OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.07.2017 - 7 A 730/16
Fundstelle
openJur 2019, 19126
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 28 K 5760/14
Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Verfahren auf 91.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Das Zulassungsvorbringen der Klägerin führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Soweit die Klägerin geltend macht, das beabsichtigte Vorhaben in Form einer Spielhalle mit einer Nutzfläche von 147 m² sei nach § 8 Abs. 2 BauNVO 1977 grundsätzlich als Gewerbebetrieb im Gewerbegebiet zulässig und es bedürfe keiner Unterscheidung zwischen kerngebietstypischen und sonstigen Vergnügungsstätten, verkennt sie die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Nach dieser sind in Gewerbegebieten nach § 8 BauNVO 1977 (BauNVO) kerngebietstypische Vergnügungsstätten nicht allgemein zulässig.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.7.1988 - 4 B 119.88 -, BRS 48 Nr. 40 = BauR 1988, 693, Urteil vom 24.2.2000 - 4 C 23.98 -, BRS 63 Nr. 80 = BauR 2000, 1306; ebenso OVG NRW, Beschluss vom 18.4.2002 - 7 B 326/02 -, BRS 65 Nr. 165 = BauR 2002, 1746 (LS).

Ein davon abweichender Rechtsschutz ergibt sich nicht aus dem von der Klägerin zitierten Beschluss des VGH Baden Württemberg vom 26.8.2009 - 3 S 1057/09 - (BRS 74 Nr. 86 = BauR 2010, 439), der sich auf § 8 BauNVO 1990 und die darin enthaltene neue Regelung über die ausnahmsweise Zulässigkeit von Vergnügungsstätten gemäß Abs. 3 Nr. 3 bezieht.

Der weitere Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass nur aufgrund der Größe von über 100 m² als Grenze eine sogenannte kerngebietstypische Spielhalle vorliege, verkennt den vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Maßstab. Dieses hat in der angegriffenen Entscheidung zwar angenommen, dass zur Beurteilung der Kerngebietstypik einer Spielhalle der herkömmlich herangezogene Schwellenwert von 100 m² ein wesentlicher Anhaltspunkt ist; darüber hinaus hat es aber auch auf die Anzahl der Spielgeräte, die Lage der Vergnügungsstätte sowie den Umstand, dass ihre Attraktivität z. B. durch einen mit ihr verbundenen Gaststättenbetrieb gesteigert wird, berücksichtigt. Das Verwaltungsgericht hat die Größe der Spielhalle somit nicht - wie die Klägerin rügt - als starre Grenze angewandt.

Die vom Verwaltungsgericht daran anknüpfend vorgenommene städtebauliche Gesamtwürdigung, die unter Anwendung des oben dargestellten Maßstabes zur Begründung der Annahme einer kerngebietstypischen Spielhalle auf die Überschreitung des Schwellenwertes von 100 m² um fast 50 Prozent, die beabsichtigte Aufstellung der maximal zulässigen Anzahl der Spielgeräte und die Attraktivitätssteigerung der Spielhalle aufgrund seiner Lage an zwei Bundesstraßen und der unmittelbaren Nähe zu dem Bistro abstellt, wird durch das Vorbringen der Klägerin nicht erschüttert. Die von der Klägerin angesprochene Frage, ob das Bistro mit der Spielhalle eine betriebliche Einheit bildet, hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich offen gelassen.

Die Klägerin hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass entgegen der rechtlichen Wertung des Verwaltungsgerichts die Gebietsverträglichkeit des Vorhabens ausnahmsweise angenommen werden könnte. Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, dass weder das Gewerbegebiet noch das beantragte Vorhaben sich als atypisch darstellten. Soweit die Klägerin geltend macht, das Verwaltungsgericht habe nicht die gesamte Nutzung des Gewerbegebietes in die Bewertung einbezogen, das Störpotential einer Spielhalle liege deutlich unter dem eines Erotikmarktes bzw. einer Waschanlage und die Spielhalle stehe mit der Eigenart des Gewerbegebietes nicht im Widerspruch, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Das Verwaltungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass die Zuordnung von Vergnügungsstätten zu bestimmten Baugebieten nicht nur wegen der von ihnen ausgehenden Lärmimmissionen, sondern auch zur Wahrung der nach der Baunutzungsverordnung typischen Funktion des Gewerbegebietes und der Abgrenzung zu anderen Gebieten erfolge. Es sei hier zu berücksichtigen, dass die ansässigen Betriebe mit einem weiten Einzugsbereich in dem Gewerbegebiet allgemein zulässig seien, somit einem anderen Prüfungsmaßstab unterlägen. Auch seien die von der Klägerin für ihr Vorhaben beantragten Öffnungszeiten von täglich 6 Uhr bis 24 Uhr, die weit über die Öffnungszeiten der anderen im Gewerbegebiet liegenden Betriebe hinausgingen, zu berücksichtigen. Es sei davon auszugehen, dass die Besucherzahl der Spielhalle gerade in den (späten) Abendstunden am höchsten sei. Dies könne trotz Berücksichtigung der straßenbedingten Lärmvorbelastung, insbesondere wegen der Lage der Zufahrt zu dem Vorhaben, für die an das Gewerbegebiet angrenzende Wohnbebauung zu weiteren Lärmimmissionen führen. Gerade zum Schutz dieser Wohnbebauung seien nach der Begründung zum Bebauungsplan Nr. in dem Gewerbegebiet nur nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe zulässig. Die Unrichtigkeit dieser Bewertung - auch zu den unterschiedlichen Öffnungszeiten - hat die Klägerin nicht im Ansatz dargelegt.

Die weitere Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht verneine rechtsfehlerhaft ihren Befreiungsanspruch, da die - vom Verwaltungsgericht unterlassene - am konkreten Charakter des Gewerbegebietes vorzunehmende Prüfung ergebe, dass die Grundzüge der Planung durch die Zulassung des Vorhabens nicht tangiert seien, erschüttert nicht die Begründung des Verwaltungsgerichts, das seine Annahme, die Grundzüge der Planung seien durch das Vorhaben berührt, damit begründet hat, dass - anders als in dem singulären Urteil des Bayerischen VGH vom 24.3.2011 - 2 B 11 11.59 - (BRS 78 Nr. 90 = BauR 2011, 1785) - der Plangeber zum Schutz der angrenzenden Wohnbebauung eine Einschränkung auf nicht störende Gewerbebetriebe vorgenommen und die 1. Ergänzung des Bebauungsplanes Nr. u. a. damit begründet habe, dass die gewerblich nutzbaren Flächen dem produzierenden und verarbeitenden Gewerbe vorbehalten bleiben sollten.

Ob dem Vorhaben § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO 1977 nicht entgegensteht - wie die Klägerin geltend macht - bedarf aus obigen Gründen keiner Beantwortung mehr.

Dass das Verwaltungsgericht den Hilfsantrag zu Unrecht abgelehnt haben könnte, hat die Klägerin nicht dargelegt.

Die Klägerin macht auch ohne Erfolg geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

Die sinngemäß aufgeworfene Frage,

ob zur Abgrenzung einer kerngebietstypischen Spielhalle von einer nicht kerngebietstypischen Spielhalle der Schwellenwert von 100 m² zugrunde zu legen ist,

ist hier aus obigen Gründen nicht in rechtsgrundsätzlicher Weise klärungsbedürftig. Zum einen hat das Verwaltungsgericht nicht alleine auf einen Schwellenwert zur Beurteilung des Vorhabens abgestellt. Weiterhin fehlt die Klärungsbedürftigkeit, wenn sich - wie hier - die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Rechtsfrage auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts nach allgemeinen Auslegungsregeln und auf der Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung ohne weiteres beantworten lässt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und § 63 Abs. 3 GKG. Dabei orientiert sich der Senat am Streitwertkatalog der Bausenate des OVG NRW vom 17.9.2003 (BauR 2003, 1883) und bemisst den Wert nach Nr. 3 c) bzw. a) des Katalogs nach der Fläche der geplanten Spielhalle ( 147 m² x 500 Euro) bzw. den geschätzten Jahresnutzwert des Bistrobereichs (18.000 Euro).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.