VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 30.03.2017 - 7 L 217/17
Fundstelle
openJur 2019, 19948
  • Rkr:

Entziehung der Fahrerlaubnis

Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

2. Der Streitwert wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 736/17 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2017 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,

ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber unbegründet.

Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die Ordnungsverfügung, mit der dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, erweist sich bei summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig. Zur Begründung verweist die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen in der angegriffenen Verfügung, denen sie folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist mit Rücksicht auf das Antrags- und Klagevorbringen Folgendes auszuführen:

Der Antragsteller hat sich gemäß § 11 Abs. 1 FeV i. V. m. Ziffer 9.2 der Anlage 4 zur FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist im Fall der gelegentlichen Einnahme von Cannabis die Kraftfahreignung in der Regel zu verneinen, wenn zwischen Konsum und Fahren nicht getrennt wird. Das ist hier der Fall.

Maßgebend ist, dass der Antragsteller am 5. November 2016 gegen 00:30 Uhr in Dortmund ein Kraftfahrzeug unter Cannabis im Straßenverkehr geführt hat. Der im Blut des Antragstellers nach dem Ergebnis des Gutachtens des Labors Krone aus Bad Salzuflen vom 18. November 2016 festgestellte THC-Wert von 3,1 ng/ml übersteigt den zu § 24 a Abs. 2 StVG durch die Grenzwertkommission festgesetzten Wert von 1 ng/ml und rechtfertigt die Annahme eines zeitnahen Konsums mit entsprechender Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Das Erreichen dieses Grenzwertes ist nämlich für die Annahme relevanten Cannabiseinflusses erforderlich, aber auch ausreichend.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 - mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur. Zu den neuesten Erkenntnissen und der Frage der Beibehaltung dieses Grenzwertes siehe VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Januar 2016 - 9 K 4303/15 - und Beschluss vom 25. Februar 2016 - 7 L 30/16 -; OVG NRW, Urteil vom 15. März 2017 - 16 A 551/16 -, das - abweichend von der neueren Empfehlung der Grenzwertkommission - weiterhin von einem Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Serum ausgeht.

Durch das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Cannabiseinfluss hat der Antragsteller bewiesen, dass er zwischen Konsum von Cannabis und Fahren nicht trennen kann. Unerheblich ist es für die Frage der mangelnden Trennung, dass er nur einmal ein Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss geführt hat.

Ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. etwa Beschluss vom 22. Februar 2017 - 7 L 289/17 -; vgl. auch OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Februar 2015 - 16 B 8/15 - juris, 1. August 2014 - 16 A 2806/13 -, juris und 21. Mai 2014 - 16 B 436/14 -, juris, jeweils m. w. N.

Die Kammer geht auch von einem gelegentlichen, d. h. mehr als einmaligem, Cannabiskonsum aus. Der Antragsteller hat nämlich sowohl im Verwaltungsverfahren (anwaltliches Schreiben vom 28. Dezember 2016, Beiakte Heft 1 zu 7 K 736/16, Bl. 14) als auch in im gerichtlichen Verfahren angegeben, "sehr selten" und "sporadisch" Cannabis konsumiert zu haben. Damit steht ein mehr als einmaliger Konsum fest.

Bei feststehender Ungeeignetheit steht der Antragsgegnerin kein Ermessen zu. Angesichts dessen bestehen keine Bedenken gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung.

Die weitere Interessenabwägung fällt bei dieser Ausgangslage zu Lasten des Antragstellers aus. In aller Regel trägt allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit einer auf den Verlust der Kraftfahreignung gestützten Ordnungsverfügung die Aufrechterhaltung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können, muss der Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.

OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2015 - 16 B 74/15 -, juris, m. w. N.

Die in Ziffer 2 der Ordnungsverfügung vom 16. Januar 2017 enthaltene Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV) begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 7 K 736/17 gegen die in Ziffer 3 der Ordnungsverfügung vom 16. Januar 2017 enthaltene Zwangsgeldandrohung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Sie entspricht den Anforderungen der §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 VwVG NRW und ist rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

2. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. Dabei setzt die Kammer in Anlehnung an die Streitwertpraxis des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,

vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Mai 2009 - 16 B 114/09 - und vom 4. Mai 2009 - 16 E 550/09 -, juris,

in Rechtsstreitigkeiten, in denen es um die Entziehung einer Fahrerlaubnis geht, in Hauptsacheverfahren den Auffangwert und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hälfte dieses Betrages an, es sei denn, es geht um einen - hier nicht gegebenen - Fall der qualifizierten beruflichen Nutzung der Fahrerlaubnis.