LG Köln, Urteil vom 07.10.2016 - 7 O 138/16
Fundstelle
openJur 2019, 20131
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte als Muttergesellschaft des Q-Konzerns Ansprüche im Zusammenhang mit dem so genannten "Q-Abgasskandal" geltend.

Der Kläger erwarb von der B GmbH & Co. KG am 12.04.2013 das im Klageantrag näher bezeichnete Neufahrzeug der Marke B2 zu einem Kaufpreis von 52.100,00 €. Der Kaufpreis wurde teilweise über die B3-Bank kreditfinanziert; nach den Vereinbarungen im Darlehensvertrag waren vom Kläger Zinsen in Höhe von 2.505,93 € zu zahlen.

Der Kläger meint, die Beklagte hafte ihm wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 249 BGB auf Naturalrestitution. Hierzu behauptet er: Das Fahrzeug sei von dem so genannten "Abgasskandal" betroffen, da es seitens eines Konzernunternehmens der Beklagten mit einer Abschalteinrichtung versehen worden sei, um im Falle eines Abgastests die zulässigen Abgaswerte zu erreichen. Die Beklagte habe aus eigenem Gewinnstreben und um die Marktführerschaft auf dem Markt für Personenfahrzeuge zu erreichen, Dieselmotoren entwickeln wollen, die die Voraussetzungen nach der Euro 5-Norm erreichen. Zudem habe der Vorstand der Beklagten um V einen Angriff auf den amerikanischen Markt starten wollen, um dort wertvolle Marktanteile zu erkämpfen. Als es der Beklagten aus verschiedenen Gründen nicht gelungen sei, die Motoren im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen zu entwickeln, seien die vorgenannten Ziele ernsthaft gefährdet gewesen. Die Entwicklungsingenieure hätten auf Anweisung des Vorstands der Beklagten eine Software aus dem Hause D, die ausschließlich für Testzwecke programmiert gewesen sei, in alle EA189-Motoren integriert, um im Falle eines Abgastests die Messwerte für NOx im Sinne des Herstellers aus dem Konzern der Beklagten zu manipulieren und so die Grenzwerte der Euro 5-Norm bzw. der amerikanischen Normen zu unterschreiten. Sämtliche Führungsmitglieder der Beklagten einschließlich des Vorstandes und des Aufsichtsrates seien über die Vorkommnisse informiert gewesen. Auch das vom Kläger erworbene Fahrzeug verfüge über diese Software, bei der es sich - so die Auffassung des Klägers - um eine unzulässige Abschaltvorrichtung handele. Das Fahrzeug habe einen erheblich höheren Schadstoffausstoß als seitens der Beklagten oder eines Tochterunternehmens angegeben. Für ihn sei gerade die Werbung der Beklagten und ihrer Tochterunternehmen mit der besonderen Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugtyps ein besonders schlagendes Kaufargument gewesen. Der Kläger meint, es bestehe das Risiko, dass dem Fahrzeug aufgrund unmittelbarer oder analoger Anwendung des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVZO die Allgemeine Betriebserlaubnis entzogen werde, wodurch auch der Versicherungsschutz erlöschen würde. Er vertritt die Auffassung, eine weitere Nutzung sei für ihn ebenso wenig hinnehmbar wie die Teilnahme an dem von der Beklagten initiierten Rückruf. Es sei - so behauptet er - zu besorgen, dass das Fahrzeug nach dem Eingriff entweder noch denselben Mangel wie derzeit (NOx-Ausstoß zu hoch) haben und/oder einen höheren Verbrauch und damit auch höhere CO 2-Werte aufweisen werde. Er behauptet zudem, der Marktwert des Fahrzeugs sei aufgrund der Manipulation um mindestens 12.000,00 € gesunken; der hierin liegende Schaden ist Gegenstand des Hilfsantrages zu Ziffer 2.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. Zugum-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs B2 Avant S-Line 2.0 TDI quattro mit der Fahrgestellnummer ...# an ihn 52.100,00 € unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 7.702,11 € zuzüglich der Finanzierungskosten in Höhe von 2.505,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

hilfsweise:

2. einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schadensersatz in Höhe von mindestens 12.000,00 € an ihn zu zahlen;

3. außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.954,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.04.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt der Klageforderung in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht entgegen.

Wegen des umfangreichen weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte weder der mit dem Hauptantrag verfolgte Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages noch der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Ersatz des Minderwertes zu.

Vertragliche Anspruchsgrundlagen scheiden aus, da zwischen den Parteien keine Vertragsbeziehung besteht.

Außervertragliche Anspruchsgrundlagen kommen ebenfalls nicht in Betracht. Insbesondere liegen nicht die Voraussetzungen des vom Kläger herangezogenen § 826 BGB vor.

Um eine Ausuferung der Haftung nach § 826 BGB zu vermeiden, beschränkt die Rechtsprechung den Haftungsumfang nach Maßgabe des Schutzzwecks der Norm. Dabei kommt es allerdings nicht auf den abstrakten Gesetzeszweck des § 826 BGB an, sondern auf den Schutzzweck der konkret verletzten Verhaltensnorm. Mittelbar Betroffene sind in den Schutzbereich nicht schon dann einbezogen, wenn sich die Handlung zwar gegen einen anderen richtet, der Täter indessen mit der Möglichkeit der Schädigung (auch) des Dritten gerechnet hat. Vielmehr kommt es darauf an, dass das Vermögen des Dritten nicht nur reflexartig als Folge der sittenwidrigen Schädigung eines anderen betroffen wird (vgl. Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 826 Rn. 38 ff).

In der behaupteten Verwendung von Abschaltvorrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, liegt ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 i. V. m. Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge. Wie die Erwägungsgründe der Verordnung erkennen lassen, dient diese nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen, sondern gesamtgesellschaftlichen Zielen, nämlich der Weiterentwicklung des Binnenmarkts durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen sowie der Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus. Etwaige Vermögensschäden der Käufer von Fahrzeugen mit unzulässigen Abschaltvorrichtungen fallen daher nicht in den Schutzbereich der verletzten Norm.

Die betroffenen Käufer werden hierdurch nicht rechtlos gestellt, da sie in aller Regel über Rechtsschutzmöglichkeiten im Verhältnis zum Verkäufer verfügen, insbesondere aus der verschuldensunabhängigen Sachmängelhaftung. Soweit solche Ansprüche im konkreten Einzelfall einmal nicht bestehen sollten, kann dies kein Argument für eine generelle Ausweitung deliktischer Haftungstatbestände sein.

Ein Anspruch auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten steht dem Kläger mangels einer begründeten Hauptforderung ebenfalls nicht zu.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 28.09.2016 eine weitere Verlängerung der ihm eingeräumten Schriftnachlassfrist beantragt hat, war diese nicht zu bewilligen. Die gemäß § 225 Abs. 2 ZPO angehörte Beklagte hat einer weiteren Fristverlängerung widersprochen. Die im genannten Schriftsatz mitgeteilten Gründe sind nicht erheblich im Sinne des § 224 Abs. 2 ZPO. Für die fristgerechte Übersetzung fremdsprachiger Dokumente und die Aufbringung der hierfür erforderlichen Kosten hat grundsätzlich die Partei Sorge zu tragen. Die Frist war u. a. im Hinblick auf die vorgetragene Notwendigkeit der Übersetzung der neu erlangten Informationen bereits bis zum 28.09.2016 verlängert worden. Einer weiteren Verlängerung standen das Gebot der Verfahrensbeschleunigung und die Rücksicht auf Interessen des Antragsgegners entgegen (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 31. Auflage, § 224 Rn. 6).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: 58.903,82 € (Antrag zu 1: 46.903,82 €; Antrag zu 2: 12.000,00 €).