ArbG Herne, Urteil vom 22.07.2015 - 5 Ca 1191/15
Fundstelle
openJur 2019, 16896
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Der Streitwert wird auf 5.299,79 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechnung eines Zuschusses zum Anpassungsgeld nach einem Gesamtsozialplan.

Der Kläger wurde am 18.12.1989 als Metallfacharbeiter auf dem ehemaligen Bergwerk X angelegt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Rheinisch/Westfälischen Steinkohlebergbaus Anwendung. Zuletzt war der Kläger als Aufsichtshauer auf dem Bergwerk Q tätig.

Die Beklagte ist ein Bergbauunternehmen. Aufgrund berufsgenossenschaftlicher Vorgaben ist sie verpflichtet, auf ihren Bergwerken eine Grubenwehr vorzuhalten. Die Organisation der Grubenwehr ist bei der Beklagten durch den Plan für das Grubenrettungswesen der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen I geregelt. Der Kläger war bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Mitglied der Grubenwehr.

Unter dem 25. Juni 2003 vereinbarten die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat der E AG einen Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm der E AG (Blatt 12 ff. d.A.). Dieser Sozialplan sah vor, dass Arbeitnehmer, die aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und Anspruch auf die Gewährung von Anpassungsgeld nach den jeweils gültigen Richtlinien über die Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer des Steinkohle Bergbaus des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie haben, u.a. von der Beklagten einen Zuschuss zum Anpassungsgeld erhalten sollten, wenn das Anpassungsgeld ein Garantieeinkommen nicht erreicht. Das Garantieeinkommen wurde in § 2 Ziffer 7 Absatz 3 des Gesamtsozialplan wie folgt definiert:

...

(3) Das Garantieeinkommen beträgt 60 % des Brutto-Monatseinkommens, jedoch höchstens 60 % der im Zeitpunkt der Entlassung für Monatsbezüge in der knappschaftlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze.

Für die Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das Entgelt der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden zugrunde gelegt. Einmalzahlungen und Mehrarbeitsgrundvergütungen bleiben bei der Ermittlung außer Betracht. Weiterhin bleiben Lohn- bzw. Gehaltsbestandteile, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, bei der Ermittlung außer Betracht. Der so ermittelte Betrag wird durch die Anzahl der im 12-Monatszeitraum angefallenen Versicherungstage dividiert und mit dem Faktor 30 multipliziert.

Bei der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das im Jahr des Ausscheidens jeweils gültige Weihnachtsgeld mit einem monatlichen Anteil von 1/12 berücksichtigt.

..."

Unter dem 27. Mai 2010 unterzeichneten die Parteien des Gesamtsozialplans eine "Protokollnotiz VII zum Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm vom 25.06.2003". Darin erklärten sie u.a., dass die Vertragsparteien bereits bei Abschluss des Gesamtsozialplanes davon ausgegangen seien, dass bei der Ermittlung des Bruttomonatseinkommens gem. § 2 Ziffer 7 Absatz 3 des GPS bestimmte Lohn- und Gehaltsarten, u.a. die Zulage "1015 Grubenwehr-Übung außerh." zu berücksichtigen seien.

Unter dem 02. Dezember 2010 vereinbarten die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat eine Änderungsvereinbarung zum Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm vom 25. Juni 2003. Hierin heißt es u.a. wörtlich:

...

1.§ 2 Ziffer 7 ("Zuschuss zum Anpassungsgeld") Absatz 3 des Gesamtsozialplans wird wie folgt neu gefasst:

"Das Garantieeinkommen beträgt 60 % des Brutto-Monatseinkommens, jedoch höchstens 60 % der im Zeitpunkt der Entlassung für Monatsbezüge in der knappschaftlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze.

a) Für die Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird bei Arbeitern die während der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden bei regelmäßiger betrieblicher Arbeitszeit durchschnittlich verdiente Vergütung im Sinne des § 41 Absatz 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer des rheinischwestfälischen Steinkohlenbergbaus zugrunde gelegt. Einmalzahlungen und Mehrarbeitsvergütungen bleiben dabei außer Betracht. In dem 12-Monatszeitraum erfolgte allgemeine Entwicklungen der Tariflöhne sowie individuelle Umgruppierungen werden entsprechend berücksichtigt. Der so berechnete Betrag wird mit 21,75 multipliziert und ergibt den Bruttomonatslohn.

Zur Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens werden dem Bruttomonatslohn die während der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden durchschnittlich pro Monat verdienten sozialversicherungspflichtigen Mehrarbeitszuschläge sowie das im Jahr des Ausscheidens gültige Weihnachtsgeld und die im Jahr des Ausscheidens gültige Treueprämie, jeweils mit einem monatlichen Anteil von ½ hinzugerechnet.

b) Bei Angestellten wird das Brutto-Monatseinkommen auf der Grundlage der während der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden bei regelmäßiger betrieblicher Arbeitszeit durchschnittlich verdienten Vergütung im Sinne des § 41 Absatz 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer des rheinischwestfälischen Steinkohlenbergbaus ermittelt. Einmalzahlungen und Mehrarbeitsvergütungen bleiben dabei außer Betracht. In dem 12-Monatszeitraum erfolgte allgemeine Entwicklungen der Tarifgehälter, Stufensteigerungen sowie individuelle Umgruppierungen werden entsprechend berücksichtigt. Der so berechnete Betrag ergibt das Bruttomonatsgehalt.

Zur Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens werden dem Bruttomonatsgehalt die während der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden durchschnittlich pro Monat verdienten sozialversicherungspflichtigen Mehrarbeitszuschläge sowie das im Jahr des Ausscheidens gültige Weihnachtsgeld und die im Jahr des Ausscheidens gültige Treueprämie, jeweils mit einem monatlichen Anteil von 1/12 hinzugerechnet.

c) Bei außertariflichen Angestellten wird das Brutto-Monatseinkommen auf der Grundlage von 1/12 der individuellen arbeitsvertraglichen festen Bruttojahresbezüge vor dem Ausscheiden ermittelt. Die festen Bruttojahresbezüge errechnen sich aus dem Jahresfixeinkommen, ggfs. dem Besitzstand und sowie ggfs. dem Garantieeinkommen, jeweils ohne Einzahlungen, Zulagen und Aufwendungsersatz.

Zur Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird diesem so berechneten Betrag 1/12 der individuell vertraglich vereinbarten variablen Vergütung hinzugerechnet. Dabei wird der Gesamtzielerreichungsgrad des Vorjahres, mindestens jedoch 100 %, und ein Faktor von 1,0 zugrunde gelegt. Dieser Betrag wird auf 1/12 der im Zeitpunkt des Ausscheidens für Monatsbezüge in der knappschaftlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze begrenzt.

..."

Unter dem 06. März 2012 schlossen der Gesamtbetriebsrat der Beklagten sowie die Betriebsräte der einzelnen Bergwerke mit der Beklagten einen Gesamtsozialplan zur sozialverträglichen Beendigung des Deutschen Steinkohlebergbaus zum 31.12.2018 ab. Auch dieser Gesamtsozialplan sah unter Ziffer 3 die Zahlung eines Zuschusses an Anpassungsgeld berechtigter Arbeitnehmer zur Erreichung eines Garantieeinkommens vor. Das Garantieeinkommen wurde in Ziffer 3.2.3 des Gesamtsozialplans 2012 wortgleich definiert, wie in dem Gesamtsozialplan vom 25. Juni 2003 in der Fassung vom 02. Dezember 2010.

Zum 31. Mai 2012 schied der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten aus und bezieht seit dem 01. Juni 2012 Anpassungsgeld. Zusätzlich zahlt die Beklagte an den Kläger einen Zuschuss zum Anpassungsgeld auf der Grundlage des Gesamtsozialplans 2012.

Mit seiner am 10. April 2014 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung eines weiteren Zuschusses zum Anpassungsgeld in Höhe von 240,90 € brutto monatlich.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die von ihm absolvierten Grubenwehrübungen bei der Berechnung des Zuschusses zum Anpassungsgeld hätten berücksichtigt werden müssen. Hierzu behauptet er, im Jahre 2010 habe er seine Anpassungsgeldleistung ausgerechnet bekommen. Die Berechnung des Anpassungsgeldes im Bescheid des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle vom 27. Juni 2012 stamme vom 10. Dezember 2010. Zu diesem Zeitpunkt sei auch die Berechnung des Zuschusses zum Anpassungsgeld vorzunehmen. Deshalb sei für die Berechnung der Gesamtsozialplan vom 25. Juni 2003 maßgeblich.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.299,79 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. April 2014 zu zahlen;

2. hilfsweise im Wege der Stufenklage die Beklagte zu verurteilen

a) bei der Berechnung des Bruttoeinkommens gem. § 2 Ziff. 7 Abs. 2 des Gesamtsozialplans E Aktiengesellschaft die dem Kläger monatlich seit dem 01. Juni 2010 gezahlten Vergütungen für Grubenwehreinsätze zu berücksichtigen;

b) auf Basis des so errechneten Bruttoeinkommens den Zuschuss zum Anpassungsgeld neu zu berechnen und

c) den sich aus der Differenz zwischen dem bisher gezahlten Zuschuss zum Anpassungsgeld und dem errechneten höheren Zuschuss ergebenden Unterschiedsbetrag an ihn auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, nach dem eindeutigen Wortlaut des auf den Kläger anzuwendenden Gesamtsozialplans sei für die Ermittlung des Bruttomonatseinkommens auf die vor dem Ausscheiden bei regelmäßiger betrieblicher Arbeitszeit verdiente Vergütung abzustellen. Da der Kläger die Einbeziehung von Zahlungen für Grubenwehrübungen außerhalb der Arbeitszeit verlange, kann es hierfür keine Grundlage geben. Da der Kläger erst zum 31.05.2012 aus dem Arbeitsverhältnis tatsächlich ausgeschieden sei, konnte im Jahre 2010 noch keine verbindliche Aussage über die konkrete Höhe des betrieblichen Zuschusses gemacht werden. Da der Kläger erst nach dem Inkrafttreten des neuen Gesamtsozialplans tatsächlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei, könne er somit auch nur Leistungen auf Basis dieses Sozialplans erhalten.

Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf die wechselseitigen schriftsätzlichen Ausführungen der Parteien einschließlich der Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet:

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Zuschusses zum Anpassungsgeld für die Monate Juni 2012 bis einschließlich März 2014 aus § 611 BGB in. V. m. Ziff. 3.2 des Gesamtsozialplans vom 06. März 2012. Soweit der Kläger unstreitig einen Anspruch auf Leistungen erworben hat, werden diese durch die monatlichen Leistungen der Beklagten erfüllt. Einen darüber hinaus gehenden Anspruch hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger nicht schlüssig dargelegt.

1.

Der an den Kläger zu zahlende Zuschuss zum Anpassungsgeld ist auf der Grundlage des Gesamtsozialplans vom 06. März 2012 zu ermitteln. Dieser Sozialplan hat den bis dahin geltenden Gesamtsozialplan vom 25. Juni 2003 abgelöst.

Die Parteien eines Sozialplanes können die von ihnen getroffene Regelung wie auch bei anderen Betriebsvereinbarungen grundsätzlich jederzeit für die Zukunft abändern. Der neue Sozialplan kann auch Regelungen enthalten, die für die Arbeitnehmer ungünstiger sind. Im Verhältnis zweier gleichrangiger Normen gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern die Zeitkollisionsregel (Ablöseprinzip). Danach geht die jüngere Norm der älteren vor (BAG, Urteil vom 23. Januar 2008 - 1 AZR 988/06 - EZA § 77 BetrVG 2001 Nr. 24; Urteil vom 02. Oktober 2007 - 1 AZR 815/06 - EZA § 77 BetrVG 2001 Nr. 20; LAG, Urteil vom 14. Februar 2013 - 11 Sa 1439/12 - juris).

Der Gesamtsozialplan vom 06. März 2012 trat gem. Ziffer 7 des Sozialplans zum 01. April 2012 in Kraft. Der Kläger schied zum 31. Mai 2012 aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten aus.

2.

Der an den Kläger zu zahlende Zuschuss zum Anpassungsgeld wurde von der Beklagten auf der Grundlage von Ziffer 3.2 des Gesamtsozialplans vom 06. März 2012 zutreffend berechnet. Hiervon geht die Kammer mit dem Vortrag der Beklagten aus, da es dem insoweit darlegungspflichtigen Kläger nicht gelungen ist, seine gegenteilige Auffassung schlüssig darzulegen.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Lohnart 1015 - Grubenwehrübung außerhalb - nicht bei der Berechnung des Garantieeinkommens zu berücksichtigen. Dabei teilt die Kammer zwar die Auffassung des Klägers, dass es sich bei dieser Zulage um Arbeitsentgelt handelt (zum Beispiel Urteil vom 03. Dezember 2014 - 5 Ca 485/10). Das Entgelt ist jedoch nach Ziffer 3.2.3 b des Gesamtsozialplans 2012 nicht zu berücksichtigen, weil die Zulage nicht während der regelmäßigen betrieblichen Arbeitszeit verdient wurde. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Lohnart 1015 vom Kläger nur dann in Verdienst gebracht wurde, wenn er während des Referenzzeitraumes einer Übung der Grubenwehr außerhalb der regelmäßigen betrieblichen Arbeitszeit teilgenommen hat.

3.

Maßgeblich für die Berechnung des Zuschusses zum Anpassungsgeld sind nach § 3..2.3 die letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass dem Kläger bereits im Jahre 2010 die Leistungen des Anpassungsgeldes ausgerechnet wurden. Vorliegend geht es nicht um Anpassungsgeldleistung als solche, sondern um einen Zuschuss zu diesen Leistungen. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb das Anpassungsgeld sowie der dazu gewährte Zuschuss der Beklagten zeitgleich zu berechnen seien.

II.

Ist die Klage mit dem Hauptantrag mithin unbegründet, so fiel auch der Hilfsantrag zur Entscheidung an. Auch dieser ist unbegründet.

Wie oben dargelegt, hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Zuschusses zum Anpassungsgeld aus Ziff. 3.2 des Gesamtsozialplans 2012. Somit fehlt es auch an einem Anspruch des Klägers auf Rechnungslegung.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 3 ff. ZPO.