VG Köln, Urteil vom 07.11.2017 - 7 K 4442/16
Fundstelle
openJur 2019, 19636
  • Rkr:
Tenor

Die Auflage T 2 zum Verlängerungsbescheid vom 27.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2016 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag zur Aufnahme der Angaben unter 5.1 der Fachinformation unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens zu je ½.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Mit Bescheid vom 27.04.2015 erteilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und  Medizinprodukte (BfArM) der Klägerin die Verlängerung der Zulassung des Arzneimittels „T.        Saft“ (Zulassungs-Nr. 00000.00.00) nach § 31 Abs. 3 AMG mit dem Wirkstoff

„100 ml (000,0 g) T.        Saft enthalten 00,0 g eines Auszugs (0:00,0) aus 0,0 g einer Mischung von F.            , F1.          , H.                      , I.              , T1.                     mit Kelch (1:3:3:3:3); Auszugsmittel: Ethanol 59% (V/V), 2.-4. Auszugsmittel: gereinigtes Wasser“

und dem Anwendungsgebiet:

„Zur Besserung der Beschwerden bei akuten Entzündungen der Nasennebenhöhlen“.

Im vorangegangenen Zulassungsbeschied vom 10.07.2009 beanstandete das BfArM die folgende Formulierung zu Ziff. 5.1 der Fachinformation des Arzneimittels nicht:

„Pharmakotherapeutische Gruppe: Pflanzliches Arzneimittel bei Entzündung der Nasennebenhöhlen.

ATC-Code: R05X

In zwei Tiermodellen (Ratte, Kaninchen) ist eine sekretolytische Wirkung des Mischauszugs und der Einzelstoffe beobachtet worden. Im Carrageen-Ödem-Test an der Ratte wurde bei Verabreichung der Kombination eine Dosisabhängige Verringerung des Pfoten-Ödems gegenüber der Kontrollgruppe beobachtet.“

Im Verlängerungsverfahren reichte die Klägerin zuletzt folgenden Text ein:

„Pharmakotherapeutische Gruppe: Pflanzliches Arzneimittel bei Entzündung der Nasennebenhöhlen.

ATC-Code: R05X

In zwei Tiermodellen (Ratte, Kaninchen) wurde eine sekretolytische Wirkung von T.        beobachtet. In vitro-Studien an Zellen des respiratorischen Epithels sowie Studien in vivo in der Maus zeigten eine Aktivierung des Chloridionentransports durch T.        . Zudem wurde die ziliäre Schlagbewegung durch T.        beschleunigt. Beides weist auf eine Aktivierung der mukoziliären Clearance hin.

T.        war in zwei Tiermodellen der akuten Entzündung in der Ratte (Carrageeninduziertes Pfotenödem und Carrageeninduzierte Pleuritis) sowie in in vitro-Experimenten antiinflammatorisch wirksam.

Darüber hinaus hemmte T.        in vitro die Replikation relevanter Atemwegsviren wie humanes Rhinovirus, Adenovirus, Parainfluenza, respiratorisches Syncytialvirus und Influenza A, wo zusätzlich das Enzym Neuraminidase inhibiert wurde. In vivo bewirkte T.        eine Verringerung der Mortalitätsrate von Mäusen nach Infektion mit dem Parainfluenzavirus. In vitro-Experimente belegen ebenfalls eine antibakterielle Wirksamkeit von T.        gegen relevante respiratorische Bakterien (z.B. Staphylococcus aureus, Streptococcus pneumoniae).“

Dem Bescheid vom 27.04.2015 waren Auflagen beigefügt, u.a. die hier streitgegenständliche Auflage T 2 zur Pharmakologie/Toxikologie:

„In der Fachinformation sind im Punkt 5.1 „Pharmakodynamische Eigenschaften“ die Formulierungen nach dem ATC-Code zu streichen.

Begründung:

Es ist aus den vorgelegten präklinischen Unterlagen nicht ableitbar, wie sich die postulierten pharmakologischen Wirkungen (sekretolytische, antiinflammatoriche, antibakterielle und antivirale Effekte) stützen können.

So werden für die meisten der beobachteten Effekte Untersuchungen vorgelegt, die mit Dosierungen/Konzentrationen durchgeführt wurden, die in der klinischen Anwendung nicht erreichbar sind.

Während es für toxikologische Fragestellungen Sinn macht, mit Tagesdosen zu arbeiten, die weit über der therapeutischen Dosis liegen, ist es in der Pharmakodynamik eher wünschenswert, wenn die Effekte in anerkannten Modellen für die jeweilige Fragestellung mit Konzentrationen/Dosierungen erzielt werden, die der therapeutischen Dosis bzw. der klinisch erzielten Plasmakonzentration nahe liegen. Werden für solche signifikanten Effekte deutlich höhere Dosierungen/Konzentrationen bzw. allgemein als zu hoch angesehene Konzentrationen (z.B. mehr als 100 Mikrogramm/ml) benötigt, sind diese Effekte als nicht plausibel einzustufen.

Es ist festzustellen, dass durch die methodischen Mängel bzw. negativen Ergebnisse der Untersuchungen die Frage zur pharmakologischen Plausibilität der Wirkung offen bleibt. Damit stellt sich auch die Frage zur Kombination. Mit den vorgelegten Daten lässt sich in den wenigsten Fällen die Wirkung der Einzelsubstanzen (und wenn, dann nur für einzelne) belegen, damit ist nicht belegt, ob und wie jeder Kombinationspartner zur Wirkung beiträgt. Es ist weiterhin darauf hinzuweisen, dass in vitro-Ergebnisse nicht geeignet sind (zumal ohne geeignete in vivo Korrelate), pharmakodynamische Eigenschaften zu begründen.

Wir verweisen hier auf die Bewertungen zu einem deutlich höher dosierten T.        -Produkt, bei dem in einem europäischen Verfahren die vorgelegten präklinischen pharmakologischen Studien auch nicht als ausreichend angesehen wurden, um in die SPC übernommen zu werden.“

Die Klägerin erhob hiergegen und gegen eine weitere Auflage Widerspruch. Hinsichtlich der Auflage T 2 führte sie aus, dass aus rechtlicher Sicht nicht ersichtlich sei, weshalb auf präklinische Daten nicht hingewiesen werden dürfe. Die maßgebliche Guideline „Summary of Product Characteristics“ schließe dies nicht explizit aus. Auch wissenschaftlich sei die Argumentation des BfArM nicht haltbar. In vitro-Studien stellten einen wesentlichen Bestandteil der präklinischen Entwicklung dar. Gerade bei Vielstoffgemischen könne im Gegensatz zu definierten chemischen und synthetischen Einzelsubstanzen keine Aussage über tatsächlich erreichte Wirkstoffkombinationen bei therapeutischer Dosierung getroffen werden. Daher würden Wirkqualitäten primär anhand von Invitro-Befunden beschrieben. Invivo-Studien an Tieren stützten die gewonnenen Ergebnisse. Zudem würden auch bei anderen Arzneimitteln präklinische Daten durchgängig zur Definition des Wirkmechanismus verwendet. Präklinische Angaben in der Fachinformation dienten als Hintergrundinformation für interessierte Fachkreise. Diese wüssten die Angaben zu interpretieren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2016 wies das BfArM den Widerspruch der Klägerin hinsichtlich der Auflage T 2 als unbegründet zurück.

Die Behörde wies auf die Vorgaben der SmPC-Guideline zu den Punkten 5.1 – 5.3 hin. Allgemein sei davon auszugehen, dass Angaben zu pharmakodynamischen Wirkungen nur solche Informationen einschließen sollten, die für eine sichere und zweckdienliche Anwendung des Arzneimittels von Bedeutung seien. Auch die Homepage der EMA empfehle nur die Aufnahme der präklinischen Daten, die für die Anwender von Interesse seien. Solche Daten, wie etwa Rezeptorbindungsstudien oder Studien zu Enzymhemmungen, lägen jedoch nicht vor. Überdies wies das BfArM auf zwei Publikationen hin, einen Vortrag von Länger zum Thema „Fach- und Gebrauchsinformation bei pflanzlichen Arzneimitteln und eine Dissertation von U.Müller mit den Antworten von 433 in Deutschland tätigen Allgemeinmedizinern, Praktikern und Internisten zur Fachinformation bei Arzneimitteln. Hiernach hätten nur 9,4 % der Befragten angegeben, die Fachinformation helfe ihnen, evidenzbasiert zu therapieren. Es sei zu befürchten, dass Angaben ohne Bezug zur klinischen Relevanz diese Aussagen weiter manifestierten. Die Fachinformation sei gerade nicht darauf gerichtet, Hintergrundinformationen zu liefern, sondern solle kurz und präzise über klinisch relevante Sachverhalte aufklären. Den In vitro-Untersuchungen lägen keinerlei Daten zur Pharmakokinetik der Inhaltsstoffe der einzelnen Extrakte vor. Daher sei nicht absehbar, ob Stoffe, die invitro zu allgemeinen Wirkungen führten, auch im humanen Plasma vorlägen. Auch werde nicht dargestellt, ob es sich bei den beobachteten Effekten nicht um unspezifische Effekte handele, die nur aufgrund der hohen Konzentration der Testsubstanz aufträten.

Die Klägerin hat am 11.05.2016 Klage erhoben.

Sie hält das Begründungserfordernis des § 39 VwVfG für verletzt, da das BfArM erstmals im Widerspruchsbescheid neue Referenzen eingeführt habe, zu denen sie – die Klägerin – sich nicht habe äußern können. Auch nenne die Behörde erstmals in der Klageerwiderung eine präzise Ermächtigungsnorm, lasse aber weiterhin nicht erkennen, auf welche der zahlreichen Varianten des § 28 Abs. 2 Nr. 3 AMG sie sich stütze. In Anlehnung an eine bereits im Widerspruchsverfahren eingereichte wissenschaftliche Stellungnahme Lehner vertritt sie die Auffassung, dass die wiedergegebenen Untersuchungen für Fachkreise sehr wohl relevant seien. Die Klägerin weist erneut darauf hin, dass das BfArM in zahlreichen Fällen vergleichbare Angaben bei anderen Arzneimitteln  akzeptiert habe.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin weitere Formulierungsvorschläge überreicht.

Sie beantragt,

1. die Auflage T 2 zum Verlängerungsbescheid vom 27.04.2015 in der Gestalt

    des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2016 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verpflichten, die Verlängerung der Zulassung mit den Angaben

    zu genehmigen, die die Klägerin mit der Antwort auf die Mängelrüge vom

    17.12.2014 beantragt hat,

3. hilfsweise die Verlängerung der Zulassung mit den Angaben zu genehmigen,

    die im ursprünglichen Zulassungsbescheid akzeptiert wurden,

4. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, den Antrag zur Aufnahme der An-

    gaben unter 5.1 neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass entsprechend den Ausführungen der Notice to Applicants: A Guideline on Summary of Product Characteristics (SmPC) im Abschnitt 5.1 „Pharmakodynamik“ der Fachinformation nur kurze Informationen zu pharmakodynamischen Eigenschaften des Wirkstoffs anzugeben seien, wenn sie von klinischer Relevanz und für den Arzt wichtig seien. Für präklinische Untersuchungen gelte dies nur, wenn ihre klinische Relevanz für die Anwendung beim Menschen ausreichend belegt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des BfArM ( 5 Bände) Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist hinsichtlich der Anträge zu 1) und 4) begründet. Im Übrigen ist sie nicht begründet.

Die Auflage T 2 zum Verlängerungsbescheid vom 27.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2016 ist rechtswidrig und aufzuheben, weil das BfArM bei der Entscheidung über die Gestaltung der Fachinformation im Punkt 5.1 „Pharmakodynamische Eigenschaften“ die durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gesetzten Grenzen nicht eingehalten hat. Gleichzeitig hat die Klägerin einen Anspruch  auf erneute Entscheidung über die Gestaltung des Textes zu 5.1 der Fachinformation, da diese gemäß § 11a Abs. 1 Satz 2 AMG in Übereinstimmung mit der genehmigten Zusammenfassung der Produktmerkmale stehen muss, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.

Hingegen besteht keine strikte Verpflichtung des BfArM zur Genehmigung der in den Anträgen zu 2) und 3) angesprochenen Texte. Insoweit ist die Klage unbegründet. Die Texte sind in der eingereichten Form nicht genehmigungsfähig. Denn die zur Entscheidung gestellten Formulierungen sind mit den aus § 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 lit. a) AMG abzuleitenden inhaltlichen Vorgaben an Angaben zur Pharmakodynamik in der Fachinformation nicht vereinbar. Das BfArM war damit an sich befugt, durch Auflage nach § 28 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2a, 1. Halbsatz AMG sicherzustellen, dass die Fachinformation den Vorschriften des § 11a AMG entspricht.

Denn § 11a Abs. 1 Satz 2 AMG stellt klar, dass die Fachinformation in Übereinstimmung mit der im Rahmen der Zulassung nach § 22 Abs. 7 Satz 1 AMG vorzulegenden und genehmigten Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels zu erfolgen hat und umschreibt ihren Pflichtinhalt. Bereits der Wortlaut des § 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 lit. a AMG deutet auf eine inhaltliche Beschränkung der Angaben. Denn „Eigenschaften“ des Produkts können nur Umstände sein, die nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erforscht und im Zulassungsverfahren als Teil der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Zulassungsgegenstand waren. Gemeint sind die tatsächlichen pharmakodynamische Eigenschaften eines Arzneimittels, nicht bloße Vermutungen oder Erklärungsansätze. Präklinische Untersuchen können hier regelmäßig nur erste Anhaltspunkte für weitere Untersuchungen liefern und sind als solche regelmäßig nicht geeignet, pharmakodynamischische Eigenschaften eines Produkts positiv zu belegen. Denn als Pharmakodynamik wird dasjenige Teilgebiet der speziellen Pharmakologie definiert, das den Einfluss von Arzneimitteln auf den humanen Organismus, mithin das Wirkprofil eines Arzneistoffs einschließlich der Dosis-Wirkungs-Beziehungen, unerwünschten Arzneimittelwirkungen und der Toxikologie untersucht. Das Wirkprofil wird dabei wesentlich durch den Ort der Wirkung bestimmt. Gesicherte Aussagen können hier regelmäßig nur aufgrund klinischer Erkenntnisse am humanen Organismus getroffen werden.

Vgl. Aktories/Förstermann/Hofmann/Starke, , Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 10. Auflage 2009, 1.2; Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 11. Auflage 2014 „Pharmakodynamik“; Mutschler, Arzneimittelwirkungen, 8. Auflage 2001, S. 4: „Wo, wie und warum kommt ein pharmakologischer Effekt zustande?“.

Gegen eine inhaltliche Ausweitung der Angaben zu Punkt 5.1 spricht maßgeblich der Zweck einer Fachinformation. Mit der Verpflichtung zur Fachinformation im Zuge der 2. AMG-Novelle wollte der Gesetzgeber den Fachkreisen eine – gegenüber der Packungsbeilage weitere – Informationsquelle zur Verfügung stellen, um ihnen auf diese Weise die für eine sichere Arzneimittelanwendung notwendigen wissenschaftlichen Informationen zu vermitteln. Die Fachinformation sollte die Packungsbeilage entlasten und deren Allgemeinverständlichkeit sicherstellen. Sie knüpft inhaltlich an die mit der RL 83/570/EWG eingeführte Zusammenfassung der Produktmerkmale – SmPC) an. Sie ist  der Packungsbeilage in Inhalt und Aufbau ähnlich, entwickelt sie aber im Hinblick auf die Bedürfnisse der Fachkreise fort,

Vgl. BT-Drs. 10/5112, S. 16; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht-Kommentar (Losebl. Stand: 132. Akt.-Lief. 2017) , § 11a Erl. 1 und 2; Menges/Winnands, Hdb-Arzneimittelrecht, 2. Auflage 2014, § 19 Rn. 46; Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2. Auflage 2016, § 11a Rn. 4; vgl. auch Urteil der Kammer vom 15.11.2011 - 7 K 2443/10 -.

Die Fachinformation verfolgt wie die Gebrauchsinformation ihrem Adressatenkreis entsprechend einen anwendungsbezogenen Zweck. Dies schließt es aus, sie um solche Angaben zu erweitern, die möglicherweise wissenschaftlich interessant, für die Anwendung des Arzneimittels aber ohne greifbare Relevanz sind. Vor diesem Hintergrund ist es konsequent, wenn die „Guideline on Summary of Product Characteristics“ der Europäischen Kommission vom September 2009, rev. 2 (SmPC-Guideline) die Angaben zu den Punkten 5.1 – 5.3 auf kurze und präzise Angaben von klinischer Relevanz beschränkt sehen will.

„Sections 5.1 – 5.3 should normally mention  information, which is relevant to the prescriber and the other healthcare professionals, taking into account the approved therapeutic indication(s) and the potential adverse drug reactions. Statements should be brief and precise.”

Es mag offen bleiben, welche Rechtsnatur der auf Grundlage des Art. 65 der RL 2001/83/EG erarbeiteten SmPC-Guideline zukommt und ob sie rechtliche Verbindlichkeit für die nationalen Zulassungsbehörden entfaltet. Denn sie beschreibt als Handreichung für den Antragsteller und Zulassungsinhaber nur dasjenige, was sich den gesetzlichen Vorgaben ohnehin entnehmen lässt und geht nicht über dasjenige hinaus, was auch das Arzneimittelgesetz inhaltlich von der Fachinformation fordert.

Den hiermit skizzierten Vorgaben an die Formulierung der Fachinformation werden weder die im Zulassungsbescheid vom 10.07.2009 akzeptierten noch die im Verlängerungsverfahren eingereichten Texte zu Punkt. 5.1 gerecht. Die Angaben zu den in Tiermodellen beobachteten Effekten haben allenfalls mittelbaren Bezug zur Anwendung am Menschen und zum zugelassenen Anwendungsgebiet. Antivirale und antibakterielle Effekte zeigt die im Verlängerungsverfahren gewählte Formulierung nur aufgrund von Invitro-Untersuchungen auf. Diese können nur Anhaltspunkte für eine weitere Erforschung pharmakodynamischer Eigenschaften liefern, vermögen diese aber nicht anwendungsbezogen zu beschreiben, zumal sie unwidersprochen überwiegend mit Dosierungen durchgeführt wurden, die bei der Anwendung von „T.        Saft“ beim Menschen nicht erreicht werden. Dem widerspricht auch die Stellungnahme der Klägerin vom 15.07.2015 (Lehner) nicht, wenn sie ausführt, dass In-Vitro-Studien einen wesentlichen Bestandteil der präklinischen Entwicklung und der Ermittlung pharmakodynamischer Mechanismen darstellten. Dies kann durchaus unterstellt werden, ersetzt aber nicht den Beleg einer Übertragbarkeit der gewonnenen Ergebnisse auf die Anwendung beim Menschen. In Bezug auf die Relevanz der Invivo-Untersuchungen räumt die Stellungnahme ein, dass kein Tiermodell der viralinduzierten Rhinosinusitis verfügbar ist und damit auf andere Parameter zurückgegriffen werden musste (Sekretolyse, Entzündungshemmung, Überlebensrate bzw. Pathologie nach viraler und bakterieller Infektion). Ein Bezug zur Anwendung bei humaner Rhinosinusitis ist damit umso schwerer herzustellen. Letztlich deutet dies die Klägerin selbst an, wenn sie ausführt, die Angaben dienten der Hintergrundinformation für den wissenschaftlich interessierten Anwender. Auf diesen zielt die Fachinformation gerade nicht.

Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine Zulassungsverlängerung mit der nunmehr beantragten oder der im Zulassungsbescheid vom 10.07.2009 noch akzeptierten Formulierung der Fachinformation (Klageanträge zu 2 und 3). Jedoch ist die zuständige Bundesoberbehörde bei der nach § 28 Abs. 1 AMG zu treffenden Ermessensentscheidung über die Auflage zur Fachinformation und die Entscheidung über die Zulassungsverlängerung an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Die Klägerin hat unwidersprochen dargelegt, dass vergleichbare Formulierungen in der Fachinformation, insbesondere Hinweise auf präklinische Untersuchungen, bei zahlreichen Arzneimitteln konkurrierender Unternehmen verwendet werden, ohne dass das BfArM hiergegen eingeschritten ist. Dies erweist sich mit Blick auf die besonderen Gegebenheiten des Arzneimittelrechts als gleichheitswidrig und führt zur teilweisen Klagestattgabe:

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt nicht jede Ungleichbehandlung. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an den Differenzierungsgrund, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz reichen können. Allgemein ist Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, wenn sich bei der Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem kein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die Differenzierung finden lässt, resp. eine Gruppe im Vergleich zu anderen anders behandelt wird, obwohl keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen (sog. „Neue Formel“).

Vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 26.01.1993 - 1 BvL 38/92 -, BVerfGE 88, 87-103.

Für den Bereich ordnungsrechtlicher Eingriffsverwaltung, namentlich im Bauordnungsrecht, entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass die Behörde in Fällen paralleler und vergleichbarer Sachverhalte durch den allgemeinen Gleichheitssatz dazu angehalten ist, systemgerecht vorzugehen. Das bedeutet nicht per se die Verpflichtung zu einem flächendeckenden und gleichzeitigem Vorgehen. Dieses ist angesichts naturgemäß begrenzter Ressourcen und verbleibender Unterschiede im Einzelfall oft gar nicht möglich. Die Behörde darf sich deshalb zunächst auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, wenn sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag. Hierbei kann es auch systemgerecht sein, bei unklarer Rechtslage einen geeigneten Fall als „Musterfall“ auszuwählen, sofern nach rechtkräftiger Klärung der streitigen Rechtsfrage ein Vorgehen auch in den verbleibenden Fällen in Aussicht steht. System- und damit auch gleichheitswidrig ist hingegen ein Vorgehen, dem ein Konzept zum zeitlichen und sachlichen Vorgehen fehlt und damit letztlich willkürlich ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.02.2013 - 2 A 239/12 -; BVerwG, Beschluss vom 23.11.1998 - 4 B 99.98 -, Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 68; Beschluss vom 19.02.1992 - 7 B 106.91 -, Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 37; Beschluss vom 21.12.1990 - 4 B 184/90 -; Urteil vom 02.03.1973 - 4 C 40.71 -, DVBl. 1973, 636.

Diese Grundsätze sind auf die präventive und repressive Kontrolle des Arzneimittelmarktes durch die Zulassungsbehörde übertragbar. Insbesondere der Umstand, dass es sich bei den betroffenen Unternehmen um konkurrierende Marktteilnehmer handelt und dass Auflagen zu Packmitteln, Kennzeichnungen, Informationstexten u.ä. potentiell wettbewerbsrelevant sind, gebietet ein planmäßiges Vorgehen der Bundesoberbehörde, wenn – wie hier – vergleichbare Sachverhalte vorliegen, die in Zukunft in anderer Weise als zuvor behandelt werden sollen. Dieses ist umso mehr geboten, als mit Inkrafttreten des auf der Grundlage des Art. 1 Nr. 23 der RL 2004/27/EG durch das 14. AMG-Änderungsgesetz eingefügten § 31 Abs. 1a AMG eine Verlängerung der Zulassung nicht mehr in fünfjährigem regelmäßigem Rhythmus, sondern grundsätzlich nur noch einmal zu beantragen ist. Die Zulassung einer Vielzahl konkurrierender Produkte dürfte damit gar nicht mehr verlängerungsbedürftig sein.

Zu den Ausnahmen und Übergangsbestimmungen vgl. Urteile der Kammer vom 03.04.2012 - 7 K 6044-6046/10 - und vom 06.06.2011 - 7 K 5778/09 -.

Die Beklagtenseite hat hierzu in der mündlichen Verhandlung lediglich angegeben, dass in der Fachabteilung Überlegungen angestellt würden. Konkrete Konzepte vermochte sie jedoch nicht darzulegen. Bloße Überlegungen bilden kein System. Es fehlt vielmehr  an einem systematischen Vorgehen, das nach den dargestellten Grundsätzen geeignet wäre, das Vorgehen gerade gegen die Klägerin zu rechtfertigen. Die Ausgestaltung eines in diesem Sinne „systemgerechten“ Vorgehens ist in das pflichtgemäße Ermessen der Beklagten gestellt. In diesem Rahmen könnte auch der Versuch einer freiwilligen und gleichmäßigen Umsetzung der Streichung präklinischer Angaben in der Fachinformation unter Mithilfe der zuständigen Verbände gehören. Unterstützend ist auch die Entwicklung geeigneter Muster- oder Referenztexte denkbar. Auch kommt angesichts begrenzter Ressourcen ein nach Arzneimittelgruppen abgestuftes Vorgehen bei der Bewältigung der Altverfahren in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.