LAG Hamm, Beschluss vom 19.09.2017 - 7 TaBV 43/17
Fundstelle
openJur 2019, 20337
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 2 BV 135/16

Die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter i.S.d. § 80 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz

BetrVG dürfen nicht anonymisiert zur Einsichtnahme bereitgestellt werden; außerhalb seines Anwendungsbereiches gebieten auch die Bestimmungen des Entgelt-TranspG - insbesondere § 13 Abs. 2 und 3 i.V.m. §§ 11 und 12 Abs. 3 - keine Anonymisierung

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 04.04.2017 - 2 BV 135/16 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über den Umfang des Einsichtsrechts in die Bruttoentgeltlisten.

Antragsteller ist der im Klinikum der Arbeitgeberin in P gewählte Betriebsrat, der einen Betriebsausschuss eingerichtet hat. Die zu 2 beteiligte Arbeitgeberin betreibt bundesweit zahlreiche Kliniken und Einrichtungen zur Rehabilitation; u.a. die N Klinik in P. (Auch) für die Beschäftigten dieser Klinik war ein (Mantel-)Tarifvertrag mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen, der zum 31.12.2016 gekündigt wurde, ohne dass es bislang zu einem neuen Tarifabschluss gekommen ist.

Bis Ende des Jahres 2015 erstellte die Arbeitgeberin sog. Personenstandsmeldungen, in die der Betriebsrat Einsicht nahm. Hierbei handelte es sich um Bruttolohn- und Gehaltstabellen. Diese Praxis setzte die Arbeitgeberin nicht fort, was der Betriebsrat u.a. mit Nachricht vom 17.08.2016 (Kopie Bl. 5 d.A.) monierte. Unter Hinweis darauf, dass die Arbeitgeberin solche Listen nicht mehr führe, bot sie dem Betriebsrat eine Einsichtnahme „in die Bruttogehaltsliste“ unter dem 14.09.2016 an, was der Betriebsrat wegen Urlaubsabwesenheit seines Vorsitzenden nicht wahrnahm. In der Folgezeit gab es mehrfache Aufforderungen und telefonische Nachfragen durch den Betriebsrat; die Einsichtnahme in die Bruttogehaltsliste wurde indessen nicht ermöglicht, was der Betriebsrat zum Anlass nahm, den vorliegenden Antrag auf Einleitung eines Beschlussverfahrens, beim Arbeitsgericht Minden eingehend am 15.11.2016, anhängig zu machen. Im Anschluss an den erstinstanzlichen Gütetermin vom 06.01.2017 gewährte die Arbeitgeberin unter dem 08.02.2017 Einsichtnahme in eine anonymisierte Bruttoentgeltliste, die folgende Angaben enthielt: Dienstartbezeichnung, Unterdienstartbezeichnung, Geschlecht, Alter, Eintrittsdatum, Grundgehalt, Arbeitszeit/Woche, Zulagen (z.B. Bereitschaftsdienst, Leistungszulage, Festbezug, Funktionszulage, sonstige Zulagen), und ständige Bezüge (z.B. Zeitzuschläge, Ausgleich für Urlaub/Krankheit, Nachtzuschläge, Sonntagszuschläge, Überstundenzuschläge, Überstundenvergütung, Beteiligung Liquidation), sonstige Bezüge (z.B. VL, BAV, Sachbezug, Mutterschaftsgeld, Urlaubsgeld, Übernahme PSt., Abfindung).

Nach Einsichtnahme in diese Liste hat der Betriebsrat am vorliegenden Verfahren festgehalten und vorgetragen:

Neben den Angaben, die die nunmehr zur Einsichtnahme vorgelegte Liste beinhalte, benötige er auch Namen und Vornamen der jeweils betroffenen Beschäftigten. Nur so könne er feststellen, nach welchen Grundsätzen die Arbeitgeberin - insbesondere nach Kündigung der maßgeblichen Tarifverträge - Lohnerhöhungen oder Sonderzahlungen gewähre, was ggf. ein Mitbestimmungsrecht wegen der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen begründe. Zu seiner Aufgabe gehöre es darüber hinaus, Diskriminierungen und/oder sonstige Benachteiligungen zu verhindern. Der Betriebsrat habe nämlich u.a. Kenntnis davon, dass die Arbeitgeberin teilweise die Vergütung der Beschäftigten aus dem tariflichen Bereich herausgezogen und einzelvertragliche Vereinbarungen getroffen habe. Der Betriebsrat müsse überprüfen können, ob hier ggf. eine Ungleichbehandlung vorliege oder eine Gruppenbildung, die Mitbestimmungsrechte auslöse. Er könne nicht darauf verwiesen werden, nach Überprüfung der anonymisierten Bruttoentgeltliste auf die Arbeitgeberin zuzugehen, um durch Nachfragen letztendlich auch den Namen betroffener Beschäftigter genannt zu bekommen. Aus denselben Gründen benötige er auch Angaben zu tariflichen Eingruppierungen.

Im Übrigen sei bei dem Termin zur Einsichtnahme am 08.02.2017 die Personalmanagerin der Klinik quasi als Aufsichtsperson im Raum gewesen, was nicht zulässig sei und die Erfüllung des gesetzlichen Anspruchs auf Einsichtnahme in die Bruttoengeltliste hindere.

Nachdem der antragstellende Betriebsrat das Einsichtsrecht zunächst im Antrag für sich in Anspruch genommen hatte, hat er zuletzt beantragt,

der Arbeitgeberin aufzugeben, dem Betriebsausschuss des Betriebsrates Einsicht in die Bruttolohn- und Gehaltslisten sämtlicher Mitarbeiter mit Ausnahme der leitenden Angestellten nach § 5 BetrVG zu gewähren, wobei die Bruttolöhne und -gehälter hinsichtlich aller Entgeltbestandteile unabhängig von ihrem kollektiven Charakter aufzuschlüsseln sind. Die Aufschlüsselung hat zumindest folgende Angaben zu enthalten:

-               Name, Vorname

-               Tarifentgelt bzw. wenn ein solches nicht gezahlt wird, Grundentgelt

-               Zulagen, Sondervergütungen, Gratifikationen und Prämien jeglicher Art unter Bezeichnung, wofür sie gezahlt werden

-               Entgeltgruppe des Tarifvertrages einschließlich der Tätigkeitsjahre bzw.

-               Angabe der anderweitigen Eingruppierung, sofern eine tarifliche Eingruppierung nicht vorgenommen wurde.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Der Anspruch des Betriebsrates, für den Betriebsausschuss die Einsicht in die Bruttoentgeltlisten zu verlangen, sei im Termin vom 08.02.2017 vollständig erfüllt worden und werde durch die Überlassung einer anonymisierten Liste auch zukünftig erfüllt werden. Für die Wahrnehmung seiner Aufgaben benötige der Betriebsrat nicht die Angabe der Namen der Beschäftigten. Bereits die grundlegende Voraussetzung für das Einsichtsrecht, dass nämlich überhaupt ein Bezug zu den Aufgaben des Betriebsrates bestehe, sei nicht ersichtlich, da der Betriebsrat sämtliche ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben auch ohne die begehrten Namen ausführen könne. Aus diesem Grunde vertrete die Arbeitgeberin auch die Auffassung, dass datenschutzrechtliche Bestimmungen der Namensnennung entgegenstünden. Im Übrigen sei die Begründung zum Entgelttransparentgesetz zu berücksichtigen, wonach auch dort die entsprechenden Bruttoentgeltlisten ohne Nennung der Namen zur Einsichtnahme vorzulegen seien. Die von der Arbeitgeberin geführte Liste enthalte keine Angaben zu Eingruppierungen, weshalb sie nicht verpflichtet sei, diese speziell nur für die Einsicht zu erstellen. Der Erfüllung des geltend gemachten Anspruches stehe die Anwesenheit der Personalmanagerin nicht entgegen. Sie sei als Ansprechpartnerin für den Betriebsausschuss dort gewesen und hätte darauf achten müssen und dürfen, dass keine Abschriften erstellt oder gar mit einem Mobiltelefon Fotos gefertigt würden.

Mit Beschluss vom 04.04.2017, den Vertretern der Beteiligten unter dem 18.04.2017 zugestellt, hat das Arbeitsgericht dem Antrag - ausgelegt als gerichtet auf den Inhalt der von der Arbeitgeberin bereitgestellten Liste zuzüglich der Namen und Eingruppierungen - bis auf die Mitteilung der Eingruppierung stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der gesetzliche Anspruch auf Einsichtnahme in die Bruttoentgeltlisten durch den Betriebsausschuss erfordere auch die Angabe der Namen der Beschäftigten. Die von der Arbeitgeberin eingewandten Bedenken datenschutzrechtlicher Art seien nicht tragfähig. Wegen der angegriffenen Entscheidung im Einzelnen wird auf den Beschluss vom 04.04.2017, Bl. 67 - 79 d. A. Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Arbeitgeberin mit der vorliegenden, beim Landesarbeitsgericht vorab per Telefax am 16.05.2017 eingegangenen und nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 18.07.2017 mit Schriftsatz vom 17.07.2017, am selben Tage per Telefax beim Landesarbeitsgericht eingegangen, begründeten Beschwerde.

Die Arbeitgeberin trägt vor:

Die gesetzliche Regelung zum Einsichtsrecht in die Bruttoentgeltlisten nach§ 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG verlange vom Wortlaut her nicht, auch die Namen der Beschäftigten dort zu anführen. Es gehe um innerbetriebliche Lohngerechtigkeit und um die Frage, ob Ungleichbehandlungen vorliegen. Weder der Betriebsrat noch das Arbeitsgericht hätten erläutert, welches Delta an aufgabenspezifischen Informationen gerade eine anonymisierte von einer nichtanonymisierten Liste unterscheide. Wenn es aber durch konkrete Namensangaben keine zusätzlichen, aufgabenspezifischen Erkenntnisse gebe, so könne die Namensnennung nicht durch einen Verweis auf notwendige Aspekte der Aufgabenwahrnehmung gerechtfertigt sein. Hieraus folge zugleich, dass datenschutzrechtliche Bestimmungen der Weitergabe der Namen entgegenstehen würden. Der Grundsatz der Datensparsamkeit verlange ausdrücklich, nur solche Angaben - falls überhaupt gesetzlich zulässig - weiterzugeben, die zwingend erforderlich seien. Der Informationsanspruch des Betriebsrates finde seine Grenzen im Übrigen im Persönlichkeitsrecht der betroffenen Beschäftigten. Das mittlerweile in Kraft getretene Entgelttransparentgesetz verbiete schließlich auch die Weitergabe der Namen. In den gesetzlichen Vorschriften dort sei auf § 80 Abs. 2 S.2 BetrVG ausdrücklich Bezug genommen und in der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass bei Erfüllung des dort geregelten Auskunftsanspruches eine zwingende Anonymisierung der Daten mittelbar betroffener Beschäftigter geboten sei. Diese Wertungen des Entgelttransparentgesetzes würden belegen, dass die Rechte des Betriebsrates nicht soweit gingen, wie er im vorliegenden Verfahren meine. Schließlich sei der Betriebsrat im Rahmen der Einsichtnahme am 08.02.2017 nicht von der Personalmanagerin kontrolliert worden. Der Betriebsrat habe nicht dargelegt, dass die Personalmanagerin ihm quasi über die Schulter geschaut habe. Es sei lediglich sichergestellt worden, dass sie z.B. ein Abfotografieren der Listen mitbekommen hätte.

Die Arbeitgeberin beantragt,

1.              auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) hin den Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 4. April 2017, Az. 2 BV 135/16 abzuändern und

2.              der Antrag des Beteiligten zu 1) vollumfänglich zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung, soweit sie seinem Begehren stattgegeben hat, als zutreffend. Insbesondere habe das Arbeitsgericht richtigerweise ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein besonderes Überwachungsbedürfnis für die Einsichtnahme in die Bruttoentgeltlisten durch den Betriebsrat nicht dargelegt werden müsse. Die Namen der jeweiligen Mitarbeiter seien selbstverständlich anzugeben, quasi der Einsichtnahme immanent. Nur mit Namensnennung und den dazugehörigen effektiv gezahlten Vergütungen könne sich der Betriebsrat ein Bild darüber machen, ob die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit gewahrt sei und ob ihm bei der Lohngestaltung ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich allgemeiner betrieblicher Entlohnungsgrundsätze oder z.B. erfolgsabhängiger Vergütungen zustehe. Nur die Verbindung von Namen und Tätigkeiten erlaube die korrekte Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgaben. Letztendlich räume auch die Arbeitgeberin die Notwendigkeit der Kenntnis von den Namen ein, wenn sie darlegt, dass der Betriebsrat anhand von Abweichungen zwischen anonymisierten Datensätzen Nachfragen übermitteln könne. Allerdings sei der Betriebsrat nicht darauf zu verweisen, in detektivischer Kleinarbeit Ermittlungen anzustellen, die ihm solche Nachfragen erst ermöglichen würden.

Weder stünden datenschutzrechtliche Bestimmungen der Angaben der Namen entgegen, noch das Persönlichkeitsrecht der in der Bruttoentgeltliste aufgeführten Beschäftigten, wie das Arbeitsgericht zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschieden habe.

Schließlich stünden die Bestimmungen des Entgelttransparenzgesetzes nicht entgegen, da es sich um ein Gesetz zur Regelung individualrechtlicher Auskunftsansprüche handele und keinesfalls bestehende Rechte des Betriebsrates auf der Grundlage der kollektivrechtlichen Bestimmungen des BetrVG einschränke.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle Bezug genommen.

B.

I. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden gemäß § 87 Abs. 2 i.V.m. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 520 ff. ZPO.

II. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet.

1. Der Antrag des Betriebsrates ist zulässig.

a) Der Betriebsrat verfolgt sein Begehren zu Recht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach den §§ 2a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit nach § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG streitig, nämlich der Umfang des Einsichtsrechts in die Bruttoentgeltlisten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG.

b) Der Antrag des Betriebsrates ist auch hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er bezeichnet sämtliche Bestandteile der Bruttoentgeltliste, für die er zugunsten des Betriebsausschusses das Einsichtsrecht begehrt (vgl. BAG, Beschluss vom 14.01.2014, 1 ABR 54/12 Rdnr. 15).

c) Es liegen auch die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 259 ZPO vor, die zu prüfen waren, da der Antrag des Betriebsrates auf eine künftige Leistung gerichtet ist. Die Arbeitgeberin hat aufgrund der von ihr vertretenen Rechtsauffassung klar und unmissverständlich festgelegt, auch zukünftig die Bruttoentgeltlisten, in die sie das Recht zum Einblick für den Betriebsausschuss gewähren will, ausschließlich in anonymisierter Form zur Verfügung zu stellen. Daher besteht im Sinne des§ 259 ZPO die Besorgnis, die Arbeitgeberin werde sich ohne gerichtliche Entscheidung künftig ihrer Verpflichtung entziehen (BAG v. 14.01.2014 aaO, Rdnr. 16).

Im Übrigen bestehen gegen die Zulässigkeit des Antrages keine Bedenken.

2. Der Antrag des Betriebsrates ist auch begründet.

a) Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrates zutreffend ausgelegt, indem es ihn als auf die Einsicht in die Inhalte der von der Arbeitgeberin zur Einsicht am 08.02.2017 vorgelegten Liste gerichtet verstanden hat. Zwar ist der vom Betriebsrat erstinstanzlich zuletzt formulierte Antrag abweichend formuliert. Allerdings hat sich im Laufe des vorliegenden Beschlussverfahrens nach übereinstimmenden Verständnis der Beteiligten herausgestellt, dass der Betriebsrat mit der unter dem 08.02.2017 zur Einsichtnahme vorgelegten Bruttoentgeltliste mit Ausnahme der Anonymisierung und den fehlenden Angaben zur Eingruppierung das Recht zur Einsichtnahme durch den Betriebsausschuss im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG gewahrt sieht, lässt man an dieser Stelle die Anwesenheit der Personalmanagerin außen vor. Damit aber hat der Betriebsrat zum Ausdruck gebracht, dass er der Arbeitgeberin nicht durch das Gericht aufgeben lassen will, eine anders gestaltete Bruttoentgeltliste zur Einsichtnahme zunächst zu fertigen und dann vorzulegen, was nach weit überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur vom Einsichtsrecht auch nicht gedeckt wäre, soweit es um die Herstellung einer Liste geht (vgl. nur Fitting, BetrVG 28. Aufl., § 80 Rdnr. 70 m.z.N.). Er hat vielmehr - soweit im Beschwerdeverfahren noch von Interesse - deutlich gemacht, dass es ihm ausschließlich um die Nennung von Namen und Vornamen der in der Bruttoentgeltliste aufgeführten Beschäftigten geht. Das entspricht im Übrigen auch dem Verständnis der Arbeitgeberin vom Begehren des Betriebsrates, geht doch auch sie davon aus, dass der Streit im vorliegenden Beschlussverfahren jedenfalls in der Beschwerdeinstanz allein um die Frage der Anonymisierung der zur Einsichtnahme bereitgelegten Bruttoentgeltliste geht.

b) Mit diesem Verständnis ist der Antrag des Betriebsrates, wie das Arbeitsgericht zutreffend entschieden, hat auch begründet. Die zur Einsichtnahme vorzulegenden Bruttoentgeltlisten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG müssen auch Namen und Vornamen der Beschäftigten enthalten.

aa) Zwar weist die Arbeitgeberin zutreffend darauf hin, dass § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG eine ausdrückliche Regelung zur Aufführung von Namen und Vornamen in den Bruttoentgeltlisten nicht enthält. Dies ergibt sich indessen aus dem Sinn und dem Zweck der Vorschrift. Die Beschwerdekammer folgt den zutreffenden Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 14.01.2014 (aaO), wonach sich der nötige Aufgabenbezug im Sinne der Erforderlichkeit schon daraus ergibt, dass der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen hat, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge durchgeführt werden. Zu Recht hat der Betriebsrat darauf hingewiesen, dass hierzu die sich aus § 75 Abs. 1 BetrVG ergebende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes gehört, wie auch die Frage, dass der Betriebsrat Informationen dazu benötigt, ob bestimmte Vergütungsmechanismen, die der Arbeitgeber eingeführt hat, zu einem Mitbestimmungsrecht im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hinsichtlich betrieblicher Entlohnungsgrundsätze führt. Aus diesem Grunde bedarf es auch keiner Darlegung eines besonderen Anlasses für die Ausübung des Einsichtsrechts im Hinblick auf die vereinbarten Vergütungen. Das Bundesarbeitsgericht (aaO) hat ausdrücklich ausgeführt, der Betriebsrat benötige die Kenntnis der effektiv gezahlten Vergütungen, „um sich ein Urteil darüber bilden zu können, ob insoweit ein Zustand innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit existiert oder nur durch eine andere betriebliche Lohngestaltung erreicht werden kann [ … ]. Die Grenzen des Einsichtsrechts liegen dort, wo ein Beteiligungsrecht oder eine sonstige Aufgabe offensichtlich nicht in Betracht kommt [ … ]“. Dem ist aus Sicht der Beschwerdekammer nichts hinzuzufügen. Vor diesem Hintergrund des Sinns und Zwecks des § 80 Abs. 2 Nr. 2 2. Halbsatz BetrVG zeigt sich deutlich, dass die Funktion der Bruttoentgeltliste nicht erfüllt werden kann, wenn eine Zuordnung der dort enthaltenen Angaben zu einem konkreten Beschäftigten mangels Angabe von Namen und Vornamen nicht möglich ist. Erst mithilfe des Namens kann der Betriebsrat konkret feststellen, welcher Mitarbeiter welche Vergütungsbestandteile erhält, ob Mitarbeiter betroffen sind, die ggf. von Arbeitgeberseite aus in einer Gruppe zusammengefasst sind und welche Vergütungsbestandteile einzelne oder in Gruppen zusammengefasste Arbeitnehmer beziehen.

Das Arbeitsgericht hat auf Bl. 7 - Bl. 8 oben der angegriffenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass es dem Einsicht nehmenden Betriebsausschuss kaum zumutbar sein kann, quasi in detektivischer Kleinarbeit anhand der übrigen Daten der Bruttoentgeltliste den Versuch zu starten herauszufinden, welchem Arbeitnehmer welche Vergütungsbestandteile konkret zugeordnet werden können. Die Beschwerdekammer schließt sich diesen Ausführungen vollinhaltlich an, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug genommen wird.

bb) Im Übrigen ist zu bedenken, dass auch der Gesetzgeber in § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG schon vom Wortlaut der Vorschrift her nicht davon ausgegangen ist, dass es im Betrieb quasi zwei verschiedene Bruttoentgeltlisten geben kann, nämlich die eine, die der Arbeitgeber mit Namen und Vornamen führt - was im vorliegenden Beschlussverfahren zwischen den Beteiligten nicht im Streit ist - und einer anderen, anonymisierten Liste für den Betriebsausschuss. Der Gesetzgeber spricht insoweit nämlich von einer Einsichtnahme „in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter“ und nicht von einer Einsichtnahme in speziell für den Betriebsrat aufbereiteten Listen. Eine „Aufbereitung“ von Bruttoentgeltlisten sieht der Gesetzgeber ausschließlich für den Anwendungsbereich des EntgTranspG (s. dazu unten e)) vor.

cc) Dieses Verständnis des Gesetzgebers wird im Übrigen auch dadurch gestützt, dass in der betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur zu Recht überwiegend davon ausgegangen wird, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, spezielle Listen für den Betriebsrat zu erstellen, sondern erstellte oder vorhandene Listen zur Einsichtnahme bereit zu halten (vgl. BAG, Beschluss vom 10.10.2006, 1 ABR 68/05).

dd) Im Übrigen geht die Beschwerdekammer davon aus, dass auch das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 14.01.2014 quasi selbstverständlich davon ausgegangen ist, dass die Bruttoentgeltliste Namen und Vornamen der Beschäftigten zu enthalten hat. Deutlich wird dies an den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts zur Frage des Entgegenstehens datenschutzrechtlicher Belange und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Arbeitnehmer bei der Einsichtnahme im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG (BAG aaO Rdnr. 27 - 30). Diese Ausführungen wären bei anonymisierten Listen nicht recht verständlich.

c) Diesem Anspruch des Betriebsrates zur Einsichtnahme durch den Betriebsausschuss gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG stehen datenschutzrechtliche Belange nicht entgegen. Die Beschwerdekammer folgt auch hierzu vollumfänglich der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.01.2014 (aaO), dort unter Rdnr. 28 und 29, wonach es sich bei dem Einsichtsrecht in die Bruttogehaltslisten um eine nach § 32 Abs. 1 BDSG zulässige Form der Datennutzung handelt. Soweit ersichtlich, hat die Arbeitgeberin sich auch nicht auf den Rechtsstandpunkt gestellt, dass die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts in dem genannten Beschluss vom 14.01.2014 unzutreffend sei; vielmehr ist die Arbeitgeberin davon ausgegangen, dass datenschutzrechtliche Belange dem Einsichtsrecht in die Bruttoentgeltliste dann entgegenstünden, wenn diese nicht zwingend auch Namen und Vornamen enthalten müsste. Ist das aber geboten - wie oben ausgeführt - sind die Grundsätze aus dem Beschluss vom 14.01.2014 (aaO) ohne Einschränkung heranzuziehen.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich auch aus den Erwägungen und dem Wortlaut zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO - die allerdings mangels Inkrafttreten noch nicht anwendbar ist) keine abweichende Beurteilung ergeben kann, da Art. 6 DSGVO insofern beschreibt, dass eine Datenverarbeitung rechtmäßig ist, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der für die Datenverarbeitung Verantwortliche unterliegt. Dies ist der Fall, wie oben ausgeführt.

d) Soweit die Arbeitgeberin Individualinteressen der namentlich in der Bruttoentgeltliste bezeichneten Beschäftigten als Grund für eine Anonymisierung der Liste aufgeführt hat, so steht es ihr nicht zu, sich gegenüber dem Anspruch des Betriebsrates aus § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG auf die Grundrechte von Arbeitnehmern zu berufen (BAG v. 14.01.2014 aaO Rdnr. 29 und Beschluss vom 20.12.1988, 1 ABR 63/87, Rdnr. 38 m.w.N.).

e) Die Bestimmungen des am 06.07.2017 in Kraft getretenen Entgelttransparentgesetzes stehen schließlich auch dem Anspruch des Betriebsrates auf die namentliche Aufführung der Beschäftigten in der Bruttoentgeltliste im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG nicht entgegen.

(1) Die Beschwerdekammer hatte die Regelungen des EntgTranspG zu berücksichtigen, da sie im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer in Kraft getreten waren. Auf den Zeitpunkt der erfolgten Einsichtnahme (08.02.2017) konnte auch deshalb nicht abgestellt werden, da der Betriebsrat einen Antrag auf zukünftige Leistung i.S.d. § 259 ZPO formuliert hat (s.o. II.1.c)).

(2) Die Regelungen des EntgTranspG vom 30.06.2017 (BGBl. I S. 21, 52) sehen keine Einschränkung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten des Betriebsrates, sondern deren Erweiterung vor (vgl. Kania, Betriebsratsbeteiligung bei der Durchsetzung von Entgelttransparenz in NZA 2017, S. 819 ff., 820). In der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen heißt es dazu u.a., dass „in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten bei gleichzeitiger Stärkung des Betriebsrates bei der Wahrnehmung des Auskunftsanspruches“ ein individueller Auskunftsanspruch geschaffen wird (vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf, Bundesratsdrucksache 8/17 vom 12.01.2017). Dieser gesetzgeberische Hintergrund zur Stärkung des Betriebsrates bei der Wahrnehmung des Auskunftsanspruches würde in sein Gegenteil verkehrt, würde man nun die nach dem EntgTranspG herzustellenden Bruttoentgeltlisten (ohne Namen und Vornamen der dort aufzulistenden Beschäftigten gem. § 12 Abs. 3 EntgTranspG) nehmen, um den betriebsverfassungsrechtlichen Einsichtsanspruch des § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG zu begrenzen. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber mit den Regelungen des Entgelttransparenzgesetzes in dessen Abschnitt 2 (§§ 10 ff.) ausdrücklich „individuelle Verfahren zur Überprüfung von Entgeltgleichheit“ und damit die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Herstellung bestimmter Bruttoentgeltlisten mit im Gesetz geregelten Inhalten eingeführt hat. Der Gesetzgeber hat an dieser Stelle dem Umstand Rechnung getragen, dass nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur bislang die Herstellung entsprechender Listen mit konkreten, vom Gesetzgeber vorgesehenen Inhalten, nicht vorgesehen war (vgl. hierzu auch Kania a.a.O. m.w.N.). Dementsprechend kann die Inbezugnahme des § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG in § 13 Abs. 2 EntgTranspG nur als Verweisung auf das Verfahren, wie es die betriebsverfassungsrechtlichen Normen beschreiben, gesehen werden, nicht aber als materiellrechtliche Modifikation des Einsichtsrechts außerhalb des EntgTranspG. Hierfür spricht auch die Regelung in § 13 Abs. 6 EntgTranspG, wonach gesetzliche und sonstige kollektivrechtlich geregelte Beteiligungsrechte des Betriebsrates vom EntgTranspG unberührt bleiben.

Nach alledem verbleibt es dabei, dass der Betriebsrat einen Anspruch gegen dieArbeitgeberin hat, die zur Einsichtnahme durch den Betriebsausschuss bereitgehaltenen Bruttoentgeltlisten nicht zu anonymisieren, sie also auch Namen und Vornamen der Beschäftigten enthalten müssen.

3. Da der Anspruch des Betriebsrates aus § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG weder am 08.02.2017 bei der erfolgten Einsichtnahme erfüllt worden ist und auch auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin zur Anonymisierung der Liste auch zukünftig nicht erfüllt werden kann, hatte der Antrag insgesamt Erfolg. Einer Entscheidung der Beschwerdekammer dazu, ob die Anwesenheit der Personalmanagerin am 08.02.2017 der Erfüllung des Anspruches des Betriebsrates entgegenstand, bedurfte es daher nicht. Allerdings wird die Arbeitgeberin auf der Grundlage der ständigen, zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur Beschluss vom 16.08.1995, 7 ABR 63/94, Rdnr. 19 ff.) zu bedenken haben, dass der Betriebsausschuss im Rahmen seiner Einsichtnahme nicht kontrolliert werden darf.

III. Die Rechtsbeschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen, insbesondere wegen des Verhältnisses des in § 13 EntgTranspG geregelten Einsichtsrechts des Betriebsausschusses und der allgemeinen Vorschrift des § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG gemäß § 92 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.