OLG Hamm, Urteil vom 30.01.2017 - 6 U 110/16
Fundstelle
openJur 2019, 18742
  • Rkr:
Verfahrensgang

1.

Ein nach dem Wortlaut als Leistungsantrag formulierter Klageantrag kann mangels Fälligkeit des Leistungsanspruchs als Feststellungsantrag auszulegen sein.

2.

Die Rechtsschutzversicherung nach § 29 ARB 2008 ist streng eigenschafts- und objektbezogen. Die Versicherung als Eigentümer eines Mobilheimes bietet daher keinen Rechtsschutz für Streitigkeiten betreffend den Pachtvertrag über das Grundstück, auf dem das Mobilheim aufgestellt worden ist.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 08.06.2016 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO)

I.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten gem. Versicherungsschein vom 25.07.2008 (Anlage B1) eine Rechtsschutzversicherung gemäß § 29 ARB-HG 2008 mit dem versicherten Risiko "Eigentümer eines selbst genutzten Einfamilienhauses Straße, Ort".

An dieser Anschrift befindet sich kein klassisches Einfamilienhaus, sondern ein sog. Mobilheim auf dem Gelände eines Ferienparks. Insoweit hatten der Kläger und seine Ehefrau unter dem 19.09./23.10.2002 mit der B GmbH einen Pachtvertrag über eine Grundstücksparzelle zum Zwecke der Aufstellung eines Mobilheimes (Bl. 5 ff. GA) nebst anliegender Parkordnung, Gestaltungsbestimmungen und Benutzungsverordnung (Bl. 9 GA) sowie einen Verwaltungsvertrag (Bl. 10 f. GA) geschlossen. Das auf dieser Parzelle vorhandene Mobilheim hatten die Kläger ebenfalls im Jahr 2002 von Voreigentümern erworben.

Im Jahr 2014 kam es zu Streitigkeiten des Klägers und seiner Ehefrau mit der Verpächterin im Zusammenhang mit Bemühungen des Klägers, das Mobilheim zu veräußern und sich von dem Pachtvertrag zu lösen. Mit Schriftsatz vom 28.07.2014 (Bl. 13 GA) forderten der Kläger und seine Ehefrau die B GmbH unter Fristsetzung auf, zu bestätigen, dass sie selbst berechtigt seien, das Mobilheim zu veräußern, dass sie zu diesem Zweck berechtigt seien, ein entsprechendes Verkaufsschild aufzustellen und dass der Abschluss eines Nachfolgepachtvertrages nicht von der Zahlung eines zusätzlichen einmaligen Betrages von 3.300,- € abhängig gemacht werden könne.

Für diese Streitigkeit forderte der Kläger mit Schreiben vom 28.08.2014 (Anlage B4) Rechtsschutz von der Beklagten, den diese mit Schreiben vom 20.08.2014 (Anlage B2) verweigerte.

Der Kläger hat zunächst beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm außergerichtlich und für die erste Instanz bedingungsgemäß Rechtsschutz für eine Auseinandersetzung mit der B GmbH im Zusammenhang mit dem Pachtvertrag vom 19.09.2002 mit folgenden Streitgegenständen zu gewähren:

1) festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, den Pachtvertrag ordentlich zu kündigen;

2) festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, auf der Parzelle Nr. 32 bzgl. des dort stehenden Hauses ein Verkaufsschild aufzustellen;

3) festzustellen, dass § 11 des Pachtvertrages unwirksam ist, wonach der Kläger sein Haus nicht selbst sondern nur über die Agentur des Verpächters veräußern darf und

4) festzustellen, dass § 14 des Pachtvertrages unwirksam ist, hilfsweise festzustellen, dass der Kläger die Parzelle unterverpachten kann, ohne dass dies von einer besonderen Nutzungsgebühr abhängig gemacht werden kann.

Während des erstinstanzlichen Rechtsstreits hat der Kläger das Mobilheim unter Anrechnung des an die B GmbH zu zahlenden Sonderpachtbeitrags von 3.400,- € auf den Kaufpreis veräußert. Er hat vorgetragen, der Klageauftrag habe sich durch den Verkauf des Mobilheimes erledigt.

Der Kläger hat daraufhin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger und seine Ehefrau von Rechtsanwaltskosten seiner Verfahrensbevollmächtigten in Höhe von 2.050,19 € freizustellen.

Im Übrigen hat der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Rechtsmeinung vertreten, es liege Vorvertraglichkeit vor. Zudem handle es sich nicht um einen versicherten Rechtsschutzfall als Eigentümer des Mobilheims, weil der Streit den Grundstückspachtvertrag über die Parzelle betreffe.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Freistellung des Klägers von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.310,21 € verurteilt, festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des früheren Klageantrages erledigt sei und die Klage wegen des Mehrbetrages abgewiesen, weil die Ehefrau des Klägers insoweit nicht mitversichert sei und zudem die Selbstbeteiligung in Höhe von 100,- € in Abzug zu bringen sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Der Hausverkauf stelle möglicherweise im Verhältnis zur B GmbH ein erledigendes Ereignis dar, nicht jedoch im Verhältnis zur Beklagten. Tatsächlich habe der Kläger lediglich auf einen Freistellungsantrag umgestellt, nachdem ihm eine Bezifferung möglich gewesen sei. Zudem sei die Beklagte nicht eintrittspflichtig, weil der Kläger nicht in seiner Eigenschaft als Eigentümer, sondern als Pächter des Grundstücks betroffen gewesen sei. Diese Eigenschaft sei nicht versichert. Schließlich stehe der Eintrittspflicht der Beklagten § 4 Abs. 3a ARB entgegen. Der Versicherungsfall sei bereits vor Abschluss der Rechtsschutzversicherung eingetreten, weil der Kläger sich auf die Unwirksamkeit von Regelungen des im Jahr 2002 geschlossenen Vertrages berufe.

Die Beklagte beantragt,

das am 08.06.2016 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund, Az. 2 O 284/14, abzuändern und die Klage unter Zurückweisung der Anschlussberufung insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung, die Beklagte über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus zu verurteilen, den Kläger von weiteren Rechtsanwaltskosten seiner Verfahrensbevollmächtigen in Höhe von 739,98 € freizustellen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen. Soweit das Landgericht die Klage abgewiesen habe, sei das Urteil unrichtig. Den Versicherungsvertrag nach § 29 ARB hinsichtlich des Ferienhauses habe er abgeschlossen, nachdem er vom Versicherungsagenten der Beklagten erfahren hatte, dass er das Ferienhaus - neben einem bereits bestehenden Versicherungsvertrag nach § 25 ARB - extra versichern müsse. Falls die Ehefrau des Klägers über den zweiten Vertrag nach § 29 ARB nicht versichert sei, wäre es Sache der Beklagten gewesen, diese als Versicherungsnehmerin mit aufzuführen. Es liege möglicherweise ein Beratungsverschulden vor.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg und führt unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers zur Abweisung der Klage. Denn der Versicherungsschutz des Klägers umfasst den streitgegenständlichen Versicherungsfall nicht. Es kann auch dahinstehen, ob es im Rahmen der Vermittlung des Versicherungsvertrages zu einem Beratungsfehler gekommen ist, weil ein etwaiges Beratungsverschulden des Vermittlers der Beklagten nicht zuzurechnen ist.

1.

Soweit das Landgericht die Anträge des Klägers teilweise als einseitige Erledigungserklärung behandelt hat, trifft dies nicht zu. Der Kläger hat lediglich eine privilegierte Klageänderung gem. § 264 Ziffer 2 ZPO vorgenommen.

In der Rechtsschutzversicherung ist eine auf Kostenbefreiung gerichtete Leistungsklage erst möglich, wenn der Kostenbefreiungsanspruch fällig geworden ist. Vorher kann nur auf die Feststellung geklagt werden, dass der Versicherer verpflichtet sei, Kostendeckung oder Rechtsschutz in bestimmten Angelegenheiten zu gewähren. In diesem Sinne können Klageanträge als Feststellungsanträge aufzufassen sein (BGH, Urteil vom 14.04.1999, Az. IV ZR 197/98, NJW-RR 1999, 1037 zu den ARB 75). Diese zu § 2 Abs. 2 ARB 75 (abgedruckt bei Prölss/Martin, 27. Auflage S. 2031) ergangene Rechtsprechung gilt auch für die hier vereinbarten ARB 2008, die in § 5 Abs. 2 a) eine vergleichbare Regelung enthalten (vgl. v. Rintelen in Versicherungsrechtshandbuch, 3. Auflage 2015, § 23 Rn. 34 sowie Wendt, r+s 2012, 209, 211 f.).

Danach ist der ursprüngliche Klageantrag, der nach dem Wortlaut als Leistungsantrag formuliert ist, mangels Fälligkeit des Leistungsanspruchs in der Rechtsschutzversicherung als Feststellungsantrag auszulegen. Die zur Fälligkeit des Leistungsanspruchs führende Inanspruchnahme des Klägers durch seinen Prozessbevollmächtigten liegt erst in dessen Schriftsatz vom 08.07.2015 (Bl. 48 ff. GA). Daher liegt in der mit diesem Schriftsatz zudem vorgenommenen Bezifferung ein Wechsel des Rechtsschutzbegehrens von der Feststellungs- zur Leistungsklage, wobei sich - wie die Berufung zutreffend ausführt - der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung und damit das zu Grunde liegende Rechtsverhältnis nicht erledigt hat. Der Übergang von der Feststellungsklage auf die Leistungsklage ist eine Klageerweiterung i.S.v. § 264 Nr. 2 ZPO (Zöller-Greger, ZPO, 31. Auflage 2016, § 256 Rn. 15 c; dort auch zur Umdeutung des Antrages).

2.

Der Umfang der vom Kläger bei der Beklagten geführten Rechtsschutzversicherung nach § 29 ARB gem. Versicherungsschein vom 24.07.2008 umfasst die Auseinandersetzung mit der B GmbH nicht.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Verbindet allerdings die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff, ist anzunehmen, dass darunter auch die Versicherungsbedingungen nichts anderes verstehen wollen (exemplarisch BGH, Urteil vom 11. 12. 2002 - IV ZR 226/01, NJW 2003, 826).

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird dem Versicherungsschein zunächst entnehmen, dass er eine Rechtsschutzversicherung i.S.v. § 29 ARB abgeschlossen hat. Denn unterhalb der Überschrift "Versicherungsschein" befindet sich die Formulierung "Rechtsschutz für Eigentümer und Mieter von Wohnungen und Grundstücken gemäß § 29 ARB-HG". Die aufmerksame Durchsicht von § 29 ARB wird dann ergeben, dass Versicherungsschutz für die dort in lit. a) bis f) genannten Eigenschaften abgeschlossen werden kann und sich der konkrete Vertragsinhalt aus der "in Ihrem Versicherungsschein bezeichneten Eigenschaft" ergibt. Ein erneuter Blick in den Versicherungsschein führt ihm dann vor Augen, dass nur die Eigenschaft als "Eigentümer" versichert ist. Denn auf der ersten Seite des Versicherungsscheins befindet sich unterhalb des Abschnitts "Versicherte Risiken" zu "Art der Nutzung" die Eintragung "Eigentümer eines selbst genutzten Einfamilienhauses". Diese bereits nach dem Wortlaut eindeutige Regelung führt dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs, insbesondere wegen der Aufzählung der unterschiedlichen versicherbaren Eigenschaften in lit. a) bis f) des § 29 ARB 2008 deutlich vor Augen, dass der Rechtsschutz auf die im Versicherungsschein bezeichnete Eigenschaft des Versicherungsnehmers und das dort bezeichnete Objekt beschränkt ist. Der Rechtsschutz ist also streng eigenschafts- und objektbezogen (Rüffer/Halbach/Schimikowski-Münkel, VVG, 3. Auflage 2015, Rn. 1 zu § 29 ARB 2010).

Die Auseinandersetzung mit der B GmbH knüpft aber gerade nicht an die Eigenschaft des Klägers als Eigentümer an, sondern ausschließlich an den mit dem Kläger und seiner Ehefrau abgeschlossenen Pachtvertrag nebst Zusatzvereinbarungen. Wegen des strengen Eigenschaftsbezugs der Rechtsschutzversicherung besteht insoweit kein Versicherungsschutz. Besteht Versicherungsschutz als Eigentümer, so sind alle Auseinandersetzungen geschützt, die mit dem Eigentum in Zusammenhang stehen. Es muss sich also um die Geltendmachung oder die Abwehr von Ansprüchen handeln, die auf dem jeweiligen Eigentum beruhen. Um solche Ansprüche handelt es sich bei dem Streit um Inhalt und Wirksamkeit von Regelungen eines Pachtvertrages nicht (vgl. van Bühren/Plote-Hillmer-Möbius, ARB, 3. Auflage 2013, § 29 ARB 2010 Rn. 8 f.; Harbauer-Stahl, Rechtsschutzversicherung, 8. Auflage 2010, § 29 ARB Rn. 6 ff.; so auch Prölss/Martin-Armbrüster, VVG, 29. Auflage 2015, § 29 ARB 2010 Rn. 2).

3.

Der geltend gemachte Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aufgrund der - wie im Rahmen des Senatstermins vom 30.01.2017 unstreitig geworden ist - weiteren bei der Beklagten geführten Rechtsschutzversicherung auf Basis von § 25 ARB 2008.

Die Auseinandersetzung mit der B GmbH könnte allenfalls dem Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht nach § 2 d ARB 2008 (§ 25 Abs. 3, 3. Unterpunkt) unterfallen. Diese Regelung enthält jedoch in S. 1 einen Ausschluss für den in § 2 c) ARB 2008 geregelten Wohnungs- und Grundstücksrechtsschutz.

4.

Schließlich haftet die Beklagte dem Kläger auch nicht gem. § 6 VVG wegen eines möglichen Beratungsfehlers im Rahmen der Vermittlung des Versicherungsvertrages auf die mit der - geänderten - Klage begehrte Freistellung von Rechtsanwaltskosten. Denn die Vermittlung des Versicherungsvertrages erfolgte ausweislich des als Anlage B1 vorgelegten Versicherungsscheins durch die "N GmbH Assekuranz-Makler" in Düsseldorf. Gem. § 6 Abs. 6 VVG sind die Absätze 1 bis 5 dieser Regelung auf Versicherungsverträge nicht anzuwenden, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt worden ist. Dem hierauf gerichteten Hinweis des Vorsitzenden im Rahmen des Senatstermins vom 30.01.2017 ist der Kläger nicht entgegen getreten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.