VG Köln, Urteil vom 30.01.2018 - 7 K 7275/14
Fundstelle
openJur 2019, 19799
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Der am 00.00.0000 geborene Kläger stellte unter dem 16.08.2012 einen Antrag beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM – auf Erteilung einer Erlaubnis für den Erwerb von Cannabisblüten zur medizinischen Selbstversorgung.

Dem Antrag war ein ärztliches Attest des Internisten, Dr. med. N.       N1.      , vom 23.10.2003 beigefügt. Darin wird mitgeteilt, dass bei dem Kläger seit 1999 eine Substitutionstherapie mit Methadon durchgeführt worden sei. Seit 2001 sei das Methadon durch eine Behandlung mit Dronabinol abgelöst worden. Diese Therapie sei wegen starker Muskelkrämpfe erforderlich gewesen, die anders nicht beherrschbar gewesen seien. Aufgrund der Cannabistherapie sei eine Rehabilitation aus der  Drogenkrankheit gelungen.

Ferner wurde der Entlassungsbericht aus einer Rehamaßnahme der Deutschen Rentenversicherung vom 02.10.2009 vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass der Kläger an einer koronaren Herzkrankheit leidet, die im März 2009 zu einem Vorderwandinfarkt geführt hat. In der Folgezeit wurde die Erkrankung durch zweifache Implantation eines Stents behandelt.  Weiter lagen Bluthochdruck, eine kombinierte Hyperlipidämie sowie eine Hepatitis C vor.

In einem ärztlichen Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin, E.        H.      , vom 01.12.2009 wird bescheinigt, dass beim Kläger ein Zustand nach Heroinabhängigkeit bestehe. Nach Beendigung der Methadontherapie seien ausgeprägte Muskelkrämpfe und depressive Verstimmungszustände aufgetreten. Nach dem Herzinfarkt im März 2009 bestehe eine posttraumatische Belastungsstörung. Um diese Symptome zu kompensieren, sei eine Cannabismedikation von etwa 10 mg/Tag erforderlich.

Der Facharzt für Neurologie, Dr. med. O.    X., bescheinigte mit Attesten vom 03.02.2012 und vom 18.04.2012 eine mittelgradige depressive Episode und Cannabisabhängigkeit. Der Kläger berichtete über Nebenwirkungen oder Wirkungslosigkeit der verordneten Antidepressiva.

Im Attest der Kardiologischangiologischen Praxis Dres. med. H.      /C.          vom 23.08.2012 wird berichtet, dass ein Progress der bekannten koronaren Herzkrankheit nicht stattfinde. Der Blutdruck sei gut eingestellt.

In einem ausführlichen Gutachten vom 19.07.2012 erklärt Dr. H.      , dass der Kläger seit seiner Kindheit an einer mittelschweren Depression mit Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Selbstmordphantasien und Selbstentwertungstendenzen leide. Im Jahr 1983  sei es zum ersten Suizidversuch gekommen. Gleichzeitig hätten Unruhezustände und eine mangelnde Impulskontrolle vorgelegen, die sich in aggressiven Ausbrüchen niedergeschlagen hätten. Seit 1985 sei der Kläger drogenabhängig gewesen. Es seien 15 stationäre Entgiftungen und mehrfache Langzeittherapien sowie eine Methadonbehandlung erfolgt. Seit dem Herzinfarkt 2009 gelte der Kläger als Hochrisikopatient für koronare Herzkrankheiten. Seit 2008 bestünden zunehmend depressive Phasen mit Suizidgedanken. Im Hinblick auf die bestehenden Erkrankungen (chronisches Schmerzsyndrom, Verdacht auf ADS und Depression) bestünden keine schulmedizinischen Behandlungsalternativen. Der Kläger benötige natürliches Cannabis, da Dronabinol zwar analgetisch Wirkung zeige, aber nicht das psychische Beschwerdebild beeinflusse, das den Kläger sehr belaste.

Mit Bescheid vom 26.11.2012 wurde dem Kläger eine Erlaubnis zum Erwerb von medizinischen Cannabisblüten erteilt.

Mit Schreiben vom 22.03.2013 stellte der Kläger einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Anbau von 20 Cannabispflanzen für den therapeutischen Eigenbedarf. Er könne sich die Cannabisblüten aus der Apotheke nicht mehr leisten. Diese kosteten 1600 Euro im Monat. Der Schwarzmarktpreis liege bei 600 Euro. Die B.   habe die Kostenübernahme von Dronabinol und Cannabisblüten abgelehnt. Er benötige Cannabis zur Erhaltung seiner Arbeitsfähigkeit. Der Anbau könne in seiner Wohnung, in einem Abstellraum hinter 2 verschließbaren Zimmertüren stattfinden. Weitere Sicherungsmaßnahmen könnten erfüllt werden.

Mit Bescheid vom 13.06.2014, abgesandt am 01.07.2014,  wurde der Antrag abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Erlaubnis stünden zwingende Versagungsgründe entgegen. Die Sicherheit und Kontrolle des Anbaus in einer Privatwohnung seien nicht gewährleistet, die geernteten Cannabisblüten seien wegen der unklaren Qualität zur medizinischen Versorgung nicht geeignet und die Vorschriften des Internationalen Suchtstoffübereinkommens ließen die Erteilung einer Anbauerlaubnis ohne eine staatliche Kontrollstelle nicht zu. Im Übrigen werde die Erlaubnis auch im Wege des Ermessens versagt, weil dem Kläger bereits ein Zugang zu den benötigten Cannabisblüten über die erteilte Erwerbserlaubnis zur Verfügung stehe.

Am 25.07.2014 legte der Kläger unter Berufung auf die Rechtsprechung des VG Köln (Urteile vom 22.07.2014 – 7 K 4447/11 – u.a.) und des OVG NRW (Urteil vom 11.06.2014 – 13 A 414/11 – ) Widerspruch gegen den Bescheid ein. Das BfArM bestätigte den Eingang des Widerspruchs mit Schreiben vom 06.08.2014.

Am 29.12.2014 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, nach der Rechtsprechung komme die Erteilung einer Anbauerlaubnis in Betracht, wenn eine erschwingliche Behandlungsalternative fehle. Dies sei bei ihm der Fall. Das BfArM fordere Sicherungsmaßnahmen wie bei einem pharmazeutischen Unternehmen. Das sei nicht zulässig. Die Vorschriften müssten so ausgelegt werden, dass die Erteilung einer Erlaubnis an Privatpersonen möglich sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2015 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.

Mit Beschluss vom 22.06.2015 wurde auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des OVG NRW in den Verfahren 13 A 1802/14 u.a. oder bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren 3 C 10.14 angeordnet. Streitgegenstand dieser Verfahren war ebenfalls die Erteilung einer Anbauerlaubnis für Cannabispflanzen zum Zweck der medizinischen Selbstversorgung.

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 06.04.2016 – 3 C 10.14 -  entschieden, dass grundsätzlich ein Anspruch auf Erteilung einer Anbauerlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG zur medizinischen Selbstversorgung bestehen kann und die vom BfArM genannten Versagungsgründe diesem Anspruch nicht entgegenstehen. Daraufhin wurde das Verfahren wiederaufgenommen.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 12.09.2016 und vom 12.12.2016 weitere ergänzende Angaben zu seinem Antrag auf Erteilung einer Anbauerlaubnis gemacht und als verantwortliche Person für den Anbau seine Lebensgefährtin benannt.

Am 10.03.2017 ist das „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ vom 06.03.2017 (BGBl. I, S. 403) in Kraft getreten. Hierdurch wurden getrocknete Cannabisblüten aus legalem Anbau erstmalig der Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes zugeordnet und damit verschreibungsfähig. Ferner wurde dem SGB V mit § 31 Abs. 6 eine Vorschrift beigefügt, aus der sich ein Anspruch auf Versorgung mit getrockneten Cannabisblüten oder standardisierten Extrakten gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen unter bestimmten Bedingungen ergibt. Dem BfArM wurden die Aufgaben einer Cannabisagentur nach dem Einheitsübereinkommen für Suchtstoffe von 1961 übertragen, die den Anbau von Cannabis in Deutschland für die medizinische Versorgung von Patienten koordinieren und kontrollieren soll.

Der Kläger wurde mit Verfügung vom 01.06.2017 auf die geänderte Rechtslage und das hiermit verbundene Erlöschen eines Anspruchs auf Erteilung einer Anbaugenehmigung  hingewiesen.

Er hat mit Schreiben vom 23.06.2017 mitgeteilt, dass seine Krankenkasse, die B.  O., die Kostenübernahme für Cannabisblüten abgelehnt habe, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Krankenkasse erklärte in einem Schreiben an den beantragenden Arzt, dass aufgrund der genannten Erkrankungen eine fachpsychiatrische Exploration und Mitbehandlung anzuraten sei. Art und Umfang der bisherigen Behandlungen seien nicht erkennbar. Das Fehlen einer therapeutischen Alternative sei nicht gegeben. Der Kläger hat Widerspruch gegen den Bescheid der Krankenkasse eingelegt.

Ferner hat der Kläger mit Schreiben vom 24.07.2017 geltend gemacht, dass die von ihm benötigte Sorte „Bedrocan“ derzeit nicht lieferbar sei.

Auf einen weiteren rechtlichen Hinweis des Gerichts, der der Ladungsverfügung vom 14.12.2017 beigefügt war und in dem angeregt worden ist, die Hauptsache für erledigt zu erklären, hat der Kläger nicht reagiert. Zum Termin am 30.01.2018 ist er ohne Angabe von Gründen nicht erschienen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des BfArM vom 13.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2015 zu verpflichten, ihm eine Erlaubnis zum Anbau von 20 Cannabispflanzen zur medizinischen Selbstversorgung gemäß § 3 Abs. 2 BtMG zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.04.2016 hat das BfArM den Antrag des Klägers erneut geprüft und zunächst vorgetragen, auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bestünden im vorliegenden Fall Versagungsgründe, die eine Ablehnung der Anbauerlaubnis nach wie vor rechtfertigten. Insbesondere sei die Zuverlässigkeit des Klägers zweifelhaft, da der Kläger mehrfach vorbestraft sei. Die letzten Verurteilungen wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis datierten aus den Jahren 2010 und 2011. Ferner müssten noch Angaben zur Sachkenntnis, zur Sicherung der Räumlichkeiten, zu den Anbaubedingungen und zur ärztlichen Betreuung nachgeholt werden. Die Durchführung der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen müsse vor Erteilung der Erlaubnis durch Handwerkerrechnungen nachgewiesen werden.

Nach dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ vom 06.03.2017 (BGBl. I, S. 403) am 17.03.2017 hat die Beklagte vorgetragen, die Erteilung einer Anbauerlaubnis an den Kläger, auch einer befristeten Anbauerlaubnis, komme nicht mehr in Betracht.

Durch die Gesetzesänderung bestehe nun eine gleichwertige Alternative zu einer eigenverantwortlichen Therapie, weil die Versorgung durch die ärztliche Verschreibung und die Kostenerstattung durch die Krankenkassen erfolge. Damit sei die Patientenversorgung sichergestellt.

Zwar gebe es derzeit (Oktober 2017) vereinzelte Hinweise auf Lieferschwierigkeiten in den Monaten Juli und August 2017. Das BfArM könne diese rein wirtschaftlichen Abläufe jedoch nur bedingt beeinflussen, indem es die erforderlichen Genehmigungen und Importerlaubnisse erteile. Dies geschehe mit der gebotenen Schnelligkeit und Sorgfalt.

Das BfArM verfüge über deutliche Hinweise über einen erheblichen Rückgang dieser Lieferschwierigkeiten in allernächster Zeit. Seit dem 12.07.2017 sei bis Oktober 2017 eine Gesamtmenge von 189 kg Cannabisblüten, davon 120 kg der vom Kläger bisher genutzten Sorte „Bedrocan“, eingeführt worden. Außerdem lägen derzeit 19 offene, noch nicht genutzte Einfuhrgenehmigungen nach § 11 BtMG vor, sodass in naher Zukunft mit weiteren Einfuhren und einer verbesserten Patientenversorgung zu rechnen sei.

Außerdem könne die Versorgung auch durch andere cannabishaltige Arzneimittel erfolgen, die nunmehr ebenfalls erstattungsfähig seien und bei denen keine Lieferprobleme bestünden, beispielsweise die Fertigarzneimittel Sativex oder Canemes oder Rezepturarzneimittel mit Dronabinol oder Cannabisextrakten. Ob eine derartige Behandlung in Frage komme, könne nur durch die behandelnden Ärzte entschieden werden.

Die Versorgung von Patienten mit Cannabishaltigen Arzneimitteln werde nun, wie bei allen anderen Arzneimitteln auch, durch Apotheken, Hersteller und Großhändler bewerkstelligt. Eine Versorgung der Patienten durch die Erteilung von Anbauerlaubnissen durch das BfArM sei daher rechtlich nicht mehr zulässig. Das gelte sowohl für den Regelfall als auch für den Ausnahmefall, in dem die nun gesetzlich vorgesehene Versorgung nicht erfolge.

Auch wenn die zuständige Krankenkasse die Kostenerstattung ablehne, könne nicht ersatzweise eine Anbauerlaubnis erteilt werden. Dies sei nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nunmehr ausgeschlossen (BT-Drs. 18/8965, S. 13). Vielmehr sei in diesem Fall der Weg zu den Sozialgerichten eröffnet.

Für den Anspruch auf Kostenerstattung sei es ohne Bedeutung, ob dem Kläger zuvor eine Erwerbserlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG erteilt worden sei. Die Möglichkeiten der Sachprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen gingen weit über die Plausibilitätsprüfung hinaus, die das BfArM im Rahmen der Erlaubniserteilung nach § 3 Abs. 2 BtMG vorgenommen habe. Daher sei zu erwarten, dass nicht alle Patienten mit einer Erwerbserlaubnis nunmehr einen Anspruch auf Kostenerstattung durch die GK hätten. Aus der vorliegenden Begutachtungsanleitung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen zur „Sozialmedizinischen Begutachtung von Cannabinoiden nach § 31 Abs. 6 SGB V“ ließen sich keine Hinweise darauf entnehmen, dass die Prüfung systematisch unter Verstoß gegen die gesetzliche Regelung erfolge.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

                                                        E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zum Termin erschienen ist, § 102 Abs. 2 VwGO.

Die Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 75 Satz 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Ablehnungsbescheid des BfArM vom 13.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2015 ist  rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zum Anbau von Cannabispflanzen zur medizinischen Selbstversorgung nach § 3 Abs. 2 BtMG in der Fassung des „Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ vom 06.03.2017 (BGBl. I S. 403) – BtMG 2017.

Nach § 3 Abs. 2 BtMG kann das BfArM eine Erlaubnis für die in Anlage I bezeichneten Betäubungsmittel ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen. Der Anbau von Hanfpflanzen durch Patienten zur medizinischen Selbstversorgung fällt auch nach der Gesetzesänderung im Jahr 2017 unter die Anlage I des BtMG und bedarf daher einer Erlaubnis des BfArM.

Nach der Anlage I zu § 1 Nr. 1 BtMG zählen Cannabispflanzen und ihre Pflanzenteile grundsätzlich zu den nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln, für die eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG nur im Ausnahmefall erteilt werden kann. Die in der Anlage I unter den Buchstaben a) bis e) genannten Sonderfälle liegen hier ersichtlich nicht vor. Insbesondere sind die Voraussetzungen unter Buchstabe e) in Verbindung mit der Anlage III nicht erfüllt. Diese Bestimmung, die durch das BtMG 2017 neu gefasst wurde, erfasst nur Cannabispflanzen und ihre Teile, die aus einem Anbau stammen, der zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle gemäß den Art. 23 und 28 des Einheitsübereinkommens von 1961 über Suchtstoffe erfolgt, sowie in Zubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind. Der Kläger begehrt jedoch keinen Anbau unter der Kontrolle der neu beim BfArM eingerichteten Cannabisagentur, da er an dem erfolgten Ausschreibungsverfahren ersichtlich nicht teilgenommen hat und die Voraussetzungen hierfür vermutlich auch nicht erfüllt.

Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 BtMG für die Erteilung einer Erlaubnis zum Anbau von Hanfpflanzen zur medizinischen Selbstversorgung sind jedoch nach der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes durch das Gesetz vom 06.03.2017 nicht mehr erfüllt. Der Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken für den Eigenbedarf von Patienten liegt grundsätzlich nicht mehr im öffentlichen Interesse.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des OVG Münster vor der Gesetzesänderung bestand ein öffentliches Interesse an der Versorgung einzelner schwer kranker Patienten mit Cannabis, wenn hierdurch die Heilung oder Linderung der Beschwerden möglich war und dem Betroffenen keine gleichwirksame und für ihn erschwingliche Therapiealternative zur Verfügung stand. Dies wurde aus der großen Bedeutung des Grundrechtes auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und auf Wahrung der Menschenwürde im Sinne des Art. 1 GG abgeleitet. Der Schutzbereich dieser Grundrechte wird nach Auffassung der Gerichte auch berührt, wenn der Staat Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass eine Krankheit geheilt oder gelindert werden kann, insbesondere indem er den Zugang zu prinzipiell verfügbaren Therapiemethoden versperrt,

vgl. BVerwG, Urteil vom 19.05.2005 – 3 C 17.04 – , unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 – zum Transplantationsgesetz; Urteil vom 06.04.2016 – 3 C 10.14 – ; OVG NRW, Urteil vom 11.06.2014 – 13 A 414/11 – ; Murswiek, in: Sachs, Grundgesetz, Kommentar, München 2009, Art. 2 Rn. 159 a.

Der Zugang zu Cannabis als Heilmittel wurde nach der früheren Gesetzeslage generell ausgeschlossen, indem diese Stoffe als nicht verschreibungsfähige und nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel nach Anlage I des BtMG eingeordnet waren. Hierdurch wurde eine ärztliche Verordnung zu Therapiezwecken oder der Erwerb oder Anbau zur Eigentherapie ohne eine ausdrückliche Erlaubnis verhindert. Die Erteilung einer Erlaubnis für den Erwerb oder den Eigenanbau – im Fall der Unerschwinglichkeit des Erwerbs in der Apotheke – war daher die einzige Möglichkeit, schwerkranken Patienten einen legalen und realistischen Zugang zu diesem Betäubungsmittel zu verschaffen und wurde durch die Bejahung eines öffentlichen Interesses an diesem Zugang ermöglicht.

Der Gesetzgeber hat aber nunmehr ein anderes Verfahren vorgegeben, mit dem die Versorgung schwerkranker Patienten mit Cannabis erfolgen soll. Durch das „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ vom 06.03.2017 (BGBl. I, S. 403) wurden neben den bereits vorhandenen wenigen Fertigarzneimitteln außerdem getrocknete Blüten aus staatlich kontrolliertem Anbau in Anlage III des Gesetzes aufgenommen und damit verschreibungsfähig. Außerdem haben gesetzlich Versicherte einen Anspruch gegen die Krankenkasse auf Erstattung der Kosten von cannnabishaltigen Arzneimitteln erhalten, wenn eine schwerwiegende Erkrankung besteht,  eine therapeutische Alternative allgemein oder im Einzelfall nicht zur Verfügung steht und eine spürbare positive Einwirkung auf den Leidenszustand erwartet werden kann, § 31 Abs. 6 SGB V. Ferner wurde erstmalig der Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland unter der Kontrolle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte als staatlicher Stelle nach Art. 23 und 28 des Einheitsübereinkommens von 1961 über Suchtstoffe (Cannabisagentur) gestattet, § 19 Abs. 2a BtMG.

Der Staat hat nunmehr durch die Einstufung von Cannabisblüten und anderen cannabishaltigen Arzneimitteln als verschreibungsfähige und erstattungsfähige Betäubungsmittel die früheren Zugangshindernisse beseitigt und einen anderen Weg zur Versorgung des Patienten geregelt. Damit ist das öffentliche Interesse für die Erteilung einer Anbauerlaubnis zur medizinischen Selbstversorgung weggefallen.

Die Anbauerlaubnis kann auch nicht neben der ärztlichen Verschreibung auf Kassenrezept erteilt werden. Das Änderungsgesetz sollte nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers auch dem Zweck dienen, die Erteilung einer Anbauerlaubnis in Zukunft überflüssig zu machen. Das Antragsverfahren beim BfArM sollte entfallen,

vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 18/8965, S. 2, 3, 13, 14, 15, 16; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 18/10902, S. 3.

Denn nach Auffassung des Gesetzgebers ist der gewählte Weg besser geeignet, dem öffentlichen Interesse an der medizinischen Versorgung der Patienten einerseits und dem Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren des Betäubungsmittelmissbrauchs andererseits Rechnung zu tragen als die Erteilung einer Anbauerlaubnis an Patienten. Ein Eigenanbau von Cannabis durch Patienten zur Selbsttherapie berge die Gefahr mangelnder Qualitäts- und Sicherheitskontrollen. Diese Erwägungen waren zwar nicht geeignet, vor der Gesetzesänderung den einzig möglichen Zugang zur Eigentherapie im Wege einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG zu verhindern,

vgl. BVerwG, Urteil vom 06.04.2016 – 3 C 10.14 – Rn. 33, 34; OVG NRW, Urteil vom 11.06.2014 – 13 A 414/11 - ; VG Köln, Urteil vom 22.07.2014 – 7 K 4447/11 – .

Jedoch liegt es im gesetzgeberischen Ermessen, diesen Sicherheitsbedenken bei der Wahl eines Verfahrens, mit dem der Zugang zu cannabishaltigen Arzneimitteln grundsätzlich gewährt wird, in einer geeigneten Form Rechnung zu tragen.

Es ist vom Kläger nicht geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich, dass die neue Regelung verfassungsrechtliche Bedenken aufwirft und deshalb zur Deckung einer Regelungslücke weiterhin die Erteilung einer Anbauerlaubnis zulässig und rechtlich geboten wäre.

Zwar gewährt auch diese keinen unbeschränkten Zugang zu Cannabisprodukten für Therapiezwecke. Jedoch ist die kontrollierte Abgabe von Cannabis durch Apotheken auf ein Betäubungsmittelrezept das normale und vom BtMG vorgesehene Verfahren zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung mit Betäubungsmitteln, das auch bei cannabishaltigen Arzneimitteln durch die von Cannabis ausgehenden Gesundheitsgefahren gerechtfertigt wird,

vgl. hierzu VG Köln, Urteil vom 22.07.2014 – 7 K 4447/11 – .

Auch der Umstand, dass eine Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen nur unter engen Voraussetzungen vorgesehen ist, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Anforderungen, die § 31 Abs. 6 SGB V an einen Anspruch auf Kostenerstattung stellt und die von den Krankenkassen zu prüfen sind – nämlich das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung, das Fehlen einer generellen oder individuellen Therapiealternative und eine mögliche positive Einwirkung auf das Beschwerdebild – entsprechen im Wesentlichen den Voraussetzungen, die zuvor im Wege einer verfassungskonformen Auslegung an das Vorliegen eines öffentlichen Interesses für eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG gestellt worden sind,

              vgl. BVerwG, Urteil vom 19.05.2005 – 3 C 17.04 – .

Dies weist bereits darauf hin, dass aus der grundrechtlichen Gewährleistung der körperlichen Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 GG weitergehende Ansprüche nicht hergeleitet werden können.

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundessozialgerichts geklärt, dass aus den Grundrechten regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Bereitstellung bestimmter Gesundheitsleistungen folgt. Bei Arzneimitteltherapien darf die gesetzliche Leistungspflicht der Krankenkassen grundsätzlich daran geknüpft werden, dass eine arzneimittelrechtliche Zulassung oder eine Richtlinienempfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses besteht. Weitere Ausnahmen werden in Fällen einer seltenen, unerforschten Krankheit und in Fällen eines Systemversagens im Verfahren des Gemeinsamen Bundesausschusses angenommen. Das ist bei den hier streitgegenständlichen Arzneimitteln (Cannabisblüten, Cannabisextrakten, Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol und Cannabidiol) und ihren üblichen Anwendungsgebieten nicht der Fall.

Aus dem Sozialstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG sowie aus der Schutzpflicht des Staates für Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG kann ein Kostenerstattungsanspruch für nicht anerkannte Heilmittel nur ausnahmsweise in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder einer zumindest wertungsgemäß vergleichbar schwerwiegenden Erkrankung (z.B. bei Verlust eines Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion) abgeleitet werden,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.06.2008 – 1 BvR 1665/07 -  juris, Rn. 9 und 10; BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 – 1 BvR 347/98BVerfGE 115, 25, juris, Rn. 55 ff.; BVerfG, Beschluss vom 06.03.1997 – 1 BvR 1071/95 – juris, Rn. 8 ff.; BSG, Urteile vom 13.10.2010 – B 6 KA 48/09 R – juris und vom 27.03.2007 – B 1 KR 30/06 R – juris; VG Köln, Urteil vom 22.07.2014 – 7 K 447/11 – m.w.N.

Diese Rechtsprechung ist nunmehr in die Regelung des § 2 Abs. 1 a SGB V eingeflossen. Nach dieser Bestimmung können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder einer vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

Bei einem Vergleich dieser ursprünglich vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Regelung mit der neuen Bestimmung in § 31 Abs. 6 SGB V für cannabishaltige Arzneimittel zeigt sich, dass die letztere sogar noch deutlich weitergehende Versorgungsansprüche für Cannabispatienten begründet. Denn die Neuregelung ist nicht auf lebensbedrohliche oder vergleichbare Krankheiten begrenzt und lässt eine Kostenübernahme auch dann zu, wenn im Einzelfall eine zur Verfügung stehende Therapiealternative nicht zur Anwendung kommen kann. Weitergehende Ansprüche sind somit aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten.

Die Tatsache, dass die Krankenkasse des Klägers einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Versorgung mit Cannabisblüten abgelehnt hat, führt nicht dazu, dass nun ersatzweise eine Anbauerlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG erteilt werden kann.  Nach dem Willen des Gesetzgebers soll, wie ausgeführt, der Zugangsweg über die Anbauerlaubnis aus Sicherheitsgründen nicht mehr offen stehen. Die Erteilung einer Anbauerlaubnis im Fall einer Verweigerung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse würde daher zu einer Umgehung der neuen gesetzlichen Regelung bzw. zu einem doppelten Verfahren vor den Verwaltungsgerichten und den Sozialgerichten mit der Gefahr widersprüchlicher Ergebnisse führen. Für die Erteilung einer Anbauerlaubnis besteht daher auch in diesen Fällen kein öffentliches Interesse. Der Kläger hat vielmehr die zumutbare Möglichkeit, seinen Kostenerstattungsanspruch vor den zuständigen Sozialgerichten kostenfrei durchzusetzen, und auf diese Weise den Zugang zu Cannabis zu realisieren.

Auch im Hinblick auf die vom Kläger beanstandeten Lieferengpässe im Juli 2017 besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Anbauerlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG. Maßgeblich für die Feststellung eines entsprechenden Anspruchs ist bei der hier anhängigen Verpflichtungsklage der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Die materiellrechtlichen Regelungen des BtMG bieten keine Anhaltspunkte dafür, dass ausnahmsweise auf einen anderen Zeitpunkt abzustellen ist.

Es ist weder vom Kläger vorgetragen noch ersichtlich, dass die im Sommer 2017 aufgetretenen erheblichen Lieferschwierigkeiten für Cannabisblüten aus den Niederlanden und Kanada, die durch entsprechende Presseberichte belegt sind, in dieser Form auch Anfang des Jahres 2018 noch fortbestehen und eine Unterversorgung des Klägers bewirken. In den verfügbaren Presseartikeln aus Juli bis August 2017 wird die Erwartung mitgeteilt, dass die größten Engpässe im September bzw. Oktober 2017 behoben sein werden,

vgl. DAZ.online, Artikel: „Bundesweite Lieferengpässe bei Cannabis“ vom 27.07.2017;  Artikel „Cannabisblüten werden knapp“ in: Pharmazeutische Zeitung, Ausgabe vom 03.08.2017; Artikel „ Lieferengpass bei Cannabis“, Berliner Morgenpost, Ausgabe vom  27.07.2017.

Insbesondere sind derzeit im Internet, in dem die Cannabisszene traditionell breit vertreten ist, keine aktuellen Hinweise auf andauernde gravierende Lieferausfälle vorhanden.

Im Übrigen hat das BfArM in anderen anhängigen Verfahren (z.B. 7 K 2118/15) substantiiert und unbestritten vorgetragen, dass die Importmengen im Verlauf des 2. Halbjahres 2017 deutlich von 42,2 kg im Juli auf 285 kg im Dezember angestiegen sind. Darüber hinaus bestehen derzeit noch offene Importgenehmigungen über Einzellieferungen, von denen noch kein Gebrauch gemacht wurde, sowie weitere Anträge auf Erteilung einer Importerlaubnis. Weitere Staaten wie Israel und Australien haben angekündigt, in Zukunft ebenfalls Cannabisblüten nach Deutschland zu exportieren. Allein die Firma D.            will im Jahr 2018 22 Tonnen Cannabis nach Deutschland importieren (Artikel vom 20.01.2018: Cannabis als Medizin: Legale Drogendealer machen Deutschland high, auf: www.dw.com/de.) Deshalb ist in Zukunft mit einer weiteren Erhöhung der Liefermengen aus Importen und nach der Aussage des Leiters der Bundesopiumstelle, Herr Dr. Cremer-Schaeffer, in der Sitzung vom 30.01.2018 im Jahr 2019 mit Cannabisernten aus dem kontrollierten Anbau in Deutschland zu rechnen.

Der Umstand, dass möglicherweise für eine Übergangszeit das Auftreten von kurzfristigen Lieferverzögerungen nicht ausgeschlossen werden kann, führt nicht dazu, dass dem Kläger jetzt noch eine befristete Anbauerlaubnis zur Überbrückung dieser Zeiten erteilt werden müsste. Ein öffentliches Interesse für die Erteilung einer derartigen Erlaubnis kann auch unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG nicht mehr anerkannt werden.

Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Staat die rechtlichen Beschränkungen für den Zugang zu Cannabisblüten abgebaut hat (Ausschluss der Verschreibungs- und Verkehrsfähigkeit; Ausschluss der Kostenerstattung in der Gesetzlichen Krankenversicherung) und sukzessive die rechtlichen Voraussetzungen für die tatsächliche Versorgung mit Cannabishaltigen Arzneimitteln (Verschreibungsfähigkeit, Importgenehmigungen; Einrichtung einer Cannabisagentur, Ausschreibung des staatlich kontrollierten Anbaus) geschaffen hat. Die Beklagte hat damit den vorhandenen mittelbaren Eingriff in die Grundrechtsgewährleistung des Art. 2 Abs. 2 GG in Form der bisherigen Zugangsbeschränkung beseitigt,

vgl. BVerwG, Urteil vom 19.05.2005 – 3 C 17.04 – .

Aus der ebenfalls aus Art. 2 Abs. 2 GG abzuleitenden Schutzpflicht des Staates für die Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit ergibt sich aber keine Verpflichtung, selbst für eine umfassende Versorgung der Bevölkerung mit bestimmten Arzneimitteln zu sorgen. Der mit einer solchen Schutzpflicht verbundene grundrechtliche Anspruch ist  im Hinblick auf die den zuständigen staatlichen Stellen einzuräumende weitere Gestaltungsfreiheit bei der Erfüllung der Schutzpflichten nur darauf gerichtet, dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutz des Grundrechtes trifft, die nicht völlig ungeeignet oder völlig unzulänglich sind,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.1997 – 1 BvR 1071/95 – juris Rn. 9 m.w.N.

In Deutschland existiert kein staatlich organisiertes System zur Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Vielmehr ist die Beschaffung und Bereitstellung von Arzneimitteln in einem marktwirtschaftlichen System den Wirtschaftsteilnehmern überlassen, also den Herstellern und Importeuren von Arzneimitteln, sowie dem Großhandel und den Apotheken. Diese Tätigkeit wird vom Staat nicht gesteuert, sondern nur im Hinblick auf die Wirksamkeit und Sicherheit der Arzneimittelversorgung durch die Erteilung von Erlaubnissen sowie eine repressive Überwachung kontrolliert. Diese Struktur hat sich bisher als geeignet erwiesen, die Arzneimittelversorgung, auch bei Betäubungsmitteln, sicherzustellen.

Auf der Grundlage der vom BfArM angegebenen Daten und der o. g. Presseberichte ist die Einschätzung gerechtfertigt, dass es gelingen  wird, im Verlauf des Jahres 2018, spätestens 2019 durch Importe und mit den ersten Ernten aus deutschem Anbau, den Bedarf an Medizinalcannabis zu decken. Es liegt auf der Hand, dass im Fall eines Systemwechsels von einem grundsätzlichen Verkehrsverbot eines Betäubungsmittels zu einer arzneimittelrechtlich geregelten Versorgung durch Importe und staatlich kontrollierten Anbau, bei dem Produktions- und Handelswege sowie die vorgesehene Cannabisagentur erst aufgebaut werden müssen, Anfangsschwierigkeiten und Lieferengpässe entstehen. Hinzutritt ein vom Gesetzgeber völlig unerwarteter sprunghafter Anstieg des Bedarfs. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Probleme nur im Übergangszeitraum auftreten und daher nicht dazu führen, dass das neu errichtete Zugangssystem als völlig ungeeignet eingeordnet werden muss.

Die Beklagte war auch nicht aufgrund ihrer Schutzpflicht für die Grundrechte von schwer erkrankten Patienten dazu verpflichtet, eine gesetzliche Übergangsregelung zu schaffen oder befristete Anbaugenehmigungen zu erteilen. Denn den Cannabispatienten ist es grundsätzlich zuzumuten, bis zur Sicherstellung der Vollversorgung mit Cannabisblüten vorübergehend den Bedarf mit anderen cannabishaltigen Rezepturarzneimitteln, z.B. mit Cannabisextrakten oder mit den Wirkstoffen Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol oder Fertigarzneimitteln mit diesen Wirkstoffen, wie Sativex oder Canemes im offlabeluse, zu decken und eventuell ergänzend auf zugelassene Fertigarzneimittel mit anderen Wirkstoffen zurückzugreifen. Bei diesen Medikamenten sind bisher keine Lieferengpässe aufgetreten (vgl. Artikel „Bundesweite Lieferengpässe bei Cannabis“ vom 27.07.2017 auf: www.deutscheapothekerzeitung.de).

Es kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob in einem extremen Ausnahmefall gleichwohl eine befristete Anbauerlaubnis zu erteilen ist, wenn ein nicht nur kurzfristiger Lieferausfall bei Cannabisblüten trotz aller zumutbarer Bemühungen des Patienten nachgewiesen ist und durch ein aussagekräftiges ärztliches Attest und einen ärztlich begleiteten Therapieversuch glaubhaft gemacht ist, dass bei einem Patienten andere cannabishaltige Arzneimittel oder zugelassene Arzneimittel nicht hinreichend wirksam oder verträglich sind. Diese Voraussetzungen liegen aber hier nicht vor.

Der Kläger hat sich nicht auf einen aktuellen Lieferausfall berufen und diesen nachgewiesen.

Im Gutachten des Dr. H.      vom 19.07.2012 wird ausgeführt, dass Dronabinol beim Kläger zwar die Schmerzen wirksam bekämpft, jedoch zur Behandlung der psychischen Beschwerden nicht ausreichend wirksam gewesen sei. Es ist aber nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass der Kläger auch die erst seit 2017 verfügbaren cannabishaltigen Arzneimittel erfolglos getestet hat. Ferner ist nicht hinreichend dargelegt, dass zur Bekämpfung der psychischen Probleme die vorhandenen schulmedizinischen Therapiemöglichkeiten (Psychopharmaka, Psychotherapie) nicht geeignet sind.

Die Klage war daher abzuweisen, mit der Folge, dass der Kläger die Kosten des Verfahrens trägt, § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

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