OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.12.2018 - 6 B 486/18
Fundstelle
openJur 2019, 18107
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 L 58/18
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 19.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 6 Satz 4 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat die mit der Beschwerde weiter verfolgten Anträge,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Antragsteller vorläufig - bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache oder einer neuen Entscheidung über das Einstellungsbegehren des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - in das Beamtenverhältnis auf Probe im gehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen zu übernehmen,

hilfsweise, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Antragsteller nicht aus den Gründen des Bescheides des Polizeipräsidiums Bielefeld vom 25. August 2017 von einer Verbeamtung auf Probe auszuschließen,

hilfsweise, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verurteilen, eine Planstelle für die Verbeamtung auf Probe im gehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen frei zu halten, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist,

jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

1. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die mit dem Hauptantrag im Wege einer Regelungsanordnung i. S. v. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO begehrte Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe eine Vorwegnahme der Hauptsache beinhaltet. Mit der Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe würde dem Antragsteller bereits die Rechtsposition vermittelt, die er im Klageverfahren 4 K 8494/17 anstrebt. Darüber hinaus würden damit irreversible Verhältnisse geschaffen. Anders als für Beamte auf Widerruf, die gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1

BeamtStG jederzeit entlassen werden können, existiert, worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, eine entsprechende Beendigungsmöglichkeit des Beamtenverhältnisses für Beamte auf Probe nicht (vgl. § 23 Abs. 3 BeamtStG).

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. März 2009 - 6 B 102/09 -, juris Rn. 8 f.; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10. Januar 2017 - 2 MB 33/16 -, juris Rn. 25; VGH Baden-Württ., Beschluss vom 18. März 2014 - 4 S 509/14 -, juris Rn. 2, 11; Bay. VGH, Beschluss vom 27. Juni 2012 - 3 AE 12.734 -, juris Rn. 12.

Dass der Antragsteller im vorliegenden Verfahren lediglich die "vorläufige" Einstellung beantragt, ändert daran nichts. Die vorläufige Begründung eines Beamtenverhältnisses ist rechtlich unzulässig.

Eine Vorwegnahme der Hauptsache kommt im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise aus Gründen des Gebotes effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in Betracht, nämlich dann, wenn das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller schlechthin unzumutbar wäre. Dies setzt unter dem Gesichtspunkt der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs voraus, dass das Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich summarischen Prüfung bei Anlegung eines strengen Maßstabes an die Erfolgsaussichten erkennbar Erfolg haben wird. Außerdem muss der Antragsteller - im Rahmen des Anordnungsgrundes - glaubhaft machen, dass ihm ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.

St. Rspr., vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. September 2017 - 1 WDS-VR 4.17 -, juris Rn. 15.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Antragsteller hat weder im erstinstanzlichen noch im Beschwerdeverfahren glaubhaft gemacht, dass ihm, wenn er auf das Hauptsacheverfahren verwiesen wird, schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die aus Gründen des Gebotes effektiven Rechtsschutzes eine Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache erfordern. Damit fehlt es zugleich an der erforderlichen Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes (a.). Ob der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat, ist daher nicht mehr entscheidungserheblich und kann somit dahinstehen (b).

a) Ein Anordnungsgrund, der den vorbeschriebenen Anforderungen genügt, ist nicht dargetan und glaubhaft gemacht.

Der Umstand, dass ohne die beantragte einstweilige Anordnung ein - nach Auffassung des Antragstellers - rechtswidriger Zustand bis zur Entscheidung über die Hauptsache aufrechterhalten würde, begründet noch keinen Nachteil im oben genannten Sinne, sondern ist regelmäßige Folge des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Oktober 2010

- 6 B 1107/10 -, juris Rn. 2.

Ein tragfähiger Anhaltspunkt dafür, dass es dem Antragsteller nicht zugemutet werden kann, sich bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens anderweitig beruflich zu orientieren und seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, ist seinem Vorbringen nach wie vor nicht zu entnehmen.

Auch sein Argument, es sei zu befürchten, dass er bei einer erneuten mehrjährigen "Pause" nicht in der Lage sei, sein im Rahmen der Ausbildung erlerntes Wissen vollständig vorzuhalten, verfängt nicht. Insbesondere ist insoweit nicht der Gesichtspunkt einschlägig, dass auf dieses Wissen zeitnah im Rahmen eines Prüfungsverfahrens zurückgegriffen werden soll. Denn der Antragsteller hat die II. Fachprüfung, mit der die Ausbildung für den Laufbahnabschnitt II des Polizeivollzugsdienstes endet, bereits bestanden. Im Übrigen trifft die von ihm angeführte Problematik in gleicher Weise für den vom Gesetzgeber auch für Polizeivollzugsbeamte vorgesehenen Fall einer mehrjährigen Beurlaubung etwa aus familiären Gründen zu, die, griffe das Argument des Antragstellers, einem Einsatz des betreffenden Beamten im Polizeivollzugsdienst nach Rückkehr aus der Beurlaubung entgegenstünde.

Schließlich wird das durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Recht des Antragstellers, den Beruf frei zu wählen, nicht, wie er geltend macht, "endgültig vereitelt", wenn er auf das Hauptsacheverfahren verwiesen wird. Das Überschreiten der für eine Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe geltenden Altersgrenze (vgl. § 109 Abs. 2 LBG NRW) droht im Fall des Antragstellers nicht. Sein Einwand, es sei ihm faktisch unmöglich, erneut den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, entbehrt bei objektiver Betrachtung einer Grundlage.

b) Vor diesem Hintergrund ist es im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich, ob der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat bzw. wie die Erfolgsaussichten der von ihm erhobenen Klage einzuschätzen sind.

Der Senat merkt lediglich Folgendes an: Die vom Dienstherrn vorzunehmende Beurteilung der für eine Einstellung in ein Beamtenverhältnis auf Probe erforderlichen charakterlichen Eignung ist ein Akt wertender Erkenntnis. Er ist als solcher vom Gericht - nur beschränkt - darauf zu überprüfen, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat. Die Beantwortung der Frage, ob die vom Antragsgegner im Bescheid vom 25. August 2017 angeführten Erwägungen die Ablehnung der Einstellung des Antragstellers in ein Beamtenverhältnis auf Probe tragen bzw. ob der Antragsgegner die Grenzen des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums eingehalten hat, setzt eine eingehende Überprüfung des tatsächlich und rechtlich schwierigen Streitstoffs voraus. Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls hinsichtlich des im Klageverfahren angekündigten - auf eine Neubescheidung des Begehrens des Antragstellers auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe gerichteten - Hilfsantrags von offenen Erfolgsaussichten auszugehen.

2. Auch in Bezug auf die beiden Hilfsanträge fehlt es jeweils an der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.

a) Bezüglich des ersten Hilfsantrags verweist der Antragsteller lediglich auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 13. Juli 2017 - 19 L 2691/17 -, juris. Er berücksichtigt indes nicht, dass dieser Entscheidung eine andere Fallkonstellation zu Grunde liegt. Der dortige Antragsteller hat sich um die Einstellung (Einstellungstermin: 1. September 2017) in den - in einem Beamtenverhältnis auf Widerruf abzuleistenden - Vorbereitungsdienst für den Laufbahnabschnitt II des Polizeivollzugsdienstes (vgl. § 11 LVOPol) beworben. Das Verwaltungsgericht hat einen Anordnungsgrund mit der Begründung bejaht, die Hauptsacheentscheidung käme zu spät, da der Vorbereitungsdienst bereits im September 2017 beginne. Vorliegend steht aber nicht die - an einen bestimmten Termin gebundene - Einstellung in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf bzw. die Einstellung in den Vorbereitungsdienst für den Laufbahnabschnitt II des Polizeivollzugsdienstes in Rede. Der Antragsteller strebt vielmehr, nachdem er den Vorbereitungsdienst abgeleistet und die II. Fachprüfung bestanden hat, die Einstellung in ein Beamtenverhältnis auf Probe an.

b) Hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags lässt der Antragsteller außer Acht, dass es hier - anders als in einem Konkurrentenstreitverfahren - nicht darum geht, eine bestimmte Planstelle frei zu halten, damit der Anspruch des Bewerbers auf eine fehlerfreie Auswahlentscheidung (Bewerbungsverfahrensanspruch) nicht infolge einer Ernennung eines Konkurrenten und damit einhergehend der Besetzung dieser Planstelle untergeht.

Dass der Antragsgegner im Falle eines Erfolgs des Antragstellers im Klageverfahren zeitnah die für seine Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe erforderliche Planstelle zur Verfügung stellen kann, unterliegt angesichts der Größe des Personalkörpers der Polizei, des Personalbedarfs und der Personalfluktuation keinem Zweifel.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, 45 Abs. 1 Satz 3 GKG. Eine Herabsetzung kommt aufgrund des Umstandes, dass der Antragsteller - wie dargestellt - mit dem Hauptantrag die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe und damit eine Vorwegnahme der Hauptsache anstrebt, nicht in Betracht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).