisch bedrängende Wirkung der Windenergieanlagen sei nicht festzustellen. Nur zwei der Anlagen seien vom Wohnhaus der Klägerin teilweise sichtbar; die Rotoren seien bei dem vorherrschenden Westwind allein seitlich zu sehen. Von keiner Anlage sei aufgrund des Grünwuchses der vollständige Rotorkreis erkennbar.

Die Beigeladene zu 1. hat im Wesentlichen vorgetragen, die UVP-Vorprüfung sei hinreichend dokumentiert bzw. ein etwaiger Mangel durch die nachgereichte Dokumentation geheilt worden. Die nachteiligen Umwelteinwirkungen seien ordnungsgemäß ermittelt und bewertet worden. Beschädigungen von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten geschützter Arten seien nicht zu erwarten. Der Raufußkauz und der Schwarzspecht seien als charakteristische Arten des angrenzenden FFH-Gebietes im Gutachten berücksichtigt worden. Vorhabenbedingte Auswirkungen auf das FFH-Gebiet als Habitat könnten ausgeschlossen werden. Ein erhöhtes Tötungsrisiko für den Rotmilan gebe es nicht. Auf (vermeintliche) Verstöße gegen Naturschutzrecht könne die Klägerin sich nicht berufen. Unzulässige Schallimmissionen seien nicht zu erwarten. Der in Anbetracht der Lage der Grundstücke der Klägerin im Außenbereich maßgebliche Wert von 45 dB(A) in der Nachtzeit sei nach der Schallimmissionsprognose vom 6. November 2013 mit 41,5 dB(A) gewahrt. Durch die Nebenbestimmung Nr. 3.2.2 zur Abschaltautomatik seien die Wohnbereiche der Klägerin auch vor unzulässigem Schattenwurf geschützt. Wegen des Abstandes zwischen dem Wohnhaus der Klägerin und der WEA 4 von 694 m sei keine optisch bedrängende Wirkung gegeben. Der Höhenunterschied der Anlage gegenüber dem Wohnhaus sei nicht zu der Anlagenhöhe zu addieren. Die Anlage WEA 4 sei aufgrund des Baumbewuchses und des dazwischen liegenden Höhenrückens (ca. 550 m üNN) nur von der Gondel aufwärts sichtbar; es bestehe keine Sichtbeziehung über eine Schneise. Zudem seien die Grundstücke der Klägerin durch die Stromtrasse vorbelastet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage - nach Durchführung eines Ortstermins - mit Urteil vom 29. November 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG auf Aufhebung der Genehmigung. Der Beklagte habe zu Recht nur eine standortbezogene Vorprüfung durchgeführt. Er habe die Vorgaben des § 3c UVPG a.F. eingehalten und nachvollziehbar begründet, dass eine UVP nicht durchzuführen sei. Auf eine Verletzung habitat- oder artenschutzrechtlicher Vorschriften könne die Klägerin sich nicht berufen. Diese Vorschriften dienten dem Allgemeininteresse, ohne private Rechte zu schützen. Der Genehmigungsbescheid verletze die Klägerin auch nicht in ihren Rechten. Die Bewohnern des Außenbereichs zumutbaren Lärmimmissionspegel von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts würden nach der Schallprognose vom 6. November 2013, die Gegenstand des Genehmigungsbescheides sei, sowohl am Wohnhaus als auch am Ferien- und Wochenendhaus eingehalten. Die Grundstücke der Klägerin würden auch nicht durch Schattenwurf der Windenergieanlagen unzumutbar beeinträchtigt. Der Klägerin sei als Bewohnerin des Außenbereichs für einen Zeitraum von höchstens 30 Minuten pro Tag und acht Stunden pro Jahr Schattenwurf zumutbar, wie es die eine Abschaltautomatik vorschreibenden Nebenbestimmungen Nr. 3.2.1 und 3.2.2 vorsähen. Die genehmigten Anlagen verstießen auch nicht wegen einer optisch bedrängenden Wirkung gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Die nächstgelegene WEA 4 solle in einem Abstand von 702 m, also dem 3,52-fachen ihrer Gesamthöhe, zu dem Wohnhaus der Klägerin errichtet werden. Eine Addition der Höhendifferenz zwischen der WEA 4 und dem Wohnhaus sei nicht geboten, sondern im Rahmen der Einzelfallprüfung zu berücksichtigen. Die optischen Wirkungen würden durch das ansteigende Gelände und durch die beiden hangaufwärts gelegenen Waldriegel deutlich gemindert; bei der Hauptwindrichtung (Westen) sei der Rotor nur von der Seite zu sehen. Zudem werde die WEA 4 nur von Teilen des Wohnhauses und von der südlich gelegenen Terrasse zu sehen sein.

Der Senat hat mit Beschlüssen vom 30. Juni 2017 auf Antrag der Klägerin die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen und gemäß § 80b Abs. 2 VwGO die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage angeordnet (8 B 548/17).

Die Beigeladene zu 1. teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 27. März 2017 mit, dass hinsichtlich der WEA 1, 3 und 4 ein Bauherrenwechsel stattgefunden habe. Die Beigeladene zu 2. erteilte als neue Genehmigungsinhaberin hinsichtlich der WEA 3 und 4 der Beigeladenen zu 1. die Befugnis, ihre Rechte vor dem erkennenden Gericht wahrzunehmen.

Mit Schreiben vom 23. August 2017 haben die A. F. Q. X. L1. GmbH & Co. KG und die Beigeladene zu 1. gegenüber dem Beklagten auf die Genehmigung hinsichtlich der WEA 1 und WEA 2 verzichtet. Dieser bestätigte das Erlöschen der Genehmigung. Daraufhin haben die Klägerin und der Beklagte mit Schriftsätzen vom 27. bzw. 29. September 2017 das Verfahren insoweit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Auf Antrag der Beigeladenen zu 1. hat der Senat mit Beschluss vom 19. Oktober 2017 - 8 B 1113/17 - den Beschluss vom 30. Juni 2017 gemäß §§ 80b Abs. 3, 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO dahingehend abgeändert, dass der Antrag auf Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt wird.

Die Klägerin vertieft zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die UVP-Vorprüfung des Beklagten sei mit mehreren Mängeln behaftet. Der Verzicht auf die Genehmigung hinsichtlich der WEA 1 und WEA 2 lasse die Erheblichkeit dieser Mängel nicht entfallen. Die nach Erteilung der Genehmigung erfolgte Änderung der Sachlage zu Gunsten der Vorhabenträgerin dürfe nicht berücksichtigt werden. Ebenso wie bei einer unterlassenen oder mangelhaften UVP-Vorprüfung könne dies nicht mehr während des Berufungsverfahrens nachgeholt bzw. nachgebessert werden (vgl. § 45 Abs. 2 VwVfG NRW).

Zudem verletze die Genehmigung Vorschriften des Habitat- und des Artenschutzrechts, auf die sie, die Klägerin, sich nach mehreren Urteilen des EuGH berufen könne. Dass das Habitatschutzrecht nicht auf den Schutz typischer Individualgüter (z.B. Gesundheit) gerichtet sei, schließe seine rechtsbegründende Wirkung zugunsten Einzelner nicht aus. Diese Ansicht werde insbesondere bestätigt durch die EuGH-Urteile vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 - und vom 12. April 2018 - C-323/17 -. Danach müssten sich Einzelne oder gegebenenfalls Umweltorganisationen vor Gericht auf die durch das Unionsrecht garantierten Rechte, insbesondere des Umweltschutzes, berufen können. In dem Verfahren C-323/17 sei neben einer Umweltorganisation auch eine Privatperson als Kläger aufgetreten. Der EuGH habe ausgeführt, dass die Kläger nach Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie ein Recht hätten, an einem Entscheidungsverfahren über einen Genehmigungsantrag beteiligt zu werden. Das Bundesverwaltungsgericht habe ferner mit Beschluss vom 26. April 2018 Fragen zum Drittschutz nach Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) dem EuGH vorgelegt. Sollte der Senat eine Schutzwirkung des Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie zu ihren Gunsten ablehnen, sei diese Frage dem EuGH nach Art. 267 AEUV vorzulegen.

Sie gehöre zu der von dem Vorhaben betroffenen Öffentlichkeit. Das für ihr persönliches Wohlbefinden maßgebliche Lebensumfeld werde in besonderem Maße durch das Natura 2000-Gebiet geprägt. Sie erbringe auf ihren an das FFH-Schutzgebiet heranreichenden Grundstücken verschiedene Beiträge zur Unterstützung der gebietsbezogenen Schutzbemühungen und sei Eigentümerin eines innerhalb des FFH-Gebiets gelegenen Grundstücks.

Zudem sei nicht sichergestellt, dass der Betrieb der WEA 3 und WEA 4 keine schädlichen Umwelteinwirkungen zu ihrem Nachteil entfalte. Die Schallimmissionsprognose vom 6. November 2013, die die DIN ISO 9613-2 anwende, gelte nur für bodennahe Lärmquellen bis 30 m Höhe. Es bestehe nicht die nötige Sicherheit, dass der Immissionsrichtwert bei Anwendung des sogenannten Interimsverfahrens eingehalten bzw. um höchstens 1 dB(A) überschritten werde. Es sei zu berücksichtigen, dass bei dem Interimsverfahren neben der Bodendämpfung auch die meteorologische Korrektur und die Richtwirkungskorrektur anders bewertet würden und Windenergieanlagen keine nach diesem Berechnungsverfahren vorausgesetzte ruhende Punktschallquelle seien.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 29. November 2016 - 4 K 1589/15 - die Genehmigung des Beklagten vom 9. Februar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2015 und des Änderungsbescheides vom 9. Mai 2016 hinsichtlich der Windenergieanlagen 3 und 4 auf den Grundstücken Gemarkung S. , Flur X, Flurstücke X und Y in L. aufzuheben,

hilfsweise, diese Genehmigung für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte führt zur Begründung aus, aus der EuGH-Rechtsprechung ergebe sich nicht, dass Individualkläger sich auf eine Verletzung des europäischen Habitat- bzw. Artenschutzrechts vor den nationalen Gerichten berufen könnten. Das nationale Habitat- und Artenschutzrecht schließe eine solche Befugnis von Individualpersonen nach dem Willen des Gesetzgebers aus.

Im Übrigen sei die angefochtene Genehmigung rechtmäßig. Der Beklagte habe aufgrund seiner naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative auf eine neuerliche Kartierung der betroffenen Vogelarten nach Bekanntwerden des Leitfadens "Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen" der Fachministerien des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 12. November 2013 zu Recht verzichtet. Die FFH-Verträglichkeitsvorprüfung sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es keiner FFH-Verträglichkeitsprüfung bedurft habe. Schädliche Umwelteinwirkungen verursachten die genehmigten Anlagen nicht.

Die Ermittlung der Lärmpegel habe noch nach dem sogenannten alternativen Verfahren gemäß der DIN-ISO 9613-2 erfolgen dürfen. Aber selbst bei Anwendung des Interimsverfahrens liege eine relevante Richtwertüberschreitung nicht vor.

Die Beigeladene zu 1. und zu 2. beantragen jeweils,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 1. vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und legt ergänzend eine für die genehmigten Windenergieanlagen durchgeführte Schallberechnung und ein "Gutachten der zu erwartenden Schallimmissionen für den Standort S. II" der X1. H. GmbH vom 13. Februar 2018 bzw. vom 26. März 2018 vor. Danach verursachen die WEA 3 und WEA 4 an dem Wochenend- und Ferienhaus der Klägerin einen Immissionspegel von 40,57 dB(A) und an dem Wohngebäude von 40,26 dB(A). Unter Einbeziehung eines Immissionspegels von 39,0 dB(A) durch die nahegelegenen Stromleitungen ergebe sich eine Gesamtbelastung von 42,8 dB(A) an dem Wochenend- und Ferienhaus und von 42,6 dB(A) an dem Wohngebäude der Klägerin.

Wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Senats vom 4. Juli 2018 Bezug genommen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 8 B 548/17 und 8 B 1113/17 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Gründe

Soweit die Klägerin und der Beklagte das Verfahren hinsichtlich der durch Verzicht erloschenen Genehmigung der Windenergieanlagen WEA 1 und WEA 2 in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung der §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO i. V. m. § 173 Satz 1 VwGO für wirkungslos zu erklären.

Im Übrigen hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin kann die Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Beklagten vom 9. Februar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2015, des Änderungsbescheides vom 9. Mai 2016 sowie der Teilverzichtserklärungen der Genehmigungsinhaberinnen vom 23. August 2017 (nachfolgend: Genehmigung) zur Errichtung und zum Betrieb der Windenergieanlagen WEA 3 und WEA 4 auf den Grundstücken Gemarkung S. , Flur X, Flurstücke X und Y in L. nicht verlangen (I.). Die Genehmigung ist auch nicht (hilfsweise) für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären (II.).

I. Ein Anspruch der Klägerin auf Aufhebung der Genehmigung ergibt sich nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b), Satz 2 UmwRG (1.). Die Genehmigung verletzt die Klägerin auch weder hinsichtlich habitat- und artenschutzrechtlicher Vorschriften (2. a) noch mit Blick auf Lärmimmissionen (2. b) oder eine optisch bedrängende Wirkung (2. c) in ihren Rechten.

1. Die Voraussetzungen eines Aufhebungsanspruchs der Klägerin gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b), Satz 2 UmwRG liegen nicht vor.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b) UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG steht eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit, die nicht dem Maßstab des § 5 Absatz 3 Satz 2 UVPG genügt, einer nicht durchgeführten Vorprüfung nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gleich.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Genehmigung unterliegt nicht (mehr) dem Erfordernis einer allein in Betracht kommenden standortbezogenen UVP-Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Satz 2 i. V. m. Nr. 1.6.3 der Anlage 1 UVPG in der bis einschließlich 15. Mai 2017 geltenden Fassung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94, nachfolgend: UVPG a. F.), die gemäß § 74 Abs. 1 UVPG hier noch anwendbar ist. Gemäß Nr. 1.6.3 der Anlage 1 UVPG ist eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen für die Errichtung und den Betrieb einer Windfarm mit 3 bis weniger als 6 Windkraftanlagen (mit einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 Metern). Die streitgegenständliche Genehmigung gestattet nur noch die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen (WEA 3 und WEA 4). Hinsichtlich der Windenergieanlagen WEA 1 und WEA 2 ist die ursprüngliche Genehmigung durch Teilverzichtserklärungen der A. F. Q. X. L1. GmbH & Co. KG (WEA 1) und der Beigeladenen zu 1. (WEA 2) erloschen.

Vgl. zur Wirkung einer Verzichtserklärung BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1989 - 4 C 36.86 -, BVerwGE 84, 209 = juris Rn. 23; OVG NRW, Urteil vom 14. März 2012 - 8 D 48/11.AK -, juris Rn. 42 f.

Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats sind bei immissionsschutzrechtlichen Drittanfechtungsklagen nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage zu Gunsten des Vorhabenträgers bzw. Anlagenbetreibers zu berücksichtigen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Mai 2017 - 8 A 870/15 -, juris Rn. 54, S. zum Baurecht: BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 - 4 B 40.98 -, NVwZ 1998, 1179 = juris Rn. 3 m. w. N.

Eine solche nachträgliche Änderung zu Gunsten des Vorhabenträgers ist auch das Entfallen der Pflicht zur Durchführung einer UVP-Vorprüfung durch das teilweise Erlöschen der Genehmigung.

Die hiergegen gerichteten Einwände der Klägerin greifen nicht durch. Wie der Senat in seinem Beschluss gleichen Rubrums vom 19. Oktober 2017 - 8 B 1113/17 - ausgeführt hat, ist die Frage, ob das genehmigte Vorhaben aus objektivrechtlichen Gründen (gegebenenfalls) rechtswidrig ist, wie es die Klägerin hinsichtlich habitat- und artenschutzrechtlicher Vorschriften geltend macht (s. nachfolgend 2.a)), für die Frage des entscheidungserheblichen Zeitpunkts im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Nachbarklage ohne Bedeutung. Würde die Genehmigung aufgehoben und anschließend neu erteilt, hätte die Klägerin (in einem zweiten Anfechtungsverfahren) - unabhängig von einer etwaigen Fehlerhaftigkeit der UVP-Vorprüfung - keinen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung. Um diesen "Umweg" über ein zweites Genehmigungsverfahren zu vermeiden, sind nicht zuletzt aus prozessökonomischen Gründen Änderungen zu Gunsten des Bauherrn bereits im hier vorliegenden (ersten) Anfechtungsverfahren zu berücksichtigen.

Es handelt sich bei dem teilweisen Verzicht auf die ursprüngliche Genehmigung auch nicht um einen der Nachholung oder Nachbesserung einer unterlassenen oder mangelhaften UVP-Vorprüfung vergleichbaren Tatbestand, der gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG NRW nicht mehr während des Berufungsverfahrens zu berücksichtigen wäre. Durch die Reduktion des Genehmigungsgegenstandes wird das Erfordernis der UVP-Vorprüfung beseitigt; dies stellt keine Heilung einer gebotenen (und zuvor nicht ordnungsgemäß durchgeführten) UVP-Vorprüfung dar. Die Situation ist im Ergebnis nicht anders, als wenn die Genehmigung von vornherein nur für zwei Windenergieanlagen beantragt worden wäre.

2. a) Die Klägerin kann eine Aufhebung der Genehmigung wegen eines (etwaigen) Verstoßes gegen habitat- bzw. artenschutzrechtliche Vorschriften (§ 34 Abs. 1 und 2 und/oder § 44 Abs. 1 BNatSchG, Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie) nicht verlangen.

Als natürliche Person (§ 61 Nr. 1 VwGO, § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG) wird sie bei einem Verstoß gegen diese Vorschriften nicht in ihren Rechten verletzt; ihr steht auch kein davon unabhängiger Aufhebungsanspruch zu.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. März 2017 - 8 A 2915/15 - juris Rn. 45 ff., und vom 13. September 2017 - 8 B 1373/16 -, juris Rn. 55 f.; S. auch OVG S.-A., Urteil vom 6. Juli 2016 - 2 L 84/14 -, juris Rn. 167; Bay. VGH, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 22 AS 16.2421 -, juris Rn. 41.

Abweichendes folgt nicht aus der von der Klägerin angeführten (neueren) Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Bei Klagen natürlicher Personen ist im Gegensatz zu Klagen von Umweltvereinigungen die Beschränkung der gerichtlichen Aufhebung von Genehmigungsentscheidungen mit Unionsrecht vereinbar. Es ist unionsrechtlich nicht geboten, die Berufung auf eine Verletzung der genannten Arten- und Habitatschutzvorschriften, insbesondere des Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie, weitergehend zu ermöglichen.

Vgl. EuGH, Urteile vom 12. Mai 2011 - C-115/09 -, "Trianel", juris Rn. 37 ff., 45 f. und 12, (zu Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG in der Fassung der Richtlinie 2003/35/EG und zur FFH-Richtlinie), und vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 -, juris Rn. 91 f. (zu Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU bzw. Art. 25 der Richtlinie 2010/75/EU).

Weder die nationalen Artenschutzvorschriften noch Art. 6 FFH-Richtlinie räumen Privatpersonen - anders als etwa Vorschriften zur Begrenzung der Luftverschmutzung - klagbare materielle Rechte ein. Ziel der FFH-Richtlinie ist es, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen beizutragen und einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von Interesse für die Union zu bewahren oder wiederherzustellen (Art. 2 Abs. 1 und 2 FFH-Richtlinie). Die FFH-Richtlinie zielt mithin darauf, ein hohes Niveau des Umweltschutzes für die geschützten Gebiete zu gewährleisten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin verlangen die EuGH-Urteile vom 8. November 2016 im Verfahren C-243/15 ("Slowakischer Braunbär II") und vom 7. September 2004 im Verfahren C-127/02 ("Nederlandse Kokkelvisserij") nicht, dass einzelne Bürger die gerichtliche Aufhebung einer Genehmigung erreichen können, weil die Bedingungen des Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie nicht eingehalten wurden. Diese Urteile beschränken insoweit nicht die verfahrensrechtliche Autonomie der Mitgliedstaaten und ihren Gestaltungsspielraum zur Konkretisierung der Klagerechte Privater im Sinne von Art. 11 Abs. 1 UVP-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 und 3 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 25. Juni 1998 (im Folgenden: Aarhus-Konvention; S. Zustimmungsgesetz vom 9. Dezember 2006, BGBl II S. 1251). Der EuGH hat in den beiden Entscheidungen zwar u.a. ausgeführt, die praktische Wirksamkeit der FFH-Richtlinie sowie ihre dem Umweltschutz dienende Zielsetzung verlangten, dass "die Bürger" sich vor Gericht auf sie berufen und die nationalen Gerichte sie als Bestandteil des Unionsrechts berücksichtigen können, um insbesondere zu prüfen, ob die Behörde, die einen Plan oder ein Projekt genehmigt hat, ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie beachtet hat (C-243/15, Rn. 44 und C-127/02, Rn. 66). Er hat aber zugleich einschränkend dargelegt, mit der verbindlichen Wirkung einer Richtlinie nach Art. 288 AEUV und dem in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit sei es (lediglich) unvereinbar, "grundsätzlich auszuschließen", dass sich betroffene Personen auf die durch eine Richtlinie auferlegte Verpflichtung berufen können (C-243/15, Rn. 44). Ein derartiger grundsätzlicher Ausschluss liegt im deutschen Recht jedoch nicht vor, weil (Umwelt-)Vereinigungen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (in der Fassung vom 23. August 2017) nun umfassend die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung behördlicher Genehmigungsentscheidungen auf die Vereinbarkeit mit umweltrechtlichen Vorschriften eingeräumt ist.

Der EuGH führt dementsprechend in seinem Urteil vom 8. November 2016 (Rn. 55, 58 bis 61) aus, dass Umweltvereinigungen zwingend die Verletzung der unionsrechtlichen und aus dem Unionsrecht hervorgegangenen nationalen Umweltvorschriften geltend machen können müssten. Er verweist in Rn. 59 insoweit auf sein Urteil vom 15. Oktober 2015 (C-137/14, "Kommission/ Bundesrepublik"), in welchem er betont, dass es dem nationalen Gesetzgeber freisteht, die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs geltend machen kann, auf subjektive Rechte zu beschränken; er hat zugleich ausdrücklich die Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen (Rn. 32 bis 34). Letztlich stellt der EuGH entscheidend darauf ab, welche Vorgaben sich aus Art. 47 EU-Grundrechtecharta i. V. m. dem Effektivitäts- und dem Äquivalenzgebot bzw. aus Art. 9 der Aarhus-Konvention für die Ausgestaltung des innerstaatlichen Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten ergeben (Urteil vom 8. November 2016, Rn. 63).

Hiervon ausgehend ergibt sich aus Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie und der Aarhus-Konvention auch unter Beachtung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 EU-Grundrechtecharta kein klagbares Recht der Klägerin als Privatperson auf Einhaltung der habitat- und artenschutzrechtlichen Vorschriften. Bereits in seinem Urteil vom 12. Mai 2011 - C-115/09 - ("Trianel") hat der EuGH festgestellt, dass im Hinblick auf einen etwaigen Verstoß gegen Art. 6 FFH-Richtlinie auch die Aarhus-Konvention es nicht ausschließt, die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung geltend machen kann, auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken (Rn. 45 bis 49). Wie Art. 11 der UVP-Richtlinie 2011/92/EU lasse es auch Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention zu, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften eine Rechtsverletzung geltend machen müssten, sofern das nationale Verwaltungsprozessrecht dies erfordere (Rn. 41 ff.).

Ein Aufhebungsanspruch der Klägerin folgt auch nicht aus Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention. Danach stellt jede Vertragspartei zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.

Dies verlangt aber nicht, dass Privatpersonen zur Anfechtung jeglicher umweltbezogener Handlungen und Unterlassungen Zugang zu gerichtlichen Verfahren haben müssen, wenn dies für Umweltvereinigungen der Fall ist.

Vgl. Compliance Committee of the Aarhus Convention, Findings and recommendations with regard to communication ACCC/C/2008/31 concerning compliance by Germany, S. 17 Rn. 92, abrufbar unter: https://www.unece.org/env/pp/ compliance/Compliancecommittee/31TableGermany.html; S. auch zusammenfassend BR-Drs. 422/16 vom 12. August 2016, S. 27; ebenso BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 -, juris Rn. 34.

Ebenso wenig gebieten Art. 47 EU-Grundrechtecharta, Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie und die Aarhus-Konvention, dass unabhängig von finanziellen Grenzen und Kapazitätsüberlegungen tatsächlich gegen jede Genehmigung im Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht wird. Entscheidend ist vielmehr, dass Umweltvereinigungen insoweit einen jederzeit möglichen und nicht übermäßig teuren Zugang zu Gericht haben.

Auch die Mitteilung der Kommission über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 28. April 2017 (C(2017) 2616 final; ABl. C 275 vom 18. August 2017, S. 1-39) kommt entgegen der Auffassung der Klägerin zu keinem abweichenden Ergebnis. Die Kommission fasst die Rechtsprechung des EuGH zur Klagebefugnis zum Schutz materieller Rechte dahingehend zusammen, dass es Sache der Mitgliedstaaten sei festzulegen, was unter dem Begriff "Rechtsverletzung" zu verstehen sei (Rn. 101 ff.). Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention sichere den Vertragsparteien einen gewissen Ermessensspielraum für die Festlegung der Kriterien für die Klagebefugnis zu. Die Mitgliedstaaten seien nicht verpflichtet, jedem Mitglied der Öffentlichkeit eine Klagebefugnis zu gewähren. Bei Umweltvereinigungen sei zu berücksichtigen, dass sie eine Rechtsverletzung nicht in gleicher Weise nachweisen könnten wie eine Einzelperson (Rn. 105 ff.).

Abweichendes folgt nicht aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen Urteil des EuGH vom 12. April 2018 - C-323/17 - (zu Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie). Danach haben die dortigen Kläger, eine Umweltorganisation und eine Privatperson, ein Recht aus Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie darauf, an einem Verfahren zum Erlass einer Entscheidung über einen Genehmigungsantrag für ein Projekt mit möglicherweise erheblichen Umweltauswirkungen beteiligt zu werden. Hiermit stellt der EuGH aber nicht auf ein Beteiligungsrecht im gerichtlichen Verfahren, sondern im behördlichen Genehmigungsverfahren ab (vgl. Rn. 39). Er geht insoweit nicht über seine Rechtsprechung in dem Urteil vom 8. November 2016 - C-243/15 - ("Slowakischer Braunbär II") hinaus, auf die er ausdrücklich Bezug nimmt; er knüpft dabei an den Wortlaut des Art. 6 Abs. 3 Satz 2 FFH-Richtlinie an, wonach bei der Prüfung eines Plans bzw. Projekts auf Verträglichkeit bzw. vor der behördlichen Zustimmung gegebenenfalls die Öffentlichkeit anzuhören sei. Folgerungen für ein unabhängig von der nationalen Prozessordnung bestehendes Recht des Einzelnen aus Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie, eine gerichtliche Aufhebung einer solchen Genehmigungsentscheidung - und nicht (nur) ein Beteiligungsrecht im Verwaltungsverfahren - zu erreichen, lassen sich daraus nicht ziehen. Vielmehr hat der EuGH in dem - von der Klägerin zitierten - Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 ("Protect") den Unterschied zwischen dem Beteiligungsrecht im behördlichen Genehmigungsverfahren einerseits und der Anfechtung der behördlichen Sachentscheidung im gerichtlichen Verfahren andererseits betont sowie auf die jeweiligen unterschiedlichen Zielsetzungen hingewiesen (Rn. 60 f.).

Dass der EuGH in den von der Klägerin weiter angeführten Entscheidungen Vorschriften des Verbraucherschutzes, des Wettbewerbsschutzes, der Marktregulierung und der Grundwassersicherung einen individualschützenden Gehalt entnommen hat, bedeutet nicht, dass über die Umweltvereinigungen i. S. v. § 2 UmwRG hinaus auch (betroffene) Privatpersonen eine Verletzung des Habitat- und des Artenschutzrechts geltend machen können müssen. Die Klägerin erkennt vielmehr zu Recht, dass die Vorschriften des Habitat- und Artenschutzrechts nicht auf den Schutz von Individualgütern gerichtet sind. Der Senat teilt nicht ihre weitere Einschätzung, dass ein Individualbezug einer Norm (im Sinne der Einräumung einer Klagebefugnis bzw. eines Aufhebungsanspruchs) aus der - nicht normspezifischen - generellen Erwägung folge, dass eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende Regelung den Schutz des Einzelnen umfasse. Mit dieser allgemeinen Erwägung könnte grundsätzlich bei allen Vorschriften ein subjektives Recht des Einzelnen auf Einhaltung des objektiven Rechts bejaht werden, obwohl auch der europäische Normgeber zwischen beiden differenziert. So hat der EuGH in seinem "Protect"-Urteil vom 20. Dezember 2017 zu Art. 4 WRRL klarstellend herausgestellt, dass Vorschriften des Unionsumweltrechts "in den meisten Fällen auf das allgemeine Interesse und nicht auf den Schutz der Rechtsgüter Einzelner gerichtet" seien und der Schutz des Allgemeininteresses Aufgabe der Umweltvereinigungen sei.

Vgl. EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017- C-664/15 -, "Protect", juris Rn. 47 unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 12. Mai 2011- C-115/09 -, "Trianel", juris Rn. 46.

Dementsprechend hat der Gerichtshof in Bezug auf die Klage einer Umweltvereinigung gegen eine wasserrechtliche Bewilligung (und gegen ihre fehlende Beteiligung an dem Bewilligungsverfahren) entschieden, dass die praktische Wirksamkeit der WRRL und das Ziel des Umweltschutzes verlangten, dass Umweltvereinigungen sich vor Gericht auf die WRRL berufen und die Gerichte sie berücksichtigen können. Mit diesen Ausführungen ist der EuGH allerdings nicht über seine - von ihm zugleich angeführte - Rechtsprechung im Verfahren C-243/15 ("Slowakischer Braunbär II") hinausgegangen. Danach müssen die Mitgliedstaaten nicht zwingend ein subjektives Recht einzelner "Mitglieder der Öffentlichkeit" vorsehen, sofern Umweltvereinigungen die Anfechtung eines solchen Genehmigungsbescheides und ihre Beteiligung an dem Genehmigungsverfahren nicht gänzlich verwehrt ist (Rn. 52 ff.).

In dem von der Klägerin ferner zitierten Urteil vom 12. Dezember 1996 - C-298/95 - geht der EuGH davon aus, dass die Betroffenen die Möglichkeit haben müssen, sich auf die zwingenden Vorschriften der Richtlinie 78/659/EWG über die Qualität von Süßwasser sowie der Richtlinie 79/923/EWG über die Qualitätsanforderungen an Muschelgewässer zu berufen. Die Ausführungen in diesem Urteil geben keinen Anlass, Privatpersonen originäre Klagerechte in Bezug auf den Arten- und Habitatschutz einzuräumen. Der EuGH hat das Erfordernis eines Klagerechts damit begründet, dass die nach den Richtlinien vorgeschriebenen Maßnahmen dazu dienten, eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch verzehrbare Meerestiere abzuwenden (Rn. 15 f.). Entgegen der Interpretation der Klägerin hat der Gerichtshof also nicht allgemein darauf abgestellt, dass die Fischarten zu den Lebensgrundlagen des Menschen gehören, sondern konkret darauf, dass sie zum Verzehr durch den Menschen geeignet sind.

Ein derartiger subjektivrechtlicher, individualschützender Bezug besteht beim Arten- und Habitatschutz nicht. Die FFH-Richtlinie dient, wie ausgeführt, (allein) der Sicherung der Artenvielfalt und soll einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von Interesse für die Union bewahren oder wiederherstellen. Auch wenn eine Realisierung dieser Schutzziele die Lebensqualität vieler Menschen, einschließlich der Klägerin, steigern mag, wird hierdurch nicht eine subjektive Rechtsposition in einem Maße und einer Qualität berührt, die es rechtfertigte, im Hinblick auf die Äquivalenz und Effektivität des Unionsrechts im nationalen Gerichtsverfahrensrecht einen Aufhebungsanspruch nicht nur Umweltvereinigungen, sondern auch Privatpersonen losgelöst von einer Rechtsverletzung einzuräumen bzw. das Erfordernis der Rechtsverletzung auch hinsichtlich Privatpersonen unangewendet zu lassen. Das persönliche Lebensumfeld und Wohlbefinden von natürlichen Personen mag in besonderem Maße durch ein Natura 2000-Gebiet geprägt sein. Aus etwaigen Beeinträchtigungen der Schutzziele dieser Vorschriften folgt jedoch keine Beeinträchtigung subjektiver Rechtspositionen wie der Gesundheit oder des (Grund-)Eigentums der Klägerin an ihren an das Schutzgebiet heranreichenden Wohngrundstücken bzw. des innerhalb des FFH-Gebiets gelegenen Grundstücks.

Vor diesem Hintergrund hat der Senat keine Veranlassung, das Verfahren gemäß dem Antrag der Klägerin auszusetzen und entsprechende Fragen dem Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 2 AEUV vorzulegen.

Zu dem von der Klägerin angesprochenen Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgericht vom 26. April 2018 - 9 A 15.16, 9 A 16.16 - kann der Senat nicht Stellung nehmen, da dieser noch nicht veröffentlicht ist. Der diesbezüglichen Pressemitteilung Nr. 26/2018 des Bundesverwaltungsgerichts sind Ausführungen zu Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie nicht zu entnehmen.

b) Die angefochtene Genehmigung verletzt die Klägerin auch nicht wegen zu erwartender unzulässiger Lärmimmissionen in ihren Rechten.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.

Unter welchen Voraussetzungen Geräuschimmissionen von Windenergieanlagen schädlich i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind, wird anhand der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm, im Folgenden: TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl. Seite 503), zuletzt geändert durch Bekanntmachung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 1. Juni 2017 (BAnz AT vom 8. Juni 2017), bestimmt.

Bewohnern des Außenbereichs - wie der Klägerin - sind von Windenergieanlagen ausgehende Lärmimmissionen in Höhe von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts in Anlehnung an die für Mischgebiete nach Nr. 6.1 Buchstabe d) TA-Lärm 2017 (bzw. Buchstabe c) TA-Lärm 1998) festgelegten Grenzwerte zuzumuten.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Oktober 2017 - 8 B 565/17 -, juris Rn. 81 f.

Diese Werte werden nach der von der Beigeladenen zu 1. vorgelegten Schallberechnung vom 13. Februar 2018 und dem "Gutachten der zu erwartenden Schallimmissionen für den Standort S. II" der X1. H. GmbH vom 26. März 2018 eingehalten.

Danach verursachen die Windenergieanlagen WEA 3 und WEA 4 an dem Wochenend- und Ferienhaus der Klägerin einen Immissionspegel von 40,57 dB(A) und an ihrem Wohngebäude von 40,26 dB(A). Gegen die Richtigkeit dieser Prognose sind durchgreifende Bedenken, die eine Überschreitung des Lärmimmissionsrichtwerts von 45 dB(A) nachts erwarten ließen, weder von der Klägerin vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Insoweit kann offenbleiben, ob die Bindungswirkung der TA Lärm bzw. der von ihr in Bezug genommenen DIN-ISO 9613-2 für die Ermittlung von Schallimmissionen bei Windkraftanlagen entfallen ist, weil die in ihr enthaltene sachverständige Aussage durch neue Erkenntnisse in Wissenschaft und Technik überholt wäre. Jedenfalls liegt eine Prognose nach dem alternativen Berechnungsverfahren regelmäßig dann auf der sicheren Seite, wenn eine den Beurteilungspegel senkende Bodendämpfung in der Berechnung mit dem Nullwert veranschlagt wird [durch den Wert Agr = -3 dB(A)] und damit unberücksichtigt bleibt.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Oktober 2017 - 8 B 565/17 -, juris Rn. 87 ff. m. w. N., und vom 30. Januar 2018 - 8 B 1060/17 -, juris Rn. 27 f.

In dem Schallimmissionsgutachten vom 26. März 2018 bzw. der dort aufgenommenen Berechnung der Vorbelastung vom 2. März 2018 ist neben der Bodendämpfung [durch den Wert Agr = -3 dB(A)] auch der meteorologische Koeffizient auf Null gesetzt worden.

Die Lärmimmissionsrichtwerte werden ferner auch bei Einberechnung einer Vorbelastung durch die etwa 200 m (nord-)westlich der WEA 4 verlaufenden Hochspannungsleitungen - selbst bei starkem Schneefall als akustischer "worst case" - nicht überschritten. Angesichts des berechneten Immissionspegels der Leitungen in Höhe von 39 dB (A) ergibt sich ein Gesamtbeurteilungspegel von 42,8 dB(A) an dem Wochenend- und Ferienhaus und von 42,6 dB(A) an dem Wohngebäude der Klägerin.

c) Die Genehmigung verstößt gegenüber der Klägerin auch nicht gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB). Von den genehmigten Windenergieanlagen geht keine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung auf die Wohnhäuser der Klägerin aus.

Nach der Rechtsprechung des Senats hat sich die Einzelfallabwägung, ob Windenergieanlagen bedrängend auf die Umgebung wirken, in einem ersten Schritt an der Gesamthöhe (Nabenhöhe zuzüglich der Hälfte des Rotordurchmessers) der Anlage zu orientieren. Darüber hinaus sind die örtlichen Verhältnisse in die Einzelfallbewertung einzustellen. So sind u.a. die Höhe und der Standort der Windenergieanlage, die Größe des Rotordurchmessers, eine Außenbereichslage des Grundstücks sowie die Lage bestimmter Räumlichkeiten und deren Fenster und Terrassen zur Windkraftanlage von Bedeutung. Zu berücksichtigen ist auch, ob von dem Wohngrundstück aus eine hinreichende Abschirmung zur Anlage besteht oder in zumutbarer Weise hergestellt werden kann. Relevant ist im Weiteren der Blickwinkel auf die Anlage, weil es für die Erheblichkeit der optischen Beeinträchtigung einen Unterschied bedeutet, ob die Anlage in der Hauptblickrichtung eines Wohnhauses liegt oder sich seitwärts von dieser befindet. Auch die Hauptwindrichtung kann von Bedeutung sein. Denn von der mit der Windrichtung wechselnden Stellung des Rotors hängt es ab, wie häufig in welcher Größe die vom Rotor bestrichene Fläche von einem Wohnhaus aus wahrgenommen wird. Zu berücksichtigen ist im Weiteren die topographische Situation. So kann etwa von einer auf einem Hügel gelegenen Windkraftanlage eine andere Wirkung als von einer auf tiefer liegendem Gelände errichteten Anlage ausgehen. Auch können Waldgebiete oder Gebäude einen zumindest partiellen Sichtschutz bieten.

Unter Berücksichtigung (insbesondere) der vorstehenden Kriterien lassen sich für die Ergebnisse der Einzelfallprüfungen grobe Anhaltswerte prognostizieren: Beträgt der Abstand zwischen einem Wohngebäude und einer Windkraftanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Bei einem solchen Abstand treten die Baukörperwirkung und die Rotorbewegung der Anlage so weit in den Hintergrund, dass ihr in der Regel keine beherrschende Dominanz und keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnbebauung zukommt. Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Ein Wohnhaus wird bei einem solchen Abstand in der Regel optisch von der Anlage überlagert und vereinnahmt. Auch tritt die Anlage in einem solchen Fall durch den verkürzten Abstand und den damit vergrößerten Betrachtungswinkel derart unausweichlich in das Sichtfeld, dass die Wohnnutzung überwiegend in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windkraftanlage das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls. Diesem groben Raster liegt die Überlegung zu Grunde, dass die optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage mit zunehmendem Abstand regelmäßig abnimmt. Anders ausgedrückt: Je größer der Abstand zwischen einer Windenergieanlage und einem Wohnhaus ist, desto mehr treten die Kriterien, die für die optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage verantwortlich sein können, im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallbetrachtung in den Hintergrund.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 3726/05 -, juris Rn. 73 ff., 91 ff., Beschlüsse vom 30. März 2017 - 8 A 2915/15 -, juris, Rn. 35 ff., und vom 13. September 2017 - 8 B 1373/16 -, juris Rn. 40 ff.

Diese Grundsätze gelten auch für moderne Typen von Windenergieanlagen, die durch einen höheren Turm und einen größeren Rotordurchmesser gekennzeichnet sind. Ungeachtet dessen, dass die beschriebene Formel ohnehin nur Anhaltspunkte bietet und nicht von der Betrachtung des konkreten Einzelfalls entbindet, berücksichtigt die Einberechnung der Nabenhöhe einerseits und des hälftigen Rotordurchmessers andererseits bereits hinreichend Höhe und Größe der jeweiligen Anlage. Die Prüfung ist damit auf flexible Kriterien aufgebaut. Die Bewertung der optisch bedrängenden Wirkung berücksichtigt das von der Windenergieanlage eingenommene Sichtfeld. Dass größere Objekte in größerer Entfernung aus demselben Blickwinkel ebenso groß wirken wie kleinere Objekte in geringerer Entfernung, folgt aus dem sog. Zweiten Strahlensatz, der der Faustformel des Senats zugrunde liegt.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Juli 2017 - 8 B 396/17 -, juris Rn. 31 bis 33, und vom 21. November 2017 - 8 B 935/17 -, juris Rn. 50 bis 53.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze geht von den genehmigten beiden Windenenergieanlagen, insbesondere von der nächstgelegenen WEA 4, keine unzumutbare, optisch bedrängende Wirkung für die klägerische Wohnnutzung aus. Die Anlagen haben eine Gesamthöhe von 199 m (140,6 m Nabenhöhe zuzüglich der Hälfte des 116,8 m breiten Rotordurchmessers). Selbst wenn der Standort der nächstgelegenen WEA 4 nicht - wie erstinstanzlich in Übereinstimmung mit der Darstellung der Abstände in den Antragsunterlagen angenommen - in einer Entfernung von 702 m, sondern - gemäß den Angaben der Beigeladenen zu 1. im Schriftsatz vom 3. September 2015 - in einem Abstand von 694 m zu dem Wohnhaus der Klägerin genehmigt worden sein sollte, beträgt dieser Abstand rund das 3,5-Fache der Gesamthöhe der Anlage; der Abstand der - ausweislich der Darstellung der Abstände in den Antragsunterlagen - ca. 875 m entfernten, ebenfalls 199 m hohen WEA 3 beträgt sogar etwa das 4,4-Fache der Gesamthöhe.

Dass der genehmigte Standort der WEA 4 sich mit einer Geländehöhe von 540,8 m üNN etwa 53 m oberhalb des Wohnhauses der Klägerin (circa 488 m üNN) befindet, bewirkt - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht, dass diese Höhendifferenz bei der Abstandsbewertung zu der Gesamthöhe der Anlage zu addieren wäre. Denn eine auf höherem Gelände stehende Windenergieanlage wirkt weniger bedrängend als eine Windenergieanlage, die sich auf der gleichen Ebene wie ein Wohngebäude befindet, aber eine Höhe aufweist, die der Summe aus der Höhendifferenz und der Höhe der erstgenannten Anlage entspricht. Zudem berücksichtigt der grobe, pauschalierende Anhaltswert mittelbar auch, dass der Rotor der Anlage tendenziell umso größer ist, je höher die Anlage ist. Ein Geländeunterschied vergrößert jedoch nicht den Rotorumfang, sondern hat auf diesen keinen Einfluss. Der Höhenunterschied ist daher (nur) im Rahmen der Einzelfallprüfung zu berücksichtigen, weil er die optischen Wirkungen der Windenergieanlage verstärken kann.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29. August 2006 - 8 B 1360/06 -, juris Rn. 38, vom 22. März 2007- 8 B 2283/06 -, juris Rn. 12, und vom 21. November 2014 - 8 B 1019/14 -, S. 5 des Beschlussabdrucks.

Wie sich aus den im Ortstermin des Verwaltungsgerichts gefertigten Lichtbildern, aus dem im Genehmigungsantrag enthaltenen Übersichtslageplan und der Grundkarte ergibt, liegt der Standort der WEA 4 zwar um 53 m oberhalb des Wohngebäudes der Klägerin und in der dortigen Hauptblickrichtung (nach Süden). Allerdings verdeckt das zwischen dem Wohngrundstück der Klägerin und den Anlagenstandorten gelegene Gelände den Blick auf den unteren Bereich der Windenergieanlagen, da es - etwa bei der Schutzhütte - eine Höhe von ca. 552 m üNN erreicht (vgl. die Grundkarte). Aus den im Winter (am 1. März 2016) vom Berichterstatter des Verwaltungsgerichts gefertigten Lichtbildern ergibt sich zudem, dass die oberhalb des Wohngrundstücks befindlichen Waldriegel den Blick etwa auf die untere Hälfte der Windenergieanlagen verdecken. Dass dort vor allem Laubbäume und Lärchen stehen dürften, steht dieser Wirkung ausweislich der Lichtbilder nicht entgegen. Die Klägerin stellt auch die weitere Begründung des Verwaltungsgerichts, die optischen Beeinträchtigungen seien zudem dadurch erheblich gemindert, dass der Rotor bei der Hauptwindrichtung Westen nur von der Seite zu sehen sei, nicht in Frage. Aus diesen Gründen begründet auch der Umstand, dass sich die WEA 4 in der Hauptblickrichtung des Wohnhauses und der südlich davon gelegenen Terrasse befindet, keine unzumutbare Beeinträchtigung. Dabei ist auch zu beachten, dass im Außenbereich die von dort privilegierten Windenergieanlagen ausgehenden optischen Beeinträchtigungen eher hinzunehmen sind.

Aus den im Ortstermin des Verwaltungsgerichts gefertigten Lichtbildern ergibt sich zudem, dass auch bei einer Gesamtbetrachtung der beiden Windenergieanlagen und der vorhandenen Strommasten keine unzumutbare optische Beeinträchtigung vorliegt.

II. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Genehmigung für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt wird.

Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften oder materiellen Rechtsvorschriften im Sinne der §§ 4 Abs. 1b, 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG, auf die sich die Klägerin berufen könnte, liegt nach dem Vorstehenden (s. unter I.) nicht vor.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. sind insoweit erstattungsfähig, weil sie sich im Verfahren substantiiert zur Sache eingelassen und durch Stellung eines Sachantrags einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Demgegenüber sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. nicht für erstattungsfähig zu erklären. Diese hat sich nicht substantiiert zur Sache eingelassen und das Verfahren daher nicht wesentlich gefördert. Es entspricht überdies nicht der Billigkeit, die Klägerin auch mit den Kosten der Beigeladenen zu 2. zu belasten, weil die Beteiligtenstellung der Beigeladenen zu 2. auf dem (allein) zwischen den beiden Beigeladenen veranlassten, nachträglichen Bauherrenwechsel beruht.

Hinsichtlich des in der Hauptsache erledigten Teils des Verfahrens beruht die Kostenentscheidung auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Billigem Ermessen im Sinne dieser Vorschrift entspricht es, die Kosten des Verfahrens beider Instanzen dem Beklagten und der Beigeladenen zu 1. aufzuerlegen (mit der Maßgabe, dass ein Ausgleich zwischen ihnen hinsichtlich ihrer außergerichtlichen Kosten nicht erfolgt), weil die Klage bis zu dem der (Teil-)Erledigung zugrundeliegenden teilweisen Genehmigungsverzicht voraussichtlich Erfolg gehabt hätte. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Gründe seines Beschlusses vom 30. Juni 2017 - 8 B 548/17 - Bezug, die - im Rahmen der nach der (Teil-)Erledigung nur noch nach § 161 Abs. 2 VwGO gebotenen überschlägigen Prüfung - durch die Ausführungen des Beklagten im Berufungsverfahren nicht durchgreifend in Frage gestellt werden. So verhält sich die Berufungserwiderung des Beklagten nicht dazu, dass die Entfernung zwischen dem Schwarzstorchhorst und der WEA 4 in der von der UVP-Vorprüfung in Bezug genommenen artenschutzrechtlichen Prüfung mit 1.400 m angegeben ist, der genehmigte Standort sich aber ungefähr 100 m näher an dem Horst befindet (vgl. S. 7 des Beschlussabdrucks). Auch werden die Zweifel an der Geeignetheit der Beobachtungen des Schwarzstorchs, die sich u.a. darauf gründeten, dass der Untersuchungsraum mit einem Radius von 1.500 bis 2.000 m um den Horstbereich und die Grillhütte nicht dem nach dem Leitfaden "Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen" der Fachministerien des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 12. November 2013 empfohlenen Radius von 3.000 m um die WEA-Standorte entsprach (vgl. S. 7 des Beschlussabdrucks) nicht durch den Hinweis erschüttert, dass die Nahrungssuche der Schwarzstörche in der Regel in einem Umkreis von 3 km um den Horst stattfindet. Der Beklagte führt selbst aus, dass dieser Radius in Abhängigkeit von der Habitatverteilung im Einzelfall auch überschritten wird.

Vgl. auch OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Juni 2017 - 8 B 1264/16 -, juris Rn. 71, und vom 4. Oktober 2017 - 8 B 976/17-, juris Rn. 27 f.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.