LG Arnsberg, Urteil vom 04.12.2018 - 4 O 31/18
Fundstelle
openJur 2019, 16127
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 16.724,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.08.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten nach Regulierung eines vom Versicherungsschutz umfassten Schadensfalles den Ausgleich aus übergegangenem Recht.

Die Klägerin ist Umwelthaftpflichtversicherer der F. Die F ist Trägerin des G in xxxxx X.

Der Kindergarten verfügte über einen unterirdischen Heizöltank. Der Heizöltank wurde am 12.10.2015 von der Firma Spedition C mit Heizöl betankt. Der Tankwagen, mit dem das Heizöl angeliefert wurde, ist bei der Beklagten kraftfahrzeugversichert. Der Zeuge D parkte den Tankwagen auf der öffentlichen Straße vor dem Kindergarten, führte dann einen Schlauch durch das Gebäude und über den Innenhof des Kindergartens in den Einfüllstutzen des Tanks, um ihn zu betanken. Bei dem Betanken kam es zum Überlaufen des Heizöls. Das übergelaufene Heizöl verteilte sich auf den Pflastersteinen des Innenhofes und drang in das Erdreich ein. Die Kosten in Höhe von 25.087,22 EUR, die die F für die Beseitigung der Kontamination des Erdreiches aufwendete, wurden von der Klägerin erstattet.

Die Klägerin hat der Firma P den Streitverkündet mit der Aufforderung dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beizutreten. Zwischen der Klägerin und der Streitverkündeten bestand ein Wartungsvertrag betreffend des Tanks. Mit Schriftsatz vom 17.08.2017 ist die Streitverkündete dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte für den Schaden. Es handele sich um eine Gefährdungshaftung, da der Schaden bei Betrieb eines Fahrzeuges eingetreten sei. Im Übrigen habe der Zeuge D sich pflichtwidrig verhalten. Ihm sei durch die Kindergartenleiterin, die Zeugin W, mitgeteilt worden, dass die Tankuhr defekt gewesen sei. Er habe jedoch dennoch ohne die Füllmenge des Tanks zu überprüfen, den Einfüllvorgang gestartet.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 25.087,22 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Streitverkündete schloss sich dem Antrag der Klägerin an.

Die Beklagte behauptet, dem Zeugen D sei der Defekt der Tankuhr nicht mitgeteilt worden. Er habe anhand der Tankuhr den Füllstand überprüft und die Menge des einzufüllenden Heizöls danach eingegeben. Er habe sich daher nicht pflichtwidrig verhalten. Im Übrigen habe er sich auch auf den Grenzwertgeber verlassen dürfen. Erst im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass dieser verpilzt und dadurch ohne Funktion gewesen sei.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen D und W. Hinsichtlich des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13.11.2018, Bl. 120 ff. d. A., Bezug genommen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat überwiegend Erfolg.

Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von 16.724,81 EUR gemäß § 86 Abs. 1 VVG i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 10 AKB.

Als Haftpflichtversicherer des Heizöllieferanten, der Firma Spedition C, hat die Beklagte gegenüber der Klägerin ebenfalls für den Schaden einzustehen, §§ 149 f. VVG, § 10 AKB (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.05.1991, 10 U 135/90). Denn für die Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers genügt es, dass der Schaden durch den Gebrauch des Kraftfahrzeugs herbeigeführt wurde und dass dieses Ereignis Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte (vgl. OLG Hamburg, VRS 1969, 223 m. w. Nachw.). Der Begriff des "Gebrauchs” ist umfassender als der des "Betriebs” i. S. des § 7 StVG. Auf jeden Fall schließt er das Be- und Entladen des Fahrzeugs ein. Tritt während des Entladevorgangs Öl aus, so stellt dies eine unmittelbare Folge der Entladung dar. Damit ist die "durch den Gebrauch” geforderte Schadensverursachung gegeben (vgl. OLG Hamburg, VRS 1969, 223 m. w. Nachw.).

Durch das Überlaufen des Heizöltanks beim Betanken ist es zu einer Rechtsgutsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB gekommen. Die Rechtsgutsverletzung ist nach Überzeugung der Kammer gemäß § 286 Abs. 1 ZPO durch eine Pflichtverletzung des Tankfahrers, des Zeugen D, eingetreten. Gem. § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder unwahr zu erachten sei. Dabei ist eine Behauptung als bewiesen anzusehen, wenn das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugt ist, ohne dabei unerfüllbare Anforderungen zu stellen (vgl. BGH WM 98, 1689). Hierfür genügt, da eine absolute Gewissheit nicht zu erreichen und jede Möglichkeit des Gegenteils nicht auszuschließen ist, ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit (vgl. BGH NJW 93, 35), ein für einen vernünftigen die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er den Zweifeln Einhalt gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. Thomas-Putzo/Reichold, ZPO, 31. Auflage 2010, § 286 Rn. 2; BGH 53, 245/256, NJW 00, 953).

Nach der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass die Zeugin W dem Zeugen D mitgeteilt hat, dass die Tankuhr defekt war. Der Zeuge D hat trotz dieser Mitteilung keine weitere Überprüfung der Füllmenge des Tanks vorgenommen, sondern nach seiner Aussage die bestellte Menge eingegeben und einfüllen lassen. Dabei hat er sich auf die Funktion des Grenzwertgebers verlassen. Die Aussage der Zeugin W war glaubhaft. Für die Kammer war nicht ersichtlich, dass sie zugunsten ihres Arbeitgebers falsche Angaben machen würde. Sie stellte nachvollziehbar dar, dass ihr aufgefallen sei, dass der Zeuge D zum ersten Mal Heizöl zu dem Kindergarten lieferte. Sie konnte hierzu genau angeben, wie sie den Fahrer begrüßt hat. Es ist auch nachvollziehbar, dass sie den Tankvorgang nicht weiter beobachtete, da dies nicht in ihren Aufgabenkreis fiel und sie sich insoweit auf den Zeugen D verlassen konnte. Daher habe sie ihn auf den Defekt der Tankuhr hingewiesen. Eine einseitige Aussagetendenz war nicht erkennbar. Vielmehr gab sie auch offen Erinnerungslücken zu. So gab sie zu, keine Informationen hinsichtlich des Grenzwertgebers weiter gegeben zu haben, da sie auch nicht wisse, was für eine Funktion dieser habe und um was es sich dabei handeln würde. Der Zeuge D erklärte zwar entgegen der Aussage der Zeugin W, dass er nicht auf die defekte Tankuhr hingewiesen worden sei. Dies war für die Kammer jedoch nicht glaubhaft. Er gab zunächst an, dass eine konkrete Menge von 3.000 l bestellt worden sei, die er auch als einzufüllende Menge beim Tankwagen eingegeben habe. Später konnte er sich jedoch an die genaue Menge nicht mehr erinnern. Auch gab er an, dass er immer die bestellte Menge eingeben würde, es sei letztlich auch irrelevant, da der Grenzwertgeber ja den Vorgang stoppen würde, wenn der Tank voll sei. Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass der Zeuge D -wie wahrscheinlich in der Praxis üblich - den Füllstand nicht genauer überprüft hat, sondern Heizöl in den Tank laufen ließ und sich dabei darauf verließ, dass der Grenzwertgeber den Vorgang rechtzeitig stoppen würde. Dies wurde letztlich auch dadurch bestätigt, dass der Zeuge D bei der Ansicht der Bilder der Tankuhr auf Bl. 66 d. A. nicht genau sagen konnte, welcher Zeiger ausschlaggebend ist und daher die Füllmenge anzeigt. Es ist daher nicht glaubhaft, dass er sich auf die Tankuhr verließ und danach die Menge einstellte.

Im Übrigen erklärte der Zeuge auch, dass er nicht das Fassungsvermögen des Tanks gekannt habe. Wenn er sich also auf die Tankuhr verlassen hat, dann hätte er jedoch immer noch keine Kenntnis gehabt, wie die Füllmenge zu bewerten war, da er nicht gewusst haben kann von welcher Bezugsmenge er ausgehen musste. Er gab hierzu an, dass Frau W gesagt habe, dass das immer gepasst habe und er sich darauf verlassen habe. Auch bei dieser Variante hat sich der Zeuge D jedoch auf den Grenzwertgeber verlassen und gerade keine Überprüfung vorgenommen, wie viel Öl in den Tank noch hineinpasste.

Der Tankwagenfahrer darf sich bei der Befüllung von Heizöl jedoch nicht blind auf den Grenzwertgeber verlassen, da mit dem Versagen technischer Warnanlagen immer gerechnet werden muss (BGH NJW 1972, 42; NJW 1978, 1576; OLG Köln, Urteil vom 06.04.1990, 20 U 186/89). An die Sorgfaltspflichten beim Befüllen von Öltanks sind strenge Anforderungen zu stellen, weil während des Befüllvorganges Öl in das Erdreich und Grundwasser gelangen und erhebliche Schäden hervorrufen kann; zur Vermeidung von Gefährdungen der Allgemeinheit sind bei einer solchen Kontaminierung häufig sehr kostenträchtige Eilmaßnahmen erforderlich (vgl. dazu BGH, VersR 1985, 575; OLG Köln, NJW-RR 1990, 927). Allgemein sind von daher die dem Beklagten zumutbaren Maßnahmen zu verlangen, durch die ein Austritt von Öl vermieden werden kann (vgl. zur Sorgfaltspflicht des Öllieferanten Fell, VersR 1988, 1222 (1223) m. w. Nachw.). Ein Fahrer, der Öl anliefert und einfüllt, hat sich zunächst zu vergewissern, ob die vorhandenen Tanks ungefähr die bestellte Menge Öl fassen können (LG Düsseldorf, Urteil vom 15.12.1995, 22 U 79/95). Der Öllieferant muss auch mit einem Mangel oder einem Versagen der Kontrollgeräte rechnen und sein Verhalten darauf einstellen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.05.1991, 10 U 135/90).

Aufgrund der Pflichtverletzung ist ein Schaden in Höhe von 25.087,22 EUR entstanden.

Die Beklagte haftet für den entstandenen Schaden jedoch aufgrund eines Mitverschuldens der Klägerin an dem Schadensfall gem. § 254 Abs. 1 BGB nicht uneingeschränkt. Die Kammer bemisst den Mitverschuldensanteil der Klägerin gem. § 287 Abs. 1 ZPO nach Würdigung aller Umstände mit einem Drittel. In dieser Höhe ist der Schadensersatzanspruch der Klägerin zu kürzen. Die Klägerin ist gem. § 89 Abs. 2 WHG als Inhaberin der Anlage für deren Zustand verantwortlich. Bei der Bemessung der Verschuldensanteile nach § 254 Abs. 1 BGB ist die von der Anlage ausgehende Betriebsgefahr in die Abwägung einzustellen, da diese durch technische Mängel der Anlage erhöht war (vgl. BGH NJW 1995, 1150 Tz. 25; OLG Düsseldorf VersR 1992, 1478, 1479; Geigel-Münkel, Haftpflichtprozess, 25. A., S. 794). Die erhöhte Betriebsgefahr ist für den Schadensfall mitursächlich geworden. Für die technischen Mängel der Tankanlage war die Klägerin aufgrund einer unzureichenden Überwachung und Wartung verantwortlich. Aus dem von der Beklagten überreichten Sachverständigengutachten des Sachverständigen I vom 23.10.2015, Bl. 59 ff. d. A., geht hervor, dass der Grenzwertgeber des Tanks verpilzt war. Ist der Grenzwertgeber in dieser Weise verunreinigt, besteht die Gefahr, dass er sich durch einen Film oder eine Membran zusetzt, weshalb er bei der Überfüllung des Tanks nicht reagiert und den Tankvorgang nicht unterbricht (OLG Hamm, Urteil vom 11.02.2011, 19 U 117/09). Die Kammer sieht es als erwiesen an, dass sich diese Gefahr in dem konkreten Schadenshergang realisiert hat. Hätte der Grenzwertgeber ordnungsgemäß funktioniert, wäre der Schadenseintritt verhindert worden, weil der Tankvorgang rechtzeitig gestoppt worden wäre. Ob der Grenzwertgeber verpilzt war oder nicht, muss letztlich nicht näher aufgeklärt werden. Fest steht, dass er ohne Funktion war, da er bei korrekter Funktionstüchtigkeit den Tankvorgang rechtzeitig gestoppt und das Überlaufen verhindert hätte. Die Kammer ist jedenfalls nach der Aussage des Zeuge D überzeugt, dass dieser den Grenzwertgeber angeschlossen hat, so konnte er in diesem Punkt überzeugend erklären, dass der Tankwagen nur dann Öl freigibt, wenn der Grenzwertgeber an den Tankwagen angeschlossen wird. Da die Kammer davon ausgeht, dass der Grenzwertgeber angeschlossen war, steht fest, dass er ohne Funktion und demzufolge defekt war.

Der Schriftsatz der Beklagten vom 03.12.2018 war gemäß nicht mehr zu berücksichtigen, da er keinen neuen Tatsachenvortrag enthält und damit nicht entscheidungserheblich ist.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen gemäß §§ 280, 286, 288 BGB zu. Die Zustellung der Klage erfolgte am 04.08.2017, sodass Zinsen ab dem 05.08.2017 verlangt werden können.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 25.087,22 EUR festgesetzt.