OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.03.2017 - 6 B 1463/16
Fundstelle
openJur 2019, 18051
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 2 L 1424/16

1. Hat der Dienstherr eine an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Auswahlentscheidung zu treffen, ist er verpflichtet, Verhältnisse herzustellen, die einen rechtlich einwandfreien Qualifikationsvergleich der Bewerber ermöglichen. Sind die Konkurrenten nach unterschiedlichen Beurteilungssystemen dienstlich beurteilt, umfasst dies das Bemühen, die Aussagen der Beurteilungen kompatibel zu machen.

2. Nach § 9 Abs. 1 LVO NRW, der unter anderem im Falle der Freistellung eines Beamten von der dienstlichen Tätigkeit wegen Mitgliedschaft im Personalrat die fiktive Fortschreibung (Nachzeichnung) der dienstlichen Beurteilung vorsieht, besteht für den Dienstherrn kein Ermessen hinsichtlich des "Ob" der Nachzeichnung.

3. Es ist Aufgabe des Dienstherrn, zum Zwecke der Nachzeichnung den Versuch der Bildung einer geeigneten Vergleichsgruppe zu machen. Er hat dazu erforderlichenfalls auch die Ausweitung des für die Vergleichsbetrachtung geeigneten Personenkreises in Betracht zu ziehen.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 16.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Aus der Antragsbegründung, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hätte ablehnen müssen.

Das Verwaltungsgericht hat - zusammengefasst - ausgeführt, der Antragsteller habe die Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht. Die hinsichtlich des hier in Rede stehenden Beförderungsdienstpostens getroffene Auswahlentscheidung des Antragsgegners zugunsten der Beigeladenen sei rechtswidrig. Sie beruhe auf einem rechtsfehlerhaften Qualifikationsvergleich, denn die zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung des Antragstellers vom 25. April 2006 sei nicht hinreichend aktuell. Eine aktuelle Beurteilung des Antragstellers sei auch nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil dieser seit dem Jahr 2008 freigestelltes Personalratsmitglied sei und eine Beurteilung nicht (mehr) hätte erstellt werden können. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 LVO NRW sei der Antragsgegner zur Nachzeichnung der dienstlichen Beurteilung verpflichtet gewesen. Davon habe er nicht vor dem Hintergrund der Regelung in § 9 Abs. 3 LVO NRW absehen dürfen. Unter Berücksichtigung des in § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW verankerten personalvertretungsrechtlichen Benachteiligungsverbots bestehe eine Ausnahme von der Regelbeschränkung; freigestellte Mitglieder eines Personalrats müssten zur Sicherung ihres beruflichen Fortkommens auch dann einen Anspruch auf Nachzeichnung der letzten dienstlichen Beurteilung haben, wenn dies zu einer Überschreitung der Beschränkung führe. Für die fiktive Fortschreibung einer Beurteilung sei auch die erforderliche Tatsachengrundlage gegeben, da nur ein Zeitraum von etwa acht Jahren fiktiv zu beurteilen sei. Weitere -hiervon unabhängige - Fehler der Auswahlentscheidung lägen darin, dass sich der Antragsgegner bei der Auswahl ausschließlich auf das Ergebnis der Vorstellungsgespräche gestützt habe und er von der unzutreffenden Annahme ausgegangen sei, frühere dienstliche Beurteilungen könnten nicht herangezogen werden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer ordnungsgemäßen Vorgehensweise die Auswahlentscheidung anders ausgefallen wäre. Dem Antragsteller stehe ferner ein Anordnungsgrund zur Seite.

Diese Feststellungen zieht die Beschwerde nicht durchgreifend in Zweifel.

I. Das Verwaltungsgericht ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen eines das Begehren des Antragstellers stützenden Anordnungsanspruchs gegeben sind (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Die von ihm angenommenen drei Fehler der Auswahlentscheidung sind miteinander verschränkt: Der Antragsgegner hat sich für die Annahme eines Qualifikationsgleichstands der Bewerber auf nicht vergleichbare dienstliche Beurteilungen gestützt und auf die Heranziehung älterer Beurteilungen (unter anderem) deshalb verzichtet, weil er davon ausgegangen ist, die fiktive Nachzeichnung einer dienstlichen Beurteilung des Antragstellers sei nicht möglich. Mit der Beschwerde zieht der Antragsgegner zunächst die Feststellung nicht in Zweifel, dass letztere Erwägung nicht tragfähig ist. Er hat auch mit der Beschwerde nicht dargelegt, dass eine Nachzeichnung ausgeschlossen ist.

Der Antragsgegner ist offenbar bereits von der Fehlannahme ausgegangen, es stehe in seinem Ermessen, für den Antragsteller die fiktive Nachzeichnung dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen. Denn ebendies ist in dem Schreiben vom 1. August 2016 ausgeführt, mit dem der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers vom 1. Juni 2016 auf "Laufbahnnachzeichnung" abgelehnt hat. Dieser Ausgangspunkt trifft jedoch nach nordrheinwestfälischem Laufbahnrecht nicht zu. § 9 Abs. 1 Nr. 4 LVO NRW (gleichlautend § 13 Abs. 1 Nr. 4 LVO NRW in der bis zum 30. Juni 2016 geltenden Fassung) bestimmt vielmehr, dass unter anderem im hier gegebenen Fall der Freistellung von der dienstlichen Tätigkeit wegen einer Mitgliedschaft im Personalrat ausgehend von der letzten dienstlichen Beurteilung einer Beamtin oder eines Beamten unter Berücksichtigung des seinerzeit angelegten Maßstabs und der durchschnittlichen Entwicklung vergleichbarer Beamtinnen und Beamter diese fiktiv fortzuschreiben ist (Nachzeichnung), wenn - wie hier - keine aktuelle dienstliche Beurteilung vorliegt. Ein Ermessen hinsichtlich des "Ob" der Nachzeichnung besteht für den Dienstherrn danach nicht.

Die Beschwerde verweist erfolglos auf die Beschränkung der fiktiven Fortschreibung auf in der Regel zwei Beurteilungszeiträume in § 9 Abs. 3 Satz 1 LVO NRW. Es mag auf sich beruhen, ob der Annahme des Verwaltungsgerichts zu folgen ist, die Vorschrift sei schon unanwendbar, weil der Antragsgegner nach eigenem Vortrag derzeit keine Regelbeurteilungen erstellt. Die Beschwerde setzt jedenfalls der insoweit selbständig tragenden Erwägung des Verwaltungsgerichts nichts entgegen, ein Anspruch auf Nachzeichnung sei im Streitfall unter Berücksichtigung des in § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW verankerten personalvertretungsrechtlichen Benachteiligungsverbots gegeben.

Auch mit der Beschwerde ist nicht dargelegt, dass ein Ausnahmefall gegeben ist, in dem nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Nachzeichnung dienstlicher Beurteilungen nicht (mehr) in Betracht kommt. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, die fiktive Fortschreibung setze eine belastbare Tatsachengrundlage voraus. Dies sei auch von der Dauer des Zeitraumes abhängig, der zwischen der letzten beurteilten Dienstleistung und dem Beurteilungszeitraum liege, für den die fiktive Fortschreibung erfolgen solle. Ab welcher Zeitspanne zwischen der letzten beurteilten Dienstleistung und dem Stichtag die tatsächlichen Erkenntnisse eine Prognose über die Leistungsentwicklung nicht mehr tragen könnten, sei eine Frage des Einzelfalles, wobei auch das Verhältnis der Zeiten tatsächlicher Dienstleistung und derjenigen, in denen kein Dienst geleistet wurde, von Bedeutung sei. Eine belastbare Tatsachengrundlage fehle jedenfalls dann, wenn zwischen der letzten Beurteilung und dem Stichtag, zu dem die fiktive Fortschreibung zu erstellen sei, mehr als 16 Jahre lägen.

BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2010 - 2 C 11.09 -, DÖV 2011, 490, juris Rn. 10 f.

Davon ausgehend ist im Streitfall eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Nachzeichnung anzunehmen. Hier stand zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung ein Zeitraum von nur rund acht Jahren in Rede, nachdem der Antragsteller bis Juli 2008 noch Dienst geleistet hat. Dieser Zeitraum ist erheblich kürzer als derjenige, für den das Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit einer Nachzeichnung ausgeschlossen hat. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass für einen Zeitraum von acht Jahren in der Rechtsprechung regelmäßig eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Nachzeichnung noch angenommen wird. Überdies hat der Antragsteller, der bereits 1982 in den Dienst des Antragsgegners getreten ist, bis zu seiner Freistellung annähernd 26 Jahre Dienst geleistet, so dass der Zeitraum tatsächlicher Dienstleistung gegenüber demjenigen, in dem er freigestellt war, deutlich überwiegt. Der Antragsteller ist zudem in ersterem Zeitraum insgesamt neun Mal dienstlich beurteilt worden. Dazu, warum im Streitfall gleichwohl schon aus Gründen des Zeitablaufs eine hinreichende Tatsachengrundlage nicht mehr vorhanden sein soll, ist der Beschwerde nichts zu entnehmen.

Der Antragsgegner hat ebenso wenig nachvollziehbar dargetan, dass sich eine geeignete Vergleichsgruppe für die Nachzeichnung nicht bilden lässt. Vor dem Hintergrund der in § 9 Abs. 1 LVO NRW normierten Verpflichtung des Dienstherrn genügt es nicht, diese Möglichkeit schlicht zu bestreiten. Ebenfalls nicht ausreichend ist das Vorbringen, in einem länger zurückliegenden mündlichen Austausch zwischen dem Personalleiter des Antragsgegners, Herrn F. , und dem Antragsteller sei "lediglich ein Mitarbeiter als in Frage kommende Vergleichsperson in Betracht gezogen worden". Es liegt auf der Hand und bedarf daher keiner näheren Erläuterung, dass es nicht Aufgabe des Antragstellers ist, den Versuch der Bildung einer geeigneten Vergleichsgruppe zu machen. Dies obliegt vielmehr dem Antragsgegner, der über die hierfür erforderlichen Informationen verfügt. Er hat dabei erforderlichenfalls auch die Ausweitung des für die Vergleichsbetrachtung geeigneten Personenkreises in Betracht zu ziehen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2014 - 1 WB 6.13 -, juris Rn. 39.

Für die Darlegung der Unmöglichkeit der Nachzeichnung reicht ferner das Vorbringen des Antragsgegners nicht aus, er verfüge "aktuell über keine gültigen Beurteilungsrichtlinien" und erstelle "derzeit keine durchgängigen Regelbeurteilungen". Der Vortrag ist bereits in zeitlicher Hinsicht unkonkret - offen bleibt, seit wann keine Regelbeurteilungen erstellt worden sein sollen - und entbehrt jeden Belegs. Nach Aktenlage spricht demgegenüber Vieles dafür, dass bei dem Antragsgegner ungeachtet des Fehlens geschriebener Beurteilungsrichtlinien jedenfalls über beträchtliche Zeiträume in der Vergangenheit durchaus immer wieder - wenn auch nicht in gleichmäßigen Abständen - dienstliche Beurteilungen erstellt worden sind. Dem Senat liegen zwar lediglich die Verwaltungsvorgänge betreffend den Antragsteller und die Beigeladene vor. Bereits hieraus ergibt sich aber, dass der Antragsteller nicht weniger als neun Mal (nämlich unter dem 20. März 1985, dem 20. April 1988, dem 8. Mai 1989, dem 6. August 1991, dem 16. August 1994, dem 22. September 1997, dem 17. Juli 2000, dem 1. September 2002 und dem 25. April 2006) und die Beigeladene acht Mal (im Dezember 1995, unter dem 28. August 1997, dem 18. Mai 1998, dem 19. Juni 2001, dem 15. Mai 2002, dem 30. Januar 2006, im Januar/März 2013 und schließlich unter dem 5. Juli 2016) dienstlich beurteilt worden ist, wenn es sich dabei teilweise auch um kaum den Anforderungen genügende sogenannte "Kurzbeurteilungen" handelt. Der Umstand, dass der Beigeladenen noch im März 2013 eine solche "Kurzbeurteilung" erteilt worden ist, widerstreitet der Annahme, zu diesem Zeitpunkt habe der Antragsgegner allgemein dienstliche Beurteilungen nicht mehr erstellt. Vor diesem Hintergrund hätte der Antragsgegner, um das Fehlen einer Grundlage für die Nachzeichnung dienstlicher Beurteilungen zu belegen, dartun müssen, aufgrund welcher Zusammenhänge und zu welchem Zeitpunkt er die Erstellung dienstlicher Beurteilungen generell oder jedenfalls für die Beschäftigten eingestellt hat, die für die Bildung einer Vergleichsgruppe in Betracht kommen. Dabei wären auch Anlassbeurteilungen in den Blick zu nehmen, wie sie hier ausweislich des Auswahlvermerks vom 20. Juni 2016 offenbar für die drei Mitbewerber des Antragstellers erstellt worden sind. An alldem fehlt es.

Das Verwaltungsgericht hat ferner zu Recht angenommen, dass der Antragsgegner die Auswertung älterer dienstlicher Beurteilungen aus nicht tragfähigen Gründen außer Betracht gelassen hat. Dies wäre insbesondere dann erforderlich geworden, wenn sich auch nach Ausschöpfung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen kein Qualifikationsvorsprung eines Bewerbers ergeben hätte. In dem (Teil-) Auswahlvermerk vom 20. Juni 2016 und ebenso in der Beschwerdebegründung sind hierfür drei Erwägungen angeführt, von denen keine der Rechtskontrolle Stand hält. Dies ergibt sich im Hinblick auf die Erwägungen, es lägen keine durchgängig erstellten Regelbeurteilungen vor und für den Antragsteller könne eine Nachzeichnung seiner Beurteilung nicht erfolgen, aus dem Vorstehenden. Auch der noch genannte Umstand, der Bewerber E. , der erst seit 2013 im Dienst des Antragsgegners steht, sei in der Vergangenheit nach einem anderem Beurteilungssystem beurteilt worden, steht der Heranziehung älterer ihm erteilter dienstlicher Beurteilungen nicht von Vornherein entgegen. Hat der Dienstherr - wie hier - eine an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Auswahlentscheidung zu treffen, ist er verpflichtet, Verhältnisse herzustellen, die einen rechtlich einwandfreien Qualifikationsvergleich der Bewerber ermöglichen. Sind die Konkurrenten nach unterschiedlichen Beurteilungssystemen dienstlich beurteilt, umfasst dies das Bemühen, die Aussagen der Beurteilungen kompatibel zu machen.

BVerwG, Beschluss vom 25. April 2007 - 1 WB 31.06 -, BVerwGE 128, 329; Nds. OVG, Beschluss vom 21. Dezember 2015 - 5 ME 196/15 -, juris Rn. 14 mit weiteren Nachweisen; OVG NRW, etwa Beschluss vom 9. Oktober 2009 - 1 B 839/09 -, juris Rn. 20.

Der Antragsgegner hätte daher der Frage nachgehen müssen, ob es möglich ist, die für den Bewerber E. und für die Konkurrenten erstellten dienstlichen Beurteilungen kompatibel zu machen und ihnen auf diese Weise Aussagen für einen Leistungsvergleich zu entnehmen. Dafür, dass das geschehen ist, ist nichts ersichtlich; erst Recht fehlen tragfähige Ausführungen dazu, aufgrund welcher Zusammenhänge die Herstellung der Vergleichbarkeit der älteren dienstlichen Beurteilungen des Bewerbers E. mit denjenigen der Konkurrenten ausgeschlossen sein soll. Es genügt dafür nicht, dass der Antragsgegner nach eigenem Vorbringen selbst nicht über geschriebene Beurteilungsrichtlinien verfügt. Denn der Umstand, dass er in der Vergangenheit und auch anlässlich der streitbefangenen Auswahlentscheidung durchaus dienstliche Beurteilungen erstellt hat, spricht dafür, dass bei ihm jedenfalls eine ungeschriebene Beurteilungspraxis etabliert ist.

Gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer ordnungsgemäßen Vorgehensweise die Auswahlentscheidung anders ausgefallen wäre, erhebt der Antragsgegner mit der Beschwerde keine Einwände.

Ausgehend von alldem ist es nicht entscheidungserheblich, dass der Antragsteller in dem durchgeführten Auswahlgespräch keine weiterführenden Angaben gemacht, sondern die Beantwortung der ihm gestellten Fragen verweigert hat. Dies ist auf der Basis seines - zutreffenden - Standpunkts konsequent, wonach in erster Linie dienstliche Beurteilungen als Grundlage für die Auswahlentscheidung heranzuziehen sind.

Angemerkt sei allerdings: Nach Aktenlage ist nicht auszuschließen, dass der Antragsgegner bei der erneuten Auswahlentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, die Nachzeichnung der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers sei nicht möglich oder der Auswertung dieser und älterer dienstlicher Beurteilungen fehle hinreichende Aussagekraft für die zu treffende Auswahlentscheidung. Erweist sich eine Entscheidung auf der Grundlage vergleichbarer dienstlicher Beurteilungen ausnahmsweise als ausgeschlossen, ist die Heranziehung anderer Erkenntnismittel für die Auswahlentscheidung geboten. In Betracht käme dann in erster Linie die Durchführung eines wissenschaftlich abgesicherten geeigneten Verfahrens zur Feststellung der Beförderungseignung, etwa eines Assessment Center Verfahrens (vgl. § 2 Sätze 2 und 3 LVO NRW). Sollte nach Auswertung aktueller und älterer dienstlicher Beurteilungen der Bewerber (weiterhin) vertretbar von einer jedenfalls im Wesentlichen gleichen Qualifikation mehrerer Konkurrenten auszugehen sein, ist die Heranziehung anderer Erkenntnismittel ebenfalls nicht ausgeschlossen; dabei kommt auch ein strukturiertes Auswahlgespräch in Betracht, das allerdings auch inhaltlich ordnungsgemäß zu dokumentieren wäre.

Vgl. OVG NRW, etwa Beschluss vom 9. Januar 2017 - 6 B 1223/16 -, juris Rn. 6 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 6. Dezember 2016 - 4 S 2078/16 -, juris Rn. 13.

Dabei könnte berücksichtigt werden, dass ein Bewerber die Fragen schlicht nicht beantwortet. Das Benachteiligungsverbot des § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW muss keineswegs automatisch zur Auswahl des Antragstellers im Falle seiner Bewerbung führen; damit würde es zu Unrecht in ein Bevorzugungsgebot verkehrt.

II. Für die begehrte einstweilige Anordnung ist auch der erforderliche Anordnungsgrund gegeben. Der Senat hält aus Gründen effektiver Rechtsschutzgewährung auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Mai 2016 - 2 VR 2.15 -, juris, weiterhin an seiner Auffassung fest, dass ein Anordnungsgrund zur Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs in den Fällen der Dienstpostenkonkurrenz nur dann zu verneinen ist, wenn aufgrund der Umstände des konkreten Falls die Vermittlung eines relevanten Erfahrungs- bzw. Bewährungsvorsprungs ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann.

OVG NRW, etwa Beschluss vom 12. Juli 2016 - 6 B 487/16 -, juris Rn. 18.

Insoweit muss auch der Frage nicht nachgegangen werden, ob die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sich lediglich auf Fälle der reinen Dienstpostenkonkurrenz oder auch auf solche der hier gegebenen Beförderungskonkurrenz bezieht. In letzterer Fallgestaltung besteht ein Anordnungsgrund jedenfalls für die vom Antragsteller auch beantragte Untersagung der Beförderung,

vgl. zu einer derartigen Fallgestaltung OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25. Oktober 2016 - 1 M 124/16 -, juris Rn. 9,

die nach dem Beschwerdevorbringen immerhin für Juni/Juli 2017 in Aussicht genommen ist. Ebenfalls unerheblich ist, ob eine ausdrückliche Erklärung des Dienstherrn erforderlich ist, er werde einen Erfahrungs- oder Bewährungsvorsprung der Beigeladenen bei einer erneuten Auswahlentscheidung nicht berücksichtigen.

Dazu BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 2 VR 1.16 -, juris Rn. 14.

Eine solche Erklärung hat der Antragsgegner hier nicht abgegeben. Auf der Grundlage seines oben erörterten Vorbringens zum Anordnungsanspruch war ihm das auch nicht möglich, denn danach sollen - wie ausgeführt - die Voraussetzungen für die dann erforderliche Nachzeichnung dienstlicher Beurteilungen bei ihm nicht erfüllt sein.

Die Beschwerde macht schließlich zu Unrecht geltend, ein Anordnungsgrund entfalle ausnahmsweise deshalb, weil die Beigeladene bereits seit Frühjahr 2012 im Regionalen Bildungsbüro tätig sei und daher durch die Übertragung des Dienstpostens einen weiteren Erfahrungs- oder Bewährungsvorsprung nicht erlangen könne. Damit lässt sie außer Acht, dass der Beigeladenen nunmehr die höherwertige Tätigkeit der Sachgebietsleitung übertragen werden soll, was der Antragsgegner bei einer erneuten Beurteilung zu berücksichtigen hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladenen sind keine Kosten aufzuerlegen, weil sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 GKG nach einem Viertel der Bezüge des angestrebten Amtes (hier der Besoldungsgruppe A 13, Stufe 12) mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen und ohne Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).