LAG Köln, Urteil vom 11.06.2015 - 7 Sa 1205/14
Fundstelle
openJur 2019, 20216
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 11 Ca 5238/13

Eine außerordentliche Kündigung wegen (versuchten) Arbeitszeitbetruges setzt ein vorsätzliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers voraus. Eine lediglich fahrlässige Falscheintragung in einem Zeiterfassungssystem kann regelmäßig zunächst nur zu einer Abmahnung führen.

Zur Beweiswürdigung im Einzelfall.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.08.2014 in Sachen11 Ca 5238/13 abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25.02.2013 weder fristlos, noch fristgerecht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.762,55 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 1.841,70 € seit dem 16.04.2013 und aus weiteren 920,85 € seit dem 16.05.2013 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Monat März und den Monat April 2013 eine Lohnabrechnung über die sich jeweils ergebenden o. a. Bruttobeträge zu erteilen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlich ausgesprochenen arbeitgeberseitigen verhaltensbedingten Kündigung vom 25.02.2013, der Klägerin zugegangen am 28.02.2013, sowie um Entgeltfortzahlungs- und Abrechnungsansprüche für die Monate März und April 2013.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 11. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 28.08.2014 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin am 17.11.2014 zugestellt. Die Klägerin hat hiergegen am 16.12.2014 Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.02.2015 am 17.02.2015 begründet.

Die Klägerin und Berufungsklägerin ist der Ansicht, das Arbeitsgericht sei aufgrund fehlerhafter Tatsachenfeststellung und fehlerhafter rechtlicher Würdigung zu einem falschen Ergebnis gelangt. Die Annahme, sie habe in der Korrekturmeldung "17:00 Uhr" eingegeben, resultiere aus einer fehlerhaften Würdigung der Beweisaufnahme. Der Ausdruck des Workflows belege eine solche durch sie, die Klägerin, vorgenommene Zeitangabe nicht. Das Arbeitsgericht sei fehlerhaft der Aussage des Zeugen U gefolgt, ohne die Aussage des Zeugen S hinreichend zu würdigen, der ausgesagt habe, eine Zeiteintragung sei in dem dafür vorgesehenen Feld nicht möglich gewesen. Desweiteren habe der Zeuge S bestätigt, dass nach seiner Kenntnis bei Nichtangabe einer Endarbeitszeit im System grundsätzlich die regelmäßige Arbeitszeit verbucht werde.

Jedenfalls habe sie, die Klägerin, nicht vorsätzlich gehandelt, selbst wenn sie - woran sie sich nicht erinnern könne - tatsächlich zusammen mit der Korrekturmeldung eine Uhrzeit eingegeben habe und diese fehlerhaft gewesen sei. Es liege dann allenfalls ein Vertippen bzw. Irrtum vor.

Schließlich habe das Gericht auch den Beweisantritt zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass der Datenbestand des Zeiterfassungssystems ohne große Schwierigkeiten manipulierbar sei, nicht übergehen dürfen.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 28.08.2014, 11 Ca 5238/13,

1) festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 25.02.2013 aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

2) festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 25.02.2013 aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

3) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.762,55 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 1.841,70 € seit dem 16.04.2013 und aus weiteren 920,85 € seit dem 16.05.2013 zu zahlen;

4) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für den Monat März und April 2013 eine Lohnabrechnung über deren sich aus vorstehender Ziffer ergebenden Bruttobeträge zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung voll umfänglich zurückzuweisen und das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.08.2014 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen, und verteidigt dessen Entscheidung. Die Beweiswürdigung sei korrekt. An der fachlichen Kompetenz und Glaubwürdigkeit des Zeugen U bestünden keine Zweifel. Dieser habe glaubhaft ausgesagt, dass eine Zeitangabe zwingend erfolgen müsse. Die Beklagte behauptet, es sei unrichtig, dass bei fehlender Zeitangabe eine Verbuchung der Endarbeitszeit automatisch erfolge. Vielmehr bleibe ein Tag, für den keine Abmeldung und keine Korrekturmeldung erfolgt sei, komplett offen und werde nicht gebucht. Der Arbeitnehmer erhalte für einen solchen Tag keine Vergütung.

Nach Auffassung der Beklagten habe das Arbeitsgericht auch die Aussage des Zeugen S hinreichend gewürdigt. Dieser habe zwar ausgeführt, dass er der Klägerin bei dem Zeiterfassungssystem geholfen habe, habe sich aber nicht erinnern können, an welchem Tag dies gewesen sei. Demnach habe der von der Klägerin benannte Zeuge die Aussage der Klägerin nicht bestätigen können.

Die Beklagte bestreitet auch, dass Manipulationen des Systems durchgeführt würden bzw. werden könnten. Zwar könnten Korrekturen auch von Seiten des Arbeitgebers im System durchgeführt werden, was jedoch nur unter Angabe eines personenspezifischen Schlüssels erfolgen könne. Ungefragte Korrekturen erfolgten nur mit positiven monetären Auswirkungen für den Arbeitnehmer.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Berufungsbegründungsschrift der Klägerin und die Berufungserwiderung der Beklagten nebst ihren jeweiligen Anlagen, ferner auf das Sitzungsprotokoll vom 11.06.2015 Bezug genommen. Bezug genommen wird ausdrücklich auch nochmals auf das Protokoll der vom Arbeitsgericht im Kammertermin vom 28.08.2014 durchgeführten Beweisaufnahme (Bl. 115 ff. d. A.).

Gründe

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.08.2014 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchstabe b) und c) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

Soweit die Klägerin ihre beiden Feststellungsanträge jeweils mit der Floskel "sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht" versehen hat, sieht die Berufungsinstanz in Anbetracht des Parteivortrags der Klägerin hierin keine selbstständigen zusätzlichen Anträge - die in Ermangelung eines entsprechenden Feststellungsinteresses im Zweifel unzulässig wären -, sondern lediglich eine unselbstständige, deklaratorische Verstärkung der in dem ersten Teil der beantragten Feststellung getroffenen Aussage.

II. Die Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Arbeitsgerichts vom 28.08.2014 ist deshalb abzuändern und der Klage gemäß den zuletzt gestellten Anträgen stattzugeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 25.02.2013 mit deren Zugang am 28.02.2013, noch durch die hierin hilfsweise erklärte fristgerechte verhaltensbedingte Kündigung zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist aufgelöst worden.

1. Der Beklagten steht nach der Überzeugung der Berufungskammer kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zu, der sie zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung berechtigt hätte.

a. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände ‚an sich‘, d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227). Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB ist nur gegeben, wenn das Ergebnis der Gesamtwürdigung dazu führt, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar erscheint (BAG vom 09.06.2011, 2 AZR 381/10, NZA 2011 1.027,00 €.

b. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber bisweilen nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, an sich geeignet sein kann, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 2 BGB darzustellen. Dies gilt für einen vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare (vgl. zuletzt BAG vom 09.06.2011, a. a. O. m. w. N.). Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch.

c. Zwar sind die Umstände der Arbeit der Klägerin des vorliegenden Falles nicht mit denjenigen eines Außendienstmitarbeiters zu vergleichen, der seine Aufgaben an ständig wechselnden Einsatzorten auszuführen hat, dabei seine Arbeitszeit selbstständig einteilen muss und bei alledem faktisch vom Arbeitgeber kaum kontrolliert und überwacht werden kann, sodass der Arbeitgeber in besonders hohem Maße darauf angewiesen ist, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitszeiten stets uneingeschränkt korrekt angibt. Die Klägerin ist in einem festen Schichtplan eingebunden. Sie löst andere Mitarbeiter ab und wird von anderen Mitarbeitern abgelöst und leistet ihre Arbeit in einem im Besitz der Beklagten befindlichen, von ihr kontrollierten und sogar ständig videoüberwachten Geschäftslokal.

d. Gleichwohl muss die Beklagte als Arbeitgeberin auch hier auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit durch die Mitarbeiter vertrauen können. Überträgt der Arbeitgeber den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern und füllt ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar (vgl. zuletzt BAG vom 09.06.2011, a. a. O.). Nicht anders zu bewerten ist es, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die geleistete Arbeitszeit mit Hilfe des Arbeitsplatzrechners in eine elektronische Zeiterfassung einzugeben und er hierbei vorsätzlich falsche Angaben macht. Der Arbeitnehmer verletzt dabei in erheblicher Weise seine gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB (BAG a. a. O.).

e. Von einem solchen vorsätzlichen Fehlverhalten der Klägerin kann jedoch nach Überzeugung der Berufungskammer abweichend von der Ansicht des Arbeitsgerichts im Rahmen der tatrichterlichen Beweiswürdigung im Sinne von § 286 ZPO vorliegend nicht ausgegangen werden. Dabei beurteilt das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit der vom Arbeitsgericht vernommenen Zeugen nicht anders als dieses, so dass es einer Wiederholung der Beweisaufnahme nicht bedurfte.

2. Durchgreifenden Bedenken begegnet bereits die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts über die Tatsache, ob die Klägerin überhaupt bei der Korrekturmeldung mit "17:00 Uhr" eine falsche und zu ihren Gunsten zu lange Arbeitszeit in das Zeiterfassungssystem der Beklagten eingegeben hat.

a. Der von der Beklagten als Anlage B 3 (Bl. 62 d. A.) zur Akte gereichte Ausdruck der sogenannten Workflow-Anträge der Klägerin aus Februar 2013 belegt eine solche Uhrzeiteingabe seitens der Klägerin nicht. Auf dem Ausdruck ist lediglich erkennbar, dass das System unter dem 25.02.2013, 11:24 Uhr in der Infozeile die Bemerkung "vergessen abzumelden" registriert hat. In der Folgezeile findet sich unter dem Betreff "Bearbeitung Vorgesetzter (L , A )" unter dem Datum 25.02.2013, 16:50 Uhr, die offenbar von Herrn L generierte Nachricht: "Hallo Frau S , Schichtwechsel ist um 15:30 Uhr". In der nächsten Zeile ist dann wiederum unter dem Betreff "17.02.2013" eine Info vom 27.02.2013 17:58 Uhr verzeichnet, welche erneut lautet "vergessen abzumelden". Der Ausdruck lässt somit nicht erkennen, dass die Klägerin in ihren Workflow-Anträgen, betreffend den 17.02.2013, konkrete Uhrzeiten eingegeben hätte.

b. Die handschriftliche Bemerkung auf dem Ausdruck stammt unstreitig nicht von der Klägerin.

c. Auch die unterste Zeile des Ausdrucks, in der sich unter der Überschrift "gew. bis" die Eintragung "17:00 Uhr" befindet, kann nicht der Klägerin zugeordnet werden. Diese Zeile gehört ausweislich des gedruckten Textes nämlich nicht mehr zu den Workflow-Anträgen, sondern zu den "geänderten Buchungen". Auf die Zeitbuchungen selbst haben die Arbeitnehmer jedoch nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten keinen Zugriff. Sie können Zeitbuchungen im System nicht selbst ändern, sondern nur entsprechende Änderungsanträge stellen, die sodann noch von Vorgesetzten bestätigt bzw. genehmigt werden müssen.

d. Auch die Aussage des Zeugen U belegt nicht mit hinreichender Sicherheit, dass die Klägerin bei ihrem Workflow-Antrag vom 25.02.2013 die fehlerhafte Uhrzeit "17:00 Uhr" selbst eingegeben haben muss.

aa. Zwar hat der Zeuge U vor dem Hintergrund seiner fachkundigen Kenntnis des entsprechenden Zeiterfassungssystems angegeben, dass man bei einem entsprechenden Workflow-Antrag eine Uhrzeit eingeben müsse, da der Vorgang sonst nicht abgeschlossen werden könne. Dem steht aber die Aussage des Zeugen S gegenüber. Dieser hat berichtet, dass er die Erfahrung gemacht habe, dass es zwar in der entsprechenden Eingabemaske ein entsprechendes Kästchen gebe, das für die Eintragung einer Uhrzeit vorgesehen zu sein scheine. Das Kästchen sei jedoch grau hinterlegt gewesen und habe eine Eintragung nicht zugelassen, sodass er die Zeitangabe in die Infozeile habe eintragen müssen.

bb. Die Aussagen der Zeugen U und S zu der Frage der Notwendigkeit der Eingabe einer Uhrzeit widersprechen sich nur scheinbar. Es ist davon auszugehen, dass der Zeuge U als Systemfachmann das System so beschreibt, wie es ausgelegt ist und funktionieren soll. Dies schließt aber nicht aus, dass es z. B. aufgrund von Störungen, Fehleinstellungen o. ä. zu irregulären Dysfunktionen kommen kann. Dies kann nicht zuletzt auch deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil das System im Februar 2013 erst wenige Monate in Betrieb war. Die vom Zeugen S geschilderte Erfahrung spricht dafür, dass es, wenn die Angaben des Zeugen U grundsätzlich richtig sind, tatsächlich zu solchen Fehlfunktionen gekommen sein mag. Wenn dies jedoch dem Zeugen S passiert ist, kann es auch der Klägerin passiert sein.

cc. Der hiergegen gerichtete Einwand des Arbeitsgerichts, dass ein solcher Fall bei der Klägerin nicht vorgelegen haben könne, da sie - anders als der Zeuge S - auch in der Infozeile keine Uhrzeiten eingegeben habe, überzeugt nicht. Der Umstand, dass die Klägerin jedenfalls in der Infozeile augenscheinlich keine Uhrzeit eingegeben hat, belegt nicht, dass sie an einer anderen Stelle des Systems die Uhrzeit tatsächlich hätte eingeben können und auch eingegeben hat.

e. Auch die Angabe des Zeugen U , dass er festgestellt habe, dass bei der Korrekturmeldung für den 17.02.2013 unter dem Passwort der Klägerin eine entsprechende Uhrzeitangabe eingetragen worden sei, lässt angesichts des sonstigen Sachvortrags der Beklagten noch Zweifel offen. Im Schriftsatz vom 17.09.2013 hat die Beklagte nämlich ausführen lassen:

"Es trifft zu, dass sich die Mitarbeiter der Beklagten mittels einer PIN-Nummer am PC anmelden. Diese Nummer wird jedoch untereinander ausgetauscht. Die Mitarbeiter kennen die jeweiligen PIN-Nummern. Entgegen der Behauptung der Klägerin, wäre die Zeugin G sehr wohl in der Lage gewesen, die Klägerin mittels deren Geheimnummer im PC anzumelden."

Wenn diese Behauptung der Beklagten zutrifft, dann hätte auch jeder andere Mitarbeiter mit Hilfe der PIN-Nummer der Klägerin die fragliche Uhrzeit in den Workflow-Antrag einbringen können.

f. Dies gilt umso mehr, als nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht widerlegt ist, dass der Zeuge S der Klägerin bei dem fraglichen Workflow-Änderungsantrag geholfen hat und die Eintragung einer Uhrzeit somit möglicherweise auch von ihm stammen könnte.

aa. Der Zeuge S konnte sich daran erinnern, dass er bei Gelegenheit von der Klägerin zu Hilfe gerufen wurde, als diese Eintragungen in das Zeiterfassungssystem am PC vorzunehmen hatte. Er konnte sich auch daran erinnern, "dass ich da was für Frau S eingetragen habe", wusste jedoch nicht mehr zu sagen, was das war und wann das war.

bb. Die Unsicherheit im Erinnerungsvermögen des Zeugen S geht entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht zu Lasten der Klägerin, sondern zu Lasten der Beklagten. Es stellt nämlich seit jeher die Aufgabe dessen dar, der sich auf einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung beruft, alle Tatsachen darzulegen und zu beweisen, die für das Vorliegen eines wichtigen Grundes erforderlich sind. Dazu gehört auch, diejenigen Tatsachen zu widerlegen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund betreffen und diese entlastende Umstände auszuschließen (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BAG vom 24.11.1983 - 2 AZR 327/82 -, AP Nr. 76 zu § 626 BGB; BAG vom 06.08.1987, 2 AZR 226/87, NJW 1988, 438). Dementsprechend hat sich gerade auch die Beklagte im Schriftsatz vom 07.01.2014, Seite 3 unten, u. a. auf das Zeugnis des C S berufen, um die Behauptung der Klägerin zu widerlegen, dass diese die fragliche Korrekturmeldung im Workflow gemeinsam mit dem Zeugen S vorgenommen habe. Dieser Nachweis ist der Beklagten in Anbetracht der - verständlichen - Erinnerungslücken des Zeugen S nicht gelungen.

3. Letztlich kann jedoch sogar zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Klägerin bei ihrem Workflow-Änderungsantrag vom 25.02.2013 tatsächlich selber die Uhrzeit 17:00 Uhr eingetragen hat; denn die Beklagte beruft sich auf den Kündigungsgrund ‚Arbeitszeitbetrug‘ und macht damit ausdrücklich ein vorsätzliches Fehlverhalten der Klägerin geltend. Eine lediglich fahrlässige Falschangabe der Uhrzeit würde hingegen auch nach den Einlassungen der Beklagten eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen können. Jedenfalls dafür, dass die Klägerin eine vorsätzlich falsche Zeitangabe zu ihrem Workflow-Änderungsantrag eingetragen hat, ist die Beklagte zur Überzeugung des Berufungsgerichts beweisfällig geblieben.

a. Zwar verlangt das Gesetz keine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit über das Vorliegen der zu beweisenden Tatsachen, sondern lässt eine ‚persönliche Gewissheit‘ ausreichen, welche den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH NJW 1970, 946; BGH NJW 1973, 1925; BGH NJW 1993 , 937; BGH NJW 2012, 392; Zöller-Greger, ZPO, 30. Auflage, § 286 Rdnr. 19).

b. Vorliegend vermochte das Berufungsgericht jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Handeln der Klägerin zu erkennen, die so gewichtig erscheinen, dass sie vernünftigen Zweifeln Schweigen gebieten.

aa. Das Arbeitsgericht weist zur Begründung seiner Überzeugung, dass die Klägerin vorsätzlich gehandelt haben müsse, lediglich auf die "nicht unerhebliche Abweichung zwischen der angegebenen Arbeitszeit und dem tatsächlichen Verlassen der Spielhalle" bzw. - nahezu sinngleich - auf die "erhebliche Abweichung der angegebenen Arbeitszeit von der Dienstzeit, die bereits um 15:30 Uhr geendet hat", hin. Dies vermag nicht zu überzeugen. Ob eine in einer Dokumentation eingegebene objektiv falsche Zahlenangabe vorsätzlich oder nur fahrlässig falsch angegeben wurde, lässt sich nicht ohne weiteres daran festmachen, wie weit sich die objektiv falsche von der objektiv richtigen Zahl unterscheidet. Es könnte auch genau gegenteilig argumentiert werden; denn wenn die Beklagte der Klägerin ein zielgerichtetes betrügerisches Verhalten unterstellt, hätte die Klägerin auch darauf bedacht sein müssen, dass ihre Falschangabe Aussicht darauf haben würde, von den Bearbeitern und Auswertern des Zeiterfassungssystems akzeptiert zu werden. Dies erscheint jedoch auf den ersten Blick umso weniger wahrscheinlich, je größer die Diskrepanz zwischen falsch und richtig ausfällt.

bb. So hat bezeichnenderweise gerade auch im vorliegenden Fall der Bearbeiter des Workflow-Antrags der Klägerin deren von der Beklagten behauptete Falscheingabe "17:00 Uhr" gerade nicht bestätigt, sondern der Klägerin zunächst vorgehalten, dass Schichtende doch um 15:30 Uhr gewesen sei. Die Klägerin wiederum hat daraufhin, den Behauptungen der Beklagten zufolge, zu einem Zeitpunkt noch vor Zugang der Kündigung eine Korrektur auf "16:00 Uhr" vorgenommen. Dies stellt nach Auffassung des Berufungsgerichts aber eher ein Indiz dafür dar, dass die erste Angabe irrtümlich erfolgt ist. Das Arbeitsgericht selbst führt in anderem Zusammenhang aus, dass die Klägerin "auf eine entsprechende Monierung durch ihren Vorgesetzten sodann im Rahmen des Workflows eine nahezu zutreffende Arbeitszeit erfasst" habe (Urteilsgründe Seite 10 oben). Das Arbeitsgericht ist auf diesen Umstand aber bei seinen Überlegungen, ob ein vorsätzliches Handeln der Klägerin infrage kommt bzw. gar als bewiesen angesehen werden kann, nicht zurückgekommen.

cc. Tatsächlich wären die von der Klägerin eingegebenen Uhrzeiten auch nicht mit dem dienstplanmäßigen Schichtende 15:30 Uhr zu vergleichen, sondern mit dem von der Beklagten selbst ermittelten und angegebenen Verlassen des Arbeitsplatzes um 15:55 Uhr. Die Differenz zwischen der von der Beklagten angegebenen zweiten Eingabe der Klägerin "16:00 Uhr" und dem von der Beklagten für 15:55 Uhr ermittelten tatsächlichen Verlassen des Arbeitsplatzes kann - soweit ersichtlich auch nach Auffassung der Beklagten selbst - vernachlässigt werden. Fragt man aber vor diesen Hintergründen danach, mit welcher subjektiven Intention die Klägerin beim ersten Workflow-Änderungsantrag "17:00 Uhr" eingegeben haben könnte, so stellt die Möglichkeit, dass die Klägerin vorhatte, die Beklagte vorsätzlich zu betrügen, nur eine von mehreren, nach Auffassung des Berufungsgerichts nahezu gleich wahrscheinlichen Möglichkeiten dar. In Betracht kommt ebenso die Möglichkeit eines Vertippens - die Zahlen sechs und sieben liegen unmittelbar nebeneinander auf der Tastatur - oder die Möglichkeit eines Erinnerungsfehlers.

dd. Von Bedeutung erscheint dabei auch, dass die Arbeitnehmer durch ihre Eingaben in den Workflow die Arbeitszeitbuchungen nicht unmittelbar selbst abändern können, sondern eben nur einen Antrag stellen, der der Bestätigung durch den zuständigen Sachbearbeiter/Vorgesetzten bedarf. Die Annahme, dass die der Klägerin zu unterstellende Fehleingabe "17:00 Uhr" von ihr vorsätzlich vorgenommen wurde, muss sich somit auch mit der Frage auseinandersetzen, warum die Klägerin hätte glauben können oder sollen, dass ihre Fehleingabe dem zuständigen Sachbearbeiter nicht auffallen würde. Bei alledem beschränkt sich das Arbeitsgericht darauf, allein aus der Tatsache, dass mit "17:00 Uhr" eine objektiv falsche Angabe gemacht worden sei, darauf zu schließen, dass dies auch vorsätzlich passiert sein müsse. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.

c. Die im vorliegenden Fall allenfalls zu konstatierende einmalige Fehleingabe einer ‚Gehenszeit‘ reicht somit nicht aus, um allein hieraus den Rückschluss auf ein vorsätzliches Verhalten der Klägerin zu ziehen. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall auch erheblich von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des BAG vom 09.06.2011, 2 AZR 381/10, zugrundelag; denn in dem dortigen Fall lagen sieben Verstöße gegen die Pflicht zur korrekten Dokumentation der Arbeitszeit vor und nicht nur, wie hier, ein einzelner.

d. Eine andere Beurteilung kann entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht allein aus dem von ihr behaupteten Vorfall hergeleitet werden, der sich am 28.01.2013 abgespielt haben soll. Es liegt auf einer anderen Ebene, die eigene Vorgesetzte (!) offen darum zu bitten, den dienstplanmäßig vorgegebenen Arbeitszeitbeginn als gegeben einzutragen, obwohl man ihn aus vermeintlichen Gründen höherer Gewalt (Stau) mutmaßlich tatsächlich nicht wird einhalten können, oder ob man in ein Arbeitszeiterfassungssystem eine frei erfundene Arbeitsendzeit eintragen lassen will. Auch der Vorfall vom 28.01.2013, selbst wenn man auch ihn einmal zugunsten der Beklagten als richtig unterstellt, reicht daher noch nicht aus, um in dem anderen Fall mit einem ausreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit auf vorsätzliches Verhalten der Klägerin rückschließen zu können.

e. Die Aussagen der Zeugen U und S sind schließlich für die Frage, ob die Klägerin eine etwaige Fehleingabe "17:00 Uhr" vorsätzlich oder doch nur fahrlässig vorgenommen hat, gänzlich unergiebig geblieben.

f. Kann der Beurteilung des Falles ein vorsätzliches Verhalten der Klägerin somit nicht zugrundegelegt werden, so kann die streitige Kündigung vom 25.02.2013 nicht auf dem Kündigungsgrund ‚Arbeitszeitbetrug‘ gestützt werden. Es fehlt damit sowohl an einem wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB wie auch an der sozialen Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG.

4. Eine lediglich fahrlässige Falschangabe des Arbeitszeitendes am 17.02.2013 in dem Workflow-Antrag vom 25.02.2013 hätte nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allenfalls eine Abmahnung wegen unsorgfältigen Umgangs mit dem Zeiterfassungssystem rechtfertigen können.

5. Hat das Arbeitsverhältnis der Parteien somit nicht mit Zugang der Kündigung vom 25.02.2013 am 28.02.2013 sein Ende gefunden, bleibt die Beklagte auch verpflichtet, die eingeklagte Entgeltfortzahlung zu leisten, deren Höhe rechnerisch nicht streitig ist, und entsprechende Abrechnungen zu erteilen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits fallen gemäß § 91 Abs. 1 ZPO der unterlegenen Beklagten zur Last.

Die vorliegende Entscheidung beruht auf den besonderen Umständen des Einzelfalls und folgt den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.

Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird vorsorglich auf § 72a ArbGG verwiesen.