LG Essen, Urteil vom 18.01.2018 - 6 O 385/17
Fundstelle
openJur 2019, 18642
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits und die außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenienten trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten bzw. die Nebenintervenienten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte bzw. die Nebenintervenienten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Beklagte ist Stromnetzbetreiberin, unter anderem im Raum F, und verfügt über ein Netz mit Hochspannungs-, Mittelspannungs- und Niederspannungsleitungen, an das auch der Haushalt des Klägers angeschlossen ist. Der Beklagten obliegt es als Netzbetreiberin für einen technisch einwandfreien Zustand des Netzes Sorge zu tragen und die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Energieversorgung in ihrem Netzgebiet zu gewährleisten.

Bereits im Jahr 2012 übersah ein Schiff im F1 Hafen witterungsbedingt die streitgegenständliche Freileitungs-Hochspannungsleitung, wo durch diese riss.

Am ... blieb ein Schiffskran der A S.a.r.l., der mit Schriftsatz vom 04.12.2017 der Streit verkündet wurde (i. F.: Streithelferin zu 2.), an einer Freileitungs-Hochspannungsleitung der Beklagten im Stadthafen F1 hängen. Der Schiffskapitän, welchem ebenfalls mit Schriftsatz vom 04.12.2017 der Streit verkündet wurde (i.F. Streithelfer zu 1.), hatte vergessen den Schiffskran nach Abschluss von Verladearbeiten wieder einzufahren, und bei einem Tausch von Liegeplätzen kam es sodann zu der Berührung des Schiffs mit der Freileitungs-Hochspannungsleitung. In deren Folge kam es zu einem Riss des entsprechenden Leiterseils. Hierdurch kam es jedenfalls kurzfristig zu einer Überspannung im Bereich des Stromkreises T, Transformator 15.

Mit Schreiben vom 04.10.2017 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass es aufgrund der Überspannung zu Schäden an diversen elektronischen Geräten in seinem Haushalt gekommen sei und forderte die Beklagte auf, insgesamt 5.082,54 € bis zum 16.10.2017 an ihn zu zahlen. Wegen der Einzelheiten der beschädigten Geräte samt Rechnungsbelegen wird auf Bl. 6 ff. GA verwiesen. Die Beklagte zahlte den angeforderten Betrag nicht.

Der Kläger behauptet, die Elektrogeräte seien infolge der aufgetretenen Überspannung beschädigt worden. Insbesondere habe er entsprechende FI-Schutzschalter in seinem Haus montiert. Er ist der Auffassung, die Beklagte treffe ein Verschulden, da sie versäumt habe, durch eine Sicherung oder eine entsprechende Einrichtung dafür zu sorgen, dass das Leiterseil nicht durch völlig normale Arbeiten im Hafenbereich berührt werden konnte. Insbesondere habe die Beklagte das Leiterseil entsprechend höher anbringen müssen oder aber dieses als Erdleitung verlegen müssen. Darüber hinaus behauptet der Kläger, es seien keine schützenden Strom- oder Spannungswandler vorhanden oder diese entsprächen wenigstens nicht dem Stand der Technik. Das Leitungsnetz der Beklagten entspreche darüber hinaus insgesamt nicht den anerkannten Regeln der Technik, dies ergebe sich auch daraus, dass die wasserpolizeiliche Genehmigung bereits aus dem Jahr 1969 stamme und keine Überholung des Leitungsnetzes oder eine Neuinstallation durch die Beklagte erfolgt sei. Spätestens durch den Vorfall im Jahr 2012 habe - so die Meinung des Klägers - die Beklagte Maßnahmen, wie eine Erdverlegung des entsprechenden Leiterseils, ergreifen müssen, damit es nicht erneut zu einem Riss des Leiterseils bedingt durch ein Schiff habe kommen können.

Der Kläger bestreitet mit Nichtwissen die von der Beklagten vorgetragenen örtlichen Gegebenheiten, insbesondere sowohl die von der Beklagten angegebene Länge und Höhe des Leiterseils als auch den Berührungspunkt des Schiffes mit dem Leiterseil und die Stelle, an welcher das Leiterseil gerissen seien soll. Weiter bestreitet der Kläger mit Nichtwissen, dass es aufgrund des Risses des Leiterseils sowohl zu einem nicht beherrschbaren Erdschluss als auch zu einer nicht beherrschbaren sogenannte "schwebenden Phase" gekommen sei, wofür es keinen Echtzeitschutz gebe.

Mit Schriftsatz vom 04.12.2017 hat die Beklagte dem Schiffskapitän, dem Herrn O (Streithelfer zu 1.) und der Schiffseigentümerin, der A S.a.r.l. (Streithelferin zu 2.), den Streit verkündet. Mit Schriftsatz vom 12.12.2017 sind die Streithelfer dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.082,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2017 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die aus dem Vorfall vom 05.05.2017 (Überspannung und Stromausfall) künftig entstehen;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 571,44 Euro freizustellen.

Die Beklagte und die Streithelfer beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, eine Berührung des Schiffskrans mit der Freileitungs-Hochspannungsleitung sei zwischen den Masten Nr. 5 und Nr. 6 erfolgt. Das Leiterseil sei daraufhin etwa einen Meter vor dem Mast Nr. 6 gerissen. Dieser asymmetrische Riss des Leiterseils habe dazu geführt, dass das längere Ende in Richtung der Umspannanlage C ins Wasser gefallen sei und den vorhandenen Erdschluss zeitlich weiterführt habe, welcher von ihr - der Beklagten -elektrotechnisch beherrscht worden sei. In Bezug auf das frei schwebende kurze Stück des Leiterseils sei kein Erdschluss eingetreten, mit der Folge, dass ein automatisches Abschalten der Leitung ausgeblieben sei. Vielmehr sei das kurze Leitungsende noch rückwärts über die verbleibenden zwei intakten Phasen unter Spannung gewesen, was als sogenannte "schwebende Phase" bezeichnet wird (vgl. Bl. 28 GA).

Weiter ist die Beklagte der Ansicht, die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten zu haben, dies gelte insbesondere auch für die streitgegenständliche Hochspannungsleitung, die den Stadthafen F1 überspanne. Dies folge daraus, dass sie - die Beklagte - entsprechende Regelwerke, wie die einschlägigen DIN/VDE-Regeln, einhalte. In diesem Fall greife die Vermutung des § 49 Abs. 2 Satz 1 EnWG in Bezug auf die Einhaltung der allgemeinen Regeln der Technik zu Gunsten der Beklagten. Die auslösende Ursache für den Riss des Leiterseils und der daraus folgenden Überspannung sei ausschließlich die Beschädigung der den Stadthafen F1 überspannenden Leitung durch das Schiff der Streithelferin zu 2. gewesen. Insbesondere sei das Manöver des Streithelfers zu 1. im Hafenbecken mit ausgefahrenem Kran - entgegen der Behauptung des Klägers - weder normal noch angezeigt gewesen.

Ein Fehler in ihren Betriebsmitteln, welcher zu einer Überspannung geführt habe, habe - so die Auffassung der Beklagten - nicht vorgelegen. Insbesondere sei die Errichtung der streitgegenständlichen Leitung - insoweit unstreitig - durch das nordrheinwestfälische Ministerium für Wirtschaft und Verkehr und das Wasser- und Schiffsamt E genehmigt worden (vgl. Anlage B 3, Bl. 43 ff. GA). Gemäß des heute gültigen Erlasses des Bundesverkehrsministeriums betrage das Lichtraumprofil 13,50 m (vgl. Anlage B 4, Bl. 47 GA), so dass die streitgegenständliche Leitung in Höhe von 16,94 m einen zusätzlichen Abstand von 3,44 m aufweise. Auch sei eine Verlegung als Erdkabel zumindest aus Technischen- und Kostengesichtspunkten zum Zeitpunkt der Errichtung 1959 nicht angezeigt gewesen.

Eine Überspannung aufgrund der "schwebenden Phase" sei nur für einen Zeitraum von circa einer Minute aufgetreten bis der Sternpunktableiter in der Umspannanlage T durchgezündet und durchgebrannt sei. Insbesondere sei das Szenario der sogenannten schwebenden Phase nicht durch den Netzbetreiber elektrotechnisch beherrschbar; es existiere kein Echtzeitschutz für einen solchen Fall. Eine kurzfristige Überspannung sei zwischen dem Zeitpunkt eines Seilabrisses mit der sog. schwebenden Phase und einer finalen Abschaltung unvermeidbar gewesen.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass es in der Wohnung des Klägers zu einer auf der Störung ihrer Leitung beruhenden Überspannung gekommen sei und dadurch die Schäden an den elektronischen Geräten entstanden seien. Außerdem behauptet sie, dass der Kläger seine Geräte nicht ausreichend gegen eine mögliche Überspannung gesichert habe. Des Weiteren seien die beschädigten Geräte auf dem Markt günstiger zu beschaffen, als von dem Kläger angegeben. Sie ist der Auffassung, der Kläger müsse sich einen Abzug neu für alt anrechnen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

A. Zulässigkeit

Die Klage ist zulässig.

I. Zuständigkeit

Insbesondere ist das Landgericht F2 sachlich zuständig nach §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG und örtlich zuständig nach § 32 ZPO, da eine Leitung der Beklagten in F beschädigt wurde und hierdurch ein vorgetragener etwaiger Schaden des Klägers aufgrund einer vorgetragenen Überspannung/eines Stromausfalls wegen der Beschädigung eingetreten seien kann.

II. Feststellungsinteresse

Der Kläger hat bezüglich des Antrags zu 2. auch ein Feststellungsinteresse.

Nicht zumutbar ist die Beachtung des Vorrangs der Leistungsklage, wenn der Kläger seinen Anspruch (z.B. auf Schadensersatz) noch nicht oder nicht ohne Durchführung einer aufwendigen Begutachtung beziffern kann (BGH NJW 2000, 1256, 1257; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2017, § 256 ZPO, Rn. 7a). So ist es vorliegend, da der Kläger vorträgt, dass eine Überprüfung sämtlicher elektrischer Geräte noch nicht möglich gewesen sei, wie beispielsweise die Überprüfung der elektronischen Komponenten der Heizungsanlage (vgl. Bl. 3 GA). Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass durch eine vorgetragene Überspannung/einen Stromausfall weitere Schäden an Elektrogeräten zu befürchten sind, dadurch, dass etwaige Schäden aufgrund einer vorgetragenen etwaigen Überspannung/ eines Stromausfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten können.

B. Begründetheit

Die Klage ist jedoch unbegründet.

I. Antrag zu 1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 5.082,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2017.

1. Anspruch auf Zahlung nach dem ProdHaftG

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 5.082,54 € gemäß § 1 I 1 ProdHaftG. Nach dieser Vorschrift ist der Hersteller eines Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den Schaden zu ersetzen, der daraus entsteht, dass durch den Fehler des Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Vorliegend stellt bereits ein etwaiger Stromausfall bzw. eine Stromunterbrechung, welcher zu einer Beschädigung der Gegenstände des Klägers geführt haben mag, keinen Produktfehler i.S.v. § 3 ProHaftG dar, da ausbleibende Elektrizität kein Produkt ist. Auch bei unterstellter Beschädigung der Gegenstände des Klägers durch eine Überspannung scheidet eine Haftung der Beklagte aus, da ein Fall höherer Gewalt vorliegt und auch jedenfalls der Haftungsausschluss des § 1 II Nr. 1 ProdHaftG greift. Hierzu im Einzelnen:

a. Produktfehler

Ein Produktfehler, der Voraussetzung für eine Haftung gemäß § 1 II 1 ProdHaftG ist,liegt vorliegend nicht vor.

Gemäß § 3 ProdHaftG hat ein Produkt einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände - insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann sowie des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde - berechtigterweise erwartet werden kann. Abzustellen ist dabei nicht auf die subjektive Sicherheitserwartung des jeweiligen Benutzers, sondern objektiv darauf, ob das Produkt diejenige Sicherheit bietet, die die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung (Niederspannungsverordnung, i. F.: NAV), insbesondere § 16 NAV, konkretisiert in ihrem Anwendungsbereich die berechtigten Sicherheitserwartungen an das Produkt Elektrizität (BGH, Urteil vom 25.02.2014 - VI ZR 144/13). Der Anwendungsbereich der NAV ist vorliegend eröffnet, da die Beklagte Netzbetreiberin i.S.v. § 1 IV NAV und der Kläger Anschlussnutzer i.S.v. § 1 III NAV ist.

Zur Gewährleistung der erforderlichen Produktsicherheit hat der Hersteller diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach den Gegebenheiten des konkreten Falles zur Vermeidung bzw. Beseitigung einer Gefahr objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind. Dabei sind Art und Umfang einer Sicherungsmaßnahme vor allem von der Größe der Gefahr abhängig. Bei erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen sind dem Hersteller deshalb weitergehende Maßnahmen zumutbar als in Fällen, in denen nur Eigentums- oder Besitzstörungen oder aber nur kleinere körperliche Beeinträchtigungen zu befürchten sind. Zwar müssen Produkte, die für den Endverbraucher bestimmt sind, erhöhten Sicherheitsanforderungen genügen, die auf Wissen und Gefahrsteuerungspotential des durchschnittlichen Konsumenten Rücksicht nehmen, jedoch kann auch der Verbraucher eine völlige Gefahrlosigkeit nicht erwarten (BGH, Urteil v. 17.03.2009 - VI ZR 176/08). Im Fall einer - hier unterstellten - Überspannung sind vor allem Sachbeschädigungen zu befürchten. Zwar kann der Verbraucher grundsätzlich mit einem funktionierenden Stromnetz rechnen, jedoch ist allgemein bekannt, dass es auch in der heutigen Zeit beispielsweise zu Stromausfällen kommen kann. Auch die hier maßgebliche NAV setzt die Anforderungen an die Netzbetreiber nicht zu hoch, in dem sie in § 16 I 2 NAV den Ausschlusstatbestand der höheren Gewalt statuiert bzw. in § 16 III NAV den Netzbetreiber verpflichtet, die Spannung "möglichst" gleichbleibend zu halten. Eine hundertprozentig konstante Versorgung kann der Verbraucher nicht erwarten.

Der Bundesgerichtshof hat einen Verstoß gegen die berechtigen Sicherheitserwartungen in das Produkt Elektrizität im Hinblick auf § 16 III 1 u. 2 NAV jedenfalls dann angenommen, wenn eine Überspannung zu Schäden an üblichen Verbrauchsgeräten führt (vgl. BGH, a.a.O.). Nach dieser Vorschrift hat der Netzbetreiber Spannung und Frequenz möglichst gleichbleibend zu halten, so dass allgemein übliche Verbrauchsgeräte einwandfrei betrieben werden können. Im Falle von Stromausfällen bzw. Stromunterbrechungen wird hingegen ein Produktfehler mit der Begründung verneint, dass ausbleibende Elektrizität schon kein Produkt darstelle (Palandt/Sprau, ProdHaftG, 76. Auflage 2017, § 2 Rn. 1; MüKo/Wagner, ProdHaftG, 7. Auflage 2017, § 2 Rn. 3). Gem. § 16 I 1 NAV ist der Netzbetreiber zwar bei Bestehen eines Anschlussnutzungsverhältnisses verpflichtet, dem Anschlussnutzer die Nutzung des Netzanschlusses jederzeit zu ermöglichen. Die Anschlussnutzung umfasst jedoch nach § 3 I 1 u. 2 NAV lediglich das Recht zur Entnahme von Elektrizität, nicht die Belieferung mit Elektrizität oder den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen.

Unterstellt man im vorliegenden Fall den Vortrag des Klägers als unstreitig, sind die Schäden an den Elektrogeräten infolge einer Überspannung im Netz der Beklagten aufgetreten, so dass grundsätzlich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ein Verstoß gegen die berechtigen Sicherheitserwartungen in das Produkt Elektrizität schlüssig vorgetragen ist.

b. Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt

Allerdings scheidet in diesem Fall eine Haftung der Beklagten dennoch aus, da jedenfalls höhere Gewalt, durch ein Dazwischentreten Dritter, vorliegt. Daher war vorliegend eine Beweisaufnahme dahingehend, ob das Leitungsnetz der Beklagten den anerkannten Regeln der Technik entspricht, entbehrlich. Hierzu im Einzelnen:

Nicht jede Überspannung kann zu einer Haftung nach § 1 I 1 ProdHaftG führen, da auch die Gefährdungshaftung nicht unbegrenzt gilt. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der in der Gesetzesbegründung zum Produkthaftungsgesetz ausführte, dass das schadensauslösende Moment in einem Teil der Fälle in einem Produktfehler begründet liege, teilweise aber nur die Manifestation des allgemeinen Lebensrisikos sei (BT-Drucksache 11/2447, S. 7). Damit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass auch im Rahmen der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung Konstellationen denkbar sind, in denen besondere Umstände vorliegen, die die Haftung ausschließen. Dies hat er beispielsweise in § 7 II StVG oder § 701 III BGB durch Einführung eines Haftungsausschlusses im Falle von höherer Gewalt klar formuliert. Bezogen auf das Produkt Elektrizität wird dies auch durch § 16 I 2 NAV deutlich, nach dem der Netzbetreiber dem Anschlussnutzer die Nutzung des Netzanschlusses nicht ermöglichen muss, soweit und solange der Netzbetreiber durch höhere Gewalt oder sonstige Umstände, deren Beseitigung ihm im Sinne des § 18 I 2 EnWG aus wirtschaftlichen Gründen nicht zugemutet werden kann, gehindert ist.

Der BGH hat in seinem Urteil vom 25.02.2014 (a.a.O.) ausdrücklich offengelassen, wie die Fälle zu beurteilen sind, in denen Unregelmäßigkeiten im Netz auf besondere Umstände wie etwa Naturgewalten zurückzuführen sind. Dadurch hat er die Möglichkeit eröffnet, in solchen Fällen anders zu entscheiden und eine Haftung zu verneinen. In dem von ihm entschiedenen Fall lag die Ursache der Überspannung in der Unterbrechung von zwei sogenannten PEN-Leitern der dortigen Beklagten, über die das Haus der dortigen Kläger mit der Erdungsanlage verbunden war. Die Ursache war also eindeutig dem Betrieb der Beklagten zuzuordnen. Dies ist mit dem vorliegenden Fall nicht zu vergleichen.

Hier liegt ein Fall höherer Gewalt vor. Ein Fall höherer Gewalt ist ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen dritter, betriebsfremder Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, welches auch mit äußerster, vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können.

In der - unstreitigen - Beschädigung der Hochspannungsleitung durch den Schiffskran der Streithelferin zu 2. liegt ein solch grobes Dazwischentreten eines Dritten, mit dem üblicherweise nicht gerechnet werden muss. Dieses betriebsfremde Verhalten konnte die Beklagte nicht beeinflussen, und daher verfängt der Einwand des Klägers nicht, dass die Beklagte das Leiterseil höher oder unterirdisch hätte verlegen müssen. Die gilt auch vor dem Hintergrund, dass sich bereits im Jahr 2012 ein ähnlicher Vorfall ereignete. Auch in diesem Fall liegt ein grobes Dazwischentreten eines Dritten vor, da der Kapitän hierbei witterungsbedingt das Leiterseil beim Entladen übersehen hatte. Die Beklagte muss nicht für ein menschliches Versagen Dritter einstehen, welches im Einzelfall zu einer Beschädigung des streitgegenständlichen Leiterseils führte. Hierzu ist auch anzumerken, dass seit der Genehmigung der Hochspannungsleitung im Jahr 1969, also seit nahezu 50 Jahren, sich erst zwei derartige fremdverschuldete Beschädigungen des Leiterseils nach dem Vortrag der Parteien ereigneten. Zwischen den beiden Vorfällen lag dabei auch eine Zeitspanne von 5 Jahren, so dass die Beklagte nicht dazu verpflichtet war, Vorkehrungen, beispielsweise durch einen Erdverlegung des Leiterseils, zu treffen, um ein grobes Dazwischentreten Dritter zu unterbinden. Es ist insbesondere vorliegend auch zu beachten, dass eine entsprechende Genehmigung für das streitgegenständliche Leiterseil vorlag.

c. Inverkehrbringen

Jedenfalls greift aber der Haftungsausschluss des § 1 II Nr. 1 ProdHaftG, da die Beklagte das Produkt nicht in den Verkehr gebracht hat. Der Hersteller bringt ein Produkt in den Verkehr, sobald er sich willentlich der tatsächlichen Herrschaftsgewalt über das Produkt begibt (Palandt/Sprau, ProdHaftG, 77. Auflage 2018, § 1 Rn. 14). Auch der Gesetzgeber sieht in dem Inverkehrbringen eine willentliche Komponente: Nach der Gesetzesbegründung ist ein Produkt gewöhnlich in den Verkehr gebracht, wenn es in die Verteilungskette gegeben worden ist, also wenn der Hersteller es aufgrund eines Willensentschlusses einer anderen Person außerhalb seiner Herstellersphäre übergeben hat (BT-Drucksache, 11/2447, S. 14). Das Produkt Elektrizität wird nicht bereits mit der Einspeisung in das Niederspannungsnetz, sondern erst mit der Lieferung des von dem Netzbetreiber übergabefähig transformierten Stroms über den Netzanschluss an den Anschlussnutzer in den Verkehr gebracht (BGH, Urteil vom 25.02.2014 - VI ZR 144/13). Unterstellt man den Vortrag des Klägers, dass eine Überspannung an seinen Haushalt weitergeleitet wurde, ist dies jedoch ohne jeglichen Willensentschluss der Beklagten geschehen. Die Überspannung ist aufgrund des groben Dazwischentretens eines Dritten erfolgt, so dass eine Transformation durch die Beklagte gerade nicht erfolgen konnte.

2. Anspruch auf Zahlung aus § 2 I 1 HPflG

Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 5.082,54 € aus § 2 I 1 HPflG. Nach dieser Vorschrift ist der Inhaber einer Stromleitungs- oder Rohrleitungsanlage oder einer Anlage zur Abgabe der bezeichneten Energien oder Stoffe verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der daraus entsteht, dass durch die Wirkungen von Elektrizität, Gasen, Dämpfen oder Flüssigkeiten, die von einer solchen Anlage ausgehen, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird.

Die Haftung der Beklagten ist jedoch gem. § 2 III Nr. 2 HPflG ausgeschlossen, da es sich bei den beschädigten Elektrogeräten des Klägers um Energieverbrauchsgeräte handelt. Gemeint sind mit der Vorschrift Einrichtungen, die der Verwertung oder Nutzbarmachung von Energien oder Stoffen im Sinne von § 2 I HPflG dienen; beispielhaft sind das Endverbrauchsgeräte wie Lampen, Glühbirnen, Heizungen oder elektrische Haushaltsgeräte, auch etwa Spül- und Waschmaschinen (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 06.12.2012 - 16 U 64/12; Filthaut, Haftpflichtgesetz, 9. Auflage 2015, § 2 Rn. 65a).

Zudem greift der Haftungsausschluss des § 2 III Nr. 3 HPflG, da hier ein Fall höherer Gewalt vorliegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

3. Anspruch auf Zahlung aus § 280 I BGB

Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte besteht auch nicht aus § 280 I BGB. Zwar besteht hier ein Schuldverhältnis in Form eines Anschlussnutzungsverhältnisses zwischen den Parteien, jedoch fehlt es vorliegend an einer Pflichtverletzung bzw. das nach § 280 I 2 BGB vermutete Verschulden der Beklagten wurde durch den unstreitigen Sachverhalt widerlegt. Eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten gem. § 276 II BGB liegt nicht vor, da die Beschädigung der Leitung durch den Schiffskran für sie ein unvermeidbares Ereignis darstellte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird erneut auf die obigen Ausführungen verwiesen.

4. Anspruch auf Zahlung aus § 823 I BGB

Eine Haftung der Beklagten folgt auch nicht aus § 823 I BGB. Es fehlt an einer Verletzungshandlung der Beklagten bzw. am Verschulden, welches hier ebenfalls nach § 18 I 1 Nr. 1 NAV vermutet wird. Die Beklagte kann sich jedoch nach den obigen Ausführungen exkulpieren.

5. Verzugszinsen

Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Verzugszinsen aus §§ 286 I, 288 I BGB.

II. Antrag zu 2.

Der Feststellungsantrag bezüglich der Ersetzung künftiger materieller Schäden aus dem Vorfall vom ... (Überspannung und Stromausfall), ist unter Berücksichtigung der Ausführungen mangels Bestehen eines Schadensersatzanspruches ebenfalls unbegründet.

III. Antrag zu 3.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 687,82 €. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war hier i.S.v. § 249 BGB weder erforderlich noch zweckmäßig, da die Hauptforderung nicht besteht.

C. Nebenentscheidungen

Die Entscheidung folgt hinsichtlich der Kosten aus § 91 I ZPO und § 101 I ZPO, hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11 2. Alt, 711 S. 1 und 2 ZPO.