LAG Köln, Urteil vom 12.01.2017 - 7 Sa 618/16
Fundstelle
openJur 2019, 20265
  • Rkr:
Verfahrensgang

Sonderzahlungen, die ein Arbeitgeber im laufenden Arbeitsverhältnis erbringt, sind im Zweifel als zusätzliches Entgelt für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung anzusehen. Etwas anderes gilt nur, wenn sich aus der Vereinbarung deutlich ein ausschließlich anderer Zweck ergibt.

Auch Sonderzahlungen, die zusätzlich zu ihrer Funktion als Arbeitsentgelt noch weitere Zwecke verfolgen, sind grundsätzlich nach den Regeln über die Zahlung von Arbeitsentgelt zu behandeln.

Die Bezeichnung einer arbeitsvertraglich vereinbarten Sonderzahlung als Weihnachtsgeld sagt für sich betrachtet allenfalls etwas über den Fälligkeitszeitpunkt der Zahlung aus, nicht aber über ihren Rechtscharakter als zusätzliches Entgelt oder Gratifikation.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.05.2016 in Sachen 15 Ca 1161/16 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für das Kalenderjahr 2015 das arbeitsvertraglich vereinbarte Weihnachtsgeld zustand.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 15. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen arbeitsgerichtlichen Urteils vom 23.05.2016 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin am 27.06.2016 zugestellt. Sie hat hiergegen am 11.07.2016 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beanstandet an dem arbeitsgerichtlichen Urteil, dass dieses die arbeitsvertragliche Klausel über die Zahlung des Weihnachtsgeldes falsch ausgelegt habe. Bei zutreffender Auslegung sei die Klausel nur so zu verstehen, dass sie vor allem die Betriebszugehörigkeit und Betriebstreue des Arbeitnehmers belohnen solle. Dies folge zum einen schon daraus, dass die Höhe des Weihnachtsgeldes nach der Betriebszugehörigkeit gestaffelt ist. Außerdem sei der Klausel eindeutig zu entnehmen, dass das Weihnachtsgeld nur gezahlt werde, wenn das Arbeitsverhältnis am Jahresende noch bestehe und dass ein unterjährig ausscheidender Arbeitnehmer keinen anteiligen Anspruch auf das Weihnachtsgeld habe.

In Anbetracht dessen sei es unerheblich, dass die Zahlung des Weihnachtsgeldes nicht auch noch durch eine Rückzahlungsklausel an eine zukünftige Betriebstreue geknüpft sei.

Die Klägerin behauptet, dass die Klausel über das Weihnachtsgeld in ihrem Arbeitsvertrag ungeachtet des Umstands, dass sie handschriftlich eingefügt worden sei, nicht ausgehandelt, sondern vom Arbeitgeber einseitig vorgegeben worden sei. Es handele sich somit um eine allgemeine Geschäftsbedingung. Nähme man unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten an, greife daher die Unklarheitenregel zugunsten der Klägerin ein.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 23.05.2016 (15 Ca 1161/16) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 725,-- € brutto zu zahlen zuzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.01.2016.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte tritt der Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils bei. Sie bekräftigt, alleiniger Zweck der Zahlung des hier vorliegenden "Weihnachtsgeldes" sei d ie zusätzliche Zahlung eines Entgeltes und nicht die Belohnung von Betriebstreue. Es handele sich auch nicht um eine Gratifikation mit Mischcharakter, sondern einzig und allein um die Zahlung eines 13. Gehaltes mit Entgeltcharakter.

Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungschrift der Klägerin und ihrer weiteren Schriftsätze vom 24.08.2016, 12.09. und 21.11.2016 sowie auf den vollständigen Inhalt der Berufungserwiderungsschrift der Beklagten und deren weiterer Schriftsätze vom 01.09. und 28.09.2016 wird ergänzend Bezug genommen.

Gründe

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.05.2016 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch formal ordnungsgemäß und fristgerecht nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Klägerin konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht Köln hat den Rechtsstreit nach Überzeugung des Berufungsgerichts zutreffend entschieden und seine Entscheidung tragfähig begründet.

1. Der rechtlich maßgebende Gesichtspunkt dafür, ob der Klägerin für das Kalenderjahr 2015 das vertraglich vereinbarte Weihnachtsgeld zustand, besteht darin, ob dem vertraglich zugesagten Weihnachtsgeld Entgeltcharakter zukommt, d. h., ob es eine zusätzliche Entlohnung für die im Laufe des Jahres erbrachte Arbeitsleistung darstellen soll, oder ob der Zweck des Weihnachtsgeldes in der Belohnung von der Klägerin erbrachter Betriebstreue besteht. Über diesen vom Arbeitsgericht zutreffend gewählten Ausgangspunkt besteht auch zwischen den Parteien kein Streit.

2. Handelt es sich bei dem vertraglich vereinbarten Weihnachtsgeld um eine Sonderzahlung mit Entgeltcharakter, kann die Klägerin für das Kalenderjahr 2015 kein Weihnachtsgeld beanspruchen; denn die Klägerin hat während des gesamten Kalenderjahres 2015 aufgrund fortdauernder Arbeitsunfähigkeit ihre arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen können und der gesetzliche Anspruchszeitraum für eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall war bereits zu Beginn des Kalenderjahres 2015 abgelaufen.

3. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dienen Sonderzahlungen, die ein Arbeitgeber an einen Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis erbringt, regelmäßig als zusätzliches Entgelt für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung. Soll eine Sonderzahlung anderen Zwecken dienen, z. B. einen Anreiz für zukünftige Betriebstreue schaffen, muss dies aus der vertraglichen Vereinbarung bzw. der arbeitgeberseitigen Zusage eindeutig hervorgehen. Auch Sonderzahlungen, die außer ihrer Funktion als Arbeitsentgelt noch weitere Zwecke verfolgen, sind grundsätzlich nach den Regeln über die Zahlung von Arbeitsentgelt zu behandeln (vgl. BAG vom 12.04.2011, NZA 2011, 989; BAG vom 18.01.2012, NZA 2012, 561; BAG vom 13.11.2013, NZA 2014, 368; ErfK/Preis, 17. Auflage, § 611 BGB, Rdnr. 534 ff.).

a. Das Berufungsgericht teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass es sich bei dem in Ziffer 13 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 11.09.2006 unter "besondere Vereinbarungen" vereinbarten "Weihnachtsgeld" um eine Sonderzahlung mit Entgeltcharakter handelt. Dies sieht auch die Beklagte so, die in ihrer Berufungserwiderung ausdrücklich das Weihnachtsgeld als "13. Gehalt" bezeichnet (Seite 2 unten).

b. Der Entgeltcharakter des mit der Klägerin vertraglich vereinbarten Weihnachtsgeldes ergibt sich schon daraus, dass Geldzahlungen eines Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis regelmäßig als Entgelt für die Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers anzusehen sind und ein anderer Zweck sich der Klausel über das Weihnachtsgeld in Ziffer 13 des Arbeitsvertrages der Parteien nicht entnehmen lässt.

aa. So lassen die Modalitäten der Weihnachtsgeldvereinbarung der Parteien in keiner Weise erkennen, dass das von der Beklagten zugesagte Weihnachtsgeld in Wirklichkeit dem Zweck dienen sollte, einen Anreiz für künftige Betriebstreue zu schaffen. Unstreitig ist in Ziffer 13 des Arbeitsvertrages nicht geregelt, dass die Klägerin das Weihnachtsgeld zurückzahlen müsste, wenn sie nicht mindestens bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Weihnachten 2015 an dem Arbeitsverhältnis der Parteien festhält.

bb. Die Vertragsklausel der Parteien enthält auch keine Stichtagsregelung, wonach der Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt - oder gar der ungekündigte Bestand - Voraussetzung für die Zahlung des Weihnachtsgeldes sein soll.

cc. Eine solche Stichtagsregelung folgt auch nicht bereits aus der Bezeichnung der Zahlung als "Weihnachtsgeld". Der Bezeichnung als "Weihnachtsgeld" kann nur entnommen werden, dass die Zahlung im zeitlichen Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest erbracht wird, also zu demjenigen Zeitpunkt, wenn die Vergütung für den Weihnachtsmonat Dezember fällig wird. Ein über diese bloße Fälligkeitsbestimmung hinausgehender Regelungsinhalt lässt sich allein aus der Bezeichnung der Leistung als Weihnachtsgeld nicht entnehmen.

dd. Zutreffend führt die Klägerin zwar an, dass die Vereinbarung in Ziffer 13 des Arbeitsvertrages nicht explizit regelt, dass der Klägerin im Falle eines unterjährigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis das Weihnachtsgeld anteilig zustehen sollte. Aus dem Fehlen einer solchen ausdrücklichen Vorgabe lässt sich aber kein Indiz dafür herleiten, dass das Weihnachtsgeld in Wirklichkeit nicht zum Zwecke der Arbeitsvergütung gezahlt werden soll. Insoweit unterliegt die Klägerin einem Zirkelschluss; denn Ziffer 13 des Arbeitsvertrages enthält auch keine gegenteilige Aussage, wonach die Klägerin im Falle ihres unterjährigen Ausscheidens das Weihnachtsgeld nicht anteilig erhalten solle. Die rechtliche Einordnung der Sonderzahlung "Weihnachtsgeld" als zusätzliche Arbeitsvergütung hängt somit nicht vom Fehlen einer expliziten Aussage darüber ab, wie im Falle eines unterjährigen Ausscheidens der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis zu verfahren wäre, sondern umgekehrt richtet sich (auch) das Bestehen eines etwaigen Teilanspruches auf das Weihnachtsgeld bei unterjährigem Ausscheiden nach der Charakterisierung dieser Leistung als zusätzliche Arbeitsvergütung oder als Sonderzahlung zu anderen Zwecken.

c. Der in Ziffer 13 des Arbeitsvertrages enthaltenen Regelung über das Weihnachtsgeld lässt sich schließlich auch nicht entnehmen, dass das Weihnachtsgeld in Wirklichkeit nur den Zweck hat, vergangene Betriebstreue zu belohnen.

aa. Dagegen spricht schon, dass nach dem Regelungsgehalt der Klausel auch der neueingestellte Arbeitnehmer schon im ersten Jahr seiner Betriebszugehörigkeit Weihnachtsgeld erhalten soll.

bb. Zwar steigert sich die Höhe des zugesagten Weihnachtsgeldes sodann jährlich bis zum 3. Jahr der Betriebszugehörigkeit. Dies lässt sich aber ohne weiteres auch mit einem Arbeitsentgeltcharakter des Weihnachtsgeldes in Einklang bringen; denn die Arbeitsleistung eines neueingestellten Arbeitnehmers wird für den Arbeitgeber tendenziell wertvoller, wenn Probezeit und Einarbeitungsphase abgeschlossen sind und der Arbeitnehmer in seinem neuen Arbeitsumfeld erste Erfahrungen gesammelt hat. Auch die Grundarbeitsvergütung steigert sich üblicherweise häufig nach Abschluss der Probezeit und einer daran anschließenden Einarbeitungsphase. Mit dieser Überlegung stimmt auch überein, dass nach der vertraglichen Vereinbarung keine weitere Steigerung des Weihnachtsgelds mehr eintritt, sobald die Klägerin das 3. Beschäftigungsjahr erreicht hat.

4. Bei alledem ist es für die Entscheidung des vorliegenden Falles rechtlich nicht erheblich, ob es sich bei der in Ziffer 13 des Arbeitsvertrages handschriftlich eingetragenen Klausel über die Zahlung des Weihnachtsgeldes um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt oder nicht.

a. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin irrt, wenn sie ausführt, die Weihnachtsgeldvereinbarung in dem von der Beklagten vorgelegten Arbeitsvertrag ihrer Kollegin B weiche zwar im Wortlaut von der in ihrem Arbeitsvertrag enthaltenen Klausel ab, sei inhaltlich jedoch völlig identisch. In Wirklichkeit unterscheidet sich die Weihnachtsgeldregelung im Arbeitsvertrag der Kollegin B von demjenigen der Klägerin diametral.

aa. Gemeinsam ist beiden Regelungen nur, dass sich die Höhe des Weihnachtsgeldes vom Eintrittsjahr bis zum 3. Beschäftigungsjahr prozentual steigert. Schon die Steigerungssätze sind allerdings unterschiedlich (bei der Klägerin von 30 % zu 40 % zu 50 %, bei der Kollegin B von 20 % zu 30 % zu 50 %).

bb. Vor allem aber enthält der Arbeitsvertrag der Kollegin B unter § 3 Ziffer 2 eine ausdrückliche Stichtagsregelung, eine Rückzahlungsklausel, falls das Arbeitsverhältnis vor dem 31.03. des folgenden Jahres beendet wird und die Bezeichnung des Weihnachtsgeldes als "Weihnachtsgratifikation".

b. Es kann jedoch zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass auf die Weihnachtsgeldvereinbarung in Ziffer 13 ihres Arbeitsvertrages die Regeln des AGB-Rechts Anwendung finden. Gleichwohl kann sie aus der Unklarheitenregel in § 305 c Abs. 2 BGB für den vorliegenden Fall nichts zu ihren Gunsten herleiten. In den vorliegend entscheidungserheblichen Punkten ist eine Unklarheit des Regelungsgehalts der Weihnachtsgeldzusage in Ziffer 13 des Arbeitsvertrages nicht festzustellen. Dabei müssen etwaige Unklarheiten des Regelungsgehalts selbst, auf die sich § 305 c Abs. 2 BGB bezieht, unterschieden werden von einer im Einzelfall möglichweise mehr oder weniger schwierigen Einordnung einer für sich betrachtet klaren vertraglichen Regelung in bestimmte rechtliche Begriffe und Kategorien.

5. Unerheblich für die Entscheidung des vorliegenden Falles bleibt schließlich auch, dass das Weihnachtsgeld in Ziffer 13 des Arbeitsvertrages als "freiwillige" Zahlung bezeichnet wird.

a. Die Beklagte hatte sich erstinstanzlich u. a. - im rechtlichen Ergebnis zu Unrecht - zu ihrer Rechtsverteidigung darauf berufen, dass es sich bei der Weihnachtsgeldzusage um eine freiwillige Zusage handelt. Hierauf ist die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr zurückgekommen.

b. Der Anspruch der Klägerin auf die Zahlung des Weihnachtsgeldes 2015 scheitert im Ergebnis auch nicht daran, dass die Weihnachtsgeldzahlung im Arbeitsvertrag als "freiwillig" bezeichnet wird. Mit der Einordnung des zugesagten Weihnachtsgeldes als Arbeitsentgelt oder eine Sonderzahlung zu anderen Zwecken hat das Wort "freiwillig" in Ziffer 13 Satz 2 des Arbeitsvertrages nämlich nichts zu tun.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich.

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