LG Krefeld, Beschluss vom 20.06.2016 - 7 T 69/16
Fundstelle
openJur 2019, 20319
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Vertreters der Staatskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 11.04.2016, Az. 88 II 2737/11, wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1. war von der F N J GmbH & Co. KG wegen einer behaupteten Urheberrechtsverletzung abgemahnt, zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Zahlung eines pauschalen Schadensbetrages aufgefordert worden. Am 07.09.2011 erteilte ihr das Amtsgericht Krefeld einen Berechtigungsschein hinsichtlich Beratungshilfe für die Angelegenheit "Urheberrechtsverletzungen".

Die Beteiligte zu 1. gab daraufhin, vertreten durch ihre Verfahrensbevollmächtigten, mit Schriftsatz vom 14.09.2011 eine Unterlassungserklärung mit inhaltlichen Änderungen ab, nämlich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter der auflösenden Bedingung einer allgemeinverbindlichen Rechtsänderung. Die Gegenseite nahm die modifizierte Unterlassungserklärung mit Schriftsatz vom 11.10.2011 an.

Die Beteiligten zu 2. haben mit Schreiben vom 14.09.2011 zunächst die Festsetzung einer Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 VV RVG nebst Pauschalen und Umsatzsteuer, insgesamt einen Betrag in Höhe von 99,96 EUR beantragt. Mit Schriftsatz vom 13.12.2014 haben sie zusätzlich die Festsetzung einer Einigungsgebühr in Höhe von 155,89 EUR geltend gemacht. Zur Begründung führten sie aus, dass durch die wesentlich modifizierte Unterlassungserklärung im Hinblick auf einen Anspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG, die die Beteiligte zu 1. erheblich weniger binde als von der Gegenseite per vorformulierter Unterlassungserklärung gefordert war, sowie der Annahme durch den Gegner eine Teileinigung erzielt worden sei, die eine Gebühr nach Nr. 2508 VV RVG auslöse.

Durch Beschluss vom 16.01.2015 hat das Amtsgericht den weitergehenden Antrag hinsichtlich der Einigungsgebühr gemäß Nr. 2508 VV RVG nach Anhörung des Bezirksrevisors zurückgewiesen. Es verbleibe, so das Amtsgericht, bei der bereits festgesetzten Vergütung in Höhe von 99,96 EUR, welche mit Antrag vom 14.09.2011 beantragt worden sei.

Auf die hiergegen von den Beteiligten zu 2. eingelegte Erinnerung hat das Amtsgericht Krefeld durch Beschluss vom 16.01.2015 den Beschluss aufgehoben und die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung gemäß dem Antrag vom 13.12.2014 auf 155,89 EUR festgesetzt. Das Amtsgericht hat zugleich die Beschwerde zugelassen, die vom Beteiligten zu 3. unter dem 17.05.2016 eingelegt worden ist. Zur Begründung hat er unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf v. 04.03.2014, Az. I-10 W 19/14) ausgeführt, dass die hier in Rede stehende Unterlassungserklärung nicht zu einer Beilegung des Rechtsstreits geführt habe. Es handele sich um eine einseitige Erklärung der Betroffenen, dass eine sowieso rechtswidrige Handlung, nämlich das Zugänglichmachen von geschützten Titeln unterlassen werde. Diese Erklärung die auf die Zukunft gerichtet sei, ändere nichts an der Urheberrechtsverletzung in der Vergangenheit.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landgericht Krefeld, Beschwerdekammer, zur Entscheidung vorgelegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den angefochtenen Beschluss sowie die von den Beteiligten zu 2. und dem Vertreter der Staatskasse eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II. Die Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 1, 33 Abs. 3 S. 2, 3 RVG zulässig, da das Amtsgericht diese im angefochtenen Beschluss zugelassen hat.

In der Sache hat die Beschwerde des Vertreters der Staatskasse keinen Erfolg. Die Beteiligten zu 2. können neben der Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 VV RVG auch eine Einigungsgebühr gemäß Nr. 2508 VV RVG geltend machen.

Die für die Beratungshilfe anzuwendende Nr. 2508 VV RVG verweist hinsichtlich der Einigungsgebühr auf Nr. 1000 VV RVG. Nach Nrn. 1003, 1000 VV RVG entsteht eine Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Allgemein anerkannt ist, dass bereits eine Zwischeneinigung der Parteien eine Einigungsgebühr auslösen kann und es nicht erforderlich ist, dass sich die Parteien über den gesamten Streitstoff einigen, um die Einigungsgebühr nach Nrn.1003, 1000 VV RVG auszulösen (OLG Hamm, Beschluss v. 02.07.2012, Az. II-6 WF 127/12, recherchiert nach juris). Die Parteien müssen jedoch durch die Vereinbarung eine Regelung über einen nicht nur unerheblichen Teil des Verfahrensgegenstandes treffen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 04.03.2014, Az. I-10 W 19/14).

Zwischen der Beteiligten zu 1. und der Gläubigerin ist ein Unterlassungsvertrag zustande gekommen (vgl. hierzu Landgericht Ulm, Beschluss v. 04.04.2014, Az. 2 T 10/14). Die Annahme der Unterwerfungserklärung durch die Gläubigerin ist vorliegend hinreichend dokumentiert.

Dieser beschränkte sich auch nicht lediglich auf ein Anerkenntnis.

Die Beteiligte zu 1. hat das in der abgeforderten Unterlassungserklärung zu sehende Angebot auf Abschluss eines strafbewehrten Unterlassungsvertrages lediglich mit Änderungen angenommen. Die Beteiligte zu 1. und die Gläubigerin haben einen Vergleich im Sinne von § 779 BGB geschlossen. Diese Vereinbarung stellte auch auf Gläubigerseite ein Nachgeben dar, da die Regelung die Rechtsfolgen des behaupteten Urheberrechtsverstoßes für die Beteiligte zu 1. günstiger gestaltete als die zunächst abgeforderte Unterwerfungserklärung.

Durch die modifizierte Unterlassungserklärung wurde der Streit um den gesetzlichen Unterlassungsanspruch - die Verpflichtung der Beteiligten zur Unterlassung in der Zukunft - beseitigt. Auf Grund des geschlossenen Vertrages steht der abmahnenden Gläubigerin nunmehr ein vertraglicher Unterlassungsanspruch gegen die Beteiligte zu 1. zu. Hierdurch wird die Weiterverbreitung des urheberrechtlich geschützten Materials für die Zukunft unterbunden. Der Erklärung der Beteiligten zu 1. kommt dabei Bindungswirkung zu, auch wenn sie unter der aufschiebenden Bedingung einer allgemeinverbindlichen Rechtsänderung stand. Hieran kann der Gläubigerin ein im Vergleich zum Schadensersatz zumindest gleichwertiges Interesse auch nicht abgesprochen werden kann. Damit ist eine vergleichsweise Regelung getroffen worden.

Dass eine Einigung über die Kostentragung nicht zustande gekommen ist, schadet nicht, da insoweit eine Teileinigung, die auch in einem geringen Zugeständnis liegen kann, ausreicht.

Die erfolgte Teileinigung über den Unterlassungsanspruch betrifft auch nicht nur einen nur unerheblichen Teil des Verfahrensgegenstandes.

Von der Gläubigerin sind ursprünglich mehrere Ansprüche gegen die Beteiligte zu 1. erhoben worden, nämlich ein Unterlassungsanspruch gemäß § 97 Abs. 1 UrhG und ein Schadensersatzanspruch gemäß § 97 Abs. 2 UrhG. Zur Erfüllung des ersteren wurde von der Beteiligten zu 1. die Unterzeichnung einer von der Gegenseite vorformulierten Unterlassungserklärung gefordert, hinsichtlich des letztgenannten behaupteten Anspruchs die Zahlung eines pauschalen Betrages. Der Unterlassungserklärung kommt dabei nicht nur eine ganz untergeordnete Bedeutung zu (OLG Stuttgart, Beschluss v. 18.03.2016, Az.: 8 W 183/14; Bischof/Jungbauer, RVG, 7. Aufl., VV 2508 RVG, Rdnr. 6, a.A. OLG Düsseldorf, a.a.O im dortigen Fall). Auch wenn das Hauptinteresse des Rechtsinhabers letztlich auf die Zahlung eines Geldbetrages gerichtet sein sollte, kann im vorliegenden Fall die strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung - nicht zuletzt wertmäßig - nicht lediglich als unerheblicher Teil des Verfahrensgegenstandes im oben genannten Sinne angesehen werden (OLG Stuttgart, a.a.O). Dafür spricht auch, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, dass in Filesharing-Fällen, wie dem vorliegenden, dem Unterlassungsanspruch regelmäßig ein höherer Streitwert zugesprochen wird als dem Schadensersatzanspruch (LG Hanau, Beschluss v. 19.01.2015, 3 T 8/15).

III. Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG).

Die Kammer hat gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 6 RVG die weitere Beschwerde zugelassen, da die zur Entscheidung stehenden Fragen grundsätzlich Bedeutung haben.

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