OLG Köln, Beschluss vom 26.11.2015 - 4 UF 138/15
Fundstelle
openJur 2019, 16421
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 410 F 171/14
Tenor

"Diese Entscheidung hat neben dem Tenor keinen Entscheidungstext"

Gründe

I.

Nach erneuter Überprüfung hält der Senat an seiner Auffassung fest, dass eine konkrete Bedarfsberechnung durch den Anspruchsteller erst dann erforderlich ist, wenn ein über die höchste Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle - derzeit 5.100,00 € - hinausgehender Bedarf geltend gemacht wird (OLG Köln, Urteil vom 24.01.2012 - 4 UF 137/11 -, FamRZ 2012, 1731, 1732). Dies entspricht einer durchaus verbreiteten, wenn auch nicht herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und im Schrifttum (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.05.2012 - 10 UF 227/10 -, FamFR 2012, 320, und Beschluss vom 23.10.2014 - 15 UF 109/12 -, FamRZ 2015, 1118; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18.4.?2013 - 6 UF 156/12 -, FamRZ 2014, 216; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.09.2015 - 11 UF 100/15; Nr. 15.3 der Unterhaltsleitlinien des OLG Koblenz; Wendl/Siebert, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., 2015, § 4 Rn 767). Der Senat hat gesehen, dass andere Gerichte die Grenze niedriger ansetzen, hält dies aber nicht für sachgerecht. Insoweit ergibt sich auch nichts Entscheidendes aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser hat in seiner Entscheidung vom 11.08.2010 (XII ZR 102/09 -, 2010, 1637) zwar ausgeführt, dass gegen das Erfordernis einer konkreten Bedarfsberechnung bei Einkommen oberhalb der höchste Stufe der Düsseldorfer Tabelle "aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern" sei (Rn. 27). Das bedeutet aber nur, dass auch diese Betrachtungsweise im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens liegt, besagt aber nichts dazu, dass eine solche Betrachtungsweise auch geboten wäre.

Für die Auffassung des Senats, dass die Grenze für die Geltendmachung von Quotenunterhalt deutlich höher anzusetzen ist, sind folgende Überlegungen ausschlaggebend:

Durch die quotale Berechnung des Unterhalts soll eine gerechte Beteiligung der Ehegatten am zur Verfügung stehenden Einkommen unter Berücksichtigung des Halbteilungsgrundsatzes gewährleistet werden. Hierfür bietet dieses Vorgehen eine praktisch handhabbare Methode, die in der Masse der Fälle mit überschaubarem Aufwand zu einem gerechten Ergebnis führt. Ein Grund hiervon bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen abzuweichen besteht deshalb, weil nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass mit steigendem Einkommen nicht nur der Konsum steigt, sondern zunehmend auch aus dem Einkommen Vermögensbildung betrieben wird. Der Unterhalt soll es dem Berechtigten aber nicht ermöglichen, seinerseits auf Kosten des Verpflichteten Vermögensbildung zu betreiben. Nach den verfügbaren statistischen Daten lag im Jahre 2013 das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen bei 3.132,00 € [https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/EinkommenEinnahmenAusgaben/Tabellen/Deutschland.html;jsessionid=87F57935095E718CA86BDFCFC83E34ED.cae2], sodass besonders günstige Einkommensverhältnisse erst bei einem deutlich höheren Einkommen angenommen werden können. Ein Einkommen von ca. 2.550,00 €, dass bei einer hälftigen Teilung eines Einkommens von 5.100,00 € verbliebe, wäre dagegen unterdurchschnittlich und müsste zwingend zu deutlichen Abstrichen im Lebensstil führen. Dies gilt insbesondere in Ballungsgebieten mit hohen Wohnkosten, denn diese steigen im Falle der Trennung/Scheidung für die Ehegatten, wenn sie nicht jeder über lastenfreies Wohneigentum verfügen, deutlich an. Dieser Befund deckt sich mit den verfügbaren Daten zur Sparquote. Diese liegt im Durchschnitt aller privaten Haushalte bei ca. 11% des verfügbaren Einkommens (vgl. z. B. Handelsblatt ResearchInstitute, Sparverhalten der deutschen Haushalte, 2014, S. 27 [https://www.wohlstandmittelschicht.de/pdf/Studie-Union-Investment-Sparverhalten.pdf]). Nur im obersten Einkommensdezentil liegt die Sparquote mit 17 % deutlich darüber. Erst hier kann angesichts des Einkommens und der Sparquote sinnvoll von Sparen als Vermögensbildung gesprochen werden. Nur etwa 14 % der privaten Haushalte verfügen aber über ein Haushaltseinkommen von über 5.000 € [http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlenundfakten/sozialesituationindeutschland/61754/einkommenprivaterhaushalte] und gehören damit in das oberste Einkommensdezentil.

Aus der Auffassung des Senats, dass erst bei einem Bedarf oberhalb von 5.100,00 € eine konkrete Bedarfsberechnung erforderlich ist, folgt aber nicht, dass bis zu einem Bedarf von 5.100,00 € das verfügbare Einkommen zwingend nach Quote zu verteilen wäre. Entscheidend sind nämlich - und hierauf hat auch der Senat in seiner früheren Entscheidung schon abgestellt - immer die konkreten Umstände des Einzelfalls. Im Bereich zwischen einem verfügbaren Einkommen von mehr als 5.100,00 € und einem Bedarf von mehr als 5.100,00 € muss in Betracht gezogenen werden, dass regelmäßig auch Vermögensbildung aus dem Einkommen betrieben wird. Dem will der Senat dadurch Rechnung tragen, dass Beträge bis zur Höhe der in den letzten drei Jahren vor der Trennung durchschnittlich aus dem monatlichen Einkommen konkret betriebenen Vermögensbildung vom zu verteilenden Einkommen abgesetzt werden. Dies kann allerdings nicht pauschal geschehen, sondern kann nur unter Berücksichtigung des trennungsbedingten Mehrbedarfs, der zu Lasten der Vermögensbildung gehen muss, erfolgen. Hierzu vorzutragen ist Sache des Unterhaltschuldners. Dieser kann regelmäßig als der Bezieher des höheren Einkommens auch Aufschluss über dessen Verwendung zur Vermögensbildung geben.

II.

Im Hinblick auf die vorstehenden Erwägungen erhält der Antragsgegner Gelegenheit zur Ergänzung seines Vortrages zur Frage der Leistungsfähigkeit einerseits und zur durchschnittlichen konkreten Sparquote in den letzten drei Jahren vor der Trennung andererseits bis zum 07.01.2016. Nach dem Begehren der Antragstellerin gemäß Antrag vom 31.07.2015 kommt es für die Frage der Leistungsfähigkeit darauf an, ob der Antragsgegner unter Berücksichtigung des Wohnwertvorteils über ein einzusetzendes Einkommen von rd. 10.500,00 € verfügt. Soweit dies von ihm bejaht wird, bedarf es weiterer Darlegungen zur Frage der Leistungsfähigkeit nicht mehr.