FG Köln, Urteil vom 09.12.2016 - 7 K 1860/16
Fundstelle
openJur 2019, 19439
  • Rkr:
Tenor

Die Umsatzsteuerbescheide 2009 bis 2011 vom 01.12.2015 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 15.06.2016 werden aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob Umsatzsteuerschulden des Insolvenzschuldners Masseverbindlichkeiten darstellen.

Der Insolvenzschuldner, Herr A, ist von Beruf ... und ist seit 1980 selbständig tätig. Über sein Vermögen wurde durch Beschluss vom ...03.2005 durch das Amtsgericht B das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt (Az.: 1).

Die Gläubigerversammlung beschloss am ...05.2005, dass das Unternehmen fortgeführt und Unterhalt im Rahmen der Pfändungsfreigrenzen gewährt werden solle (s. Bl. 65 d. InsO-Akte). In der Folgezeit führte Herr A sein Büro mit Zustimmung des Klägers fort (s. Mitteilung des Klägers an das Insolvenzgericht vom 21.11.2005, Bl. 77 d. InsO-Akte). Die Einnahmen aus der freiberuflichen Tätigkeit flossen auf das vom Kläger eingerichtete Insolvenzanderkonto bei der F-Bank in M. Am ...01.2012 wurde Herrn A antragsgemäß durch das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung erteilt. Die Dauer der Laufzeit der Abtretungsfrist war zuvor bereits am ...03.2011 abgelaufen. Der Schlussbericht ist noch nicht erstellt und daher das Insolvenzverfahren auch noch nicht beendet.

Mit Schreiben vom 07.11.2013 teilte der Kläger dem Insolvenzgericht mit, dass gegen Herrn A ein Steuerstrafermittlungsverfahren eingeleitet worden sei, da dieser in den Jahren 2008 bis 2011 Einnahmen in Höhe von insgesamt 116.452,62 € hinterzogen habe. Das Strafverfahren sei gegen Zahlung einer Geldbuße nach § 153a StPO eingestellt worden. Diese Einnahmen habe Herr A auch nicht zur Masse geleistet, sondern auf dem Konto seiner Ehefrau vereinnahmt. Eine Zahlungsaufforderung an Herrn A sei nach Vorlage des Vermögensverzeichnisses erfolglos verlaufen. Die Auftraggeberin des Insolvenzschuldners, die Firma P GmbH, habe nach einem Vergleich im Zivilprozess letztlich in den Jahren 2015 und 2016 für Leistungen des Insolvenzschuldners für den Zeitraum Dezember 2008 bis 2011 75.000 € an den Kläger als Insolvenzverwalter für Herrn A geleistet (s. Rechnungslegung vom 09.05.2016, Bl. 304 ff. der Insolvenzakte).

Die Umsatzsteuererklärungen 2009 bis 2011 reichte der Kläger wie folgt beim Beklagten ein:

Datum

Umsätze

Vorsteuern

verbleibende USt

2009

22.12.2011

48.885 €

0 €

9.288,15 €

2010

22.12.2011

31.676 €

0 €

6.018,44 €

2011

29.06.2012

30.853 €

56,81 €

5.805,26 €

Der Beklagte änderte die Umsatzsteuerfestsetzungen 2009 bis 2011 jeweils nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO - mit Bescheiden vom 01.12.2015 und setzte die Umsatzsteuern wie folgt fest:

Umsatz

Vorsteuern

festgesetzte USt

2009

90.837 €

516,50 €

16.742,53 €

2010

60.282 €

587,71 €

10.865,87 €

2011

67.627 €

905,19 €

11.943,94 €

In den Anlagen zu den Bescheiden erläuterte der Beklagte, dass die festgesetzten Umsatzsteuerschulden in vollem Umfang der Insolvenzmasse zuzuordnen seien, da der Kläger die selbständige Tätigkeit des Herrn A erlaubt habe. Eine Freigabe der Tätigkeit sei nicht erfolgt. Es sei irrelevant, ob tatsächlich Einnahmen zur Masse geflossen seien. Eine Aufteilung auf Insolvenzmasse und Schuldner komme nicht in Betracht, so dass die durch die Verwaltung der Insolvenzmasse entstandenen Steuern insgesamt als Masseschulden zu qualifizieren seien. Der Beklagte nahm zur weiteren Begründung Bezug auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16.04.2015 (III R 21/11, BFH/NV 2015, 1638).

Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 15.06.2016 als unbegründet zurück. Unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 16.04.2015 (III R 21/11, BFH/NV 2015, 1638) ist der Beklagte der Ansicht, dass durch die Erlaubnis des Klägers zur Fortführung der selbständigen Tätigkeit sämtliche durch diese Tätigkeit entstanden Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten darstellen würden. Eine Aufteilung der Verbindlichkeiten komme nicht in Betracht. Dabei sei es unerheblich, ob die Einnahmen zur Masse gelangt seien.

Mit seiner am 13.07.2016 erhoben Klage verfolgt der Kläger sein Begehren aus dem Verwaltungsverfahren weiter. Seiner Ansicht nach sei die Entscheidung des BFH vom 16.04.2015 (III R 21/11, BFH/NV 2015, 1638) im Streitfall nicht einschlägig, da in dem dort entschiedenen Fall der Insolvenzverwalter Kenntnis über alle Umstände gehabt habe. Im vorliegenden Fall habe der Insolvenzschuldner hingegen Einnahmen verheimlicht und die Gelder für sich verwendet, so dass die Gelder niemals zur Insolvenzmasse geflossen seien. Daher sei die Insolvenzmasse auch nicht mit den Steuerzahllasten zu belasten. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Fallkonstellation würde es nicht geben.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 2009 bis 2011 jeweils vom 01.12.2015 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 15.06.2016 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Zur Begründung nimmt der Beklagte Bezug auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass bei Tätigkeiten, die mit Wissen und Billigung des Insolvenzverwalters erfolgt seien, Masseverbindlichkeiten begründet werden würden.

In der mündlichen Verhandlung haben sich die Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht darauf verständigt, dass für 2011 streitgegenständliche Umsätze von 30.645 € (= 10/12 v. 36.774 €) sowie Vorsteuern in Höhe von 706,98 € (= 10/12 v. 848,38 €) auf die Zeit nach Ablauf der Abtretungsfrist entfallen. Für die Zeit bis zum ...03.2011 verbleiben streitgegenständliche Umsätze in Höhe von 6.129 € und Vorsteuern in Höhe von 141,40 €.

Die Beteiligten sind sich auf Hinweis des Gerichts darüber einig, dass nach dem Ablauf der Abtretungsfrist am ...03.2011 die Umsatzsteuerschulden für 2011 keine Masseverbindlichkeiten mehr darstellen (s. BGH-Beschluss vom 13.02.2014 IX ZB 23/13, NZI 2014, 312 und Erlass des FinMin NRW vom 06.08.2015 Tz. 2.9). Insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

Das Gericht hat die Insolvenzakten und die Straf- und Bußgeldakten des Herrn A beigezogen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheide 2009 bis 2011 vom 01.12.2015 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 15.06.2016 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -. Zu Unrecht hat der Beklagte die Umsatzsteuern gegen den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn A festgesetzt, die auf Umsätze entfallen, die der Insolvenzschuldner ohne Kenntnis des Klägers an der Masse vorbei vereinnahmt hat.

I. Die durch die angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheide höher festgesetzten Umsatzsteuerschulden stellen insoweit keine Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung in den Streitjahren geltenden Fassung - InsO a.F. - dar, die gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festzusetzen und von diesem vorweg aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind. Vielmehr sind sie als sonstige nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Steueransprüche zu qualifizieren, die insolvenzfrei und gegen den Insolvenzschuldner festzusetzen sind (vgl. BFH-Urteil vom 18.05.2010 X R 60/08, BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429).

1. Soweit die Umsatzsteuerschulden im Zusammenhang mit Umsätzen nach dem Ablauf der Abtretungsfrist am ...03.2011 entstanden sind, folgt dies zur vor dem 01.07.2007 geltenden Insolvenzordnung aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. Februar 2014 (Az. IX ZB 23/13, NZI 2014, 312; dem folgend: Erlass des Finanzministeriums NRW vom 06.08.2015 - VO Kartei NW Insolvenzordnung Karte 25a, Tz. 2.9; ab dem 01.07.2007: § 300a Abs. 1 Satz 1 InsO n.F.), was zwischen den Beteiligten auf Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung unstreitig ist. Daher kann der erkennende Senat insoweit von einer weiteren Begründung absehen.

2. Für die streitgegenständlichen Umsatzsteuerschulden, die auf Umsätze vor dem Ablauf der Abtretungsfrist am ...03.2011 entfallen, sind für den erkennenden Senat die folgenden Gründe tragend:

a. Masseverbindlichkeiten sind gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO a.F. diejenigen Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss die Verbindlichkeit auf eine - wie auch immer geartete - Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters in Bezug auf die Insolvenzmasse zurückzuführen sein (vgl. BFH-Urteile vom 21.07.2009 VII R 49/08, BFHE 226, 97, BStBl II 2010, 13 unter II.1.b aa; und vom 16.04.2015 III R 21/11, BFHE 250, 7; BStBl II 2016, 29). Die Insolvenzmasse erfasst nach § 35 InsO a.F. (jetzt § 35 Abs. 1 InsO n.F.) das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt, mithin auch den sog. Neuerwerb des Schuldners während des Insolvenzverfahrens.

Eine Fortführung des Gewerbebetriebs oder der selbständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter in Form eines massebezogenen Verwaltungshandelns i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz InsO a.F. ist u.a. dann anzunehmen, wenn er die selbständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners im Interesse der Masse erlaubt, die Betriebseinnahmen zur Masse zieht, soweit sie dem Schuldner nicht auf dessen Antrag nach § 850i der Zivilprozessordnung i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. vom Gericht belassen werden, und die Fortführung der Tätigkeit ermöglicht, indem er zur Masse gehörende Mittel einsetzt, um durch die Tätigkeit entstehende Forderungen Dritter zu begleichen (vgl. BFH-Urteil vom 16.04.2015 III R 21/11, BFHE 250, 7; BStBl II 2016, 29 unter II.2.a.aa. m.w.N.). In diesem Fall zählen die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielten Einnahmen des Schuldners grundsätzlich in vollem Umfang, ohne einen Abzug für beruflich bedingte Ausgaben oder Lebenshaltungskosten, zur Insolvenzmasse (vgl. BFH-Urteil vom 16.04.2015 III R 21/11, BFHE 250, 7; BStBl II 2016, 29 m.w.N.). Auch wenn der Insolvenzmasse letztlich nicht die gesamten Einnahmen verbleiben, da Beträge an den Schuldner für die benötigten Lebenshaltungskosten zurückfließen oder Beträge für den Erwerbsaufwand verwandt werden, kommt eine Aufteilung der Steuerschuld auf Insolvenzverwalter und Insolvenzschuldner nicht in Betracht (so zur Einkommensteuer: BFH-Urteile vom 16.04.2015 III R 21/11, BFHE 250, 7; BStBl II 2016, 29 unter II.4. und vom 16.07.2015 III R 32/13, BFHE 251, 102, BStBl II 2016, 251 unter II.6.). Führt der Insolvenzverwalter das Geschäft oder die freiberufliche Praxis des Schuldners fort, ist er konsequenterweise auch zur Befriedigung der daraus resultierenden Verbindlichkeiten verpflichtet (vgl. BFH-Urteil vom 16.04.2015 III R 21/11, BFHE 250, 7; BStBl II 2016, 29 m.w.N.).

b. Hiervon abzugrenzen sind die Fälle, in denen der Insolvenzverwalter die Freigabe der selbständigen Tätigkeit erklärt (§ 35 Abs. 2 InsO n.F.) bzw. vor Geltung des § 35 Abs. 2 InsO n.F. die Tätigkeit des Schuldners lediglich duldet (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18.09.2012 VIII R 47/09, BFH/NV 2013, 411). In diesen Fällen fallen die daraus resultierenden Einnahmen nicht in die Insolvenzmasse, so dass auch die aus dieser Tätigkeit herrührenden Steuerschulden keine Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO a.F. darstellen, sondern gegen das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners festzusetzen sind.

c. Gleichfalls werden keine Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO a.F. begründet, wenn der Schuldner eine selbständige Tätigkeit ohne Wissen und Billigung durch den Insolvenzverwalter ausübt und die entsprechenden Erträge für sich vereinnahmt und diese tatsächlich nicht zur Masse gelangen (vgl. BFH-Urteil vom 18.05.2010 X R 11/09, BFH/NV 2010, 2114; dem folgend BFH-Urteil vom 16.04.2015 III R 21/11, BFHE 250, 7; BStBl II 2016, 29 unter II.2.a.bb.). In diesem Fall entsteht auch kein Neuerwerb, der zur Insolvenzmasse nach § 35 InsO a.F. zählt, denn Voraussetzung für einen solchen ist, dass der Insolvenzverwalter die Einnahmen zur Masse zieht und diese damit tatsächlich vermehrt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 18.05.2010 X R 11/09 BFH/NV 2010, 2114 unter II.2.c.aa.).

d. Auf der Grundlage der vorstehenden Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die der erkennende Senat für zutreffend hält und denen er folgt, ist der Senat davon überzeugt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), dass die streitgegenständlichen Umsatzsteuerschulden 2009 bis zum ...03.2011 keine Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO a.F. darstellen.

Zwar hat der Kläger als Insolvenzverwalter im Streitfall die Fortsetzung der selbständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners als ... ausdrücklich in der Gläubigerversammlung vom ...05.2005 mit dem Ziel erlaubt, die Insolvenzmasse durch die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielten Einnahmen aus dieser Tätigkeit zu vermehren. Auch hat er die Einnahmen zur Masse gezogen, indem er ein Anderkonto eingerichtet hat, auf das der Insolvenzschuldner die Einnahmen zu leisten hatte.

Hingegen konnte der Kläger die Einnahmen nicht zur Masse ziehen, die der Insolvenzschuldner ihm und dem Finanzamt gegenüber verheimlicht hat. Es steht nicht in der Rechtsmacht des Schuldners, am Insolvenzverwalter vorbei die Insolvenzmasse zu belasten. Dies gilt jedenfalls für den vorliegend zu beurteilenden Fall, dass der Kläger als Insolvenzverwalter nicht schuldhaft unwissend gewesen ist und nach Kenntniserlangung das Insolvenzgericht unverzüglich unterrichtet hat und versucht hat die verheimlichten Einnahmen nachträglich zu erlangen. Dies leitet der Senat aus dem Verständnis der §§ 80, 81 InsO a.F. ab. Danach obliegt dem Insolvenzverwalter die alleinige Herrschaftsbefugnis über die Insolvenzmasse (§ 80 InsO a.F.). Verfügungen des Insolvenzschuldners über einen Gegenstand der Insolvenzmasse sind unwirksam (§ 81 InsO a.F.). Zwar fällt die Arbeitskraft des Insolvenzschuldners nicht in die Insolvenzmasse und damit auch nicht unter den Insolvenzbeschlag, dies führt aber nicht dazu, dass der Schuldner für die ihm nicht mehr zugängliche Insolvenzmasse unkontrolliert weitere Schulden anhäufen könnte. Eine andere Auffassung würde dem Zweck des Insolvenzverfahrens, die gleichmäßige Verteilung des Schuldnervermögens unter der staatlichen Aufsicht und sachkundigen Begleitung eines Insolvenzverwalters zu gewährleisten, entgegenlaufen (vgl. Urteil des FG Köln vom 19.01.2011 7 K 3547/07, EFG 2011, 1257 m.w.N.).

Das vom erkennenden Senat gefundene Ergebnis findet seine Stütze auch in der Neuregelung des § 35 Abs. 2 InsO in der ab dem 01.07.2007 geltenden Fassung (n.F.). Diese lässt erkennen, dass auch der Gesetzgeber davon ausgeht, dass der Insolvenzverwalter nicht verpflichtet sein kann, Erträge zu versteuern, die er nicht erhalten hat (vgl. BFH-Urteil vom 18.05.2010 X R 11/09, BFH/NV 2010, 2114 unter II.3.c.cc. m.w.N.).

Da der Insolvenzmasse in den Streitjahren 2008 bis 2011 insoweit kein Vermögen zugeflossen ist, können die daraus resultierenden Verbindlichkeiten nicht als Masseverbindlichkeiten beurteilt werden (vgl. BFH-Urteile vom 18.05.2010 X R 11/09, BFH/NV 2010, 2114 und vom 16.04.2015 III R 21/11, BFHE 250, 7; BStBl II 2016, 29 unter II.2.a.bb.)

e. Bei seiner Entscheidung verkennt der Senat nicht, dass der Kläger nach einem zivilgerichtlichen Vergleich in den Jahren 2015 und 2016 insgesamt 75.000 € von der Auftraggeberin des Insolvenzschuldners für dessen Leistungen in der Zeit von Dezember 2008 bis 2011 vereinnahmt hat. Diese nachträglichen Einnahmen haben aber die Insolvenzmasse in den Streitjahren 2009 bis 2011 nicht vermehrt, so dass daraus keine Masseverbindlichkeiten entstehen konnten. Nach der Systematik des Umsatzsteuerrechts wäre eine Besteuerung dieser Beträge erst in den Jahren 2015 und 2016 vorzunehmen. Hierüber hat der erkennende Senat jedoch nicht zu befinden.

II. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.