LG Wuppertal, Urteil vom 07.02.2017 - 4 O 284/16
Fundstelle
openJur 2019, 16117
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. I-22 U 33/17
Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin durch Zahlung an Herrn Rechtsanwalt Dr. L als Insolvenzverwalter der MS "C" Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. Reederei KG, Handelsregister Amtsgericht Osnabrück HRA xxxx, geschäftsansässig C-Straße, M, i. H.v. 288.000,00 EUR nebst Zinsen i. H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 15.07.2015 und dem Nachweis dieser Zahlung freizustellen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Freistellungsanspruch aus einem Kaufvertrag über einen Kommanditistenanteil einer Schifffahrtsgesellschaft.

Der Beklagte hielt in der Vergangenheit als Privatperson ein größeres Portfolio u.a. an unternehmerischen Schiffsbeteiligungen, darunter auch einen Anteil im Nominalwert von 900.000,00 EUR an der MS „C“ Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. Reederei KG (nachfolgend: streitgegenständliche Beteiligung oder C KG).

Im Jahr 2008 entschied sich der Beklagte, sich von sämtlichen Schiffsbeteiligungen zu trennen und beauftragte den Zeugen S2 mit der Suche nach einem Käufer. Jener bediente sich der Hilfe des damals bei ihm als freiem Mitarbeiter beschäftigten Zeugen T2. Dieser erstellte für das Gesamtportfolio eine kleine Ausschreibung, auf die sich zwei potentielle Käufer, u.a. die Klägerin meldeten.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft, welche gewerblich mit Anteilen auf dem Zweitmarkt handelt. Sie interessierte sich für den Ankauf eines möglichst großen Teils des angebotenen Schiffsportfolios und bot darauf. Die Zeugen S2 und T2 traten sodann im Sinne ihres Auftrags in Verhandlungen mit der Klägerin. Gegenstand der Verhandlungen war jedenfalls der Preis.

Schließlich unterzeichneten die Parteien unter dem 25.08./26.08.2008 einen „Kauf- und Übertragungsvertrag“ (Anl. K1, Anlagenband „Aktivseite“), indem der Beklagte der Klägerin die streitgegenständliche Beteiligung zu einem Kaufpreis von 525.780,00 EUR verkaufte und die Anteile abtrat. In dem Vertrag wurde unter Ziff. 5 vereinbart, was folgt:

Stichtag für die wirtschaftliche Wirkung des Verkaufs und der Übertragung der Beteiligung ist der 1. August 2008 (nachstehend: „Stichtag“) […].

Unter Ziff. 2 war u.a. ausgeführt:

Gegenstand dieses Kauf- und Übertragungsvertrags, einschließlich der [umseitig abgedruckten] Vertragsbedingungen, (nachstehend „Vertrag“) ist […].

In den dort in Bezug genommenen Vertragsbedingungen heißt es u.a.:

§ 3 Stichtag, Abgrenzung, Kommanditistenhaftung

3.1 Da die dingliche Wirkung der Übertragung nicht zum Stichtag, sondern erst zum Übertragungszeitpunkt eintritt (vgl. § 5), werden sich die Parteien im Innenverhältnis so stellen, wie sie stehen würden, wäre die dingliche Wirkung zum Stichtag eingetreten.

3.2 Insbesondere, ohne Einschränkung des allgemeinen Grundsatzes nach vorstehendem Absatz soll Folgendes gelten:

[…]

b)

Die Parteien sind verpflichtet, im Innenverhältnis Lasten aus der Kommanditistenhaftung nach §§ 171 ff. HGB nach Maßgabe der Stichtagsabgrenzung zu tragen. Für Umstände, die die Kommanditistenhaftung vor dem Stichtag begründen, steht der Verkäufer ein, für Umstände, die die Kommanditistenhaftung ab dem Stichtag begründen, steht der Käufer ein. Die Parteien stellen sich insoweit wechselseitig frei […].

In § 4 heißt es schließlich wie folgt:

Der Verkäufer garantiert dem Käufer im Wege eines selbständigen Garantieversprechens, dass die nachfolgenden Angaben zum Stichtag und zum Übertragungszeitpunkt zutreffend sind:

[…]

c)

Die auf die Beteiligung entfallende Pflichteinlage ist – vorbehaltlich zeitlich nachfolgender Auszahlungen – anfänglich vollumfänglich geleistet worden […].

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertragstextes nebst allgemeiner Vertragsbedingungen wird auf die als (Anl. K1, Anlagenband „Aktivseite“) zur Akte gereichte Kopie derselben verwiesen.

Auch über weitere Schiffsbeteiligungen schloss der Beklagte mit der Klägerin gleichlautende Kaufverträge. Er vereinbarte mit einer „Ergänzungsvereinbarung“ zu den Kauf- und Übertragungsverträgen 6959-6967 – unterzeichnet am 28.08./29.08.2008 – Modalitäten, mit denen sich der Kaufpreis der einzelnen Verträge ändern sollte, wenn der Beklagte eine der Gesellschaften nicht übertragen würde oder von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen würde. Zu einer Anwendung dieser Regelungen kam es indes nicht.

Am 19.04.2014 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Nordenham (Az. 7 IN 12/13) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der streitgegenständlichen Beteiligung eröffnet und Herr Rechtsanwalt Dr. L aus S zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser forderte von der Klägerin Rückzahlung der auf ihre Beteiligung in der Vergangenheit ausgezahlten Beträge, die nicht durch Gewinne der Gesellschaft abgedeckt waren.

Derartige Auszahlungen hatte zuvor der Beklagte i.H.v. 288.000,00 EUR erhalten.

Die Klägerin forderte daraufhin unter dem 11.06.2015 den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 14.07.2015 zur Rückzahlung dieser 288.000,00 EUR wahlweise an die Klägerin oder den Insolvenzverwalter auf. Der Beklagte zahlte hierauf nicht.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin durch Zahlung an Herrn Rechtsanwalt Dr. L als Insolvenzverwalter der MS „C“ Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. Reederei KG, Handelsregister Amtsgericht Osnabrück HRA xxx geschäftsansässig C-Straße, M, i.H.v. 288.000,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 15.07.2015 und dem Nachweis dieser Zahlung freizustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, dass zwischen den Parteien vereinbart worden sei, dass Chancen und Risiken nach dem Vertragsschluss voll und ganz bei der Klägerin liegen sollten.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S2 und T2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll zur mündlichen Verhandlung am 24.01.2017 (Bl. 240 ff. d.A.) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Der geltend gemachte Freistellungsanspruch folgt aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Kauf- und Übertragungsvertrag vom 25.08./26.08.2008, dort insbesondere § 3, Ziff. 3.2 lit. b). Eine vom klaren Wortlaut ausgehende Auslegung dieser Vorschrift nach dem objektiven Empfängerhorizont ergibt, dass im Innenverhältnis der Parteien untereinander den Verkäufer die Kommanditistenhaftung insoweit treffen soll, als für die Haftungsbegründung Umstände maßgeblich sind, die vor dem Stichtag liegen und (nur) im Übrigen den Käufer.

So liegt es – im tenorierten Umfang – hier. Die unstreitig von dem Beklagten aus dem Gesellschaftskapital vor dem Stichtag erhaltenen Auszahlungen i.H.v. insgesamt 288.000,00 EUR begründen gem. §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB die Haftung des Gesellschafters, weil diese Ausschüttungen dazu führten, dass der Kapitalanteil des Gesellschafters um eben diese Summe unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert wurde.

Nachdem die Gesellschaft insolvent geworden war und der Insolvenzverwalter von der Klägerin u.a. diesen Betrag eingefordert hat, ist der Beklagte entsprechend zur Freistellung verpflichtet.

Eine derartige vertragliche Regelung ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Insbesondere verstößt sie weder gegen § 173 HGB, da sie nur das Innenverhältnis betrifft, noch stellt sie eine unangemessene Benachteiligung oder überraschende Klausel im Rahmen einer durchzuführenden Inhaltskontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dar. Der Sinn und Zweck der Regelung, dass jeder das von ihm verantwortete Risiko trägt, ist relativ leicht nachzuvollziehen und war auch – wie dieser in seiner Vernehmung ausdrücklich eingeräumt hat – dem Zeugen T2, welcher den Vertrag für den Beklagten mit aushandelte, bekannt.

Die Regelung ist auch nicht durch anderweitige vertragliche Vereinbarung abbedungen. Hierfür gibt es keinen relevanten Anhaltspunkt.

Entgegen der Ansicht des Beklagten sind für den Kauf und die Übertragung die jeweiligen Einzelverträge maßgeblich und nur ergänzend die „Ergänzungsvereinbarung“ hinsichtlich etwaiger – nicht eingetretener – nachträglicher Änderungen am Gesamtvolumen der verkauften Beteiligungen. Insbesondere aber ist diese Ergänzungsvereinbarung nicht derart alleinmaßgeblich, dass durch ihren Abschluss der Inhalt der einzelnen Kaufverträge einschließlich der Allgemeinen Vertragsbedingungen quasi aufgehoben worden wäre. Hierfür gibt es keinen Anhaltspunkt. Schon die Überschrift als Ergänzungsvereinbarung widerspricht dem. Diese Vereinbarung nimmt zudem Bezug auf die einzelnen Verträge, indem sie etwa anführt: „Sollte ein Kauf- und Übertragungsvertrag […] widerrufen werden […]“. Sie setzt deren weiteren Fortbestand mithin voraus.

Schließlich gab es auch keine entsprechende mündliche Nebenabrede. Insbesondere steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest, dass die Klägerin dem Beklagten zugesichert hätte, dass sie ab dem Vertragsschluss alle Chancen und Risiken der streitgegenständlichen Beteiligung trägt. Die von der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagtenseite erbotenen Zeugen haben diese Beweisbehauptung nicht bestätigt. Insbesondere hat der an den eigentlichen Verhandlungen stärker beteiligte Zeuge T2 glaubhaft angegeben, dass zwar über die Klauseln in den §§ 3 und 4 der Allgemeinen Vertragsbedingungen mit dem Vertreter der Klägerin gesprochen worden sei. Abweichende Vereinbarungen hierzu wurden ihm zu Folge jedoch nicht getroffen. Es war aus seiner Sicht vielmehr von Anfang an klar, dass ausschließlich der Kaufpreis verhandelt wird zu den von der Klägerin vorgegebenen Vertragsbedingungen. Anderes war aus Sicht des Zeugen von ihm auch nicht geschuldet. Er hat bekundet, dass er als Nicht-Jurist ohnehin eine Prüfung der Bedingungen nicht hätte vornehmen können. Dennoch hat er – und dies steht zum vorgenannten nicht im Widerspruch – den wirtschaftlichen Sinn und insbesondere auch den groben Unterschied der Regelungen in den §§ 3 und 4 verstanden. Bezüglich der Garantie aus § 4 erhielt der Zeuge T2 sogar von dem Vertreter der Klägerin eine Erläuterung dahingehend, dass die Garantie abverlangt würde, weil man schlechte Erfahrung gemacht hätte. Er fand die Erläuterung nachvollziehbar und die Regelung als fair, weswegen er nicht einmal Rücksprache mit dem Beklagten nahm, obwohl er nicht wusste, ob das Anfangskapital vollständig geleistet wurde. Er ist vielmehr ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass der Beklagte den Betrag im Fall der Fälle erstatten würde, weil dies auch wirtschaftlich betrachtet die richtige Lösung sei. Dass § 3 in Abgrenzung dazu eine Regelung für den Fall, dass die Hafteinlage durch spätere Auszahlungen wieder unterschritten würde enthielt, war dem Zeugen bewusst. Die Aussage des Zeugen ist glaubhaft. Sie war, soweit der Zeuge sich erinnerte, detailreich und nachvollziehbar. Erinnerte der Zeuge sich nicht oder nicht genau – was in Anbetracht des Zeitablaufs lebensnah erscheint –, gab der Zeuge dies stets an. Die Aussage ist in sich widerspruchsfrei und wird von den Bekundungen des Zeugen S2 gestützt, welcher ebenfalls – nicht minder glaubhaft – bekundet hat, dass der Kaufpreis und nicht die Vertragsbedingungen verhandelt worden seien.

Der als Nebenforderung geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus Verzug gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB, nachdem der Beklagte auch auf die ihm im als Mahnschreiben anzusehenden Schreiben vom 11.06.2015 gesetzte Frist bis zum 14.07.2015 nicht reagierte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 709 ZPO.

II.

Der Streitwert wird auf 288.000,00 EUR festgesetzt.

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